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84. Donnerstag, den U. Juli. 1876. Frankenberger Nachrichtsblatt und Bezirksanzeiger. Amtsblatt der Königl. Amtshauptmannschaft Flöha, des Königl. Gerichtsamts und des StadtratHS zu Frankenberg. Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich 1j Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Pojl-Erpebuwucn. Bekanntmachung. Nach 8 18, Absatz 3 des Gesetzes vom 9. Januar 1876, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste (Reichsgesetzblatt Seite 4), dürfen die beim Inkrafttreten dieses Geses vorhandenen, bisher rechtmäßig angefertigten Vorrichtungen zur Herstellung von Werken der bildenden Künste, z. B. Formen, Platten, Steine, Slereotypabgüsse u. s. w. auch fernerhin zur Anfertigung von Exemplaren benutzt werden, selbst wenn ihre Herstellung nach dem Gesetze vom 9. Januar 1876 untersagt ist; die Vorrichtungen müssen aber amtlich mit einem Stempel versehen werden. Wer sich im Besitze derartiger Vorrichtungen befindet und dieselben noch ferner zur Herstellung von Exemplaren benutzen will, hat daher die Vorrichtungen bis zum 30, September 1876 einschließlich der Polizeibehörde seines Wohnortes oder desjenigen Ortes, an welchem seine Firma eingetragen ist, vorzulegen. Es wird dies für die Interessenten in denjenigen Orten des hiesigen amtshauptmannschaftlichen Bezirkes, in welchen die revidirte Städte ordnung nicht eingeführt ist, mit dem Bemerken hiermit noch besonders bekannt gemacht, daß die Vorlegung der betreffenden Vorrichtungen an Canzleistelle der unterzeichneten Amtshauptmannschaft zu erfolgen hat. Flöha, am 15. Juli 1876. Königliche Amtshauptmannschaft. von Weiffenbach. Z. Bekanntmachung. Der Weber und Landwehr-Unteroffizier Carl Ferdinand Rüdiger hier ist heute von uns als Raths- und Polizeidiener an- und in Pflicht genommen worden. Frankenberg, am 15. Juli 1876. Der Stadtrat h. ' Meltzer, Brgrmstr. Die Agrarier, i. KV Nicht leicht fand wohl in den letzten Mona ten eine ParteibezeichnunKöftere Erwähnung in der Presse aller Farben als die der Agrarier. Wenn die Stärke dieser „Steuer- und Wirthschafts- reformer", wie sie sich selbst nennen, oder der Agrarier, jedenfalls wegen der damit verbunde nen einseitigsten, wenn auch falschen Interessen vertretung der bezeichnendere Name, dem Lärm entsprechen würde, den sie von sich machen und der von ihnen gemacht wird, so könnten sie allerdings die Verschiebung im parlamentarischen Parteiwesen hervorbringen, die von einigen Seiten als von ihnen ausgehend vorhergesagt wird. Die Agrarier haben aber durchaus nicht, weder nach ihrem Programm. noch nach den Personen, die sich zu demselben bekannt haben, irgend welche Aussicht, es zu einer bedeutenden Macht im parlamentarischen Leben zu bringen. Hierüber geben uns u. A. zwei Broschüren Klar heit, die gleichzeitig in unsre Hände gelangen; es ist der officielle Verhandlungsbericht der Agrarier über ihre Zusammenkunft in Berlin vom 22. bis 24. Februar 1876 mit dem Ver- zeichniß der Mitglieder als Anhang, und die so eben in Berlin erschienene liberale Broschüre „Die Agrarier, was sie versprechen und was sie sind", welcher Schrift wir in der Beleuch tung der genannten Partei folgen. Schon vor 3 Jahren machten sich im Wahl kampfe die agrarischen Bestrebungen bemerkbar, ohne es jedoch zu irgend einem Erfolge zu brin gen. Heute treten die altconservativen Groß grundbesitzer Preußens, von denen sich jedoch die Mehrzahl des Adels und die bedeu tendsten Großgrundbesitzer fern halten, sowie Vertreter unseres sächsischen Particularismus (zum Ausschuß der Agrarier gehören aus Sach-, sen: Nr. Frege-Abtnaundorf, von Friesen-Rötha, der Redacteur der Neuen Reichszeitung von Ungern-Sternberg, und Herr von Zehmen- Stauchitz), die Welfen von Hannover und der kurfürstliche Adel von Hessen mit verstärkten Anstrengungen auf den Kampfplatz, um mit ihrem Programm, in welchem Wahres und Fal sches, Erreichbares und Uebertriebenes durch einander gemengt ist, den Landmann zu gewin nen, dessen Interessen sie zu verfolgen vorgeben, während sie in Wahrheit nur ihrem Junker regiment wieder zur politischen Herrschaft ver helfen wollen. Wir suchen vergebens in der Liste der Agrarier nach hervorragenden wissen schaftlichen Namen, oder nach Praktikern, die sich wirklich durch Wahrung der Interessen der Landwirthschaft, ihres Vereinswesens u. f. w. bekannt gemacht haben. Die agrarischen Führer haben im Gegentheil die Interessen der Land wirthschaft u. A. dadurch schwer geschädigt, daß sie in den „landwirthschaftlichen Kongreß" Un frieden und Spaltungen brachten, so daß die bewährten Freunde der Landwirthschaft: von Benda, Fürst Hohenlohe-Langenburg, von Ra benau, v. d. Goltz, Wagner, Griepenkerl, Scipio u. s. w., also besonders hochangesehene süd deutsche Männer, dem widerwärtigen Treiben Derer, die den Haß zwischen Stadt und Land schüren, durch ihren Austritt aus dem Congreß den Rücken kehrten. Wir schließen für heute mit dem charakteristischen Unheil, welches einer der genannten Männer, Freiherr v. d. Goltz, bekannt durch seine Arbeiten auf dem Gebiet socialer und wirthschaftlicher Fragen, in der Zeitschrift Concordia (^Z vom 24. Juni) über die Agrarier fällt. „Die Agrarpartei vertritt lediglich die In teressen der Großgrundbesitzer und zwar, wie ich hinzusetzen muß, nicht die wirklichen, sondern die vermeintlichen. Sie hat kein Verständniß für die Interessen des Standes der mittleren und kleinen Grundbesitzer und noch viel weniger für die der arbeitenden Klasse; sie verkennt voll ständig den Zusammenhang der Landwirthschaft und der Industrie und daß das Gedeihen Beider sich gegenseitig bedingt. Das Streben der Agrar partei geht dahin, die großen Grundbesitzer zu dem Stande zu machen, dessen Interessen und Wünsche für die wirthschaftliche Politik des Staates lediglich maßgebend sein sollen. Durch diese ihre Einseitigkeit und ebenso durch die Art ihres Auftretens hat sie sich die Sympathien nicht blos der Glieder aller übrigen Berufs arten, sondern der Mehrzahl der Landwirthe selbst verscherzt. Mit ganz geringen Ausnah men setzt sich die Agrarpartei aus Großgrund besitzern des nordöstlichen Deutschlands zusam men, und auch letztere wollen nur in ihrer ge ringen Minderzahl von den Agrariern etwas wissen. Von den in weiteren Kreisen bekannten norddeutschen Landwirthen gehören blos sehr wenige zu den Mitgliedern der Vereinigung der Steuer- und Wirthschaftsreformer. Daß letz tere überhaupt noch so viel Theilnahme gefun den, liegt lediglich daran, daß das landw. Ge werbe einige begründete Beschwerden, welche in dem Programm der Agrarier andeutungsweise Aufnahme gefunden haben, allerdings geltend machen kann. Manche der zur Agrarpartei ge hörenden Landwirthe sind derselben sicherlich nur aus dem Grunde beigetreten, weil sie hoffen, auf diese Art am ehesten eine Abhilfe ihrer ge rechten Beschwerden zu erreichen. Das Ziel der die Agrarpartei heherrschenden Männer ist aber offenbar ein ganz anderes. Letztere sind die geistigen, zum Theil wohl auch die leiblichen Verwandten derjenigen Männer, welche nach Beendigung der Freiheitskriege eine Reactign gegen die preußische Agrargesetzgebung der Jähre 1807 bis 11, und zwar nicht ohne Erfolg, in's Leben riefen, sowie derjenigen, welche wiederum nach dem Jahre 1850 eine rückläufige Bewe gung unserer politischen und wirthschaftlichen Entwickelung herbeizuführen wußten. Ein volles Verständniß für die Bestrebungen und Ziele der Agrarier ist nur zu gewinnen, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt einer politischen Partei betrachtet, welche sich wohl bewußt ist, daß große politische Macht und großer wirth schaftlicher Besitz sich stets gegenseitig bedingen." OertlicheS und Sächsisches. Frankenberg, 19. Juli. — Wir haben bereits vor einiger Zeit kurze summarische Mittheilung über die Resultate der letzten Volkszählung vom 3. Decbr. 1875 ge geben, wie auch bei zweiter Gelegenheit die Städte bis zur Einwohnerzahl von 5000 mit den betr. Zahlen gebracht. Heute können wir, nachdem soeben vom königl: statist. Bureau zu Dresden die «Generalübersicht sämmtlicher Ort schaften des Königreichs Sachsen" herauSgegebm