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FrankenbergerWrichMlatt und Bezirksanzciger. Amtsblatt der König!. AmtShauptmannschaft Flöha, des König!. Gerichtsamts und des StadtratHS zu Frankenberg. Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich Mark. 3» beziehen durch alle Buchhandlungen und Post-Expeditionen. Bekanntmachung. Vom diesjährigen Gesetz- und Verordnungsblatt sind das 9. und 10. Stück erschienen, welche zur Einsicht« nähme an Rathsstelle ausliegen. Darinnen ist enthalten: 47. Decret, eine Abänderung der mittelst Decrets vom 29. März 1870 bestä tigten Verfassung der evangelisch-reformirten Genieinden im Königreiche Sachsen betreffend; vom 6. Juni 1876. 48. Verordnung, einige Abänderungen der über die Anstellungsprüsungen für den niederen Staatsforstdienst erlassenen Verordnung vom 18. August 1871 betreffend; vom 14. Juni 1876. 49. Verordnung, die weitere Ausführung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 betreffend; vom 15. Juni 1876. 50. Bekanntmachung, eine Anleihe der Seifersdorfer Papierfabrik betreffend ; vom 16. Juni 1876. ^8 51. Decret wegen der Concessionirung der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahngesellschaft zum Betriebe der Bahnstrecke von der Sächsisch-Preußischen Landesgrenze bei Schkeuditz bis Leipzig; vom 24. Juni 1876. 52. Bekanntmachung, die Uebernahme der Sächsisch-Thüringischen Eisenbahn durch'den Königlich Sächsischen Staat betreffend; vom 27. Juni 1876. 53. Bekanntmachung, die Uebernahme der Verwaltung der Leipzig- Dresdner Eisenbahn durch die Staatseisenbahnverwaltung betreffend; vom 28. Juni 1876. 54. Landtagsabschied für die Ständeversamm ¬ lung der Jahre 1875 und 1876; vom 1. Juli 1876. Desgleichen ist das 13. und 14. Stück des Reichsgesetzblattes eingegangen. Darinnen ist enthalten: 1134. Erlaß, betreffend das oberste Militärgericht für Marinesachen; vom 23. Mai 1876. 1135. Bekanntmachung, betreffend die Erweiterung von Festungsanlagen; vom 7. Juni 1876. 1136. Bekanntmachung, betreffend die Ernennung eines Bevollmächtigten zum Bundesrath; vom 13. Juni 1876. Frankenberg, am 7. Juli 1876. DerStadtrath. Meltzer, Brgrmstr. Wochenschau. v. U. 0. „Die Kriegsfurie ist an der Donau los." Die vor aller Welt Augen betriebenen panslavistischen Agitationen haben die Fürsten von Serbien und Montenegro veranlaßt, der Pforte den Krieg zu erklären, und der Beginn unserer Berichtswoche sah die Eröffnung der Feindseligkeiten. Die türkischen Machthaber ha ben geglaubt, auf den Vortheil des Angriffs verzichten zu müssen, damit vor Europa unzwei deutig festgestellt werde, daß die Vasallenstaaten es gewesen, welche den Frieden gebrochen haben. Die türkische Armee erwartete deshalb sowohl von Serbien als von Montenegro her den Vor stoß der feindlichen Truppen. Erst nachdem dies erfolgt war, betraten auch die muselmän nischen Colonnen den Boden der aufständischen Fürstenthümer. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, gewann alsbald das Wort des Fürsten Bismarck „gelogen wie telegraphirt" neue Be stätigung. Vorpostenscharmützcl wurden in den beiderseitigen Berichten zu entscheidenden Schlach ten, die Besetzung eines mauerumgebenen Ge höftes zur wichtigen Eroberung aufgebauscht. Die kampfgerüsteten Heere hatten noch kaum Zeit, zweitausend Schüsse auf einander abzufeuern, und schon meldete jede Partei, daß die andere zweitausend Mann verloren. Die Türken sind im Erringen telegraphischer Siege keine Neu linge, aber im Lügen sind ihnen die Serben doch noch „über". Aus den bisherigen Kriegs- bülletin-Phantasien ist nichts Gewisses herans zuerkennen, als daß Gefechte von Bedeutung noch nicht vorgefallen sind, daß ein solches sich jedoch für die nächsten Tage vorbereitet. Deutschland ist von den europäischen Staa ten bei den Vorkommnissen im Orient am wenig sten interessirt. Wir würden den Krieg in den türkischen Grenzstaaten ganz unbeachtet lassen können, brächte derselbe nicht eine mehr oder weniger drohende Gefahr eines Großmachtscon- flictes, bei welchem in Neutralität zu verharren, unsere Lage nicht minder als unsere Beziehun gen verbieten würden. Wiewohl die Mächte übereingekommen sind, den serbisch-montenegri nischen Aufstand als eine innere Angelegenheit der Türkei, welche keine Einmischung von Außen zuläßt, zu betrachten, so bleibt doch die That- sache bestehen, daß jener Aufstand eine interna tionale Äedeutung hat, und daß die Bedingun ¬ gen der Friedensvereinbarung ohne die Geneh migung der Großmächte nicht festgestellt werden können. — Nach dieser einen Richtung also ist die deutsche Politik interessirt, im Uebrigen ruhen alle politischen Geschäfte. — Aus den deut schen Einzel st aaten ist gleichfalls kein Ereig- niß von Bedeutung zu melden, als daß in Sach sen der Landtag geschlossen worden und in Baiern die Abgeordnetenkammer durch ihre Parteispaltung noch immer nicht zu gedeihlicher Thätigkeit kommen kann. Der österreichische Staat ist namentlich in seiner ungarischen Hälfte durch die Vorkomm nisse an seiner südöstlichen Grenze in fieberhafte Erregung versetzt worden. Zum ersten Male nach dem Zustandekommen des nun fast zehn Jahre alten Ausgleichs fühlt Ungarn, daß es für sich allein keine Existenzberechtigung hat und daß seine Zugehörigkeit zu dem österreichischen Gesammtstaate ein Glück ist. Im südlichen Un garn regt sich gewaltig das numerisch sehr starke lerbische Element, das von den Magyaren bis lang eine recht stiefmütterliche Behandlnng er fuhr. Im Banat wiein der Militärgrenze häufen sich die Kundgebungen für die Stamm genossen, welche jenseits der Grenze den Kampf gegen den nationalen und Glaubensfeind ausge nommen haben und wo es irgend angeht, wird den Serben thatkräftige Unterstützuug. Offenbar hoffen die ungarischen Serben, daß, wenn erst der türkische Feind besiegt und Serbien durch den Zuwachs Bosniens gekräftigt ist, die Tage des altserbischen Kaiserreichs bald wiederkehren und sie selbst in den Schooß dieses großen Slavenreiches ausgenommen werden. Die Ma gyaren sind dieser Gefahr gegenüber durchaus nicht blind. Der ungarische Minister des Innern hat deshalb die Beamten angewiesen, mit aller Strenge darüber zu wachen, daß nichts geschehe, was dem befreundeten türkischen Staate zum Schaden sei, etwaige Versuche aber alsbald den Gesetzen gemäß bestraft werden. Daß die un garische Regierung zu einem entschiedenen Vor gehen entschlossen ist, beweist die in Neusatz voll zogene Verhaftung des Reichslagsabgeorvneten Miletic, der im ungarischen Rüchslage die Rechte der Serben vertrat und jetzt die Bewegung zu deren Gunsten leitete. Die gesammte ungarische Presse verlangt stürmisch, daß eine Vergrößerung Serbiens in keinem Falle geduldet und die Tür kei in ihrem Besitzstände geschützt werde. Die serbischen Insurgenten vergelten diese Abneigung mit offener Gewalt. So mußte «in österreichi scher Bugsirdampfer auf der Donau umkehren, weil serbische Truppen durch anhaltendes Gewehr feuer ihn dazu zwangen. Selbstverständlich hat der österreichische Generalkonsul in Belgrad Ge- nugthuung verlangt. Frankreich hat aus der orientalischen Frag» wieverholt Veranlassung genommen, im Interesse des Friedens Vorschläge zu machen. Dieselben zielten auf die Einberufung von Großmachts- conferenzen ab, wurden jedoch von England ver worfen. Die Sympathien Frankreichs sind bei den Türken, dafür spricht wenigstens der Um stand, daß die Werbungen und Sammlungen für Serbien untersagt worden sind. — Die Kammersitzungen der vergangenen Woche warm überaus stürmisch. Die Radikalen hatten einen Antrag eingebracht, die Urheber und Mitschul digen an dem Staatsstreich vom 2. December 1851 vor Gericht zu stellen. Die Bonapartistm hatten mit einem gleichen Antrag in Bezug auf die Männer des 4. September 1870 geantwor tet. Nicht ohne Mühe gelang es dem Präsiden ten Grevy, durch unparteiische Vertheilung von Ordnungsrufen die erregten Gemüther zu be ruhigen. Griechenland, dessen Königs paar trotz der kritischen Zeitverhältnisse es vorzieht, Europa zu durchreisen, hat die Hoffnung der Serben und Montenegriner auf ein Zusammengehen mit ihnen getäuscht. Die Regierung hat erklärt, unbedingt Frieden mit der Pforte halten zu wollen. Auch Rumänien bewahrt eine strenge Neu tralität. Nach Ausbruch der Feindseligkeiten ist das an der serbischen Grenze stationirte Observationscorps bedeutend verstärkt worden. Die Abneigung gegen Serbien entspringt in dem Lande des Fürsten Karl einer lebhaften Eifersucht. Rumänien weiß, daß es an dem vergrößerten Serbien einen stets unruhigen und zur Vergewaltigung geneigten Nachbar haben würde. Selbst Egypten will der Pforte Heeressolge leisten und ein Contingent von 12,000 Mann stellen, wie wohl es dazu nur dann verpflichtet wäre, wenn die Türkei einen auswärtigen Feind, nicht aber aufständische Vasallen zu bekämpfen hätte. Bei den kaufmännischen Talenten des Vizekönigs ist es selbstverständlich, daß diese