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den Amtsblättern unbedingt und zunächst zu veröffentlichen sind, und dem nächsten Landtage eine Vorlage zu machen; c) hierdurch die Pe tition des Rathes und der Stadtverordneten der Stadt Leipzig für erledigt zu erachten. In der Begründung dieses Deputationsantrages wird mit gesagt, daß die neuen gesetzlichen Bestim mungen auch festzustellen haben, datz einem Blatt nicht ohne erhebliche Gründe und nicht ohne ein gewisses gesetzlich geregeltes Verfahren die Eigen schaft des Amtsblattes entzogen werden könne. Daß auch die Justizbehörden bei der Bestim mung der Amtsblätter zu Rathe zu ziehen feien, wurde als selbstverständlich erachtet. — In der Debatte bricht Abg. Krause eine Lanze für das Leipziger Tageblatt anläßlich der diesem widerfahrenen Entziehung des Amtsblattcharak ters, wogegen v. Oehlschlägel und Schaffrath der Regierung völlig Recht in dem Vorgehen gegen-das gedachte Blatt geben. Biedermann wünscht, daß nicht bloße Amtsblätter creirt werden, sondern daß aus Blättern, die an sich durch ihren Inhalt bereits ein Publikum haben, eines durch den Bezirksausschuß als Amtsblatt auSgewählt werde; es würden dann auch manche von den in Sachsen viel zu zahlreich vertretenen Localblättern verschwinden. Das formelle Recht der Regierung in Bezug auf ihr Vorgehen ge gen das Leipziger Tageblatt habe er nie be stritten. Minister v. Nostitz-Wallwitz glaubt nicht, daß mit dem Bestehen der Amtsblätter, wie sie jetzt sind, so große Uebelstände verbun den find. Amtsblätter ohne Text würden auf dem platten Lande und in den kleinen Städten gar nicht gelesen werden und so ihren Zweck verfehlen. Das Vorgehen der Regierung gegen das Leipziger Tageblatt rechtfertigend, bemerkte der Minister, ohne das Recht, den Character als Amtsblatt einem Organ zu entziehen, könne die Regierung nicht existiren. Der Deputations antrag wird schließlich einstimmig angenommen, nachdem die Deputation »ul» ». die Worte: „auf sich beruhen, diese Anträge jedoch" fallen gelaffen. — Die Kammer sprach hierauf die Justification der vom Landtagsausschuß zur Ver waltung der Staatsschulden auf die Jahre 1871j72 abgelegten Rechnungen aus und beschloß mit 45 gegen 31 Stimmen auf den anderweiten Bericht ihrer Finanzdeputation über das Ein nahmebudget, entgegen den Beschlüssen der Er sten Kammer bei den ihrigen stehen zu bleiben und die ErhebungderEinkomm ensteuer im Jahre 1877 wieder abzulehnen. Den Vorschlägen der Vereinigunasdeputation über die Gewährung von Beihülsen an Angehörige der Reserve und Landwehr, sowie über einige Differenzen in Bezug auf die Budgetvorlage trat die Kammer bei und ließ endlich Petitionen mehrerer höherer Post- und Militärbeamten um Pensionserhöhung auf sich beruhen. In der nächsttägigen Sitzung bewilligte die Zweite Kammer 15,000 M. zu Gesandtschafts- Msen. Eine belebte Debatte rief eine Petition des Ausschusses des Eisenbahnreformvereins, die Beseitigung von Mißständen im Eisenbahnwesen Deutschlands durch Erlaß eines Reicheisenbahn gesetzes betreffend, hervor, deren Resultut war, folgenden Theil der Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu empfehlen: daß dieselbe den ihr zustehenden Einfluß im Bundesrathe des deutschen Reiches nicht blos in negativem Sinne, zur Abwehr unerwünschter Veränderungen, son dern zugleich positiv zur Förderung solcher Re formen im Eisenbahnwesen verwenden möge, welche die in Art. 4 der Reichsverfaffung ver heißene Aussicht über das Eisenbahnwesen „im Interesse des allgemeinen Verkehrs" zu einer wirksamen zu machen und dem Publikum statt des allgemeinen Programms, welches Abschnitt VII der Reichsverfaffung in Betreff des Eisen bahnwesens enthält, in bestimmt formulirten gesetzlichen Bestimmungen einen festen Anhalt für die Wahrung seiner Rechte und Interessen darzubieten geeignet sind. Zu Mitgliedern des StaatSgerichtshofs wählte die Kammer: Adv. Heubner, Oberappellations- rath Otto und Justizrath Kohlschütter in Dres- den; zu. Stellvertretern: Adv. Demper in Wer dau und Bürgermeister vr. Hertel in Dresden. In der Sitzung vom 20. Juni lehnte die Erste Kammer den Gesetzentwurf über den Ur kunden- und Erbschaftsstempel mit 19 gegen 17 Stimmen ab und ertheilte sodann nach dem Vorgänge der Zweiten Kammer der Staatsre gierung die Ermächtigung, die von derselben vorgelegte, von der Kammer gegen die Beschlüsse der Zweiten Kammer in nur drei Punkten ge änderte Gebührentaxe für die Kostenberechnungen der Verwaltungsbehörden erster Instanz im Ver ordnungswege zu publiciren. Dem von der Zweiten Kammer angenommenen Anträge des Abg. v. Hausen, die Regierung zu ersuchen, Er örterungen über das Bedürfniß zu einem Wald schutzgesetze im Lande anzustellellen und den Kammern darüber Mittheilung zu machen, tritt die Kammer nach kurzer Debatte bei und wählt schließlich zu Mitgliedern des Staatsgerichtshofs auf die Zeit bis zum Schluffe des nächsten ordent lichen Landtags: wirkt. Geh. Rath v. Wächter in Leipzig, Finanzprocurator Beschorner und Advokat Strödel in Dresden, zu deren Stell vertretern die Hofräthe v. Könneritz in Dresden und Weber in Bautzen. OertlicheS und Sächsisches. Frankenberg, 21. Juni. — Im Schlegelschen Gasthofe in Sachsenburg findet morgen, Donnerstag, von Abends H 8 Uhr an eine Versammlung für Mission statt, bei welcher der im Interesse des Centralvereins für Judenmission reisende Missionar Herr Eisenberg aus Erlangen über die Missionsarbeit an dem Volke Israel einen Vortrag halten wird. Der Ortsgeistliche, Herr?. Mahn, ladet alle Freunde der Missionssache zu dieser Versammlung ein. — Der am Sonntag in der Nachbarstadt Mitt weida abgehaltene Sängertag des erzgebirgischen Sängerbundes ist unter Betheiligung von etwa tausend Sängern und eines zahlreich herbeige strömten Publikums beim günstigsten Wetter in ungestörter Weise verlaufen. Vertreten waren: Chemnitz mit 13, Frankenberg mit 3, Limbach mit 2 Vereinen, Schloß-Chemnitz, Zwickau, Hohen stein, Ernstthal, Rochlitz, Röhrsdorf, Kappel, Einsiedel, Neukirchen, Glösa, Neustadt, Wüsten brand, Schönau, Mülsen St. Jacob und Hart mannsdorf. In der am Sonnabend abgehaltenen Sitzung des Bundesvorstandes und der Dele- girten der einzelnen Vereine wurde u. A. be schlossen, Herrn Adv. Priber hier für seine Ver dienste als Vorstand des Ausschusses zum Ehren mitglied zu ernennen. Die in voriger Woche als angeblich aus zu verlässiger Quelle stammend verbreitete Nachricht über die Zeit des Rücktritts des Finanzministers v. Friesen und die anderweite Besetzung seines Postens wird jetzt wieder, allerdings ebensowenig amtlich, als unbegründet bezeichnet und erklärt, daß bestimmte Mittheilungen noch nicht gemacht werden können. Die am 19. und 20. d. M. erfolgte Zeich nung auf die neue sächsische 3procentige Rente hat an allen, auch den auswärtigen, Zeichnungs stellen eine lebhafte Betheiligung des Publikums ergeben. k -V. Leipzig, 16. Juni. Gestern Abend entwickelte Herr Bebel in der hiesigen Tonhalle vor zahlreicher Zuhörerschaft in ziemlich drei stündigem Vortrag das Programm der socialisti- fchen Partei und zeichnete damit das öde Bild seines Zukunftsstaats, welcher als schwindelhaft große Aktiengesellschaft nach Enteignung allen Kapitals, allen Privatbesitzes den Landbau, die ganze Industrie, den gesammten Handel mit eisernster Büreaukratie selbst in die Hand nehmen soll. Treffend wurde kürzlich schon diese von den Gleichheitsaposteln beabsichtigte „Gründung" einer großen Weltfabrik gegeißelt, und die Führer jener umsturzsichtiaen Partei glauben selbst wohl kaum an die Ausführbarkeit diese- mit Worten so bequem zu construirenden Baues. * Angesichts jedoch der Rührigkeit, der Anstrengungen der gutdiSciplinirten Gegner ist mit Hinblick auf die zu Beginn des nächsten Jahres stattfindenden Reichstagswahlen auch jetzt schon von Zelt zu Zeit ein Weckruf an die reichstreue Bevölkerung eine ernste Pflicht unsrer Presse. „Organisirt Euch", wird den Arbeitern zugerufen vom hie sigen „Volksstaat", von dem Hauptorgan der Partei, welche das angeblich vorhandene „Dop peljoch der Classenherrschaft und politischen Knecht schaft zerbrechen" will, also die Hand gierig „aus streckt nach den lockenden Früchten des Siegs". Wohlan, rühren auch wir uns, die wir aus tiefster Ueberzeugung festhalten an der überlie ferten Ordnung der Gesellschaft, an der Herr schaft der Bildung, an den Gütern der Gesittung, an Eigenthum und Ehe; halten wir das Be wußtsein in uns wach, daß die Socialisten alles dies uns rauben wollen, daß sie sich jedem Fortschritte, jeder Verbesserung im Rahmen des vorhandenen Staatslebens entgegenstemmen, um die Unzufriedenheit der von ihnen beeinflußten Kreise zu pflegen, die schlimmsten Leidenschaften des focialen Neids und Klassenhasses zu wecken. Wenn wir so den Zielen der socialistischen Par tei: Einziehung des gesammten Kapitals, Ab schaffung des Erbrechts, willkürliche Lösbarkeit der Ehe u. s. w., wie sie in ihren Versammlungen und in ihrer Presse offen bekannt werden, klar in das abschreckende Gesicht schauen, so wird jeder Gutdenkende sich gedrängt fühlen, jenen verderblichen und verbrecherischen Jrrthümern besonders bei der so leicht mißleiteten, noch nicht zur männlichen Reife gelangten Jugend belehrend und ermahnend entgegen zu treten und sie da rauf hinzuweisen, daß das einzige Heil in der pflichtbewußten Arbeit liegt, in dem Streben, sein Loos aus eigner Kraft zu verbessern. Nicht darf in der jugendlichen Brust das pessimistische und die Trägheit fördernde Gefühl emporwuchern, daß ein gesellschaftlicher Zustand je die Rührig keit des Einzelnen überflüssig machen wird; nicht aufkommen darf das häßliche Gefühl des Neides gegen äußerlich Bessergestellte, welches dem So- cialimus seine Anhänger zuführt. — Wenn nun aber die Agitationen dieser erbittertsten Feinde des Deutschen Reichs, in welchem sie das gefähr lichste Bollwerk gegen ihre Pläne mit Recht er kennen, in erster Linie zur Rührigkeit in Wort und That mit Bezug auf die Organisation der rechtstrenen Elemente für die künftige Wahl mahnen, so ist doch auch das Treiben der an dern Parteien, welche unser Staatswesen politisch oder wirthschaftlich zu gefährden und zu schädigen im Stande sind, mit allen Kräften zu bekämpfen. Im Vordergrund alles Trachtens steht das na tionale Princip, die Sorge um die Erhaltung und den freitlichen Ausbau des Reichs; möge es auf dieser Grundlage der ernsten und politi schen Arbeit unserer Gesinnungsgenossen im Lande gelingen, die liberalen Elemente Sachsens bei den kommenden Reichstagswahlen zu kräftigem, siegreichen Auftreten zusammen zu fassen. Dem in voriger Woche verstorbenen Professor Wuttke ist rasch ein anderer hervorragender Vertreter der großdeutschen Demokratie im Tode, nachgefolgt: in Pest starb am 15. Juni der am längsten wegen seiner Betheiligung an dem Dres dener Maiaufstande im Zuchthaus zu Waldheim gefangen gehaltene vormalige Dresdner Kapell meister August Röckel. Von der Leipziger Garnison hat die Junihitze ein Opfer gefordert: am Montag früh brach ein 19jähriger Einjährig-Freiwilliger beim Exerciren in der Nähe von Connewitz plötzlich zusammen und verstarb, obwohl er sofort nach Connewitz gebracht wurde, wo sich Major v. Minkwitz seiner annahm und alle Versuche gemacht wur den, das Lebe» zu erhalten, im Nachmittag, ohne wieder ein Wort zu sprechen im Stande gewe sen zu sein. In Schneeberg feierten in voriger Woche 3 Bürger ihr goldenes Bürgerjubiläum: am 14. zwei Fleischermeister und am 15. ein Tuchhändler. Die durch viele sächsische Blätter und auch durch unser Blatt gegangene Nachricht von dem in voriger Woche erfolgten Tode des 99jShriaen Chirurgen Lederer tn Claußnitz bet Saida wird jetzt dem CH. Tgbl. von verschiedenen Seiten und auch von Lederer selbst als unbegründet