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Anlage m Ar 55 -cs Frankenberger Nachrichtsblattes 1876. ^ssss» , -»7? r? ^7^>'SS-----S^--S--^-SSLS-SS----------SS«-»-SS!S»SSS-SS»S-SSWS«LL-M>^»«^>M»WWWWWWWMSWSSMWMW»W»WW»WWWWM«»^^ Vom Landtage. In ihrer Freitagssitzung erledigte die Erste Kammer ohne wesentliche Debatte das Budget der Staatseinkünfte mit Ausnahme der auf die directen Steuern bezüglichen Positionen nach den in der Hauptsache mit den Beschlüssen der Zwei ten Kammer übereinstimmenden Anträgen der Deputation. Den auf Verkauf, bez. Verpachtung oder Aufhebung der Hofapotheke und auf Auf hebung der Chausseegelder gerichteten Anträgen der Zweiten Kammer wurde die Zustimmung nicht ertheilt. In der Sonnabendsitzung trat die Erste Kammer den von der Zweiten Kam mer in Bezug auf die Geldbeschaffuug zur Deckung des Bedarfs des außerordentlichen Budgets für die Finanzperiode 1874,75 nnd die Geldbeschaf fuug zur Tilgung einer schwebenden Schuld, so wie zur Deckung der außerordentlichen Ausgaben in der Finanzperiode 1876,77 (Emission einer 3procentigen Rentenauleihe) gefaßten Beschlüssen nach kurzer Debatte einstimmig bei, ebenso dem Beschlusse der Zweiten Kammer bezüglich des Gesetzentwurfs zur Ausführung des Reichsge setzes über den Unterstützungswohnsitz, worauf noch einige Petitionen erledigt wurden. Die Zweite Kammer erledigte in ihrer letzten vorwöchentlichen Sitzung, am Freitag, 10 Peti tionen von Stadt- und Gemeinderäthen rc., die zumeist Berücksichtiguug bei Errichtung neuer höherer Schulanstalten rc. erbaten. Für unsern Leserkreis ist von 'diesen Petitionen nur die des Kirchenvorstands zu St. Jacobi in Chemnitz von Interesse: daß in der zu errichtenden Super- intendentur Chemnitz nur die vier Gemeinden St. Jacobi, Johannis, Petri und Pauli einge rechnet, die Amtshauptmannschaft Flöha dagegen zu einem eigenen Ephoralsprengel constituirt werde. Der Chemnitzer Abgeordnete Zeuner beantragte dazu, die Kammer möge der Regie rung empfehlen, in die zu errichtende Stadtsuper- intendentur Chemnitz nur die 4 genannten Ge meinden einzurechnen. Der Kultusminister von Gerber bemerkt, das Ministerium habe sich be strebt, die Ephoralbezirke mit den Verwaltungs bezirken thunlichst in Einklang zu bringen. Die Petition werde wahrscheinlich auch der Synode zugehen und dort würden die kirchlichen Inter essen der Petenten zu berücksichtigen sein. Abg. Schieck empfiehlt, im Interesse des amtshaupt- mannschaftlichen Bezirks Flöha, die Petition, für die sich auch Abg Biedermann verwendet, der Regierung zur Erwägung zu übergeben. Schließ lich wird der Deputationsvorschlag, die Petition auf sich beruhen zu lassen, gegen 4 Stimmen angenommen. Die zweite Kammer hielt am Montag allein Sitzung ab, in der sie über den Bericht über die zur Fortführung der Bauten für die Verlegung der Dresdner Militäretablissements geforderten 6 Mill. M. und die von ihren Beschlüssen hier über abweichenden der Ersten Kammer verhan delte. Eine Minderheit der Finanzdeputation empfahl, bei den in unseren Landtagsberichten in Nr. 25 mitgetheilten Beschlüssen stehen zu bleiben, eine Mehrheit derselben empfahl Beitritt zu den Beschlüssen der Ersten Kammer hierüber (s. Nr. 43 d. Bl.), was auch erfolgte, nachdem Abg. Minckwitz bemerkt, daß es in finanziellem Interesse wünschenswerth ist, die betr. Bauten so bald als irgend möglich zu beenden und Staatsminister v. Fabrice die Hoffnung aus gesprochen, daß der nächste Reichstag die Mittel zum Bau einer Jägercaserne bewilligen werde: mit diesen Mitteln würde man dann im Stande sein, ein neues Lazareth zu bauen und das bis herige Hospital in eine Jägercaserne umzuwan deln. Ohne Debatte wird hierauf ein Berech nungsgeld von 25,009 M. zu Bauherstellungen im Schlosse Hubertusburg verwilligt. Es han delt sich dabei um Sicherung des Gebäudes und der nahe gelegenen Gebäude der dortigen Lan desanstalt gegen Feuersgefahr. Die Unterhal tung des Schlosses ist dem Staate allein anheim gefallen, seitdem das Kriegsministerium auf die Benutzung desselben zu verzichten beschlossen hat. Schließlich wird noch der Antrag des Abg. v. Hausen, den Erlaß eines Waldschutzgesetzes betreffend, nach längerer Debatte für eine der nächsten Sitzungen in Schlußberathung gestellt. Der Antragsteller bemerkt, die Debatte einleitend, die Anregung zu dem Anträge sei die jährlich größer werdende Zunahme kahler Bergabhänge und die elementaren Ereignisse des letzten Jah res, sowie die gleichartigen Vorgänge der preu ßischen Gesetzgebung, für welche namentlich die liberale Partei dort sich interessirt hätte. Der Staat habe freilich sich zu hüten, in die Gebah- rung des Privateigenthums einzugreifen, indeß könne andererseits der Staat ohne die Unterord nung des Individuums uicht bestehen und wenn man in dieser Beziehung doctrinär werde, laufe das Land Gefahr zu verarmen. Wenn auch die Staatswaldnngen noch so gut verwaltet seien, so gebe es doch noch genug Privatwälder zu schützen, zumal die Staatswaldungen bei Weitem nicht in dem Maße sich vermehren, als sich die Privatwaldungen vermindern. Es sei das dringendste Bedürfniß vorhanden, diese Frage gesetzlich zu regeln im Interesse der Regulirung der Bewässerung, sowie der Hemmung der fort schreitenden Unfruchtbarkeit geneigter Flächen. Seit 1843 seien mindestens 22,000 Acker ab geholzt, wovon jetzt 7000 Acker wüst liegen. Das sei ein höchst bedenklicher Zustand, der sich noch rapid verschlimmern werde, wenn man nicht einmal energisch eingreife. Das Streben müsse sich also darauf richten» die Bewaldung der Bergabhänge zu sichern, den Bestand größerer Waldcomplexe zu sichern und wüste Strecken auf zuforsten. Es komme im gegenwärtigen Augen blick nur darauf an, der Sache, die das größte Interesse habe, einmal unbefangen näher zu treten und das zu veranlassen, sei einziger Zweck des Antrages. In der Dienstagssitzung verwies die Kammer ein Dekret, durch welches die Gesetzvorlage über die Oberrechnungskammer zurückgezogen und ein Nachpostulat von 18,350 M. zum Etat der Oberrechnungskammer einaebracht wird, nach kurzer Debatte an die Gesetzgebungsdeputation. Weiter nahm die Kammer den Regierungsent wurf eines Gesetzes über die Schonzeit der Reb hühner mit beträchtlichen, von den Abgg. Mai, Petri und v. Hausen beantragten Erweiterungen an; unter denselben befindet sich ein Verbot des Fangens und Feilbietens von Lerchen, Ziemern und Drosseln. Einen Antrag der Abgg. Leh mann, Schaffrath und Genossen auf ein Ge setz wegen Beschränkung polizeilicher Ausweisun gen bestrafter Reichsangehöriger beschloß die Kammer in einer der nächsten Sitzungen in Schlußberathung zu nehmen. Zwei Petitionen aus Schandau wegen Concession zur Errichtung einer Dampfschiffverbindung zwischen der Stadt Schandau und dem neu anzulegenden Bahnhofe am Rietzschgrunde übernzies die Kammer der Regierung zur Kenntnißnahme. Die Erste Kammer genehmigte in der Diens tagssitzung den Etat der Landes-, Heil-, Straf- und Versorgungsanstalten mit einer einzigen Ab weichung übereinstimmend mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer und beschloß, der Regie rung zur Erwägung zu geben: ob nicht die klei neren Anstalten zusammengelegt oder vergrößert werden könnten, um dadurch die Errichtung neuer Anstalten zu umgehen. Zu der Position „extraordinärer Aufwand" ist in dem von Rit ¬ tergutsbesitzer Seiler verfaßten Berichte wegen Ueberschreitungen früher bewilligter Postulate die Erwartung attsgesprochen, daß die Regierung künftig derlei Ueberschreitungen vermeioe und nur nlit gründlich erwogenen Plänen vor Kammer treten werde. Minister v. Nostitz-Wall«" witz erklärt diesen Tadel für das Stärkste, wa- je in einem Berichte der Ersten Kammer ent halten gewesen sei; die Regierung müsse sich tief verletzt fühlen. Die gerügten Ueverscheitungen bei Umbauten von Strafanstalten seien durchaus rationell, andrerseits aber nicht vorauszusehen gewesen. Die zn den durch die ReichsjustiM« setzgebung uöthig werdenden baulichen Verän derungen vorhandener Gerichtsgebäude gefor derte Dispositionssumme von 600,650 M. wird nach dem Vorgänge der Zweiten Kammer jedoch mit der Maßgabe genehmigt, daß diese Summe in das ordentliche Budget eingestellt werden soll. Die Kammer beschloß hierauf noch, die Regierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfs zu ersuchen, durch welchen der Art. 380b derrevidirtenStraf- proceßordnung aufgehoben wird. Justizminister Abeken theilte mit, daß ein Gesetzentwurf der gewünschten Art in den nächsten Tagen an die Kammer gelangen werde. Heute, Mittwoch, findet in der Zweiten Kam mer die wichtige Verhandlung über den Ankauf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn statt. Eine Ma jorität von 10 Mitgliedern der Finanzdeputation empfiehlt den Ankauf, eine Minorität von 8. Mitgliedern die Ablehnung desselben. Soeben ist auch noch ein den Ankauf der: Chemnitz-Aue-Adorfer Eisenbahn durch den Staat betreffendes kgl. Dekret erschienen ; die Regierung beantragt, ihr die Ermächtigung zu ertheilen, die Bahn sür den vorläufig berechneten Kauf preis von 22,339,200 M. für den Staat zu er« werben. (Man spricht auch bereits vom Erwerbe der Sächsisch-Thüringischen Eisenbahn (Gera-Plauen) und der Muldenthal - Eisenbahn durch den Staat.) Vermischtes. Die Erzählung von dem Mann mit der ver schluckten Gabel ist vielfach als Fabel bezeichnet worden. Jetzt wird sie, als zu Ende geführt, wieder in die Erinnerung gebracht und als wahr bestätigt. Der junge Mann, ein Commis in Paris, gab am 4. März 1874 seinen Tisch genossen, wie öfter, ein Kunststück zum Besten; er nahm eine Gabel von seinem Gedeck, steckte sie tief in den Hals hinunter,' daß man sie kaum mehr sehen konnte und hielt sie nur durch einen leichten Druck der Mundhöhle fest. Ein Ka merad brachte ihn damals zum Lachen und die Gabel fuhr im Nu hinunter in den Magen. Ein Jahr lang genirte ihn die Gabel wenig, dann aber desto mehr, er wurde kränklich, me lancholisch und endlich ging er zum besten Ope rateur, Di-. Labbs, und fragte, wie ist zu heh i fen? Der Doctor untersuchte ihn, fand, daß die Spitzen der Gabel in der Magenwand fest saßen, und beschloß, sie herauszuziehen. Er berieth sich, wie er der Akademie kürzlich berichtet hat, mit seinen früheren Lehrern, den vvn. Gosselin und Larrey, über das geeignetste Verfahren, und) man gab schließlich der Operation durch Aetz«: mittel vor der Operation mit dem Messer den Vorzug. Am 9. April d. I. wurde der Patient in Gegenwart der beiden genannten und zwet anderer Aerzte mit Chloroform eingeschläfertß Als die Aetzmittel nicht genügend wirkten, half ihnen Un. Labbe mit einem Schnitt in den Unterleib nach, machte dann eine Oeffnung von einem Centimeter in den Magen und steckte den Zeigefinger der linken Hand hinein, bis er auf