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mit der Sächsisch-Böhmischen und Sächsisch- Schlesischen Bahn in einem inneren Zusammen hang stehen und darum müsse man wünschen, sie auch in dieselbe Verwaltung zu bringen. — Fahnauer: ist der Ansicht, daß die Frage eine politische Beachtung verdiene. Was aber die finanzielle Seite anbetreffe, so würde man mit der Leipzig-Dresdener Bahn ein Object, das seit jeher nur 7H trage, mit 10 K Rente kaufen. Dazu komme, daß die Staatsverwaltung, in deren Besitz man jetzt das Eisenbahnwesen brin gen wolle, sich niemals geneigt gezeigt habe, die Interessen des Publikums, die Forderungen des Landtages zu befriedigen. Es sei nicht gerecht fertigt, zu dem bereits bestehenden Beamtenheer noch 6000 Beamte hinzuzufügen und der Re gierung das Eisenbahn-Monopol in die Hände zu spielen. Weiter gehe damit der bisherige Steuerertrag aus den Eisenbahnen verloren. Die Rentabilität der Staatsbahnen werde hier, wie überall, in Zukunft abnehmen und hieraus schließlich ein Deficit entstehen. Redner fragt, ob die Abgeordneten, welche Leipzig-Dresdner Bahnactien besitzen, sich der Abstimmung ent halten würden? — Präsident Haberkorn er klärt, er habe nicht das Recht, die Abgeordneten zu fragen, ob sie Actien besitzen. Das Recht,, hier abzustimmen, hänge hiervon nicht ab. Nach früheren Vorgängen sei dies zulässig. Hier werde sich überhaupt Jeder lediglich die Frage nach Pflicht und Gewissen zu beantworten haben, ob der Ankauf im Interesse des Staates liege oder nicht. (Lebhafte Zustimmung.) — Starke- Mittweida hält das in Aussicht genommene Ge schäft materiell auch nicht für glänzend, glaubt aber, daß anderweite Vortheile groß genug seien, um den Ankauf doch zu bewirken. — May: Früher sei man des Lobes voll gewesen für das gemischte Eisenbahnsystem, jetzt plötzlich gehe man mit Siebenmeilenstiefeln in das Staatsbahnsystem hinein. Das sei doch eine wunderbare Logik. Habe man in Berlin wirklich mit den sächsischen Eisenbahnen Arges im Sinne, so werde dagegen der Ankauf der L.-Dr. Bahn auch nicht schützen, an sich aber habe derselbe die größten finanziel len Bedenken und sei deswegen abzulehnen, denn die Bahn werde in Zukunft eine 10procentige Rente nie mehr abwerfen, und diese sei doch nöthig, um die Zinsen für das Capital zu decken. Die Rente werde in 4 bis 5 Jahren auf dem selben Niveau stehen, wie bei unseren Staats bahnen, das ist auf 5z pCt. Es werde somit etn Deficit entstehen und die Regierung schließ lich auf den Säckel der Steuerzahler greifen müssen. Bedauerlich sei die Stimmenhascherei, welche in dieser ganzen Angelegenheit stattge funden habe. (Zustimmung.) Redner hofft, daß in dieser Frage Jeder im Interesse der Steuerzahler stimmen werde. Günther glaubt nicht, daß der Ankauf der Bahn der Regierung eine gar zu große Stärkung ihrer Macht bringen werde. Dagegen fürchtet er mit Penzig, daß die Erweiterung des Bahn systems eine Abnahme der Rentabilität herbei führen könne. Die Unternehmungen, in welchen die Bahn jetzt engagirt ist, der Einsturz der Rie saer Brücke, die verminderten Einnahmen der Bahn in der letzten Zeit stellen keine große Ren tabilität in Aussicht. Die Bereitwilligkeit der Gesellschaft, die Bahn zu verkaufen, spreche eben falls nicht dafür. Die Millionen, welche dieses Unternehmen fordere, haben etwas Erschrecken des für den Redner. Er hat aus diesen Grün den große Neigung gegen den Ankauf, kommt aber darauf, wie er sagt, auf die Vorderseite der Medaille zu sprechen. Er tröstet sich damit, daß die Rentabilität durch die Anschlüsse nach Böhmen doch steigen würde, der Effect des Rie saer Unglücks sei nicht so bedeutend, als man glaube, kurz, der Redner bemüht sich, das, was er im ersten Theil seiner Rede selbst angeführt, als Schwarzseherei darzustellen und erklärt zu letzt, daß seine Äähter sich für den Ankauf er klärt; er werde daher, wenn auch schweren Her zens, für denselben stimmen. — vr. Kraus» führt aus, daß die Frage des Erwerbs der Bahn keine politische sei. Solle der politische Vortheil, woran er nicht glaube, darin bestehen, der maß gebenden Reichspolitik entgegenzutreten, so würde damit dem sächsischen Staat ein sehr schlechter Dienst geleistet werden. Das. Wohl desselben verlange vielmehr bei dem engen Verhältniß der Staaten zu einander in Deutschland den engsten Anschluß an die Centralleitung. Sei dies aber so, so bleibe hier schließlich nur noch ein sehr schlechtes, finanzielles Geschäft übrig, welches zu machen man sich nicht bereit finden lassen dürfe; man könne unmöglich derartige Opfer bringen im Interesse einer bloßen Ein bildung, eines leeren Traumes; dazu sei die finanzielle Lage Sachsens jetzt schon nicht mehr angethan. — Uhlemann ersieht aus dem Dekret, daß der Ankauf der Bahn keine großen Verluste im Gefolge haben könne und hält die Konsoli- dirung des sächsischen Bahnsystems für noth wendig. Die finanziellen Gründe sind für ihn Nebensache; er stimmt aus politischen und wirth- chaftlichen Gründen für die Vorlage. — Oeh- nichen: gegen die Vorlage aus finanziellen Rück- "ichten, welche hier ausschlaggebend seien, wäh rend er die politische Seite für nebensächlich -alte. In kurzer Zeit werde die Leipzig-Dres dener Eisenbahn billiger zu haben sein. Finanzminister v. Friesen: Die Regierung ;abe sich nicht auf den politischen Standpunkt gestellt, sondern die Frage nur im Interesse der Bevölkerung behandelt. Es sei als Fehler seit langen Jahren bezeichnet worden, daß die Re gierung nicht von vornherein diese Leipzig-Dres- zener Bahn in die Hand genommen habe (Zu stimmung). Gegen den Vorwurf der Geheim niskrämerei bemerkt der Minister, daß es viel leicht besser gewesen wäre, wenn die Regierung die Sache von Anfang an noch geheimer betrie ben hätte. Auf die Einwände der Minderheit bezüglich der voraussichtlich geringer werdenden Rentabilität übergehend, meint er, die letzten Jahre, in denen eine allgemeine Geschäftsstockung herrschte, könne man nicht als niaßgebend an nehmen. Vom Standpunkte der Rentabilität sei es besser, die Leipzig-Dresdner und sächsischen Staatsbahnen, die in Bezug auf ihre Ertrags fähigkeit sehr von einander abhängen, zu ver einigen. Dies sei ein in anderen Ländern viel fach gebräuchliches System. Wolle man aber einmal kaufen, so müsse das jetzt geschehen; denn einmal werde der Brückenbau bei Riesa in der Hand des Staats billiger bewirkt werden können; weiter müsse diese Brücke von ihrer jetzigen Stelle verlegt, also auch alle Geleise verlegt werden und hierbei könne am Besten eine Ver einigung der Bahnhöfe hergestellt werden. Wenn die Regierung in ihrer ersten Präposition andere Ziffern gebracht habe, als in der gegenwärtigen Vorlage, so liege das daran, daß es sich damals um einen Gegenvorschlag gegen die Proposition der Gesellschaft handelte, jetzt aber habe man sich einfach zu entscheiden, ob man kaufen wolle oder nicht. Und wenn der Preis auch hoch sei, so sprechen doch die genügend vorgebrachten Gründe für den Ankauf, um dessen Genehmigung die Regierung ersuche. Walter: für den Ankauf, um dem Reichs- eisenbahnproject ein Paroli zu bieten. — Kir bach : Bei Walter seien die politischen Maßregeln maßgebend, während sich die Minderheit der Deputation auf wirthschaftliche und finanzielle Gründe stützt. Zur Beurtheilung der Rentabi lität seien wir auf die wirklichen Reinerträgnisse hinqewiesen und eine eingehende Berechnung weife nach, daß die Befürchtungen wegen einer Abnahme des Erträgnisses der Bahn gerecht fertigt sind. Nach einer kurzen Erwiderung des Ministers auf die Einwendungen des Vorred ¬ ners gegen Lie Berechnung der Regierung be merkt Grahl gegen Kirbach: Trotz tU schlechten Geschäftsganges der letzten Jahre weise de^W- schäftsbencht der Leipzig-Dresdner Bahn nicht einen Rückgang, sondern Fortschritte in finan zieller Beziehung nach. Er hätte gewünscht, daß man die Sache nicht so hastig betrieben hätte. ' ) Während dieser langen Debatten sind drei Schlußanträge gestellt, aber abgelehnt wor den. Nachdem noch die beiderseitigen Referen ten ihre Schlußbemerkungen gemacht, wird zur Abstimmung verschritten, die zum eingangs erwähnten Resultate führte. Für den Ankauf stimmten die Abgg. Adler, Barth (Radebeul), Barth (Stenn), Beeg, Mh- nisch, v. Bosse, Bunde, v. Ehrenstein, Grahl) Grünler, Günther, Präsident Haberkorn, Häckel, Hartwig, v. Hausen, vr. Heine, Heymann, Israel, Käuffer, Klopfer, Kökert, v. Könneritz, Kreller, Leutritz, Mehnert, vr. Meischner, vr. Minckwitz, v. Oehlschlägel, Päßler, Or Pfeiffer, Philipp, Querner, Richter (Baselitz), Richter (Tharandt), Or. Schaffrath, Scheller, Schmidt, Schreck, Schu- mann, Starke (Mittweida), Starke (Schmölen), Strauch, Streit, Uhlemann, Vodel, v.. Wagner, Walter, Werner und Zumpe. Gegen den Ankauf stimmten die Abgg. Fah nauer, Fröhner, vr. Gensel, Großmann, Heinze, Kirbach, Körner, Kramer, Krause, Kretzschmar, Lehmann, Leuschner, May, Oehmichen, Penzig, Petri, Riedel, Schieck, Stauß, Uhle, Winkler-, und Zeuner. ' Die Erste Kammer wird sich bereits heute Freitag, mit derselben Frage beschäftigen. Ihr Beitritt zu dem Beschlusse der Zweiten Kammer ist zweifellos. In ihrer Donnerstagssitzung er ledigte die Erste Kammer eine Reihe von Pe titionen. ' OertltcheS und Sächsisches. Frankenberg, 12. Mai. — Zum ersten Male tagt heute und morgen, der Verband dec sächsischen Vorschußvereine in unserer Stadt, bei welcher Gelegenheit diese auch, wie wir schon früher erwähnten, den verdienst vollen, von allen Volks- und Vaterlandsfreun den hochgeschätzten Schöpfer des deutschen Ge nossenschaftswesens, Herrn Neichstagsabgeordneten vr. Schulze-Delitzsch, gleichfalls zum ersten Male in ihren Mauern zu sehen die Freude hat. Die Ankunft des gefeierten Gastes wird heute Abend H7Uhr erwartet. Die Verhandlungen des mor genden Tages sind öffentlich und beginnen früh 8 Uhr im Saale des Gasthofes zum Schwarzen Roß. Nach einer Mittheilung des statistischen Bü- reaus an das Dr. Journ. hat die Volkszählung vom 1. December 1875 für das Königreich Sachsen in Summa 2,760,416 Bewohner erge ben (gegen 2,556,244 bei der Zählung von 1871). Die Zahl der bewohnten Hausgrund stücke betrug 263,320 (gegen 252,310 bei der Zählung von 1871). Nachdem der bisherige Vertreter des 14. säch sischen Reichstagswahlkreises, .Herr v. Könneritz,. durch seine Beförderung zum Kreishauptmann in Leipzig nach Reichstagsbeschluß sein Mandat niedergelegt, ist die Ersatzwahl für den 15. Juni anberaumt worden. Die socialdemokratische Partei wird für dieselbe einen Candidaten nicht aufstellen, da das Mandat des Neuzuwählenden Ende dieses Jahres bereits wieder erlischt. Vergangenen Sonntag feierte der Kirchschul lehrer Schubert in Dorfchemnitz unter allgemei ner Theilnahme sein 50jähriges Berufsjubiläum. Erwürbe am 7.Mai 1826 daselbst in sein Amt eingewiesen und hat von dieser Zeit ab in dem selben Hause und in derselben Schülstube 50 Jahre unterrichtet. Von allen Einwohnern des Orts, die bei seiner Einweisung 1826 zugegen waren, lebt nur noch ein einziger Gutsbesitzer^