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Schlafkammer und an das Bett der Bartmuß «treten. Diese habe ihren Vater nach dem Gründe seines Kommens befragt, unmittelbar darauf habe sie aber auch einen Schrei auSge- stoßen und es seien zwei Schläge zu hören ge wesen. Der junge Bartmuß will sich in der Annahme befunden haben, der Vater schlage die Tochter niit der Hand in das Gesicht; etwas Weiteres habe er nicht gesehen, weil er die Bett decke über das Gesicht gezogen habe. Einige Minuten nachdem der Bater Bartmuß eilig aus der Kammer fortgelaufen und aus dem Bett der Sophie Bartmuß ein Röcheln zu vernehmen gewesen, sei nun der jüngere Bartmuß aus seinem Bett empor gesprungen, habe Lärm gemacht und seinen Vater in der unteren Stube, aus einer Wunde am Halse blutend, am Tische stehend vorgefunden. Auf den Lärm kamen Leute hin zu, es wurde der Ortsrichter und der Arzt ge rufen und constatirt, daß die Gutsbesitzerin Bart muß todt, ihr Vater zwar schwer, aber nicht lebensgefährlich verwundet sei. Das Beil und das Barbiermefser, mit denen der Mord verübt worden, fand man im Hausflur und in der Stube. Der alte Bartmuß ist von seinen Ver letzungen so weit wieder hergestellt, daß er ver nommen werden konnte. Hierbei hat er bekannt, daß er seine Tocher erschlagen und dann Hand an sich selbst gelegt habe. Trotzdem ist der von der Staatsanwaltschaft verhaftete Sohn in Haft behalten worden, da er der Mitwissenschaft ver dächtig erscheint und den Mord nicht verhinderte. Bei Colditz spielten kürzlich mehrere Knaben auf einem Felde mit Schießpulver. Beim An zünden desselben verbrannte sich ein Knabe so heftig, daß er am andern Morgen nach schweren Leiden gestorben ist. -4—r- Politische Wochenschau vom 13. bis 20. August. In der verflossenen Woche war in Deutsch land das Hauptaugenmerk auf die inzwischen vielfach besprochene und geschilderte Enthüllung des Arminius-Denkmals bei Detmold. Sonst hat in der Woche kein deutsches Land Bemerkens- werthes erfahren. Der Mittelpunkt des öffentlichen Interesses ist augenblicklich die Türkei, die endlich An stalten zu treffen gezwungen ist, den beiläufig stark um sich greifenden Aufstand in der Herze gowina niederzuwerfen. Oesterreich hat ein zu lebhaftes Interesse an der Ruhe in jenen zünd stoffreichen Gegenden, und ist, da es die andern Militärmächte, Deutschland und Rußland auf seiner Seite hat, nicht saumselig, einen Druck auf den schlaffen Kranken zu üben. Graf Zichy soll eine energisch gehaltene Note nach Konstan tinopel gebracht haben, ja man spricht sogar davon, daß in der Note dem Sultan ein Ter min gesetzt sei, bis zu welchem er die Rebellion bewältigt haben müsse. Wenn wir von der Türkei und dem in Mit leidenschaft gezogenen Oesterreich absehen, ha ben die übrigen Länder Europas im Laufe un serer Berichtswoche wenig von sich reden gemacht. Frankreich hat zwar jetzt seine General- räche versammelt, aber diese haben noch kein bemerkenswerthes politisches Lebenszeichen von sich gegeben. In England haben die Lords und Commoners ihre legislatorische Thätigkeit, die in dieser Ses sion trotz der befriedigenden von der englischen Presse ausgestellten Zeugnisse nicht sehr bedeu tend war, aufgegeben und befinden sich jetzt ent weder an der Seeküste oder in Schottland auf der Birkhuhnjagd oder endlich in luxuriösen Jachts auf der See. Die bei Denen, die es haben können, sehr beliebten Jachtfahrten sind aber nicht ganz ungefährlich, wie dies der Be sitzer der „Mistletoe" und die Königin Victoria zu ihrem Leidwesen in dieser Woche erfuhren. Ein Zusammenstoß genannter Jacht und derjenigen, der Königin kostete drei Personen am Bord dtr „Mistletoe" das Leben und verursachte der Kö nigin und Men beiden, jüngsten Kindern sehr aufregende und schmerzliche Stunden. Das vom Marschall Mac Mahon gefällte Urtheil über das Besitzrecht an der Delagoa-Bai in Südafrika hat m England unangenehm berührt. In der That ist eS merkwürdig, daß nunmehr schon das dritte Schiedsgericht gegen England sich er klärt bat, das nach den Erfahrungen mit der Alabama-, San Juan- und Delagoa-Bai-Frage von Schiedsgerichten vielleicht Nichts mehr dürfte wissen wollen. Die Presse, selbst die liberalste, ist etwas ungehalten über solches Pech, und die freundnachbarliche Entscheidung in Fällen, wie die erwähnten, sind bei ihr sehr in Mißcredit gerathen. In Spanien stellen sich die Chancen für Alfonso, wenn man den von dort hierher ge langenden Nachrichten glauben darf, von Tag zu Tag besser. Heute wollte die kgl. Armee die Festung Seu d'Urgel bestimmt in ihren Händen haben, bis jetzt ist indessen kein Telegramm an gelangt, das diese alfonststische Hoffnung bestä tigt. Im Uebrigen beschäftigt sich Don Alfonso mit Heirathsgedanken, und da von der Tochter des Herzogs von Montpensier die Rede ist, der dem Projekte günstig sein soll, so scheint an den Chancen wirklich etwas zu sein. TageSqeschichte. Deutsches Reich. Prinz. Karl von Baiern hat als ein menschen freundlicher und vorsorglicher Herr in seinem Testament den Wunsch ausgesprochen, daß nach seinem Tode keine Landestrauer stattfinden und kein Theater rc. geschlossen werden möge, und der König hat diesen Wunsch erfüllt. Die schöne Besitzung Tegernsee ist dem Herzog Carl Theo dor vermacht worden. Die frühere Nachricht über die dem greisen Bandel verwilligte Ehrengabe war nicht richtig. Der „Reichanzeiger" meldet: Se. Majestät der Kaiser und König haben dem Erbauer des Hermanns-Denkmales, Ernst v. Bandel, eine jährliche Pension von viertausend Mark aus Reichsfonds und für den Fall seines früheren Todes der Wittwe desselben eine ebensolche von zweitausend Mark aus demselben Fonds zu be willigen geruht. Der Magistrat von Frankfurt a. M. hat an die Bürger und Einwohnerschaft eine öffentliche Aufforderung gerichtet, nach dem Vorgänge der bedeutendsten Städte Deutschlands den 2. Sep tember alljährlich festlich zu begehen. Bisher schmollten die Frankfurter und wollten von einer Sedan-Feier Nichts wissen. — Die Zahl der Orte, welche, den Nationalfesttag feierlich begehen, wächst mit jedem Jahre und vermehrt die Er wartung, daß in nicht zu ferner Zeit der 2. September fürs ganze Reich ein geordneter Feiertag sein werde. KI. k. 6. Einen rauhen aber glänzenden Weg hat das deutsche Genossenschaftswesen zurückge legt, und mit Stolz darf es nach nunmehr 25- jährigem Bestehen auf denselben zurückblicken. Der Jahresbericht für 1873 schätzt die Gesammt- zahl der Genossenschaften auf 4100, die Mitglie derzahl auf 1,300,000. Die Geschäftsantheile der Mitglieder und die Reserven belaufen sich auf ca. 140,000,000 Mark und der 1873er Geschäftsverkehr auf ca. 2,250,000,000 Mark; allein bei den 834 Vorschuß-Vereinen, welche ihre Abschlüsse eingereicht hatten, waren 1873 für 276,750,000 Mark mehr Baarcredit gewährt worden, als im Jahre zuvor. In den letzten Tagen d. M. wird bekanntlich in München der allgemeine Verbandstag der deutschen Genossen schaften stattfinden und geichzeitig sollen das 25- jährige Jubiläum des Genossenschaftswesens und der 68. Geburtstag des Anwalts vr Schulze- Delitzsch gefeiert werden. Im deutschen Reich kommen Scenen vor, die gn Ereignisse jensests des Felsengebirges in Amerika, an kalifornische Zustände, erinnern. Seit Monatsfrist ist ein Theil der neuen Bahn linie Gera-Plauen eröffnet, aber eben nur ein Theil, der von Gera bis Greiz. Auf der an deren Strecke von Greiz bis Plauen spielten sich die Scenen ab, die ich eben kurz charakteri- sirte. Die Bahnlinie ist nämlich fertig, aber der Bauunternehnier Ingenieur Voß in Gera will die Strecke nicht eher übergeben, als bis ihm die Gesellschaft, welcher die Bahn gehört, seine Forderungen erfüllt hat. Die Gesellschaft will aber die Linie in ihren Besitz bringen. Dies sucht nun Voß zu verhindern. Ausgestellte Posten des Bauunternehmers bewachen die Strecke. So bald irgend etwas Verdächtiges naht, wird diese Postenlinie alarmirt. Die Gesellschaft sucht nun Schienen zu legen, da diese zum Theil durch Arbeiter des Voß aufgerissen sind, um die fak tische Besitznahme zu verhindern; in nächtlicher Weile dampft eine Locomotive von Greiz heran, Arbeiter steigen aus Lowrys und Waggons und beginnen die Schienenlegung, aber kaum ist das Werk begonnen, so kommen die Vossischen Wäch ter heran und verhindern die Arbeit. Man bivouakirt in der Nacht an der Linie. Seit ein paar Tagen sind nun Gendarmen mit ge ladenen Gewehren an den bedrohten Stellen stationirt, um das Aufreißen der Schienen durch die Arbeiter des Ingenieur Voß, der, wie ge sagt, sehr beträchtliche Ansprüche — man spricht von einer Viertelmillion Thaler — an die Ge sellschaft zu haben behauptet, zu verhindern. Ein Reisender, der in Amerika war, meinte, daß er solche Zustände selbst an der Pacific-Bahn nicht gefunden habe. Die Krupp'sche Fabrik wird eine kolossale Kanone nach der Weltausstellung zu Philadelphia entsenden und sollte dieselbe an den Hamburger Quais eingeladen werden. Der zu diesem Be huf hier anwesende Vertreter der Krupp'schen Firma fand aber sämmtliche Krähne als unzu reichend, da der größte derselben nur 80,000 Pfd. heben kann. Die Kanone wiegt allein 110,000 Psd., die Lafette 80,000 Pfd., die Kurbel 50,000 Pfd. Hamburg muß daher da rauf verzichten, das Ungethüm zu befördern, welches jetzt in Bremerhaven verladen werden soll. Spanien. Don Carlos hat eine eigene Münzstätte in Onate errichtet und werden demnächst Gold-, Silber- und Kupfermünzen mit seinem Bildmß zur Ausgabe gelangen. Als Rundschrift ist ge wählt: patria Ke,' (Gott, Vaterland und König). Türkei. Eine amtliche Mittheilung legt dem Aufstande in der Herzegowina nur wenig Bedeutung bei und erklärt, die Regierung werde bald 18,000 Mann gegen die Aufständischen im Felde haben, sie wolle mit möglichst wenig Blutvergießen den Aufstand ersticken und sei deshalb Derwisch Pascha angewiesen, die Offensive zu ergreifen. Ueber die Insurgenten in der Herzegowina wird mitgethM: Sie sind durchaus nicht mit den Banden des spanischen Prätendenten Don Carlos zu vergleichen; die Disziplin derselben soll, Dank den vielen österreichischen Freiwilligen, die in ihren Reihen kämpfen, eine musterhafte sein. Die türkischen Soldaten sollen dagegen überall Beispiele echt türkischer Grausamkeit lie fern, Hütten niederbrennen, Weiber und Kinder mißhandeln und ihre Gefangenen in Stücke hauen. Serbien scheint recht aufstandslustig zu sein. Fürst Milan, der in Wien versprochen hat, sich ruhig zu halten, wurde bei seiner Rückkehr mit dem Rufe empfangen: Entweder Krieg mit den Türken oder mit dem eigenen Volke! Er hat bereits sene Minister wechseln müssen. Rutzlaud. In welcher Weise in Rußland die Fabrikation falschen Papiergeldes betrieben wird, bezeugt die Mittheilung, daß an die ruff. Reichsbank von der Zeit an, wo der erste falsche Rubelschein im Verkehr erschien, bis zum 1. Januar 1874