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Sächsische Staatszeitung : 29.03.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191603291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19160329
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19160329
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-03
- Tag 1916-03-29
-
Monat
1916-03
-
Jahr
1916
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 29.03.1916
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22r kaff? sich ereignet Hobe; eS sei aber bi'zum Augenblick cine Antwoit auf diese Anfrage von feiten der Reg crung noch nicht eingegangen. Bei Kap. 53 sei von ihm wieder auf die unzureichende Besoldung der Chemiker hingewicscn worden. Deren Arbeit in den Untersuchungsanstaltei» sei r icht nur anstrengend, sondern auch nichr ohne (Gefahr und vor allem auch sehr verantwortungs- voll. Nun sei ju beschlossen worden, daß während des Krieges Besoldungen nicht erhöht werden sollten, er hoffe ober bestimmt, daß nach dem Kriege der Kammer eine entiprcchende Vorlage zugchen werde, in der die Gchäiter der Chemiker neu und ihrer Stellung und Vorbildung entsprechend geregelt würden. Bei Kap. 54, den ambulatorischen Kliniken, sei der Wunsch erneut ausgesprochen worden, daß die Raume besser ausgestattet würden, daß überhaupt mehr Räume zur Verfügung gestellt werden möchten. Es sei auch bereits in der Crläuterungsjpalte von der Regierung selbst auf diesen früheren Wunsch der Depu- tation und des Lnndtags hmgewiesen werden. Cr »verde mit dem ausdrücklichen Bemerken erneuert, daß die Deputation auch eine Überschreitung des betreffenden Titels nicht zu beanstanden Hütte, wenn sich die Erweiterung und die Verbesserung der Räume als notwendig erweisen sollte, und er glaube, das sei doch der Fall. Tann habe sich die Debatte erstreckt anf eine Bemerkung bei Kap. 54 zu Titel 3. Bei diesem Titel 3 handle es sich um eine Einstellung für Krankenbetten zum Ersah der Kliniken der vor maligen Chirurgisch-medizinischen Akademie. Es seien bisher im ganzen 30 Krankenbetten vorgesehen gewesen. Tie Negierung aber habe beantragt, ein Bett zu streichen. Cs sei ihm diese Streichung des einen Krankenbettes bedenklich erschienen und so sei um Auskunft darüber ersucht worden. Ti Regierungserklärung dazu laute folgendermasten: „Im Mai 1912 hatte der Armen- versorgungSvcrem im AmtSgerichtsbezirke Meißen um Vermehrung der staatlichen Freiheiten in dem ihm gehörigen läi'dlicien Krankenhaus zu Meißen gebeten. Da nach der Entstehung der ganzen Einrichtung — Ersatz der Klinik der vormaligen Chirurgisch-medizinischen Akademie — eine Vermehrung der Betten kaum in Frage kommen konnte, und da bekannt war, daß Frei- bctten anderer Krankenhäuser schon seit Jahren nur sehr wenig in Anspruch genommen wurden, ist geprüft worden, ob nicht die dem Ministerium des Innern zur Unterbringung mittelloser Krank r in anderen Anstalten zur Verfügung stehenden Betten sich anders, und zwar so verteilen ließen, daß die Freiheiten im ländlichen Krankenhaus zu Meißen vermehrt werden könnten. Tie Prüfung ergab nach Gehör der bete ligten Gemeinden, daß mit Rückficht auf die geringe Be legung die staatlichen Freiheiten im Stadtkrankenhaus zu Freiberg unbedenklich von 6 auf 5 und ebenso im Stadtlrankenhaus zu Großenhain von 3 auf 2 herabgesetzt werden könnten. Infolge dessen ist je ein Freibett in den städtischen Krankcnhäuicrn zu Freiberg und Großenhain gestrichen worden. Das cjne ist dem läud chcu Krankenhaus in Meißen überwiesen, das andere in Wegfall gestellt worden. Dein Vorschlag, dieses Freiheit dem Bezirkskraakenhaus in Nossen zuzugestehen, konnte nicht näher- getreten werden, weil nach § 2 der Verordnung die zum Ersatz der klinischen Anstalten der vormaligen Chirurgisch-Medizinischen Akademie dienenden weiteren Einrichtungen betreffend vom 15. August 1872 nur Landgemeinden und kleinere, eines eigenen Krankenhauses noch entbehrenden Stadtgemcinden berücksichtigt werden sollen, dies aber bei Nossen nicht zutrifft." Auch hierzu habe er Bedenken geäußert, und die Deputation sei diesen Bedenken beigetreten. In der betreffenden Verordnung, die hier angezogen werde, sei es ja richtig, daß § 2 der Überweisung des Krankenbettes nach Nossen widerspreche. Aber in derselben Verordnung werde ja von der Negierung § 1 aufgehoben. I» § 1 dieser Verordnung werde nämlich bestimmt, daß im ganzen 30 Krankenbetten vor handen sein sollten. Er meine nun, wenn § 1 geändert werden könne, dann könne auch H 2 geändert werden, und die Depu tation spreche den einstimmigen und bestimmten Wunsch aus, daß dieses Krankenbett erhalten bleibe. Jni übrigen bitte er, die Kammer »volle beschließen: 1. bei Kap. 52, Landes-Gesundheitsamt, nach der Vorlage a) die Einnahmen mit 3950 M. zu genehmigen, d) die Ausgaben mit 113 678 M., darunter 850 M. künftig wegfallcnd, zu be willigen, v) die Vorbehalte zu Titel 9, 10 und 13 zu ge nehmigen; 2. bei Kap. 53, Hygienische üntersuchungsanstalten, nach der Vorlage n) die Einnahmen mit 43 200 M. zu genehmigen, d) die Ausgaben mit 132 619 M., darunter 11525 M. künftig wegfallcnd, zu bewilligen, e) die Vorbehalte zu Titel 7 bei Ab teilung und L zu genehmigen; 3. bei Kap. 54, Ambulatorische Kliniken (Polikliniken), Krankenbetten zum Ersätze der Kliniken der vormaligen Chi- rurgisch-medizinischcn Akademie, nach der Vorlage a) die Aus gaben mit 20 148 M. zu bewilligen, b) den Vorbehalt zu Titel 4 zu genehmigen. Abg. Bleyer (nl.): Tie Kammer habe die Erklärung der Regierung auf seine Anfragen, die er durch Vermittlung der Finanzdeputation ge stellt habe, gehört. In dieser Erklärung sage die Regierung, daß daß sie einen Lehrauftrag für Naturhcilkunde an der Landes Universität aus den Gründen, die sie bereits vor zwei Jahren bekannt gegeben habe und die auch im Bericht niedcrgelegt seien, nicht zukommen könne; dagegen solle eine etatmäßige außerordentliche Professur für Physikalische «Diätetische Therapie errichtet werden — das sei ein kurzer Titel! —, doch sei die Angelegenheit während des Krieges zurückgcstellt worden, zumal der in Aussicht genommene Hochschullehrer im Heeresdienste stehe. Er »volle nur hoffen, daß dieser Herr heil und gesund aus dein Kriege zurückkchre, und daß dann diese Angelegenheit so schnell als möglich gefördert »verden könne. Die Anhänger der Naturheilmcthode srentcn sich über diese Stellungnahme der Regierung und hätten auch nichts dagegen, daß an Stelle des deutschen Wortes „Naturheillehre" der Ausdruck „Tiätetische-Physikalische Therapie" gewählt werde. (Heiterkeit.) Ob man mit Hilfe der Naturheilmcthode oder mit Hilse dieses Fremdwortes die Bolkswohlfahrt zu fördern suche, sei vollständig gleichgültig. Den Anhängern der Naturhcilknnde komme es auf die Sache an, nicht ans das Wort. (Bravo!) übrigens hätte er yewttnscht, daß die Regierung an Stelle dieses Fremd wortes ein deutsches Wort gewählt hätte. (Sehr richtig!) Tie außerordentliche Professur »verde alfo, wie wohl alle hoffen dürsten, errichtet. Aber wie »väre cs, wenn er an dieses Ent gegenkommen der Regierung noch einen kleinen Wunsch an knüpfte, nämlich, wenn die Regierung auch einmal daran dächte, die Menschen überhaupt gesund zu erhalten. Es gebe doch nicht nur eine Kultur des Geflcs, sondern nach seiner Auffassung auch eine solche des Körpers, wobei er natürlich an Nagelpslcgc und an Eau de Cologne nicht zu denken brauche (Heiterkeit), und da meine er denn doch, daß auch diese Lehre, nämlich die Gesund heitslehre, wie er sie bezeichnen möchte, für unser Volk doch von außerordentlichem Rutzen, fast möchte er sagen von außerordent licher No'.wendigkcit wäre. Diese Professur zeige doch ein ge wisses Entgegenkommen auch an diejenigen Kreise, die bis jetzt in der Bewegung für Naturheilmcthode tätig gewesen seien, und eS sei fast, wenn er einen Ausdruck dafür gebrauchen dürfe, als ob eine Bresche gelegt sei in das Pharisäertum aller Zeiten. Nun habe die Regierung weiter geantwortet zu seiner An frage: Wie stehe eS mit den Geschlechtskrankheiten und wie würden sie bekämpft. Bei dieser Antwort stehe er allerdings der Negie- rungserllärung nicht so freundlich gegenüber, als er es in dem ersten Punkte getan habe. Die Geschlechtskrankheiten kämen ihm fast vor. wie ein „rühr mich nicht an". Durch viele Landtage hindurch habe er soivohl in der Deputation als auch hier im Hause auf diese große Not aufmerksam gemacht. Aber seme Anregungen Hütten noch keinen einzigen Widerhall gesunden. Er sei heute, wie er mit dem Hrn. Vizepräsidenten Opitz spreck-en möchte, an dem Ausgangspunkte seiner parlamentarischen Tätigkeit, vielleicht eines L<bcnS überhaupt, und möchte dock) diesen Zeitpunkt noch unmal in Anspruch nehmen, um vor dem ganzen Laud seine Ansichten übcr die Gcschlechtskranlhciten mitzuteilen. Tie „soziale hyg'cne", ein ganz neues Werl, sage zu diesen Geschlcchis- rantheitcn: „Zu den verheerendsten Krankheiten, an denen >ie Kulturvölker leiden, gehören die Geschlechlskranthcitcn röchst dem Alkoholismus und der Lungenschwindsucht." Wenn nun von berufener Seite diese Geschlechtskrank. Hellen mit einer solche»» Zensur bedacht würden, daun sollte mai» doch denken, daß auch Staat und Parlamente und alles sich mit dieser Frage eingehend beschäftigen müßten. Das ei aber nur in beschränktem Maße der Fall. In diesem Buche sehe, daß die Wirkungen auf viele inneren Organe außerordentlich verderblich seien. Man wisse, wie die Leber, die Nieren, wie alles unter diesen Geschlechtskrankheiten leide, und vor allen Dmgen wisse man, daß der Ausfall an Geburten, der nur infvl e von Geschlechtskrankheiten zu verzeichnen sei, eine außerordentliche Höhe erreicht habe. Die deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten beziffere diesen Ausfall auf 250 000 im Jahre, bei 650 000 Ausfall überhaupt. (Hört, hört!). Cs omme noch hinzu, daß die Geschlechtskrankheiten sogar ) S Kind in» Mutterleibe infizierten, so daß auch noch im ersten Jahre von diesen verseuchten Kindern 50—60 000 stürben. Liese Ziffern habe er nicht etwa vor» irgendwelcher unbekannte»» Größe, sondern die seien sestgestellt worden durch die Wissenschaft, die in den letzten 10 Jahren sich auf diesem Gebiete ungeheure Verdienste erworben habe. Es habe auch einstmals eine Statistik tallgefunden, wieviel man in Deutschland oder vielmehr in Preußen Geschlechtskranke habe. Damals sei — cs sei im Jahre 1900 gewesen — von der preußischen Regierung an alle preußischen Arzte ein Rundschreiben erlassen worden, m welchen sie ausgesordert wordei» seien, die Zahl der voi» ihnen behandelten Geschlechtskranken anzugeben. Von diesen Ärzten hätten aber nur 63 Proz. geantwortet, und das Ergebnis sei die Feststellung gewesen, daß an diesen zahlreichen Gelchlechtskrank- hcitcn, die in Preußen überhaupt auf 500000 berechnet seien, B. die Prostituierten mit 30 Proz., die Studenten mit 20 Proz., >ie Kaufleute mit 16 Proz. und die Soldaten mit 4 Proz. parti zipierten. Es koinme dam» aber später noch eine kleine andere Statistik dazu, das sei die der Paralytiker. Diese Statistik könne aufgcmachi »verden, weil man diese Kranken zu zählen vermöge. Man wisse ja, die Gehirnerweichung und Nückenmarksschwindsucht eien auch eine Folge der Geschlechtskrankheiten. Tas sei den weitesten Kreisen des Volkes noch nicht vollständig bekannt. Nun jabe man allerdings seitens des Rcichsgesundheitsamtes sestgestellt, >aß die Geschlechtskrankheiten bei den Rekruten eine Abnahme zeige. Man wisse aber, daß unsere weibliche Jugend durch die Verhinderung der Empfängnis auf eine abschüssige Bahn gerate»» iei und deshalb ein Angebot darstelle, das möglicherweise auch die jungen Rekruten nicht unbeachtet ließen. Bei diesem Angebot käme»» wahrscheinlich verseuchte junge Mädchen noch nicht so häufig in Frage. Nun sage aber die „Soziale Hugiene", daß das Abnchmen oder Verschwinden der Geschlechtskrankheiten eine Utopie sei. Das glaube er auch. Man sei gar nicht in der Lage, zu übersehen, wie weit die Gc- schlechtskrankheiten das Volk verseucht hätten, weil es keine Sta tistik gebe. Nun komme er aus die jetzige Bekämpsungsart. Ter Redner geht hierauf auf die Stellungnahme der preußischen Obcr- vermundschaft in Berlin zu der von ihm behandelten Frage ein. Tas Ministerium des Innern habe vor wenigen Tagen, er glaube an» 2. März, durch die Amtshauptmannschaften verkünden lassen, daß die Ärzte und Haushaltunaövorstände bei Strafe verpflichtet seien, der Ortsbehörde zu melden Lepra, Cholera, Flcckfieber, Pocken, Masern, Scharlach, Diphtherie, Keuchhusten, aber nur nicht Syphilis. Geh. SanitätSrat vr. Mugdan, der sich auch außer- ordentlich große Verdienste um die Bekämpfung der Seuchen er worben habe, habe bei der Aufzählung der voi» ihin bekämpften Seuchen von den Geschlechtskrankheiten nicht gesprochen. Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Gcschlcchtskrankeiten, die in» Jahre 1902 gegründet worden sei, stehe, wie er hiermit offen anerkenne, in einem außerordentlich scharfen Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten selbst, sei aber doch immerhin nur eine private Gesellschaft, wenn sie auch bei» Schutz der Regierung genieße. Bon dieser Gesellschaft würden nun Vorschläge gemacht, wie man die Geschlechtskrankheiten bekäinpfe, und da die Unsittlichkeit allzu groß sei und man diese nicht be kämpfen könne, so bleibe ihr nichts weiter übrig, als Schutzmittel zu empfchlen. Solche würden jetzt nicht nur zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten, sondern auch zur Vermeidung der Emp fängnis in allen Dörfern bis hinunter zu den kleinsten durch Hausierer vertrieben. Im Vogtlande nenne inan diese Hausierer nur noch die „Schutzmänner". (Heiterkeit.) Nun sage die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten weiter, öftere Salvarfanbehandlung wäre auch schon von außer- prdentiichem Nutzen. Diesem Rate stehe nun allerdings das ent gegen, was Hr. Geheimrat Blaschko, der mit vr. Neißer an der Spitze der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts krankheiten stehe, nach den Mitteilungen, die ihm vorlägen, anf der Jahresversammlung vom Jahre 1915 gesagt habe: „Freilich Salvarsan ist nicht so gewaltig, wie Ehrlich und wir es erhofften, als »vir annahmen, als ob mit einem einzigen Schlage die Syphilis zu heilen sei." Die Regierung sage in ihrer Erklärung: „Nach den bisherigen Erfahrungen heilt Salvarsan, nicht zu spät und sachgemäß angewandt, sicher und dauernd die Syphilis." Sachgemäß und nicht zu spät angewandt! Darin liege doch ein unüberschreitbares Hindernis. Die Syphilis komme immer viel zu spät zur Kenntnis der behandelnden Ärzte. Dann komme weiter hinzu, daß die Gesellschaft bemängle, daß die Ärzte jetzt gar kein Examen über die Behandlung der Geschlechtskrank heiten abzulegen brauchten. Sie verlange deshalb, daß die Uni versitäten eine obligatorische Prüfung der Arzte in der Behand lung der Geschlechtskrankheiten einsührten. Die Gesellschaft sage »veiter, daß die Bedeutung der Salvarsanbehandlung vor allen Dingen darin liege, daß sie die Krankheitserscheinungen der Syphilis schnell beseitige, das heiße mit anderen Worten: und den Syphilitiker genußfähig erhalte und hierdurch das Allgemein- besindm der Erkrankten auf das günstigste beeinflusse. Deshalb bleibe aber die Ansteckungsfähigkeit bestehen, solange bestehen, daß sogar die Deutsche Gesellschaft zugeben müsse, daß sie noch in späieren Jahren tödlich zu wirken vermöge. Es gebe aber auch noch andere Urteile über die Salvarsanbehandlung, und zwar aus der neuesten Zeit. Hr. Oberstabsarzt vr. Gennerich bekenne, daß die Salvarsanbehandlung die Felddienstfähigkeit und die Zukunft iiltserer Krieger bedrohe, und Hr. Prof. Kafemann in Königsberg konstatiere in der „Ärztlichen Rundschau" Nr. 34, daß die offizielle Statistik eines großen Berliner Kranken hauses ergebe, daß 1911, als Salvarsan eingesührt worden sei, über 50 Proz. Piotistuierte mehr Rückfälle bekommen hätten, als vorher. Es sei dann im Jahre 1912/13 die Quecksilberdehandlung wieder eingesührt worden. Nur habe man dem Salvarsan den Name»» Rcosalvarsan, Salvarsan mit Quecksilber gegeben. Man wisse aber, daß Quecksilbersublimate den ganzen Organismus zer störten. Bor wenige»» Wochen sei der portugiesische Gesandte von Berlin abgerückt (Heiterkeit), und man habe gelesen, daß er 200 Tuben — andere sagten 300 Tuben — Salvarsan mit nach Portugal habe nehmen wollen. Er bedauere im Interesse der chemischen Fabriken, daß man ihn daran gehindert habe. Er habe doch daS Bedürfnis gehabt, seine Hauptbeschäftigung, die er in Berlin ausgeübt habe, die Verwendung voi» Salvarsan, mich in seinem Heimatlande fortzusetzen. Wenn er Gold hätte mit ausftthren wollen, dann wäre eS etwas anderes gewesen, das Salvarsan hätte er ihm aber gern gelvünscht. Er hätte dann noch eine große Anzahl von Aussprüchen von ärztlichen Kapazitäten anzu führen, die übcr die Wirkungen deS Neosalvarsan» ein sach gemäßes Urteil abgegeben hätten, aber er könne sich darauf be schränken, »vaS er bis jetzt gesagt habe. Die Abwehrmaßregeln der Gesellschaft gipfelten vor allen Di»»gen in der Aufklärung der Menschen durch Merkblätter. Man wisse, in der Hygiene« ausslellung in Dresden seien diese Blätter sogar illustriert ge- wrsen. Ob sie eine große Wirkung ausgeübt hätten, entziehe sich seiner Kenntnis. Weiter in Mahnrufen an die Soldaten. Er gebe zu, daß solche in sehr vielen Fällen aus einen fruchtbaren Boden fallen werden. Doch mache die leichtere Beschaffung von Schutzmitteln eigentlich alle Moralität im Lande hinfällig. Nun »verde eine Hoffnung noch auf die Landesversicherungsarrstalten gesetzt. Die Landesversiche rungsanstalten, die doch bekanntlich seit einigen Jahren auch die dcilung der Geschlechtskrankheiten in den Ortskrankenkassen mit übernommen hätten, würden Mittel bereitstellcn, um diese Art Bekämpfung noch weiter zu fördern; damit könne man sich voll- iäi big einverstanden erklären. Aber es solle die Kontrolle dieser Nitglieder der Krankenkasse ausgcübt »verden durch die Invaliden« ässe. Man nähere sich also mehr und mehr der Anzeigepflicht, ne doch eigentlich die wirksamste Waffe gegen die Gcschlechts- tanlheitcn sei. Dann sollten die Militärbehörden die aus dein Zelde entlassenen Soldaten vor dem Wiedereintritt ins bürgerliche Leben untersuchen, sollten sie, wenn sie etiva bei dem einen oder a> dern Geschlechtskrankheiten feststellten, der Heimatsbehörde an zeigen, und dort würden sie dann ohne weiteres den Ärzten überwiesen und den Krankenkassen. Dieses Verfahren verstoße aber gegen § 300 des Strafgesetzbuches, der die Schweige pflicht für die Arzte verlange. Es heiße zwar in diesen Mit teilungen des Echutzverbandes, daß dadurch der Paragraph nicht verletzt würde; nach seiner Auffassung aber werde er allerdings verletzt. Nui» sollten weiter noch die auS dem Felde heim kehrenden syphilitischen Kranken in der Behandlung bleiben, und wenn man eine weitere Verschleppung der Seuche durch sie be- ürchte, habe man sogar den Vorschlag gemacht, daß sie in den »esctzten Provinzen als Besatzungstruppen ble ben sollten. Mau omme da auf AbschließungSmaßregeln, die doch eigentlich durch ras Gesetz vermieden »verden sollten. Prof. vr. Neißer habe ge« ägt in der letzten Aufsichtsratssitzung der Gesellschaft, daß er vor rem Gesetze Halt mache, doß er, um das Volksempfinden nicht zu verletzen, von Anzeigcpflicht nichts wissen »volle. Der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten, sage die Gesellschaft, scheitere an zwei Tatsachen, einmal »veil unzählige Menschen sich nicht vollständig aushcilen ließen und ansteckungsfähig blieben, und dann, weil kein siegreicher Kampf gegen die Nnsittlichkeit möglich sei. Die Moral versage, fahre Neißer fort, daß nur in der Ehe der Geschlechtsverkehr sittlich sei. Unter rcn Männern sei eine geradezu verschwindende Zahl, die sich au riefe Moral kehre. Dahingegen habe auch m der General versammlung der Deutschen Gesellschaft in Frankfurt a. M. die Mehrzahl der anwesenden Arzte, und zwar entgegen dem Antrag der Vorsitzenden Neißer, Lesser und Blaschko, nicht Bekämpfung, sondern Pflege der Prostitution gefordert. Tas sei der gegen wärtige Stand der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Nur» tänden Millionei» von unseren Soldaten in» Felde, und wenn sie heimkehrten, sei die Heimat in Gefahr, »venn der Krankheit nicht auf anderem Wege zu Leibe gegangen würde, als cs bis jetzt gc- chehen sei. Die Untersuchung der entlassenen Soldaten könne in alle Wege nicht genügen, denn das ganze Hinterland und all die Menschen, die noch nicht oder nicht mehr dienstpflichtig seien, die üngsten sowohl als auch die Greise von 70 Jahren seien Opfer üeser Geschlechtskrankheiten. Wie in den Mitteilungen sestgestellt werde, scheide eine sehr große Zahl von Geschlechtskranken aus, >ie nicht untersucht würden, sodaß weiter die Gefahr der Vcr- euchung des Bolles nach wie vor bestehe. Ein bösartiges Ge- chw ür am Bolkskörper müsse mit dem Messer beseitigt werden Man habe ja Beispiele, daß das gehe. Die Rinderpest, die Lungcn- ieuche seien innerhalb 10 Jahren aus Deutschland und Oesterreich veiffchwunden, aber doch nur, weil man diesen Seuche»» mit den hierzu erforderlichen Mitteln zu Leibe gegangen sei. Er könne deshalb am Schlüsse seiner Ausführungen nur weiter fordern, daß das Schweigegebot verschwinden müsse, »venn man die Geschlechtskrankheiten so bekämpfen »volle, wie man es tun müsse. Das Volksempfinden sei nicht gegen eine solche Radikalkur. Er scheue sich nicht, das hiermit auszusprecheu, was schon der preußische Minister v. Löbell gesagt habe, daß die, welche uns vorangehen sollten, die Träger der Geschlechtskrankheiten seien. Wenn in den Arbeiterkreisen die Geschlechtskrankheiten auch vor handen seien, so würden diese Krankheiten doch ins Volk hinein verschleppt von den besseren Gesellschaftskreisen. Die Unsittlichkeit, von der er vorhin gesprochen, nehme ganz gewaltige Formen an, vor der ein Menschenfreund erschrecken müsse. Frhr. v. Schweinsberg habe im preußischen Landtage gesagt, daß 500 000 Abtreibungen der Krimiiialbehördc ii» Preußen »nit- geteilt worden seien. Und wenn man nun wirklich an eine derartig rationelle Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten herantreten winde, so »väre das geradezu eine Borbeugungs maßregel gegen die Unsittlichkeit. Wenn die Geschlechtskrankheiten durch die Ärzte zur Kenntnis der Behörden gebracht würden, so daß sie unschädlich gemacht werden könnten, so würde die Scher» vor der Schande, hier an den Pranger gestellt zu werden, viel mehr wirken, hundertmal mehr als die Maßregel, die uns von der Deutscher» Gesellschaft vorgcschlagcn werde! (Sehr richtig! rechts.) Die freiwohnende Prostitution, sage Neißer, sei eine die ganze Bevölkerung durchseuchende. Also wenn diese Herren, die an der Spitze der Bekämpfung stäilden, zu derartiger» Urteilen kämen, weitergehende Maßregeln vorzuschlagen, so müsse man doch auch auf diesem Gebiete folgen, oder wenn man das nicht tun wolle, »nüsse man nach wie vor die Hände in den Schoß legen und die Vvlksverseuchung weiter dulden. Er halte nun seine Ausführungen für abgeschlossen und wiederhole noch, er würde sie nicht gemacht haben, wem» er nicht ein inneres Be dürfnis gefühlt hätte, das, was er auf dem Herzen habe, rinn auch einmal vor dem Lande vorzutragen. Welche Wirkung es auf seine Kollegen im Landtage und auch vielleicht aus die Re gierung haben könnte, das sei ihm vollständig gleichgültig. (Zuruf links: Das ist weniger schön!) (Bravo!) Vizepräsident Fraßdorf (soz.) freut sich darüber, daß eine außerordentliche Professur für Natur- Heilmethode eingerichtet werden solle. Er wünsche, daß dazu auch die praktische Übung eingesührt »verde. Darüber habe mai» wohl noch Gelegenheit, bei Kap. 91 sich auszusprechen und den Herr»» Kultusminister darüber zu befragen, wie man sich dort die Sache denke. Der Hr. Vorredner habe sehr wichtige Fragen besprochen. Er verstehe sein Empfinden und seine Wünsche nach der Richtung hin vollkommen. Er habe aber nach seiner Meinung Gutes und Falsches sehr vermengt. Der Hr. Kollege Bleyer habe sein Wissen scheinbar lediglich aus der Literatur gezogen und nicht mit den Männern der Praxis über diese Frage gesprochen. Daraus sei ihm kein Borlvurf zu machen, aber es litten seine . sonst sehr wertvollen Anregungen darunter doch sehr wesentlich. Dann sei Hr. Kollege Bleyer anscheinend ein radikaler Anhänger derNatur- heilmethode. (Zuruf links: Mit dem Messer!) Ja, dazu paffe allerdings das Messer, das er bei Geschwüren empfohlen habe, durchaus nicht, und er werde damit bei einem enragierten Natnrheilfreunde durchaus keine Anerkennung in dieser Beziehung finden. Er — Redner — sei für die Freil)eit dieser Heilmethode und habe dieser daS Wort schon im alten Landhause geredet. Daß hier auf diesem Gebiete in der nächsten Zeit, in den nächsten Jahre»» diese- Kapitels unsere- Etat- ganz außerordent liche Aufgaben zu erfüllen haben, darüber bestehe gar kein Zweifel. Er sei aber davon überzeugt, daß jetzt schon bei einer geeigneten Zusammenarbeit der Träger de, Arbeitcrvcrsickn nng, besonder- der Kranken- und Invalidenversicherung mit Unter stützung de, Regierung auf diesem Gebiete viele» eneicht weicde. (Sehr richtig! rechts.) Die Srirgssolgen würden außerordentliche sein; eS werde die Tuberkulose wieder aufkeben, die Nervenleiden würden sich in erschreckender Weise vermehren, (Sehr richtig!
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