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7Ä. Sonnabend, den 18 Ami. 'MU Frankens crgrr WlchriWtM und Bezirksanzeiger. Amtsblatt des Königl. Gerichtsamtes und des Stadtrathes zu Frankenberg. ! !!!-—-—-!-!^.>Ur_>! ! »-U«.<».»!-»»... . > > 1-^ Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich 10 Ngr. — Zu beziehen durch alle Buchhandlung«» und Post- E»,»Helionen. Aufforderung. Das bevorstehende Ephoralsest wird voranSstchilich eine größere Anzahl Theilnrhmer aus den verschiedenen Gemeinden der Ephorie Frankenberg unserer Sladt und unserer Kirche zuführen. Wenn nun in den letzten Jahren die Kirchgemeinden, welche das Fest auSrichteten, in mancherlei Weise, besonders auch durch Aus schmückung des Gotteshauses den Gästen einen freundlichen Willkommengruß dargebracht haben, so wird gewiß auch die Ephoraistadt Frankenberg «in derartiges Zeichen kirchlicher Gastfreundschaft gern an den Tag legen. : -. ' ES ergeht daher an die Bewohner Frankenbergs, vornehmlich an die Frauen und.Jungfrauen die Aufforlerung und Bitte, eingedenk de» Psalm 118 V. 27, zur Ausschmückung des AltarplatzeS Laub« und Blumengewinde spenden und dieselben bis Sonnabend Abend in einem der Diaconate oder an Herrn Kirchner Windisch abgeben zu wollen. Pfarramt Frankenberg, den 17. Juni 1870. Für den beurlaubten Herrn Oberpfarrer. Archidiac. Schelle. i.. Rittergut Marderh/im. (Fortsetzung.)** VII. " Nach der Schlacht. Wir rechnen nicht gern mit Zufallen, so leicht «s auch ist, dadurch die Person einer Erzählung los zu werden, wenn man sie nicht mehr braucht oder sie gar im Wege steht .... Deinem rüh rend naiven Glauben, geliebter Leser, sind wir No- manschreiber eigentlich weit mehr zu Dank ver pflichtet, als Du nur im Entferntesten ahnst. Was würde aus uns armen Stümpern, wenn Deine Phantasie einmal obstinat und widerbellisch würde und sagte: „Pah! Unsinn! daS kann ich mir nicht vorstellen und wenn ich mir's verstelle, so kann ich's nicht glauben!" Die Folge davon wäre, Du würfest das Buch mit der ganzen herrlichen Erzählung in den Winkel und unsere Arbeit, unser Verdienst und — unser Ruhm wäre für ewige Zeit verloren . . . Ich habe so eine instinctive Ahnung, daß dies schaurige Unglück einmal passiren könnte, da man Dir, deutscher Romanleser, heut zu Tage in Hunderten von ZeltnngSfeuiüetons gar zu viel vorphantasirt; denn ich selbst, als ich noch zu her Gattung glücklicher Menschen gehörte, mich von Anderen unterhalten zu lassen, statt, wie jetzt, selbst zu unterhalten, gerieth schon einmal in dieses scrn- pulöse Fahrwasser, das zum vornehmen Ennuy deS weisen Salomo führt. Wenn aber Du, geliebter Leser, dahin gelangtest, so wäre dies Unglück weit tragischer, als alle Morde und Todtschläge, Vergif tungen, Hals» und Beinbrüche und sonstige traurige Begebenheiten, die seit des edlen Walter Seoit's Zei ten in den Romanen passirt — denn es ließe Dich zwar gleichgiltig, aber es würde eine ganze Klasse der modernen Industrie, der Romanfabrikarbeiter, in namenlose Verzweiflung und grenzenloses Elend stürzen .... Glücklicherweise bilde ich mir in dieser Beziehung ein, meiner Zeit weit voraus zu sein. Zch sehe, man kann heut zu Tage noch Vie les wagen, wenn man nur die gehörige Kühnheit entwickelt, man kann zum Erempel noch, wie Einer meiner werthen College» in seiner „neuen Sündfluth" gethan (Du kannst den berühmten Roman in jeder Leihbibliothek finden!) — im Lauf eines einzigen Augustabends 4000 Leichen auf dem Platz der Tuilerieen verbrennen und die Asche derselben schon um Uhr auf Wagen fortführcn und in die Seine streuen lassen, ohne nachzuweisen, wo das souveräne Volk von Paris das riesige viele Holz, die Arbeit und die Zeit hernahm, die zu dieser kolossalen Arbeit gehörte. Sollte der Dichter erst nachweisen, wie das Holz, das der zehnmeilige Um kreis von Paris kaum besaß, mühselig herbeige schafft und sonst alle nöthigen Vorbereitungen ge troffen wurden? Ei, das wäre doch zu langweilig und zu prosaisch gewesen; eS genügt vollständig für den „spannenden Lauf" der Erzählung, wenn er in seiner Genialität die Leichenhausen mit dem Schwefelhölzchen seiner Behauptung in der Phan tasie seines Lesers anzündet und stehe da! sie bren nen, brennen lichterloh! Also, wenn nur die Kno ten der Konflikte doppelt und dreifach geschürzt sind, wenn nur der Leser mit keinem Gedanken ahnt, wie das zusammengeknebelte Ensemble der Thatsachen sich entwirren und lösen solle, desto kühner kann der Dichter des Romans dazwischen Hanen und den miteingeknebelten Leser vom Her zensspann erlösen; auf das Bischen Wahrscheinlich keit kann es dabei nicht ankommen und etliche allerliebste kleine Unmöglichkeiten gehören einmal dazu, um die verwöhnten Nervenstränge zur Er schütterung, den Fleischmuskel, den man Herz nennt, in Mitleid oder Abscheu zu versetzen und das Salzwasser, das man Thränen nennt, auch dem Auge zu entlocken .... Du merkst, lieber Leser, ich will mich entschul digen. Ich komme, wie der Dieb durch'S Fenster — Du sollst erfahren, daß etwas Unerhörtes pas sirt ist — und dennoch mich nicht beargwöhnen, daß ich Dir Unglaubliches, Unwahres berichte. ES war leider blutige Thatsache — Du kannst ste in den betreffenden Armeelisten finden: Vier Tage nach jenem Mittwoch, am Sonntag den 1. Juli hielt Frau Elisabeth zwei Briefe mit dem Stempel der Feldbriefpost in Händen, der eine kam vom Regiments-Kommando, der andre vom Premier- Lieutenant derselben Schwadron, bei der ihr Ge mahl stand, und der Inhalt beider Briefe war: Rittmeister v. Wendelstein ist nicht mehr, ist im Gefecht bei Trautenüu geblieben! ... An dem selben 27. Juni, dem Bußtage, der . . . mein Gott! welch ein Roman deS Lebens! . . . wen» man all das Gtschehende zusammenstellen könnte, was zur selben Stunde an den tausend verschiedenen Stellen deS Erdenrundes Alles die Sonne steht! Zweierlei, das zufällig zu unserer Kenntniß kommt, ist schon genug, um dem armen Menschengemüth de» Besitz der göttlichen Eigenschaft der Allwissen ¬ heit als das verabscheuungswürdigfle Gut erscheinen zu lassen .... ' An demselben Bußtage rückte das erste Armef- corps über das Gebirge auf der Straße von Lirba« nach Trautenau, erst ohne Widerstand zu finden, dann heftig angegriffen, unter vielen Hinderniffeir gegen überlegene Macht kämpfend, die, sich ring» auf den Hügeln um Trautenau vortheilhaft postirt hatte. Trotz des langen Marsches in der Hitze fochten die Truppen muhhig und' errangen sogar verschiedene Vortheile. Die Berichte sagen, dass dn Generalstab die Nachricht an den Commandr- renden dieses Corps, den General v. Bonin, sandte': die Garde stehe eine Stunde weit bei Ouallscht und sei bereit, das erste Armee-Corps zu unter stützen, daß aber der General das Gefecht ziemlich beendet geglaubt und die Hilfe der Garde abge lehnt habe. Wie dem nun auch sei, Nachmittag» drei Uhr stand daS Gefecht, und als daS Gablenz'- sche Armeekorps von feindlicher Seite zur Unter stützung der österreichischen Linien heranrückte, muß ten die Preußen dem Angriff weichen und sich bi hinter Goldenölse und nach Liebau zurückziehen. Die Oesterreicher erwarben hier die ersten und ein zigen Lorbeeren dieses Krieges; am andern Tag« mußte ihnen die preußische Garde mit große» Opfern diese Vortheile entreißen, sie drang vo» Eipel her erfolgreich vor nnd machte den, ersten Armeecorps den Weg wieder frei, das indessen kampfunfähig in Reserve blieb, der Garde den Vor tritt überlassend. Der Brief des Premier-Lieutenants nun berich tete, daß Rittmeister v. Wendelstein an der Spitze' seiner Schwadron ruhmvoll gefallen sei. Von feinV- licher Seite war daS Dragoner-Regiment Windisch- grätz erschienen, um eine dem Feind unbequeme Tirailleur-Linie zu vertreiben; daS litthanisch« Dra goner-Regiment Nr. I wurde zur Attaque beordert und warf im stürmischen Angriff die Oesterreicher. Als die feindliche Reiterei aus dem Gesichtskreise verschwunden war, hatte der Rittmeister eine ziem lich weit vorgeschobene Batterie auf einer Anhöhe bemerkt, die, offenbar nun nicht mehr gedeckt, zum. Rückzug sich hätte bequemen müssen. Er wie» kommandirend auf die Batterie und sprengte seiner Schwadron weit vorauf; allein mitten im Auf sturm geriethen ste in ein heftiges Kleingewehrfeuer, das seitwärts von ihnen, gedeckt durch Schluchten, herkam. Er war vorauseilend, ein Officier, ciw willkommenes Ziel der Schützen uhd wurde In dem-