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Mit außerordentlicher Ruhe und Selbstlosigkeit ist das k ' deutsche Reich seinen Weg geschritten, unbekümmert um > alle Schmähungen und Verdächtigungen, ein treuer Freund seiner Freunde, kein Feind seiner Feinde. So haben wir den Frieden auf Erden behalten, und werden ihn, was in unseren Kräften steht, weiter zu erhalten suchen. Und wenn heute so vielfach gesagt wirb, ein Krieg muß und wird kommen, wessen Weisheit ist so hoch, daß er mit Sicherheit einen solchen Ausspruch zu thucn vermag? In diesem Jahre haben ganz unerwartete Schicksals- lchläge Deutschland getroffen; wer will sagen, ob nicht » auch andere Nationen in einer Weise heimgcsucht werden können, welche den jetzt herrschenden gespannten Verhält- , niffen ein uneewartctes Ende bereiten? Deutschland steht fest, dank der Wehrhaftigkeit seiner Nation, der Rechtserkenntnis und Friedensliebe seiner Leiter; aber mehr als ein Staat in Europa gleicht einem Koloß auf thönernen Füßen, dessen schwache Grundlage durch die ) ungeheuere Wucht der waffenstarrenden Rüstung zerdrückt , werden kann. Deutschland wünscht keinem europäischen «L-taate eine furchtbare Prüfung, nur Gedeihen durch t friedlichen Fortschritt, damit die Verheißung wirklich > wahr werde: „Friede auf Erden." „Den Menschen ein Wohlgefallen." Ja, zu Weih- - nachten hat das Wort schon seine Berechtigung, aber im ; anderen Teile des Jahres sehen wir uns häufig traurigen s Verhältnissen gegenüber. Kämpfen und Ringen freilich r ist die Losung für einen jeden, aber ehrlich soll der Kampf ' sein um das tägliche Brot, ehrlich das Ringen nach einem i ruhigen Genuß irdischen Besitzes. Soweit sind wir lange nicht, und ob wir dahin je kommen, ist eine Frage, die > kaum bejahend beantwortet werden kann. Und auf der e< anderen Seite, wo Unzufriedenheit mit den heutigen Zu- . ständen, Neid gegen besser Situierte, Mißgunst über die r Erfolge Glücklicherer herrscht, sehen wir gleichfalls nur I zu häufig in mürrische Gesichter. Und endlich der Streit § der Meinungen, der so viele erbittert, so viele zu Geg- ) nern macht. Alles das sind nicht erfreuliche Bilder aus i unseren Tagen, aber sie sind doch immer auch nur Aus- nahmen, keine Regel. Gerade in Deutschland regen sich , die gesunden Elemente zu kräftigem, uneigennützigem Schaffen, die Volksvertretung und die Leiter des Staates gehen unentwegt an die Lösung der Aufgaben, welche die Zeiten fordern. Mögen da die Ansichten sich scheiden über diesen und jenen Punkt, derselbe ist doch der Wille. Das find die Gedanken, welche in uns emporsteigen im 1 Hinblick auf den Weihnachtsbaum, den deutschen Christ- baum. Seine brennenden Lichter, die Freude, die er . hervorruft, die sprechen mehr zu Herzen, als tausend * Worte eS können, sie lassen uns danken und loben und . freuen. Und in festem Mut und treuem Sinn wollen wir fürder schreiten durch die rauhe Zeit, die sich doch nicht im Nu vertreiben läßt. In diesem Sinne allen r Lesern ein: Frohes Weihnachten I - örtliches und SSchfiMs» r Frankenberg, 24. Dezember 1888. ff Wieder steht das alt und jung erfreuende schöne ' Wcihnachtsfest vor der Thür. Wie alljährlich, so waren ff auch dieses Jahr in unserem Frankenberg viele gute, , wohlthälige Menschen bedacht, armen Kindern, alten, . armen Leuten, verschämten Armen, Kranken und Siechen r eine Weihnachtsfreude zu bereiten. So fand am Don- nerstag abend die Christbescherung der Klcinkinderbewahr- § anstatt in hergebrachter, jeden Kinderfreund rührender ) und erhebender Weise statt. — Am Sonntag nachmittag H wurden an Ratsstelle über 3000 Mk. an 439 unserer . ärmeren städtischen Bewohner ausgezahlt und denselben < durch diese Ausspendung der Stiftungszinscn unserer ) zahlreichen städtischen Stiftungen, über welche in heutiger 1 Nummer ausführlicher Bericht gegeben wird, die Mittel zur frohen Begehung des Weihuachisfestes gewährt. ' Am Abend folgte die Weihnachtsbescherung der hiesigen * Weberinnung, welche, wohl zum letzten Male, im allen ck Webermeisterbause staltfand und einer größeren Anzahl ! bedürftiger alter Meister und Meisterwitwen recht er- ' wünscht kommende Gaben brachte. — Die hiesigen mili- 1 tärischen Vereine (Militärverein und Kriegcrverein) l werden ebenfalls ihren bedürftigen Kameraden und * Witwen solcher eine Weihnachtsfreude bereiten. Aber hiermit ist das Feld der Wohlthätigkeit noch nicht er- , schöpft. Mancher stille Akt des Wohlthuns wird in . diesen Tagen noch geübt werden, der nicht an das Licht der Oeffentlichkeit tritt I Allen denen aber, milche das Werk der Nächstenliebe zu Weihnachten förderten und , fördern halfen, sei das eigene Bewußtsein der beste , Dank: „Geben ist seliger denn Nehmen." 4 ff Vom sicheren Tode des Ertrinkens wurde am . Sonnabend ein 7jähriges Mädchen gerettet, welches in der Nähe der „Rotfarbe" an einem Eisschncidkplatz in die Zschopau gefallen und von den Wellen bereits eine Strecke fortgerissen worden war. Die Rettung ist 3 wackeren Männern zu danken, welche, darunter einer , mit Gefahr des eigenen Lebens, das Kind den Fluten ; wieder entrissen. -fr. Zu dem bereits berichteten Brande in Auerswalde < wird uns noch mitgeteilt: Das Feuer brach in der Scheune Irmschers aus, als der Gutsbesitzer mit seinen Leuten beim Nachmittagskaffee saß. Dw Feuerwehren von Nuerswalde, Lichtenau und GarnsLorf kämpften zwar wacker an gegen das Element, konnten aber nicht verhindern, daß die Scheune völlig nicdcrbranute. Mit vernichtet wurden viele Schocke noch nicht ausgedroschcncr Roggen und Hafer. Die übrigen Gebäude blieben, ab gesehen von dem durch die Löscharbcit beschädigten Wohn hause, erhallen. lieber die Emstehungsursache verlautet, wie bereits mitgeteilt, daß kleine Kinder auf dec Tenne mit Strcichzündhölzchcn gcipielt halten, Loch ifi etwas Genaues noch nicht ermittelt. Bei diesem Schadenfeuer wurde vielfach der Wunsch geäußert, daß Auerswalde noch eine zweite Spritze besitzen möchte, die im Ober dorfe ihren Stand haben müßte. — Aus Dresden wird geschrieben: Die Aburtei lung des Mörderchepaares Zschach wird im Februar 1889 vor dem kgl. Schwurgericht statifinden. Erwähnt sei noch, daß die Ermordung der Caroli schon einige Zeit — 3 Wochen — vor dem Abend des 12. Dezbr. geplant und daß die Haupttriebfedcr zu dem entsetzlichen Mord die verehel. Zschach gewesen ist. Sowohl diese als auch der Mann haben kurz nach ihrer Festnahme Selbstmordversuche gemacht. Am 2l. d. nachmittag j3 Uhr har auf dem Trinitatisfriedhofe die Beerdigung der bis dahin im Sezierlokale des Justizgebäudes aufbewahr ten Leiche der Ermordeten stattgefunven. Dieselbe ist in das Grab des vor 14 Jahren verstorbenen Manne« der Unglücklichen gebettet worden. — Aus Leipzig wrrd unterm 20. Dezember ge schrieben: Zur festlichen Feier des heutigen Jubiläums- tagcS der Leipziger Bank halte sich der gesamte Aussichls- rat in den Räumen der Bank eingefundcn. Vor dem Direktorium und dem Bcamtenpersonal hielt Herr l>r. Fiebiger eine die Bedeutung des Tages kennzeichnende, zu Herzen gehende Rede, indem er einen kurzen Rückblick auf die Entstehung und Entwickelung des Instituts gab. Der Aussichtsrat beschloß, aus Anlaß der Feier nicht nur jedem Beamten eine Gratifikation zuteil werden zu lassen, sondern auch der Generalversammlung den Antrag auf Schaffung eines Pcnsionsfonds für die Beamten zu unterbreiten. — Am letzten Dienslag ereignete sich in Klein miltitz ein schrecklicher Vorfall, der den Tod eines Menschen zur Folge hatte. Ein Knecht hatte ein Fuder Dünger in Leipzig geholt, der Wagen war aber in Großmiltitz von der Straße ab nach rechts geraten und hatte sich infolgedessen stark auf die Seite geneigt. Um ihn wieder in daS richtige Gleis zu bringen, trieb der Knecht die Pferde an, leider aber so stark, daß der Wagen umstürzte. Eine 23jährige Dienstmagd, sowie ein anderer Knecht hatten vor dem Umsturz einen unter )em Wagen befindlichen Korb noch schnell losmochen wollen, der stürzende Wagen traf dabei die Magd aber so unglücklich, daß deren Tod sofort eintrat. Ihr Gehilfe, der zwar ebenfalls unter den Wagen geraten war, kam mit nur unbedeutenden Verletzungen davon. Der Führer des Geschirres ist verhaftet und an das königliche Amtsgericht Markranstädt eingeliesert morden. — An den Rechten oder besser an den Unrechten kam ein Strolch, der vor 8 Tagen mr Walde einen auf dem Wege nach Kahm er (Vogtland) fürbaß schrotenden Schneidermeister überfiel. Der Meister trug ein Paket Sachen und wurde von dem ihn unversehens anfassenden Räuber zu Boden geworfen. „Nehmen Sie alles, aber schenken Sic mir das Leven," flehte der Ucberfallene. Der Strolch fühlte ein menschliches Rühren, hatte aber kaum die Hände von des Schneiders Kehle losgelassen, als dieser mit jugendlicher Elastizität aussprang und so kräftig unter Hilferufen auf den Wegelagerer einhieb, daß dieser sich eiligst in das Dickicht flüchten mußte. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — In der am 21. d. M. unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten des Staatsministeriums, Staatssekretärs des Innern v. Bötticher, abgehallenen Plenarsitzung erteilte der BundeSral dem Entwürfe von Aussührungs- bcstimmungen zum Gesetze über die Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß-Lothriugen die Zustimmung und erklärte sich damit einverstanden, daß em weiterer Betrag von Zehnpfennigstücken in Höhe von etwa 4 Millionen Mark und von Fünspfennigstücken in Höhe von etwa 2 Millionen Mark unter der üblichen Ver teilung ans die einzelnen deutschen Münzstätten ausge prägt werde. — Wie ans Berlin gemeldet wird, ist die Ausbil dung der Garde-Kürassiere mit der Lanze jetzt vollstän dig beendet. Das Regiment hat bereits Vorstellung mit der neuen Waffe gehabt, und gestern sind die Ulanen Unteroffiziere, welche die Kürassiere mit der Handhabung der Lanzen vertraut zu machen halten, wieder zu ihren Regimentern entlassen worden. — Der englische Botschafter Sir Robert Moricr I scheint betreffs des ihm vorgeworfenen Deutschenhasses I doch nicht so unschuldig zu sein, wie die Londoner „Pall i Mall Gazette", welche seine Partei ergriff, es jüngst glauben machen wollte. DaS Blatt giebt jetzt zu, die Regierung habe Meldungen erhalten, die seine Versetzung ° auf einen andern Posten sehr wünschenswert machten. Wie man der „K. Z." schreibt, soll übrigens schon vor mehreren Wochen in einer englischen Zeitschrift ein Auf satz gestanden haben, Ler seine Deutsastand mißgünstigen Ansichten bezeugte, da dort Morier in unmittelbaren Ge gensatz zu den englischen Bewunderern des Fürsten Bis marck gesetzt wird. Morier habe sich nie von Bewun derung für deutsche Ideen hinreißen lassen und sei gegen den Glanz, dm deutsche Erfolge in gewissen englischen Gei stern verbreitet, unempfindlich gewesen. Morier glaubte die Pläne des deutschen Reichskanzlers zu durchschauen und mar der Ansicht, daß einzelne derselben für England gefährlich werden würden. Aus diesem Grunde ward er von der englischen Negierung selbst von seinem Posten in München enthoben, weil Disracli mit Bismarck in Eintracht arbeiten wollte. Schon aus dieser Auseinan dersetzung einer englischen Zeitschrift geht klar hervor, daß Disraeli selbst Sir Robert Morier als ein Hinder nis für die Freundschaft zwischen England und Deutsch land betrachtete. — Elsaß-Lot bringen. Aus Straßburg wird gemeldet: Der „Figaro", welcher in der beispiellosen Langmut der deutschen Behörden eine Ermunterung zu seinen lügnerischen und verleumderischen Ausfällen gegen Deutschland erblickte, ist seit acht Tagen unter Zensur gestellt und mußte schon zum zweiten Male mit Beschlag belegt werden. Frankreich. — Die „New-Aork World" veröffentlicht den In halt einer mit dem General Boulanger in Paris gepflo genen Unterredung. Der General räumte freimütig ein, daß er französischer Präsident werden möchte, und zwei felte nickt daran, daß er es eines Tages werden würde. Dagegen stellte er in Abrede, daß er einen Krieg an- zettclc oder einen Staatsstreich plane. In der Depu- ticrtenkammer sehe er nur Korruption und im Senat Wirrwarr. Die zweite Kammer würde er auflöscn und den Senat ganz abschaffen. Dos halbe Frankreich ist nach seiner Ansicht auf seiner Seite in dem Bemühen, eine Revision der Verfassung herbeizuführcn. Endlich erklärte er, er hasse den Krieg und fürchte dessen Nahen; sollte er aber ausbrcchen, so würde er mannhaft kämpfen. Frankreich sei ebenso republikanisch gesinnt, wie Amerika. — Wie man bestimmt versichert, planen die Orleans, mit Hilfe Rothschilds eine neue Panama-Hilfsgescllschaft ins Leben zu rufen. Ruhland. — Die Regierung lehnte eine offizielle Beteiligung an der Pariser Weltausstellung im Jahre 1889 ab. — Die bisher geführte Untersuchung bezüglich der Eisenbahnkatastrophe bei Borki hat nach neuerer Mel dung aus Petersburg plötzlich eine ganz unerwartete Wendung genommen. Der auf Befehl des Kaisers an Ort und Stelle entsandte „Untersuchungsrichter für be sonders wichtige Fälle", Herr Marki, hat nämlich, wie die „Nowoja Wremja" meldet, die Ueberzeugung ge wonnen, daß in dieser Affäre ein Verbrechen im Spiele sei. Um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen, hat Herr Marki sich von der Kanzlei des Charkower Kreis gerichts sämtliche Akten über Beschwerden vorlegen lassen, welche während der letzten Zeit von den Bediensteten der Kursk-Charkow-Azower Eisenbahn gegen die Leitung derselben gerichtlich angebracht wurden und welche außer ordentlich zahlreich waren. Von der Verwaltung der Kursk Charkow Azower Eisenbahn ließ sich Marki das Verzeichnis aller in den letzten Jahren entlassenen Be diensteten dieser Eisenbahn vorlegen. Auf diese Weise hofft Herr Marki der Ursache der Katastrophe auf die Spur zu kommen. Serbien. — „Was kann uns das kümmern?" — denkt mancher Leser vielleicht, wenn er immer wieder von der Lage der Dinge in Serbien liest, die ihm so gleich- gillig erscheint, wie die Thronrede des Königs Kalakaua oder die Geburt einer chinesischen Prinzessin. Und doch gehört Serbien gerade zu jenen interessanten Ländern Europas, dis gewissermaßen die Puffer zwischen zwei mächtigen Nationen, welche miteinander um den Vor rang streiten, sind. Oesterreich und Rußland betrachten andauernd mit eifersüchtigen Blicken dis serbischen Ver hältnisse und suchen einander dort das diplomatische Terrain abzugewinnen. Wenn «s einmal das Schick sal wollen sollte, daß dort die Interessen hart auf- einanberstoßen, daun ist auch der orientalische Krieg nicht mehr fern, der über kurz oder lang doch einmal wird ausgefochten werden müssen. Die Parteien sind die Hebel, mit denen die ausländische Diplomatie ar beitet. Augenblicklich hat Ruhland die Radikalen am Fädchen, und darum ist der erdrückende Sieg der letz teren bei den Wahlen zur Volksversammlung von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn wenn sie die Dinge bis auls Aeußerste treiben und die Vsrfaffungsvorlage des Königs noch mehr demokratisch gestalten, sodaß der Monarch sie nicht mehr billigen kann, dann tritt die Frage auf: „Abdankung oder Staatsstreich?" Und wenn Milan abdankt, ist Oesterreichs Uebergewicht in Serbien