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nat 103445 Einzahlungen mit 9,795 980 Mark, während 8 966512 Mark in 57513 Posten zur Rückzahlung ge langten. -s Der zum Besten verwaister und unversorgter Predigerstöchter im Königreich Sachsen von der nieder- erzgebirgischen Predigerkonferenz herausgegebene AmtS- katender sür evangelisch-lutherische Geistliche im König reich Sachsen (redigiert von Herrn Pastor Unger in Niederlichienau) auf das Jahr 1889 ist vor kurzem hierselbst in der Druckerei deS Tageblattes erschienen. Wir entnehmen dem Buche folgende interessante No- tizen: 109 Studenten der Theologie sind Kandidaten geworden, 61 Kandidaten haben die WahlfähigkeitS- prüfung bestanden, während bekanntlich im Durchschnitt nur etwa 45 in ein geistliches Amt einrücken können. Den 136 Stellenerledigungen (20 durch Emeritierung, 11 durch Tov, 9 durch Neugründung von Stellen) gegenüber stehen 133 Besetzungen: 65 durch ständige Geistliche, 33 durch Hilssgeistliche und Vikare, 32 durch Predigtamtskanlndaten und 3 durch Kandidaten der Theologie. — Am Schluffe des Jahres waren vor handen 197 emeritierte Geistliche und 542 emeritierte Lehrer, 650 pensionsberechtigte Hinterlassene von Geist lichen (darunter 475 Witwen) und 1816 Hinterlassene von Lehrern (darunter 1113 Witwen). -j- Die feierliche Einweihung des neuen Pfarrtöchter heims „Neufriedstein" in Niederlößnitz vollzog sich unter grober Teilnahme am Donnerstag nachmittag. Die Herren Vorsteher des evangelischen Landesvereins hielten Ansprachen. Herr Pastor Unger-Nuderlichtenau hielt die Weiherede, welcher die Uebergabe des neuen HeimS an das Kuratorium durch Herrn Pastor Tube sing-Chemnitz, des Bruders der erwählten Vorsteherin, folgte. Hierauf fand die Darbringung der Geschenke der Niedererzgebirgischen Konferenz, welche die Errich tung dieses Pfarrtöchterheims sich zur besonderen Auf gabe gemacht hat und das Unternehmen werkthälig unterstützte, durch Herrn Pastor Siebenhaar Ottendorf statt, und zwar 1000 Mark bar, ein Kruzifix, Bibel, Andachtsbuch und Fremdenbuch. Es erfolgte dann die Einweisung der Vorsteherin und die Begrüßung der Pflegetöchter durch den Vorsitzenden des Kuratoriums, Herrn kg,8tor emer. Llux. Richler-Niederlößnitz, und zum Schluß Gebet und Segen, vom Ortsgeistlichen Herrn Pastor Große gesprochen. Die ganze Feier war von Gesang begleitet. Bis jetzt haben vier Psarrtöchter feit 14 Tagen in dem Heim Aufnahme finden können; hoffentlich melden sich bald weitere Pflegetöchter, welche, fobald sie von dem neuen schönen Heim hören, behufs Unterkunft eine geringe Entschädigung nicht scheuen. — Ueber den bereits kurz gemeldeten Eisenbahnunfall bei Tharandt wird des Näheren berichtet: Der von Flöha über Freiberg kommende und abends gegen Z6 Uhr in Tharandt fällige Lokalgüterzug hatte die Station Klingenberg um Z5 Uhr nachmittags in einer Stärke von 106 Achsen verlassen. Die Wagen waren nur zum Teil beladen, unmittelvar hinter der Lokomotive befand sich der Zugführerwagen. Dieser entgleiste bei Edle Krone mit der Hinteren Achse und wurde den weiten Weg bis zu der dem Albertsalon in Tharandt gegenüber liegenden eisernen Weißeritzbrücke von den nachfolgenden Wagen über die Schwellen hinweg vorwärts geschoben. Hier jedoch fand er an den eisernen Trägern einen Widerstand und die Folge war, daß die nächsten 15 bis 20 Wagen, in ihrem Weitcrlaufe gehemmt, ebenfalls von den Schienen kamen, sich als eine dichtgeschlossene Masse in dreffacher Höhe aufeinander türmten und somit dem übrigen Zugteile jede weitere Vorwärtsbewegung ver sperrten. Beide Gleise wurden dadurch unfahrbar ge macht. Am Betriebsmaterial sind ziemlich viel Beschädig ungen entstanden, denn es liegen in den Trümmern, in mitten der Tharandter Brücke, ungefähr 12 oder 13 Güterwagen. Nur drei derselben waren beladen, näm lich 2 mit Kohlen und eine Lowry mit leeren Petroleum fässern. Die Ursache des Unfalles dürfte am wahr scheinlichsten darin liegen, daß der mit dem Abende ein tretende Rauchfrost die Schienen in ungewöhnlicher Weise glatt gemacht hatte, sodaß die Bremsvorrichtungen nicht genügend einzuwirken vermochten und die Fahrgeschwindig keit auf dem nicht unbedeutenden Gefälle nicht entsprechend reguliert werden konnte. — Von hochstrebenden Ideen war ein Gastwirt in Dresden erfüllt, nur leider am unrechten Platze. Er wollte alles kaufen, trotzdem er keinen Pfennig in der Tasche hatte. Am Mittwoch hatte sich der Unter nehmungslustige wegen vollendeten und versuchten Be trugs zu verantworten. Unter dem Borgeben, das Case Frantzais in Dresden kaufen zu wollen, war es ihm gelungen, einem Beamten eine sogenannte Kaution in Höhe von 1500 Mark abzuschwindeln. Trotzdem der Angeklagte nur ganz oberflächlich einmal mit dem Besitzer des genannten Cafö Franyats unterhandelt hatte, spielte er sich in Dresden überall als Käufer des Caso auf, sodaß ihm der Besitzer diesen Unfug ernstlich unter sagen mußte. Als ihm in Dresden der Boden unter den Füßen zu heiß wurde, wandte sich der Angeklagte nach Berlin, und von da aus hat er genau denselben Schwindel wiederholt, indem er einem Manne, den er I für ein angeblich in Leipzig zu kaufendes Weingeschäft I verpflichtete, eine kleinere Kaution abnahm. In einem dritten Falle spielte er sich als Käufer des „Sternecker Kruges" in Berlin auf. Der Gerichtshof erkannte au ein Jahr und sechs Monate Gefängnis und 2 Jahre Ehrverlust. — In der Stadt Großenhain sind im gegen wärtigen Jahre eine größere Anzahl Straßen mit einem neuen Belcgmittel, Traberit, versehen worden. Der Traberit, eine von dem dortigen Stadtbauinspektor Traber aus Granitschlag und Zement zusammengestellte Masse, bei der es, was noch Geschäftsgeheimnis ist , auf das entsprechende Mischungsverhältnis und dw geeignete Behandlung ankommt, bietet vor Granilplatten, bossiertem oder Mosaikpflaster, vor Asphalt und sonstigem Material die größten Vorzüge, kommt in der Herstellung billiger zu stehen und erfordert keinerlei Unterhaltungsaufwand. Die in dickflüssigem Zustande in 4 bis 5 em Stärke aufgetragene Masse erlangt am dritten Tage nach der Fertigstellung eine solche Festigkeit, Trag- und Wider standsfähigkeit, daß sie die größten Lasten aushält; ein vollbeladcner Möbelwagen übt nicht die mindeste Wirkung aus und läßt nicht die geringsten Spuren zurück. Eine Traberitgangbahn hält sich bei Trockenheit staubfrei, bei Nässe schmutzfrei; sie bietet für den Fußgänger einen sicheren bequemen Auftritt, nimmt bei Regen und Eis keine schlüpferige Beschaffenheit an und bringt niemand in die Gefahr des AuSgleitenS; der Frost bleibt ohne alle und jede Einwirkung. — Eine in Crimmitschau zum Besten eines Bürgerhospitalbaufonds veranstaltete Haussammlung hat bis jetzt den erfreulichen Ertrag von etwa 7300 Mark ergeben, worunter sich sehr namhafte Beträge, z. B. von 1000 Mk., 500 Mk., 300 Mk., 200 Mk. und 100 Mk. u. s. w. befinden. — Eine wunderliche Sitte, die alljährlich am 30. November wiederkehrende Heringsspende, existiert noch jetzt auf dem Rittergute Oberhof in Groß-Dölzig b. Markranstädt. Es ist dies ein Vermächtnis eines frühe ren Besitzers mit Namen Andreas Rosenthal, weshalb er auch den Andreastag gewählt hat. Vormittags um 9 Uhr zieht der Pfarrer und der Lehrer mit den Kin dern nach dem Gute, wo ersterer eine auf die Feier bezugnehmende Rede hält und christliche Lieder gesungen werden. Dann bekommt jeder Einwohner der Parochie einen Hering und ein Dreierbrot, Schulkinder extra noch 3 Pfg. Dabei giebt es auch manche spaßhafte «szene. Mancher Junge verzehrt Hering und Brötchen an Ort und Stelle, ein anderer faßt den Hering am Schwanz an und zieht, ihn hoch haltend, jubelnd nach Hause rc. Am Nachmittage und abends findet man überall durstige Kehlen. — Die kürzlich durch mehrere Blätter gegangene Nachricht, einen Gewinner des großen Loses abgespielter 114. kgl. sächs. Landeslotterie betreffend, beruht nicht auf Indiskretion feiten des betreffenden Kollekteurs, sondern auf der eines Telegraphenboten, welcher deshalb von seiner zustehenden Behörde zur Verantwortung gezogen worden ist. Nebenbei bemerkt die „Leipz. Ztg." noch, daß sich die Gewinner des großen Loses auf 5 Städte in Sachsen, Preußen und die Fürstentümer verteilen. — Warnung. Durch die üble Gewohnheit, das Bruststück ihrer Schürze als Nadelkissen zu benutzen, verletzte sich vor kurzem ein Dienstmädchen, indem sich dasselbe an einer rostig gewordenen Nähnadel stach. Der verwundete Finger schwoll höchst bedenklich an und zog auch die angrenzenden Hand- und Armteile in Mitleidenschaft. Glücklicherweise ist die befürchtete Blut vergiftung nicht eingetreten und die Geschwulst wieder im Rückgänge. Vom Reichstage. In der Sitzung vom 7. Dezbr. wurde die erste Be ratung des Entwurfes, betr. die Alters- und Jnvaliden- versorgung der Arbeiter, fortgefitzt. Buhl (nat.-lib.) erklärte, seine Partei sehe in dieser Vorlage keine Be handlung oder Erledigung prinzipieller politischer Fragen, sondern eine Aufgabe, an welcher jede Partei Mitarbeiten könne. Die Ausführungen Grillenbergers seien gestern inkonsequent gewesen: erst verlange er Ablehnung der ganzen Vorlage, später wollte er zum Zustandekommen mithclfen. Seiner Partei scheine besonders die Frage der Herabsetzung der Altersgrenze einer näheren Erörte rung wert. Stelle man die Maximalrente bei 60 Jahren fest, so dürften die Beiträge sich um 80 Prozent erhöhen. Es würde dies auch eine kolossale Belastung der Landwirtschaft herbeiführen, da etwa 200000 land wirtschaftliche, aber nur etwa 27 000 industrielle Arbeiter in diese Altersgrenze fallen. Die Versorgung der Halb invaliden würde sehr bedenkliche Folgen für solche Ar beitgeber haben, welche halbinvalibe Personen beschäftigen. Vorübergehende Invalidität gehöre nicht in dieses Gesetz, werde aber in der Kommission erörtert werden können. Leiste das Reich einen größeren Zuschuß, so müsse auch der Kreis der Versicherten weiter gegriffen werden. Bei weiblichen Arbeitern zeige sich, daß die Lohnarbeit viel fach ein Uebergang zur Selbständigkeit sei. Es empfehle I sich die Erörterung der Frage, ob man Frauen über- I Haupt der Versicherung unterwerfen wolle, wolle man dies, so müsse eine eventuelle Rückzahlung der Bei träge für den Fall der Heirat ins Auge gefaßt werden. Ueberhaupt werde es sich fragen, ob man die durch die Prämienzahlung erworbenen Rechte nicht weiter auS- dehnen solle, als es im Entwurf geschehen, und nament lich auch zu freiwilligen Versicherungen anregen solle. Die Beiträge hätten wohl Aussicht, höhere, niemals aber geringere zu werden. Trotzdem werde die Lage der In dustrie keine schlechtere werden, denn andere Staaten, die mit uns auf dem Weltmärkte konkurrieren, würden uns folgen müssen. In Berlin seien 4000 männliche ülmo- senempfänger; unter dem Gesetz werde die Stadt 28000 Rentenempfänger haben. Heute verliere ein Almosen empfänger die Unterstützung, sobald er von seiner Fa milie ausgenommen werde, der Rentenempfänger bringe seinen Angehörigen eine willkommene Unterstützung zu. Eine Armengesetzgebung sei diese Vorlage also nicht zu nennen. Die Frage der Lohnklassen resp. Ortsklassen werde einer näheren Erwägung bedürfen. Dem Reichs zuschuß stimme seine Partei zu, denn hier läge die Sache anders, als bei der Unfallversicherung, wo sie sich gegen den Zuschuß erklärt hätte. Die Vorlage werde bedeu tend zur Entlastung der Kommunen beitragen, denn sei sie auch kein Armengesetz, so erleichtere sie doch die Ar- mcnlast, und cs wäre ungerecht, Zwangsversicherung ohne öffentlichen Zuschuß zu schaffen. Vielleicht ließe sich wäh rend der Karrenzzeit eine geringe, vielleicht die halbe Minimalrente gewähren, überhaupt sei eine den Arbei tern günstigere Fassung der Ucbergangsbestimmungcn zu empfehlen. Ohne eine Reichsanstalt ständen dem Gesetze unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, das riesige Rechnungswert könne ohne solche Anstalt nicht einheitlich geordnet werden. Es würde sich empfehlen, die Kranken kassen als Organe der Alters- und Jnvalidcnversorgung zu gestalten, denn durch besondere neue Organisationen überlaste man namentlich die kleinen Ortsbehörden. Seine Freunde dächten nicht daran, durch Marken und Quittungsbücher das Zwangsarbeitsbuch einzuführen. Seine Partei hoffe, das Gesetz so zu stände zu bringen, daß dasselbe zum sozialen Frieden führe. (Bravo I) Hitze (Zentr.) bemerkte, von den Absichten des Vor redners sei auch seine Partei geleitet. Um eine neue Organisation der Armenpflege handele es sich hier nicht, wie Buhl sehr zutreffend ausgeführt habe. In Deutsch land hätten wir 800000 Almosenempfänger, darunter noch Geisteskranke und Gebrechliche, während 13^ Mill. Arbeiter von diesem Gesetze umfaßt würden. Schon eine kleine Rente sei dem invaliden Arbeiter eine wichtige Hilfe. Freilich, die Sozialdemokraten würden nie zu- riedcngestellt werden können. Eine anderweile, als die n der Vorlage getroffene Rentenabstufung sei wünschens wert, möglichst müßten dabei die individuellen Löhne in Betracht gezogen werden. Höher bezahlte Arbeiter hin gen mit Vorliebe der Sozialdemokratie an, eine höhere Kente würde ihre Unzufriedenheit belohnen. Bedauerlich ei cs auch, daß die Vorlage sich so wenig an die Kran kenversicherung anlehne. Für die Konsolidierung des Prämienwesens empfehlen sich kleine Verbände und eine Angliederung an die Berufsgenossenschaften sei deshalb eines Erachtens der Errichtung einer Reichsanftalt vor zuziehen, welche bedeutende Kosten erfordern würde. Es ei ja nicht ausgeschlossen, daß die Berufsgenossenschasten reorganisiert würden. Der Streit um die Ouittungs- bücher könnte dadurch vermieden werden, daß dieselben nicht von den Arbeitgebern, sondern von der Ortsbehörde geführt werden. Das Verfahren bei Feststellung der Rente und der Invalidität könnte vereinfacht werden, wozu die Berufsgenossenschaften besonders geeignet seien. Den Reichsbeitrag erachte er als ein sehr entbehrliches Stück Kommunismus. Die Reichssteucrn würden aus den breiten Massen des Volkes gedeckt, während die Ge meinden, denen dies Gesetz die Armenpflege erleichtere, ihre Steuern durch Zuschläge zur Einkommensteuer er heben. Ihm scheine cs recht gut möglich, den Reichszu schuß durch solche Zuschläge zu ersetzen. Kapitalien- ansammlungen infolge des Deckungsverfahrens würden sich allerdings einstellen, würden den Zinsfuß herabdrü cken und damit die Grundlagen der ganzen Berechnung in Frage stellen. Der Mangel einer Rückvergütung an zahlreiche Kategorien von Arbeitern, die aus der Ver sicherung ausschciden, sei eine Härte, die gemildert wer den müsse. Auch seine Partei werde Mitarbeiten an dem Zustandekommen der Vorlage, die nach deren Meinung den sozialen Frieden fördern werde. (Bravo!) v. Helldorf (kons.) betonte, es werde sich darum han deln, dem Arbeitslohn einen anderen Charakter zu geben. Der Gedanke eines Jndividuallohnes sei in seinen letzten Konsequenzen undurchführbar. Der Reichszuschuß recht- fertige sich nur, wenn die Vorlage auf alle ausgedehnt werde, deren einziges Kapital ihre Arbeitskraft bilde. Die bestehenden Organisationen der Verwaltung müßten möglichst erhalten werden. Das Markensystem sei eine Lebensfrage für die Durchführung des Gesetzes. Er für seine Person sei für das Deckungsverfahren. Schrader (freis.) erklärte, das Gesetz gehe zu weit, denn es umfasse Klassen, die keinen Vorteil davon haben