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— Der „Dr. Anz." schreibt: Die „Bereinigung deutscher Tabak- und Zigarren. Industrieller" hatte eine X. Aktion zur Verlängerung der Zollkreditfrist für unbe- l>, arbeitete Tabakblätter eingeleitet und dabei um die Unter» stützung verschiedener wittschaftlicher Korporationen nach- s gesucht. Unsere Tabakinbustriellen sind indessen in dieser X, Frage durchaus nicht einer Meinung. So hören wir, daß auf Grund des Berichtes von Sachverständigen ihres Bezirks die Handelskammer für Aachen und Burtscheid «inen Beschluß gefaßt hat, aus welchem ersichtlich ist, daß die Verlängerung der Zollkredüfrist für die kleineren Betriebe ohne Bedeutung ist, da diese meist überhaupt keinen Zollkredit in Anspruch nehmen, bei größeren Be trieben aber der Vorteil des verlängerten Kredits aus gewogen wird durch die Verpflichtung, ein bedeutend größeres Kapital zur Sicherung des vollen Zvllbetrages festzulegen. Die Tabakindustriellen im Bezirk der Handelskammer für Aachen und Burtscheid erwarten deshalb von der Maßregel durchaus keinen Vorteil. — Ein altes wahres Sprichwort sagt, daß die Dummen nicht alle werden, und so braucht man sich nicht zu wundern, daß auch die Menschen nicht aussterben, die auf Heiratsschwindel hereinfallen, so oft auch schon die Art und Weise dieser Schwindeleien bekannt gegeben und davor gewarnt worden ist. Immer will der oder die Heiratsfähige eine große Erbschaft in naher Aussicht haben, ohne natürlich augenblicklich das nötige Kleingeld zu besitzen. Merkwürdigerweise werden nicht nur Frauen, namentlich Dienstmädchen, sondern auch Männer immer wieder Opfer dieses Schwindels. Kürzlich machte wiederum eine aus Böhmen gebürtige Heiratsschwindlerin die Residenzstadt Dresden unsicher. Sie hat verschie denen dort wohnhaften unverheirateten Herren sich zu nähern gewußt und sie glauben gemacht, daß sie eine erhebliche, auf 70000 Mark zu schätzende Erbschaft in Aussicht habe und daß sie gesonnen sei, sich zu ver heiraten. Die Frau hat sich falsche Namen, wie „v. Petzel", „v. Skala", „v. Geyer" beigelegt, die von ihr Umgarnten um Geldvorschuß angegangen und ist nach dessen Empfang alsbald verschwunden. Leicht möglich ist, daß sie noch weitere Betrügereien versuchen wird. Also Vorsicht! — Eine aufregende Jagd fand anfangs dieser Woche unweit des Ortes Zehren, auf der Straße nach Meißen, statt. Einem Fleischer ging die von ihm er handelte Kuh durch und rannle mit mächtigen Sätzen der Eibe zu, in welche sie sich (wahrscheinlich aus Ver zweiflung oder Lebensüberdruß), noch ehe es ihre Ver folger verhindern konnlen, stürzte und worin sie alsbald weiter schwamm. Die nun entstehende Kuhjagd zu Master war äußerst spannend und schließlich auch von Erfolg begleitet, denn die mit Selbstmordgedanken be haftete Kuh wurde glücklich wieder ans Land gebracht und ihrem Ziele zugeführt. — Am vergangenen Donnerstag, den 15. November, sand in Lausigk das 50jährige Geschäftsjubiläum der sowohl im Inland, als auch im Ausland hochangcschenen Fama Gebrüder Koch statt. Genannte Firma, deren Geschäftszweig in der Fabrikation aller Sorten Mohair und Wollplüsch besteht, beschäftigt in Lausigk und den Nachbarorten Frohburg und Lunzenau gegen 600—700 Arbeiter und ist cs demnach leicht erklärlich, baß die ganze Bewohnerschaft von Lausigk an dem Feste freudig Anteil nahm und dies auch äußerlich durch reichen Flaggen schmuck kundgab. Telegramme mit Glückwünschen liefen in reicher Anzahl aus fast aller Herren Länder ein. Eine Auszeichnung seitens des Königs Albert wurde dem Geschäftshause insofern zuteil, als der älteste Chef August Koch zum Kommerzienrat ernannt worden ist. 4 Arbeiter erhielten vom kgl. Ministerium des Innern die silberne Medaille für Treue in der Arbeit und von der Firma «in Sparkassenbuch mit je 50 M. 40 weitere Arbeiter empfingen vom „Deutschen Fabrikantenvercin des Woll- gewerdes" Ehrendiplome. Anläßlich des Ehrentags der Firma stiftete dieselbe die Summe von 40000 M. zur Errichtung einer AlterSversorgungskasse für ihre Arbeiter. Die schöne Feier, welche durch eine den Geschäftsinhabern dargebrachte Morgenmusik cingeleitet worben war, bot in ihrem Verlaufe mancherlei Festlichkeiten, von welchen wir nur den prächtigen Fackelzug, ein allgemeines Mahl und den solennen Ball erwähnen wollen. — AuS militärischen Kreisen verlautet, daß der Kommandeur der 2. kgl. sächs. Division Nr. 24, Gene ralleutnant v. Tschirschky, zu Neujahr in Pension geht. An seine Stelle nach Leipzig tritt der Kommandeur der 3. Division Nr. 32, Generalleutnant v. Holleben, genannt v. Normann, und auf dessen Posten rückt der Kommandeur der Artillericbrigade Nr. 12, Generalmajor v. Schweingel, auf. — In Bautzen wurden am Nachmittage des 14. November die dem Rittergutsbesitzer Tölke zu Drehsa gehörenden herrschaftlichen Pferde plötzlich scheu und jagten mit der Kutsche, in welcher sich die Ehefrau des Ritter gutsbesitzers und eine andere Dame befanden, durch die Straßen. An der Ecke der inneren Lauenstraße ange- langt, 'prallte der Wagen dermaßen gegen das große Schaufenster eines Uhrmachers, daß nicht nur der Wagen und da» Schaufenster zertrümmert, sondern auch die in letzterem zahlreich ausgestellten wertvollen Uhren und Kunstwerke fast gänzlich zerstört wurden. Der angcrich- tete Schaden soll nach oberflächlicher Schätzung Tausende von Mark betragen. Tie im Wagen befindlichen Damen haben keinen sichtlichen Schaden erlitten, dagegen sind die Pferde bedeutend verletzt. — Durch die am 1. Oktober erfolgte Einführung des neuen Tarifs für die Beförderung von Personen und Reisegepäck im Lokalvsrkehr der kgl. sächs. Staals- eijenbahnen und der von ihr mitbetricbencn Prioateiscn- bahnen ist mit den zahlreichen Veränderungen in den Preisen der Fahrkarten natürlich auch ein neuer Druck von F^hr- und Rückfahrkarten notwendig geworden. Bei der Billetverwaltung der Slaatseiscnbahnen sind deshalb außer 3,073040 Stück Fahrkarten, welche schon in den Monaten Juni und Juli zum Druck gelangten, von Mitte August ab bis Ende September für das 4. Vierteljahr noch 3,906520 Stück Fahrkarten zur Fertig stellung gekommen. Die Bewältigung dieser Arbeit hat aber nrcht allein die Jnbelriebs tzung einer größeren An zahl von Maschinen erfordert, sondern auch bedeutende Heranzühung von Hilfskräften bedingt. Während in der Regel nur 4 Druck- und 2 Zählmaschinen in Thätigkeit sind, mußten zu jener Zeit 12 Druck- und 4 Zählma schinen in Betrieb grnommcn werden. Die Gesamtlie ferung an Fahrkarten für das 4 Vierteljahr 1888 be läuft sich auf 6,979560 Stück und hat diejenige für das gleiche Quartal des Vorjahres mit 4,548256 Stück um 2,431304 Stück oder 53,45 Proz. überstiegen. Die höchste Tagesleistung erreichte die Höhe von 175000 Stück. — Warnung! Neuerdings werden von der Münz anstalt L. Chr. Lauer in Nürnberg als Neuheit, ver schiedene den Reichsmünzen überaus ähnlich geprägte Metallstücke als Reklameartikel in den Handel gebracht. Dieselben tragen auf der Vorderseite das Bildnis des verewigten Kaisers Friedrich III., auf der Rückseite die Inschrift der die Reklame benutzenden jeweiligen Firma. Die Münzen sind in der Größe von Zweimarstücken (in Nickelzinn und versilbert) und in Zehn- und Zwanzig- Markstücken (in Messing und goldfarbigem Tomback) her gestellt. Daß dieselben hiernach leicht als echte Münzen ausgegcben und demnach zu Betrügereien benutzt werden können, kann keinem Zweifel unterliegen. Im Interesse des Publikums ist daher auch bereits die Ausgabe und Weiterverbreitung dieser Metallstücke von der königlichen Polizeidirektion zu Dresden unter Androhung einer Geldstrafe bis zu 100 Maik und einer Haststrafe bis zu 14 Tagen aus sicherheilspolizeilichen Gründen ver boten worden. Außer diesen Reklamemünzen sind viel fach Spielmarken mit dem Bildnis Kaiser Friedrichs in den Verkehr gekommen, w iche den echten Zehnmark stücken täuschend ähnlich sind. Es ist nicht unmöglich, daß im Trubel des Jahrmarktes versucht wird, mit solchen wertlosen Münzen zu betrügen, deshalb sei be sonders zur Vorsicht vermahnt. — In froher Hoffnung auf reichlichen Gewinn lebt jetzt das altenburgüche Dorf Walpernhain, welches vor einiger Zeit entdeckte, daß sich unter seiner Flur ein Braunkohlenlager von bedeutcndcr Mächtigkeit befindet. Der Abbau ist nicht kostspielig und die Bahnverbindung schon da. Man gedenkt, den Betrieb im nächsten Früh jahre beginnen zu können. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Kaiser Wilhelm II. sagte bei dem Empfange in BreSlau zum dortigen Ober-Bürgermeister: „Ich freu: Mlch, daß Breslau gut gewählt hat und die Kartell- Mteien das erste Mal gesiegt haben." So berichtet sie „Kreuzzeitung" aus der schlesischen Hauptstadt. — Die Kaiserin Friedrich verweilte am Freitag vormittag mit ihren Töchtern längere Zeit am Sarge rhrcs Gemahls in der Friedenskirche zu Potsdam. So weit bisher bekannt, reist die Kaiserin am Sonntag vor mittag mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge nach Eng land zum Besuch ihrer Mutter ab. — Die Königin Viktoria wird dem Kaiser Friedrich m großen Park des Windsor-Schloss-S, nahe der Statue hrcs Gemahls, ein Denkmal errichten lassen. Dasselbe oll im nächsten März enthüllt werden. — Der Zeitpunkt für den Besuch des Zaren in Berlin steht, wie schon erwähnt, noch keineswegs fest. Es ist, wie verlautet, der Wunsch Kaiser Wilhelms, raß gleichzeitig eine Begegnung mit dem Kaiser Franz Joseph stattfinde, und darüber sind die Verhandlungen m Wien und Gatschina noch im Gange. — Der Generalstabsarzt der Armee, vr. v. Lauer, )er bekannte Leibarzt Kaiser Wilhelm I., wird am 12. Dezember sein 60jährigeS Dienstjubiläum feiern. — Freitag, den 23. d. M., wird im Reichstage die Präsidentenwahl stattfinden, bei der die Abgeordneten v. Levetzow, Buhl und v. Unruh zweifellos als Präst anten gewählt werden. Montag, den 26. d., erfolgt die erste Beratung des Etats. — Die amtliche „Coburger Zeitung" bringt folgende I Mitteilung: „In jüngster Zeit würde mehrfach in der j Presse die Idee von lange getrübten und erst neuer dings ausgeglichenen Beziehungen Sr. H. des Herzogs von Coburg zu Sr. Majestät dem König von Sachsen verbreitet. Dem gegenüber ist zu bemerken, daß der Herzog von Coburg seit Jahren den von ihm hochver- ehrten König von Sachsen nicht nur in anhänglicher Freundschaft ergeben, sondern auch mit dem hohem Herrn durch ost belhätig'e Ucbereinstimmung patriotisch- nationaler Gesinnung eng verbunden. Einer Versöh nung, von der manche Zeitungen wissen wollen, Hal es also gar nicht bedurft. — Die offiziöse „Nordd. AUg.Ztg." schreibt-.Fran zösische Zeitungen, deren deutschfeindliche Gesinnungen notorisch sind, besprechen die über eine Verständigung zwischen Rußland und der Kurie schwebenden Verhand lungen und stellen mit großer Befriedigung die Behaup tung auf, daß damit eine Karte gegen Deutschland ausgespielt worden sei. Sie beweisen aber dadurch nur den Mangel ihrer politischen Bildung und ihres poli tischen Urteils. Eine Verständigung zwischen Rußland und der Kurie entsprich! den deutschen Interessen und könnte uns daher nur angenehm sein. Rußland und Preußen haben gemeinsame Interessen, sodaß Zuge ständnisse, welche der Papst an Rußland machte, auch uns zu gute kommen müßten, während eine aus gesprochen anlirussische Stellung des Papsttums auch Ausstrahlungen nach Preußen werfen würde. Der Friede mit Nom ist auf beiden Seilen der russisch- deutschen Grenze erwünscht, und die Störung jenes Friedens auf der einen Seite würde notwendig auf der-anderen eine Rückwirkung ausüben. — Die „Post" protestiert weiter gegen dis Verbreitung der neuen russischen Anleihe in Rußland und schreibt: „Man bezweckt mit dieser Anleihe, den Kredit Rußlands und den Glauben an die dauernde Friedfertigkeit seiner Politik dergestalt zu befestigen, daß es demnächst zu einer Anleihe von ungleich größe rem Umsange nut guter Aussicht auf Erfolg wird chreilcu können, sogar wieder auf Erfolg in Deutsch- aud. Was daraus sich ergeben kann, darüber bitten wir den geneigten Leser ein wenig nachzudenken." — Am 15. November wurde bekanntlich in Däne mark das 25jährige Regier ungcjubiläum des Königs ge feiert. Der Tag seines Regierungsantrittes, der 15. November 1863, hat aber auch für Deutschland geschicht liche Bedeutung: der an diesem Tage erfolgte Tod des dänischen Königs Friedrich VII. löste Ue staatsrechtliche Verbindung Schleswig-Holsteins mit Dänemark und brachte dadurch in der „deutschen Frage" den Stein ins Rollen; am 15. November vor 25 Jahren begann die Entwickelung, welche mit der Kaiserproklamation in Ver sailles ihren Abschluß erreichte. — Die königlich scklcswigsche Regierung hat beschlos sen, zum 1. April 1889 die deutsche Sprache zur aus schließlichen Unterrichtssprache in ihrem Bezirke einzu führen. — Der Reichstagsabgeordnete für Offenburg, Ge neral Freiherr von Degenfeld, ist am Freitag in Karls ruhe gestorben. Degenfeld gehörte den Kartellparteien an. Es ist also in Offenburg eine Ersatzwahl nötig. — Die Neichstagsersatzwahl im Kreise Melle-Diepholz hat eine Stichwahl zwischen dem welfischen und national liberalen Kandidaten ergeben. Bei derselben geben die Freisinnigen den Ausschlag. Oesterreich - Ungar«. — „Sarah Barnum", wie eine Kollegin die Bern hardt spöttisch genannt hat, ist gegenwärtig in Prag die Heldin des dortigen Tschechenlums, das mit der Komödiantin eine groteske Komödie aufführte. Schon bei ihrer Ankunft wurde Sarah Bernhardt unter Slawa- rufen förmlich zum Wagen getragen. Vor dem Gast hofe entwickelte sich ein lebensgefährliches Gedränge, sodaß die Polizei nur mit Mühe Ordnung hielt. Im tschechischen Nationaltheater war ein festlich gekleidetes Publikum erschienen. Nach jedem Akt erschienen Ab ordnungen, die untereinander und mit Sarah um die Wette chauvinistische Reden hielten. So antwortete Sarah einer Abgesandlschast des tschechischen Klubs Franyais: „Der Begrüßungsruf auf dem Bahnhof: „Vivs lu kraues!" rührte mich zu Thränen, und die Kundgebungen des tschechischen Volkes für Frankreich machen auf mich einen tiefen Eindruck." Nach der Theatervorstellung war ein Fest auf der Sophien-Jnsel, wobei tschechische Weisen gespielt, tschechische Tänze ge tanzt und der Heldin des Abends, welche durch die Reihen schritt, Geschenke überreicht wurden. Frankreich. — Die Regierung hat für 1,300000 Franken eine Gewehrfabrik in Saint-Etienne getauft, damit durch den Brand der Fabrik zu Chatellerault die Fabrikation der neuen Lebel-Gewehre nicht ins Stocken gerate. Ein Pa riser Blatt behauptet bereit», das Feuer sei von dem Feinden Frankreichs angelegt worden. Belgien. — Anläßlich des Empfanges einer Deputation im Brüssel äußerte der König, die europäische Lage sei voller Gefahren, Belgien müsse denselben gerüstet entgegentretem