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schäften, der eifrig die Herren von gesetzwidrig anwesen den Hunden aufstöbert und zur Anzeige bringt. Sin nicht besonders eleganter Pintscher zeigte sich ziemlich renitent, er wie« sogar dem Polizisten die Zähne. Als die Situation aber anfing verfänglich zu werden, flüch tete der Pintscher leichtfüßig schutzsuchend zu seinem Herrn, der dadurch verraten war, daß er verstoßend, gegen die lokalpolizeiltche Verordnung, einen Hund ins Wirtshaus und sogar in den Franziskaner-Keller mitgenommen hatte. Unter allgemeiner Aufmerksamkeit fragte der Polizist den behäbigen, jovialen Hundebesitzer nach der Adresse. Bei der Namensnennung zuckte der Vigilant zusammen, allein er fragte weiter: Stand und Charakter? Zur Antwort wurde bereitwillig gegeben: Königlicher Finanzministeri Nun huschte ein verlegenes Lächeln über des Polizisten Antlitz, und eme linkische Verbeugung sollte die Bitte um Entschuldigung ausdrücken. Die Gäste vergaßen über diese interessante Szene das Trinken, sie lauschten mit offenem Munde. Doch der Polizist ließ sich nicht irre machen, er fragte Se. Exzellenz auch nach der Woh nung. Um aber genau zu sein, versicherte der so jäh lings attrapierte Chef der bayerischen Finanzen, daß er Taubenstraße 16 wohne. Nun lachte alles aus vollem Halse und Exzellenz lachte kräftig mit. Mit einem Kratz fuß verschwand der diensteifrige Polizist, dem cs beschieden war, niemand Geringeren in ungesetzlicher Wirtshaus begleitung zu erwischen, als den Finanzminister des Königreichs Bayern. Kewerbeverein und Kaufmännischer Werein. Mit der schließenden Wintersaison haben auch sowohl der Ge werbeverein, als der Kausmännische Verein die Vortragsperiode ihres Winterhalbjahre» abgeschlossen und können beide Vereine mit Befriedigung aus das von ihnen ihren Mitgliedern und Güsten während dieses Zeitraums Gebotene zurückblicken. Uns erübrigt noch, über einige in den genannten Vereinen abgehaltene Vorträge zu berichten, aus welche wir deshalb nicht srüher zurllckkamcn, weil einer derselben (über „Ein deutscher Mann und seine Schöpfungen: Schulze-Delitzsch und das deutsche Genossenschafts wesen"), nachdem er bereit« Mitte Dezember v. I. im Kaufmänni schen Verein zu Gehör gebracht worden war, am letzten Vortrags abend des Gewerbeverein« nochmals geboten werden sollte. Die erwähnten beiden Vorträge wurden von Herrn Stadtrat Schulze hier gehalten, dem da« Thema derselben ja besonder« nahe lag. E« war da« vollständige abgeschlossene Lebensbild eine« echten deutschen Manne«, welches der Herr Redner den Hörern in fesselnder Weise vorsührte, und die kleinen charakteristischen Episoden aus des großen deutschen Manne« Leben, welche hin und wieder eingefügt waren, dienten nur dazu, da« Interesse an demselben zu erhöhen. Der LebenSgang von Schulze-Delitzsch ist in weiten Kreisen bekannt, aber trotzdem ist e« verdienstvoll, da« tüchtige Streben und Arbeiten solcher ausgezeichneter Männer von Zeil zu Zeit zum Gegenstände öffentlicher Vorträge zu machen — mancher wird doch au« den selben Ansporn zu frischem Schaffen in seinem Berusslreise mit nach Hause nehmen. Als Sohn de« Bürgermeister« am 29. August 1808 in dem damals noch sächsischen Städtchen Delitzsch geboren, würde Schulze ebenfalls zum Studium der Jurisprudenz bestimmt und besuchte, nachdem er mit Erfolg die Thomasschule in Leipzig absolviert hatte, erst die Universität daselbst und daun die zu Halle a. S., sich al« ein eb nso fleißiger und eisriger als flotter und lebenslustiger Bruder Studio erweisend. Trotz der damals gebotenen Gelegenheit, sich vom Militär loskaufen zu können, diente Schulze seine Zeit in Berlin (Delitzsch war inzwischen preußisch geworden) ab. Schulze machte sich überall beliebt, sowohl bei Kameraden al- Vorgesetzten, und ersreute sich der ungeteiltesten Achtung, sodaß ihm nach Ablauf seiner Militärzeit da« Verbleiben im militärischen Dienste unter sehr günstigen Bedingungen nahe gelegt wurde. Zu diesem Zeitpunkt, welcher über Schulzes Leben entschied und dem letzteren eine ganz andere Wendung geben konnte, gelangte an ihn die Nachricht, daß in Delitzsch ein Justizbeamter gestorben sei, zu dessen Nachfolger man ihn in Aussicht genommen habe. Schulze ging nach Delitzsch, und hier, wo er in die Zustände und Ver hältnisse der Bevölkerung schon srüher Einblick genommen hatte, begann er bald seine so folgen- und segensreiche öffentliche Wirk samkeit. Unter seiner persönlichen Leitung entstanden in rascher Folge ein Gesangverein, Turnverein, eine Kranken- und Sterbe kaffe, und die Ueberschüffe der letzteren benutzte er, den Bauern, kleinen Gewerbtreibenden rc. Darlehen gegen den landesüblichen Zinsfuß zu gewähren und sie so vor den Wucherern zu schützen. Weiter gründete Schulze-Delitzsch die Assoziation dec Schuhmacher seiner Heimatsstadt und half auch in Nachbarorten die Einrichtung von Produktivgenoffenichaften, Konsumvereinen und Borschußver- einen fördern — Institute, welche, al» 1845 in verschiedenen Teilen Preußen» Hungersnot und Unruhen ausbrachen, flch aus» beste bewährten. Selbstverständlich konnte Schulzes Wirken nicht unbt- achtet bleiben, sowohl in weiteren Bolkskreisen, deren Vertrauen ihn 1848 in die Nationalversammlung sandte, al» auch im Mini sterium, wo man jedoch, bezeichnend genug, seine Thäligkeit nicht gerade beifällig bemerkte. Bei der 1849 eingesührten neuen Ge richtsordnung wurde Schulze stellenlos, obwohl erklärt worden war, die betreffenden Beamten würden versorgt werden. Endlich wurde Schulze ein Posten in Wreschen, einer halb polnischen, halb jüdischen Stadt, zugewiesen, wo seiner eine enorme Arbeitslast harrte. Nach Erledigung derselben kam er um einen wohlverdienten Urlaub ein, der ihm aber erst aus besondere Fürsprache seines ih« wohlwollenden Vorgesetzten und unter der Beschränkung erteilt wurde, daß er Delitzsch nicht besuchen solle, was gerade den Haupt- wünsch Schulzes ausmachte. Er kehrte sich nicht an da» Verbot und sand al» Resultat bei seiner Rückkehr eine Strasverfügung, wonach ihm ein Monat Gehalt zurückzubehalten sei, ein Vorgehen, welches Schulze mit Kündigung seiner Stelle beantwortete. Schulze war also abermals stellenlos. Er ging nach Delitzsch, wo man ihn mit offenen Armen empfing. Seine Lage war wenig benei denswert, da er von den Zinsen des Vermögens seiner Frau und von den Einnahmen, die er sich durch juristische Privatarbeit ver schaffte, leben mußte. Um so mehr freie Zeit blieb ihm, sich seinen früheren Bestrebungen zu widmen. Er stellte sich nun selbst an die Spitze der von ihm gegründeten Vereine, Genöffenschaften w., und bald wuchsen in allen Städten gleiche Vereine bez. Institute empor, zu deren Errichtung man seine Hilse in Anspruch nahm, sodaß er außerordentlich zu thun bekam. Aber damit war sein« Thäligkeit nicht abgeschlossen. 1853 schrieb Schulze sein erste« Werk über „Kreditgenossenschaften", weiter errichtete er eine Zeit schrift: „Die Zukunft der Innungen", und außerdem wurde er noch zum Abgeordneten ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt, Da sich Schuize nun so ausopsernd der Oeffentlichkeit widme t und er keine feste Stellung besaß, setzte sich das deutsche Volk in Bewegung; e» veranstaltete im geheimen eine Sammlung, welche 50000 Thaler zusammenbrachte. Diese Summe wurde Schulze- Delitzsch durch eine Deputation überbracht. Schulze wies da» Geld zwar nicht zurück, erklärte aber, er werde nur die Zinsen der Summe verbrauchen, das Kapital selbst solle, wenn er ge storben sei, den Genossenschaften verbleiben, um Leuten, die sich um das Volk verdient gemacht haben, einen Ehrensold gewähren zu können. ES wurde dem verdienten Manne ein schönes Landhaus gekauft und nun, der materiellen Sorgen enthoben, widmete er sich vollständig dem öffentlichen Leben. Einen heftigen Kampf hatte er mit Ferdinand Lasalle zu bestehen, der anstatt der Schul zeschen Selbsthilfe Produktivassoziationen mit Staatshilse forderte. 1863 wurden von den über ganz Deutschland zerstreuten einzelne» Vereinen, welche bisher ohne jede Verbindung mit einander waren, Verbände gebildet, so in Sachsen, Preußen, Baden, Hessm,c. Schulze-Delitzsch starb am 29. April 1883 in Potsdam in feinem Haus. — Gegenwärtig existieren ca. 4500 Genossenschaften und ca. 2300 Vorschuß- und Kreditbanken; 1886 existierten 881 Bor schußvereine. Alle eingetragenen Genossenschaften haben ein eigene« Stammvermögen von 110 Millionen M-, dazu kommen 25 Milli- onen M. Reservefonds für etwaige Verluste. Die 881 Vereine haben einen jährlichen Umsatz von 1522 Millionen M. Der Frankenberger Vorschußverein ist kein Verein nach Schulze-Delitzsch« Art, denn al« der letztere mit seinen Bestrebungen hervortrat, lebte in Frankenberg ein Mann, der, ohne Jurist zu sein, die gleichen Ziele verfolgte; e« war Fritz Schmidt. Erst gingen beide Hand in Hand, bis sie Prinzipseinde wurden. Schulze-Delitzsch gab zu, daß ein Mitglied 100, auch 200 Thaler einlegen konnte, und da die nur den Einlegern zukommende Dividende 15—20 K betrug, so traten viele Kapitalisten bei, während diejenigen, die Darlehm aufnahmen, hohe Zinsen bezahlen mußten. Schmidt hatte dagegen den Grundsatz, daß auch diejenigen Mitglieder, welche Darlehne dem Vorschußverein entnehmen, der Dividende teilhaftig sein sollten. Der Herr Redner gab noch verschiedene nähere Mitteilungen über den Stand und die Verwaltung de« hiesigen Vorschußverein», die mit großem Interesse ausgenommen wurden. Ganz seid. bedrncktel'»»Lru7Ä«M.l.S0 bis 6.25 p. Met. — vers. in einzelnen Roben Porto- und zoll frei in's Haus das Seidcnfabrik - DöpSt kl. Lennvderx (K. u. K. Hoflief.) Lüilvd. Muster umgehend. Briefe kosten 20 Pf. Porto. — Druck und Verlag von L. G. Roßberg da Arembmborg.