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Der gestrige Donnerstag in Berlin. Nicht nur ganz Deutschland, sondern alle zivilisierten Völker standen ist den letzten Tagen unter dem beängstigen den Eindrücke, den die Nachricht von der bedenklichen Er krankung unseres deutschen Kaisers hervorgerusen hatte. Aller Augen richteten sich voll sorgenschwerer Erwartung nach Berlin. In der RetchShauplstadt selbst hatte die Krankheit des Kaisers die Bevölkerung in einen Zustand von Aufregung und Bangigkeit versetzt, der jeder Be schreibung spottet. Wie vorbereitet man auf nalur notwendige Katastrophen auch sein mag: wenn sie her annahen, vermag doch niemand ihnen festen Sinnes und ruhigen Blicks entgegenzuharren. Die Hoffnung, daß die starke Natur des hohen Greises auch diesmal die Unbilden eines alten Uebels, wie schon oft zuvor, glücklich überwinden werde, war zu zuversichtlich, als daß ihre Enttäuschung nicht eine liefe Niedergeschlagen heit hätte herbeiführen sollen. Auch gestern, Donners tag, beherrschte die Krankheit des Kaisers die Verhand lungen der Parlamente vollständig. Das Abgeordneten haus war nur mäßig besetzt und auf den Tribünen befanden sich weniger Zuschauer als je. Den Ver handlungen ward nur äußerst geringe Aufmerksamkeit geschenkt, mit sorgenvollem Gesichte unterhielt man sich leise über die aus den» Palais einlaufenden Nachrichten, Boten kamen und gingen und über dem Saale lagerte es wie drückende Gewitterschwül«. So begrüßte man denn die „vorläufige" Vertagung wie eine augenblickliche Erlösung, und wenn tue patriotischen Worte der Herren von Rauchhaupl, Windthorst und v. Heeremann auch mit einem der Sache entsprechenden ehrfurchtsvollen Schweigen ausgenommen wurden, so fanden sie um so wärmeren Widerhall im tiefsten Herzen. — Aehnltch ging es natürlich im Reichstage zu, der ungleich zahl reicher besucht war, da an dieser Stelle wohl viele die neuesten Nachrichten zu hören hofften. Trübe und düster waren Licht und Stimmung im Saale, auf dessen Glasdach melancholisch der Regen herniederrieselte; in rasender Eile suchte man die Tagesordnung zu erledigen; gruppenweise unterhielt man sich mit gedämpfter Stimme und eine gewaltige, mühsam niedergehaltene Erregung ließ sich bei allen deutlich erkennen. Wichtige Anträge wurden nach Hinweis auf die augenblickliche schwere Zeitlage, welche zu jeder Diskussion unfähig mache, freiwillig zurückgezogen, und schließlich die letzten beiden Gegenstände unerledigt gelassen, um nur zu Ende zu kommen. Der Reichskanzler war von verschiedenen Seiten erwartet worden; wie es sodann hieß, sei er um Uhr im Hause gewesen, aber nur, um an einer ver traulichen BundesratS-Sitzung teilzunehmen; mit dieser Erklärung stimmte eS überein, daß zu der angegebenen Zeil die bis dahin sehr stark besetzten Plätze des Bundes rates plötzlich fast ganz leer wurden. Um 3 Uhr sollte sodann, wie man erzählt«, eine Sitzung des StaatS- mintsteriumS statlfinden. Auf den Journalistentribünen ging eS zu wie an einen, Bienenstand, dessen Völker durch Sleinwürfe plötzlich gestört sind.« Hier flogen die Depeschen hin und her, die Boten blieben in unaufhör licher Bewegung, jeder Korrespondent luchte den Nachbar auSzuhorchen, und die tollsten Gerüchte schwirrten durch die Luft. Zuverlässiges wußte natürlich niemand. Unler den Linden wogten nachmittags trotz deS regneri schen — im Einklänge mit der düsteren Stimmung der Bevölkerung stehenden — Wetters dichte Menschenmassen auf und nieder. Vor dem Niederländischen Palais standen Doppelposten in voller Gala, Wagen des HofeS und der dazu gehörigen Gesellfchast fuhren hin und her, und die, übrigens nicht allzu zahlreichen, Schutzleute — zwei zu Pferde und etwa 6 oder 8 zu Fuß —, welche sich um das Kaiserliche PalatS herum befanden, wurden mit Fragen von der Menge bestürmt. Generale und hohe Verwaltungsbeamte wie Arbeiter und Studenten, Einheimische und Fremde, all« Stände, Alter und Ge- schlechter befanden sich unter denselben. An dem nach der Behrenstraße zu gelegenen Thore des Palastes sammelten sich gleichfalls dichte Massen an, als hier um 3j Uhr etwa ein Anschlag befestigt wurde, aus welchem mit Tinte daS von 12 Uhr mittags" datierte ärztliche Bülletin stand. Tagesgeschichte. Deutsche» Steich. — Die KabinettSordre, welch« die Ermächtigung zum Schluß der Reichstagssession erteilt, ist vom Kaiser am Donnerstag noch mit fester Hand unterzeichnet worden. Wie eS MU dem Schluß gehalten werden wir-, steht aber jetzt noch dahin. Die Geschäfte dürsten unter Ver zicht auf Formalitäten rasch erledigt werden können; ob es aber angemessen erachtet werden wird, den Reichstag gerade jetzt auSetnandergehen zu lassen, darüber bestehen Zweifel. — Die Familie des Reichskanzlers Fürsten BtSmarck ist am Mittwoch um ein Enkelkind bereichert worden: Die Frau Gräfin von Bismarck-Schönhausen wurde in Hanau von einer Tochter glücklich entbunden. — Aus Berlin wird von gestern, Donnerstag, abend folgendes geschrieben: Der Schlaf de» Kaisers war, wie bereits telegraphisch gemeldet, in der Nacht zum Donnerstag, nachdem am Mittwoch abend eine geringe Kräfleausbesserung emgetreten war, sehr unruhig; die Kräfte gingen infolgedessen noch weiter zurück. Der Kaiser nahm wohl noch wiederholt etwas schwache Bouillon und andere Getränke zu sich, allein die Wiederkehr der Kiäfte blieb aus. Der greise Herrscher zeigte indessen volle Teilnahme für seine Umgebung, nahm hin und wieder die Hand der Kaiserin und des Prinzen Wil helm, welche von 9 Uhr morgens an am Krankenbett verweilten, in die seinige und hatte nachmittags 2 Uhr eine kurze, etwa 10 Minuten dauernde Unterredung mit dem Reichskanzler. Dem Kanzler standen die Thränen in den Augen, als er das Zimmer verließ. Als die am frühen Morgen in Berlin eingetroffene Frau Großher zogin von Baden, die einzige Tochter des Kaiserpaares, am Krankenlager ihres Vaters erschien, erkannte der Kaiser sie ebenfalls und reichte ihr mit mattem Lächeln die Hand. Der Nachmittag »erlief traurig. Der Au- stand de» Kaisers war noch immer derselbe wie am Morgen, der hohe Kranke war völlig bei Bewußtsein, ab und zu stellte sich Schlaf ein, aber der Puls wurde immer schwächer. Der Reichskanzler, der Oberkämmerer und der Chef des Militärkabioetts waren um den Prin zen Wilhelm, der am Nachmittage sich von dem Bett des totkranken Großvaters für kurze Zeit entfernt halte. Der PulS des Kaisers, gewöhnlich 57 Schläge, war am Mittwoch 108, am Donnerstag war er 104. Im Palais herrschte jene Stimmung, die einem großen Ereignisse voranzugehen pflegt. Geschäftiges Kommen und Gehen, auf den Mienen Bestürzung, angstvolle Er- ! wariung, gedämpftes Sprechen — bei aller äußeren Ruhe innere, fieberhafte Erregung. In den Gemächern der Frau Großherzogin von Baven waren um Ihre Majestät die Kaiserin die badischen Herrschaften, die Kronprinzessin von Schweden, Prinzessin Wilhelm versammelt. Bor dem PalaiS de» Kaiser» herrschte sehr bewegte» Leben. Die Schutzmannsketten waren verstärkt, auch reitende Patrouillen hattcn vor dem Denkmal Friedrich de» Großen Aufstellung genommen. In der Mittagsstunde wuchs die Zahl der Teilnahmsvollen, die in bangester Erwartung nach dem Palais blickten, zu Taufenden an. Wagen fuhren unablässig an dem PalaiS vor und wieder ab. Die Zahl der Generale, welche von dem Eingang in der Behrenstraße sich in da» PalaiS begaben, Aar eine sehr große, fast die gesamte Generalität schien versam melt zu sein. De« Oberhofpredigers vr. Kögel Er scheinen rief die schwersten Befürchtungen hervor. De peschenbolen sah man fortwährend in das PalaiS eilen. In den späteren Nachmitlagsstunden wuchs die Menge immer mehr an. Die Nachrichten, welche au» dem Pa- lai» drangen, lauteten wenig trostvoll und auf allen Ge sichtern spiegelten sich Schmerz und tiefste Teilnahme wieder. Später begann eS zu regnen. Die Menge wich und wankte nicht, immer größer wurde die Ansammlung vor dem Palais, und in der Dunkelheit sammelte sich eine schier endlose Masse an. Alle» still, nur mit halb lauten Worten wurde über den Zustand de» greisen Herrn gesprochen, überall die bangste Trauer, die schmerzlichste Besorgnis. Heiße Wünsche wurden von allen Lippen laut Zahlreiche Droschken und Equipagen brachten aus allen Teilen der großen Stadt Teilnehmende. Starke Schutzmannsposten waren aufgeboten. Der Frau Kron prinzessin von Schweden, Enkelin deS Kaisers, hatte ihr Gemahl das Geleit gegeben. Der hohe Herr sah außer gewöhnlich ernst und trüb aus, al» er den Perron des Bahnhofes Friedr,chstraße betrat. — Alle Londoner Morgenblätter vom Donnerstag widmeten der schweren Krankheit des deutschen Kaisers sympathische Leitartikel und drückten die inbrünstige Hoff nung auf Wiedergenesung au». Die „Morgenpost" schloß ihren Artikel mit den Worten, die kaiserliche Familie und das deutsche Volk mögen versichert sein, daß nirgends außerhalb Deutschland- dem Ereignis mit so lebhafter Teilnahme wie in England gefolgt werde. Zahllose An fragen wurden auf der deutschen Botschaft nach dem Befinden des Kaiser- gerichtet. Ebenso lauten die Nach richten aus allen andern europäischen Hauptstädten. Die Teilnahme ist eine überwältigende, selbst in Pari» zeigt sich das. Mit besonderem Nachdruck wurde hervorgehoben, daß der greise Herrscher, dem ganz Europa so viele» verdankt, von einer tödliche» Krankheit ergriffen sei, wäh rend der einzige Sohn krank im fremden Lande weile. — Au» Wien geben wir noch folgende» Telegramm: „In allen Kreisen der Bevölkerung giebt sich eine groß artige, durch schmerzliche Teilnahme hervorgerüfene Be wegung anläßlich der schweren Erkrankung de- Kaiser» kund. Die Redaktionen der Blätter werden um Aus kunft bestürmt und in politischen Kreisen wird die Lage de» deutschen Reiche» ernster Erwägung unterzöge». Sämtliche Zeitungen bringen Artikel voll innigsten Mit gefühl» für den schweren Kummer de» deutschen Volke», dabei zum Teil an Befürchtungen erinnernd, zu bereu Zerstreuung e» einer mächtigeujHand bedürfte." Bulgarien. — Die endliche Sufroffung der Pforte zu einem thatkräftigen Akte gegen den Prinzen Ferdinand erregt begreifliches Aufsehen und wird in erster Reihe der starken Einwirkung Deutschlands zugeschrieben. Welchen Eindruck dieselbe auf die drei seitwärts stehenden Mächte gemacht hat, läßt sich noch nicht erkennen. In Italien indessen scheint man der Meinung zu sein, daß der bul garische Frage sich überhaupt nicht auf dem betretenen Wege werde lösen lassen, weil kein Kandidat, der von Rußland vorgeschlagen würde, die Zustimmung aller übrigen Mächte werde finden können. Weit bester sei e» daher, d,e Dinge so zu lasten, wie sie gegenwärtig find, und anstatt der Neuwahl eines Fürsten dem Prinzen Ferdinand die Regierung zu übergeben. Da» find zwar Idem, die sich leicht äußern, avrr schwer verwirklichen lasten, zumal nach dem, wa» vorgegangen ist. Rußland wird in keinem Falle den Prinzen Ferdinand zulasten, und darum ist der Vorschlag ganz müßig. Die englischen Blätter zweifeln nicht daran, daß der Prinz von Loburg das Feld räumen werde — obschon, wie wohl zu be achten bleibt, die Pforte ihn nicht unmittelbar zum Ver lassen Bulgariens aufgefordert hat. Aber auch sie glauben, daß dann die Schwierigkesten erst recht beginne» werden. Und da Rußland mit seinem Kandidaten noch immer hinter dem Berge hält, so mögen sie wohl nicht unrecht haben. Fra»ke»beraer Kirchruuachrichte«. Sonntag ILtare. Krüh 7 Uhr: Beichte u. Kommunion; Herr «rchidiak. -el«,. — Früh S Uhr: Predigttext: 2. Kor. b, 19—21; Herr Oberpf. Lesch. Nach der Predigt: Prüfung der Konfirmanden au» den eingepsarrten Dörfern (GunnerS- dors ausgenommen); Herr Oderps. Lesch. — Nach«. 3Uhr:' Konfirmandenprüsung der Mädchen au» Stadt und Sunoer«- dorf; Herr Archidiak. Helbig. Sachfeuburger Atrche»»achrichte». Sonntag Lätare. Früh 8j Uhr: Predigt. — Borm 111 Uhr: Predigt für die Anftalitgemeiude. — Nachm. 2j Uhr: Aasten» examen für die konfirmierte Jugend. Airchenuachrichte» der Parochie EberSd-rf. Sonntag Lätare. Früh 19 Uhr: Beichthandluog. — Früh 9 Uhr: Sotte»dienft u. h. Abendmahl. (Herr k. Auger au» Niedertichtenau.) Getaufte: De» Srnst Anton Schulze, ans. Sattler« h., S., Otto Rudolf. Beerdigte: Der Amalie Wilhelmine Oehlschlägel h. D, Ida Minna, 8 T. — De» Friedr. Anton Höppner, Handarb, h., S., Friedr. Hermann, 6 M. — Johann Gottlieb Lange, Schuhmacher mstr. h., 78 I. — De» Ernst Iuliu» Saupe, ans. Tischlermftr». h., S., Ernst Paul, 3 M. Airchl. Nachr. a«S Ober- und Niedertviesa. Sonntag Lätare. Früh j9 Uhr: Beichte. — Früh 9 Uhrt Bolteidi nft mit Kommunion Getaufte: Johann Arthur, S. de» Hau-bes. u. Handarb. Heinrich Herm. Fiedler in Ober«. — Anna Martha, T. de» Hapd arb. Friedr. Beruh. John in Oberw. — Lina Selma, T. de« WirlschastSgeh. Karl Aug. Meyer in Hilbersdorf. — Paul Arno, S. de« Hauibes, und Handarb Anton Moritz Lohr in Nieder«. Aufgeboten und getraut: Friedr. Bernh. John, Handarb. in Oder«., ehel. S. de» Handarb. weil. Friedr. Christoph John in Lichtenwalde, und Christiane Wilhelmine, weil. Johann Zick mell», Sroßlnecht» in Erdi»dorf, T. Beerdigte: Anton Bruno, Karl Anton Böhm», Sartengnt«. des. in Niederw., ehel S., s an Nierenkrankheit, 14 I. 7 M. 24 T. Ktrche»»achrichte« vsa Flöha. Sonntag Lätare. Früh 9 Uhr: Bottesdienst ohne Abendmahls- feier. Text: Psalm 23. Getaufte: De« Robert Otto Fröde, kgl. Oberförster» in Plaue, S., Christoph Otto Han«. — De» Herm. Iuliu« Boigt, Eisenbahnasfistenten in Plaue, S., Herm. Rudolf. — Dl» Karl Ernst Heroid, Fabritarb. in Altenhain, S., Ernst Otto. — Des Karl Friedr. Streu, Fabrikarb. in Flöha, S., Friedr. Martin. — De» August Srnst Haubold, SutSbrs. in Flöha, T., Alma Met- Hedwig. Getraute: Friedr. August Winter, Handarb. u. Sinw. in Sückelsberg, mit Ida Therese Glauch bas. — Heinr. Mar Nollau, Bäcker u. Sinw. in Altenhain, mit Klara Hulda Olto das. Beerdigt«: Der Christiane Pauline Ranft in Flöha außer» ehel. Kd., Alma Auguste, 3 M. 4 T. — De» Srnst August Stei nert, Fabrikarb. u. Sinw. in Schweddey, totgeb. T.