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Beilage z« ^-39. 1888. Donnerstag, den 16. Februar. A. Union nicht zustande kommt, und eS ist möglich, daß di. andern Möchte, die Möglichkeit dieses Bündnisse« füh lend, und voller Furcht davor, sich iu dem Maße vor- ) bereiten, daß die beiden Häuser durch Verzögerung der Allianz de- hauptsächlichsten Vorteils verlustig werden/' * Nicht weniger als 23mal verzeichnet der amtliche . stenographische Bericht über die jüngste Rede des Reichs kanzlers: Heiterkeit; aber das Bravo ist derselben doch ; noch über: Lima! erscheint es ohne besonderes Attribut, j 2mal al« lebhafte«, 3mal al- allseitiges Bravo; qußer- Z dem find verzeichnet 1mal „Beifall und Zustimmung?, » 2«al „Hört, hört!", je 3mal „Sehr gutl'^ und „Sehr H richtig!'^ und am Schluß „Lebhafter andauernder Bei- Z fall", insgesamt 59 kritische Unterbrechungen in 1 Stint- H den — oder mehr al- eine io 2 Minuten — und sämt- H lich in beifälligem Sinne. Eine größere rednerische Wir- kung läßt sich doch kaum denken! * Aus Göttingen wird geschrieben: Der Besuch der deutschen Universitäten beläuft sich in diesem Winterhalb jahre auf 26945 Studierende (gegen 26253 i« letzten Sommer). Lon diesen hat Berlin 5478/ München 3414, Senzig 328L Halle 1501, Breslau 1314, ( Tübingen 1254, Bonn 1119, Greif-wald 1041, Göttingen 1021, Straßburg 886, Fretburg 884, Erlangen 879, Heidel berg 832, Marburg 863, Königsberg 807, Gießen 513, Jena 581, Münster 467, Kiel 463, Rostock 340 Stu- i deuten. Bon den 26945 gehören 5791 der theologischen, 5769 der juristischen, 6650 der medizinischen ukd 873S der philosophischen Fakultät an. Die Zahl der Aus länder unter den Studierenden beträgt 1644, von denen z auf Berlin allein 601 kommen. * Die Tracht unserer „modernen" Herren, die sich al- Könige der Straße und de- Salons fühlen, beginnt (wie die „Boss. Ztg." au« Berlin mit Recht schreibt) nachgerade überaus geschmacklos zu werden. Unglaub liches wird in den schroffsten Farbenzusammenstellungen geleistet. Grüner Ueberzieher, großkarrtrrter Jaquett- Snzug, rote kravatte, hellbraune Weste und dazuSchna- belschuhe mit breiten Hacken und Lordmajorsstock — da« ist eine dieser neuen männlichen Modepuppen. tz * Zu den wunderlichsten Gebräuchen am türkische« Hofe gehört, daß dem Sultan nicht beschieden ist, feint Anzüge und Wäsche länger al- nur einen Tag am Leibt zu tragen. DerPahischah würde ein Majestät-Verbrechen h gegen sich selbst begehen, wenn er dieselbe Kleidung auch L nur zwei Tage hintereinander tragen würde, weshalb er jeden Morgen einen neuen Anzug, sowie neue Wäscht zur Berfügung haben muß. Abgesehen NM denKammer- D zirken, über welche der kleine Belagerungszustand ver hängt sei, am meisten gewachsen seien. Erst seit seiner Ausweisung aus Leipzig habe er sich seiner Partei ganz zur Verfügung gestellt, von da au datiere auch sein Mandat zu« sächsischen Landtage. Ebenso sei es seinem Freunde Singer ergangen. Ma« sehe doch nun, wa« man Mit Ausnahmebestimmungen anrichte. Mit den Argumenten v. Kleist-Retzows, die Mehrheit müsse vor der Minderheit geschützt werden, könne man alles ent schuldige», z. B. die Bartholomäusnacht. Meyer-Halle (freis.) betonte, v. Puttkamer habe in der Kommission vor dem Abbröckeln von der Gesetzgebung gewarnt. Da« Abbröckeln könne doch aber an sich nicht so schädlich sein, denn v. Puttkamer sei e- ja gerade ge wesen, welcher an den Maigesetzen abbröckelte. Die Nationaüiberälen hätten sich entschieden gegen die Expa- triierungsmaßregel ausgesprochen. Welcher Unterschied bestehe denn aber zwischen Dieser Maßregel und dem 8 28? Der Fall Keßler beweise dies schlagend. Daß das Sozialistengesetz gegen anarchistische AttentatSpläue nicht schütze, zeige da« glücklich verhinderte Altentat am Niederwalddenkmal. Damals habe die gewöhnliche Gesetzgebung eintreten müssen. Die Diskussion wurde geschloffen. Die Abstimmung über den Antrag Windt horst war eine namentliche. Der Antrag wurde mit 153 gegen 100 Stimmen abgelehnt. Geschloffen gegen den Antrag stimmten Nationalliberale und konservative, tz 28 bleibt mithin besieht« , und ist damit da» Gesetz unverändert in seiner früheren Form angenommen. ES folgte dritte Beratung de» Gesetzentwürfe», betr. den Er laß der Witwen- und Waisengeldbeiträge von Angehörigen der Reich-armee und der Marine und der Reich-zivil- behördeu. Dazu liegt ein von allen Parteien beantragter Zusatz vor, wonach den aus der Reich»- oder LandeSan- stalt ausgeschiedenen Mitgliedern der Reich-bramten« Witwen- oder Waisenkässe» die seit der Berzichtkistung an die Reich«- oder Lände-anstalt gezahlten Beiträge aus die gesetzlichen Nachzahlungen aogerechnet werden sollen. Nachdem Direktor im Reichsschatzamt Aschenborn sich da gegen ausgesprochen, wurde die Vorlage mit dem Anträge an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen. Die Vorlage, betr. die Zurückbeförderung der Hinterbliebene» im Ausland ««gestellter Reichsbeamten, wurde in dritter Lesung debattelos angenommen. Darauf vertagte sich das Haus auf Mittwoch. Arankenßerger Hagektatt und Mezirksanzeiger. vo« Reichs 1«se. In der 37. Sitzung vom 14. Februar wurde zu nächst mitgeteilt, daß Reinhold (nat.-lib. 3. Arnsberg) sein Mandat ntedergrlegt habe. An Stelle de- au» sei nem Amte scheidenden Schriftführer» Porsch (Zentrum) l wurde Graf Adelmann (Zentr.) gewählt- Die -weste I Beratung de« Sozialistengesetze» wurde darauf fortgesetzt. § 19 der Vorlage, der für die Verbreitung verbotener Druckschriften verschärfte Strafbestimmungen enthält, war von der Kommission abgelehnt, der tz 19 des bisheri gen Gesetzes Unverändert genehmigt worden, v. Helldorf (kons.) erklärte, daß seine politischen Freunde nach wie vor für die verlangten Verschärfungen seien, daß sie aber, um da« Zustandekommen de« Gesetzes nicht zu gefährden, die KomimsfionSbeschlüsse akzeptieren würden. 8 19 wurde in seiner früheren Form angenommen. Minister v. Puttkamer bemerkte, nach der Erklärung der konser vativen Partei und dem Resultate der soeben stattgefun denen Abstimmung habe er zu erklären, daß die Regie rung auf Lie Diskussion der übrigen von der Kommis sion abgelehnten Paragraph«» keinen Wert mehr lege. SS würde daher nur noch die Diskussion des tz 28, zu welchem ein Antrag au« dem Hause vorliege, in Frage kommen. Die in der Regierungsvorlage geforderten Verschärfungen wurden darauf dem Anträge der Kom mission entsprechend debattelos sämtlich abgelehnt. Von Windthorst wurde beantragt, den tz 28 des Gesetze» (kleiner Belagerungszustand) aufzuheben. Windthorst be gründete den Antrag. Die Ausschreitungen, denen mit diesem Paragraphen entgegen getreten werden solle, könnten sehr gut auf dem Boden des gemeinen Rechtes bekämpft werden, er sei deshalb gern bereit, an einer Verschärfung des gemeinen Rechte« nach dieser Richtung hin mitzu arbeiten. Er habe in der kommisston beantragt, daß mit Rücksicht auf die besonderen, für Berlin Maßgebende« Verhältnisse der kleine Belagerungszustand für Berlin bestehe« bleiben solle. Der Minister hab« in der Kom mission erklärt, er gebrauche den Belagerungszustand in Berlin nicht notwendiger, al« in anderen Städten. Sollte er inzwischen seine Anficht geändert haben, so sei er be reit, seinen Antrag au« der Kommisston von neuem ein zubringen. — v. Kleist-Retzow (konf.) bekämpfte den An trag Windthorst. Der Hinweis auf vlls gemeine Recht sei schon 1878 gemacht, Deutschland könne aber mit dem gemeinen Recht nicht gegen eine Partei auskommen, die seine höchste« LebenSinteressen vernichten wolle. Der kleine Belagerungszustand für Berlin sei notwendig, denn da« preußische Volk verlang« im Hinblick auf die grausi gen Attentate von 1878 einen Schutz für die Person lwS Kaisers. Da« Gesetz existiere bereit» 10 Jahre und nur auf 5 Städte sei der 8^28 aogewendet. Das sei doch maßvoll genug. Wey« -auf das Eleyd der Ausgewiesene« hingewiesen werde, so stehe dem die Teilnahme für oft Millionen Menschen gegenüber, welche durch di« sozial demokratische Agitation vergiftet und verführt wurden. Redner sprach zum Schluß die Hoffnung au«, dieMehr- heitsparteien würde« nach 2 Jahren die jetzt abgelehnte Regierungsvorlage annehMen. — Sabör (Svz.-D«V.) bestritt Üner Bemerkung v. Kleist-Retzow« gegenüber, daß die -Sozialdemokraten die Freiheit de« Willen« leug neten, seine-Partei behaupte nur, daß an der Mehrzahl der Verbrechen die Gesellschaft Schuld habe. — Hänel (fress.) erklärte sich für de« Antrag Windthorst, hofft , aber, daß der Zeitpunkt bald eintrcten werde, wo da« Sozialistengesetz den Weg der Maigesetze gehe. Keine Partei werd« schließlich da« Odium auf sich nehmen wol len, für da» Gesetz gestimmt zu haben. — v. kardorff (freikons.) erwiderte, daß er sich niemals schämen werde, für das Sozialistengesetz gestimmt zu haben- Gerade der tz 28 könne am wenigsten durch das gemeine Recht er-' setzt werden. -- v. Bennigsen (nat.-lib.) war der Ansicht, daß der Antrag Witidthorst nur einen taktisch« Zweck verfolge. Windthorst begehe zudem eine Inkonsequenz, wenn er den Uebergang zuul gemeinen Recht befürworte, trotzdem aber den kWen Belagerungszustand für Berlin beibehalten wolle. Seine Partei werde für Verlängerung auf zwei Iahte, aber gegen alle Verschärfungen und Milderungen stimmen. DK Nationalliberalen hegten die Erwartung, daß nach 2 Jahren an Stell« de« Ausnahme-. gesetze« em dauernde- Gesetz treten werd«. — Bebel bemerkte, Minister v. Puttkamer Hape hieperklärt, da-, Sozialisteog«setz fti notwendig, um d:e sozialdemokratische Agitation zu bekämpft«. Wenn er Minister wäre, so würde -er sich schäme», zu erklären, daß da» erste Reich der Welt mit seinem gewaltigen Militär- und Polizei- apparat wegen der 10,000 Exemplar« Züricher „Sozial demokrat" ein Ausnahmegesetz brauche. ES sei notorisch, Haß die sozialdemokratischen Stimmen gerade in den Be dienern, welche tagtäglich die abgelegten noch völlig neuen Sachen erhalten, macht Ms« seltsame Regel den Ver dienst vieler Leute au«. Denn nicht «ut hat der Schnei der des Sultans jährlich dreihtUtdextfünftlndsechzia Röcke und ebenso viele Weste« und Beinkleider anzuftrtigen, sonder» zahllose sonstige Lieftranten werde» in entsprechen dem Verhältnis deswegen in Nahrung gesetzt. - * Was kann ein Kubiftueter fassen? Diese Frage beschäftigte jüngst die Stammtisch-Gesellschaft einex Soester Ältvierstube. „Run," meinte der Metzger G» ein alter, biederer Soester Pfahlbürger, „VaS kann doch so viel nicht sein, ei« auSgefchlachte- kälb geht nicht hin ein!" Der Wirt, zugkich apch Altbierbrauer, der von seinen Bottichen her eint« «uvitmettt kennt, bestMt diese Angabe und behauptete, daß Mehr wie zehn Kälber Platz darin hätten. Das ging aber dem Metzger doch über den Horizont, er glaubte, er solle gefoppt werden und entgegnete deshalb: „Geben Sie mir 15 Thaler und ich werde Ihnen dafür «inen Kubikmeter kalbfieisch lieferm" Die SttmmgMschaft ging darauf eM und da« EM wurde sofort deponiert. Wer aber beschreibt das Er staunen de« schlaue» Schlächters, als er am nächste« Morgen den Kasten vott einem Kubikmeter Inhalt fülle« soll und bereit» dÄ Fleisch vo« zwei pikWen kälbn« hiueiugethan Hat, ohne den Kasten auch nur zum dritte« Teil damit zu füllen; alle» Praktizieren half nicht», per TeufekSkasten wollte nicht voll werden. Da« Geschäft wurde rückgängig gemacht, doch nur unter der BeW- -gung, haß der Reingrfalleae für die Käufer «in Abend- essen gab, da« auch mit Dank akzeptiert -würde, da der „Kübikkaften" ihm mindesten« da« Zehnfache gekostet hätte. * Eine Prämie auf das Einfangen de« Teufels hat ein gewisser Mc. Cormick in Peru, Jll., ausgesetzt, in dem er in einer dortigen Lokalzeitung lolanide Anzeige veröffentlichte: „Ich bezahlt dem Sheriff irgend einer der 102 Countie« des Staate« Illinois 1000 Dollar«, wenn er mir den Teufel gefangen einliefert. Die Be lohnung wird nur für den Teufel bezahlt, welcher den Pferdefuß und die anderen besonderen Merkmale de« Teufels, wie sie in der Bibel beschrieben find, besitzt. Für irgend einen anderen Bewohner de« Staates M- * In dem soeben erscheinenden dritten Bande von - Marczali» Geschichte Josef ls. findet sich eine von Kaiser Josef II. an seinen Hofkanzler, den Fürsten Kaunitz, ge- nchtete Zuschrift, welche gerade jetzt ein starke- Interesse hat. Kaiser Josef schrieb an Kaunitz: „Die Häuser Oesterreich und Brandenburg, wen» sie aufrichtig zu- sammenhalten und einträchtig vorgHem habe« keine aa-- dere Macht, noch eine Allianz von MSWn^u WOten und könnten nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa die vorwiegende Macht ausüben. Jeder Staat müßte ihr Wohlwollen suchen, sie aber wären auf keinen angewiesen. Der Weltfriede wäre nur von ihre« «stillen abhängig und da sie sich einer vollständigen Sicherheit erfreuten, könnten sie ungestört da« Glück ihrer Unter- thanen bewirken und die Länder aufblühen machen. Sie könnten sich jeden Vorteil, den fie wünschen, verschaffen, und e« würde nur von ihrem Willen abhängen, wie viel die andern Mächte erreichen können. Dagegen kann man der größten Gefahren gewärtig fti«, wenn die glückliche Vo« Landtage. Die Zweite Kammer verwie« in ihrer gestrigen Sitzung ein neu eingegangeoe» Dekret, in welchem die Mittel zpr Anstellung eine« zweiten Abteilungsdirektors im Justizministerium gefordert werden, an die Finanzdepu tation und ging alsdann Über zur Schlußberatung des Bericht« der RechenschaftSdeputation über da« kgl. Dekret, die Verwaltung und Vermehrung der kgl. Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in den Jahren 1884 und 1885 betreffend, deren Schlußantrag dahin ging, die Kammer wolle sich durch den genannten Bericht für be friedigt erklären. Abg. Starke regte die Ssnfertigung eines zu esnem billigen Preise adzugebenden Auszugs au« den Katalogen sämtlicher Sammlungen an, ^welche? große« Absatz finden und im Publikum ein größere« In teresse al« seither für die kgl. Sammlungen erregen würde. StaatSminister vr. v. Gerber erwiderte, daß die Anfertigung eine« solchen Führer« durch die kgl. Sammlungen bereits beschlossen sei. Der Antrag der Deputation wurde hierauf einstimmig angenommen.