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Somitag, de» SS. Jovvar. BeUage „ 24. M der Verlängerung immer zugestimmt, aber nur io der Voraussetzung, daß das Gesetz eine dauernde Einrichtung ' nicht werden dürfe, daß vielmehr ein Uebergang zum gemeinen Recht stattfinden müsse. Nachdem die Re gierung einen solchen Uebergang abgelehnt habe, dletbr ihm nichts anderes übrig, als das Gesetz ganz abzulehnen. Besonders entgegen sei ihm die Expatriierung. Es set kein Staat verpflichtet, die Ausgewiesenen aufzunehmen; wohl aber gebe die Geburt ein Recht auf dis Heimat.^ Der Staat habe die Sozialdemokratie erst^EoHerüfenM Sie sei ein Produkt de» Materialismus mckk Her-moder« nen Schulbildung, welche Halbbildung erzeuge. Darauf' wurde die Weiterberatung auf heute, Sonnabend, vertagt. suchen sei im Namen der Menschlichkeit, nicht infolge einer Solidarität mit den Anarchisten gestellt. Die Sozialde mokratie sei, was man auch sage, unvergänglich. Wa» man Sozialresorm nenne, sei nicht» weiter, al» eine ver bessert« Armenpflege, und dabei würden noch die Lebens mittel unablässig verteuert. Auf dieses Gesetz gebe es nur eine Antwort, sofortige Ablehnung. Sine solche Ge setzgebung sei eine Schande. (Der Präsident rief den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung.) Er warne den Reichstag. Die Folgen würden auf die zurückfalle«, welche die Verlängerung beschlössen. Minister v. Puttkamer betonte, di« Sozialdemokrat«» seien für die Verbrechen, welche mit zum Erlaß de» Ge setzes geführt hätten, allerdings indirekt verantwortlich. Dieselben könnten streiten, so viel sie wollten, sie würden sich nie rem waschen können. Gewjssermaßen zu einer fixen Idee sei es bei den Sozialdemokraten geworden, daß die Polizei Verbrechen anstifte, um Mittel zu gewin nen, gegen die Sozialdemokratie vorzugehen. Allerdings sei es unbedingt erforderlich, daß die Regierung Mittel habe, den verbrecherischen Plänen nachzugehen und sie aufzuspüren. - Wer diese Mittel nicht gestatten wolle, der möge die Verantwortlichkeit für die Sicherheit des deut schen Reiche« übernehmen. Daß die Leute, welche für diesen Dienst gewonnen würden, namentlich im Auslande nicht immer Anspruch auf den Titel eines Gentleman hätten, sei selbstredend. Sie würden bezahlt und leisteten dafür ihre Dienste. Ganz falsch sei, daß die Polizei verbrecherische Handlungen provozieren lasse. Er ver lange von jedem Mitglied des HausrS, daß es den Wor ten eines ehrlichen Mannes Glauben schenke. WaS den Schutzmann Jhring anbelange, so sei derselbe ein ge wissenhafter und pflichttreuer Beamter gewesen. Der Zeuge Christensen dagegen, der m zweiter Instanz frei- gesprochen worden, weil ihn da» Gericht glaubhaft be fand, habe bald darauf in Sachsen versucht, Soldaten durch Hetzschriften von ihrer Pflicht abwmdig zu machen. Der andere Zeuge de» Herrn Singer sei kurze Zeit dar auf zu Zuchthaus wegen Meineid verurteilt wor den. Wären diese Thatsachen dem Berliner Land gericht I bekannt gewesen, da» Urteil würde ander» aus gefallen sein. Die Regierung unterhalte auch in der Schweiz Agenten, um Ermittelungen anzustellen, sie diene damit dem Lande und auch befreundeten Staaten. So habe die deutsche Polizei zuerst Kenntnis von dem geplan ten Attentat auf da« Winterpalais i» Petersburg erhal ten. ^Zovts provoeatönrs unterhält die Regierung nicht. Geständnisse de» Haupt seien unter dem Druck von Drohungen erfolgt. Haupt sei nämlich in seiner Wohnung von Gesinnungsgenossen der Herren Bebel und Singer überfallen worden. Er könne sich keine rechte Vorstellung von dem Kulturzustande eines Landes machen, in dem sich eine Bande von» Strolchen an die Stelle gesetzlicher Organe setzen könne. (Bebel ruft: Steht höher, als in Deutschlandl) Ein eigentümlicher Untersuchungsrichter sei es auch, der ein paar auslän dischen Abgeordneten, deren Stellung notorisch sei, Mit teilungen über den Gang einer noch nicht abgeschlossenen Untersuchung mache. Er werde beim Reichskanzler be antragen, daß deshalb bei der Schweiz ernste Vorstellungen erhoben würden. Die Handhabung des Sozialistenge setzes sei eine streng loyale. Daß Fehler'vorkämen, sei nicht zu vermeiden, aber die damit verknüpften Unzuträg- lichkeiten fielen wenig ins Gewicht gegenüber dem Segen, welchen da» Gesetz geschaffen habe, indem eS eine ruhige Entwickelung sichere. Wenn von Hunger und Elend ge- sprachen werde, in welche die Ausgewiesenen getrieben würden, so lägen ihm Nachweise vor, welche etwas ganz andere« bekundeten, die bezeugten, daß sich die Agitatoren von den Lohngroschen "der Arbeiter mästeten. Der aus gewiesene Keßler habe alles gethan, die Gewerkver- eine in das sozialdemokratische Fahrwasser zu brin gen, die Maßnahme sei also gerechtfertigt gewesen. Der Anarchismus sei nur eine natürliche Entwickelung der Sozialdemokratie, aber keine Folge des Sozia listengesetze«. Da« Ergebnis des Kongresse« von St. Gallen sei klar und deutlich gewesen: gewaltsame Aufrich tung de« sozialdemokratischen Staate» unter Konfiskation der Besitzenden. Die Sozialdemokraten dürften doch nicht erwarten, daß die Regierung sich ihren Plänen mit gebundenen Händen überliefern solle. Zwischen Sozial demokraten und Anarchisten besteht allerdings eine Fehde, aber die Sozialdemokratie behandele den Anarchismus nur al» ungeratenen Bruder, der wegen unbesonnener Streiche getadelt werde. Die Chikagoer Anarchisten, um deren Begnadigung die deutschen Sozialdemoiraten beim Gouverneur von Illinois nachsuchten, seien einfach Bestien gewesen, die sich monatelang auf die abscheulich sten Verbrechen vorbereitete«. Der Proletarier sage sich mm freilich: wenn so ehrenhafte Männer wie Singer Vom Reichstage Auf der Tagesordnung der 23. Sitzung vom 26. Januar stand: Erste Beratung de» Sozialistengesetze». Singer (Soz.-Dem.) «rklärte, daS Sozialistengesetz, durch welches die besten Bürger des Landes betroffen würden, sei in illoyalster Weise zur Ausführung gelangt. Es sei auf Grund von Verbrechen erlassen worden, welche die Sozialdemokratie niemals gebilligt habe. Das Aus nahmegesetz habe nicht die Sozialdemokratie beschränkt, nicht die Bestimmungen getroffen, die r» treffen solle; «S habe nur den Anarchismus erzeugt. Mit vollem Rechte sag« «r: die Väter de« SozialistengesttztS s«ien die Väter der Anarchismus. Nicht« hab« jede Autorität mehr untergraben können, al» diese« Gesetz. Achtung vor der Auloriiäl könne nur bestehen, wenn die Gerech tigkeit bestehe; die Handhabung des Sozialistengesetze» widerstrebe aber den Grundsätzen der Gerechtigkeit. DaS beweise schon der Fall Jhring-Mahlo. Anstatt de» so schwer belasteten Poiizeibeamten wurden Zengen gegen denselben unter Anklage gestellt. Nicht wegen der Schufterei wurde Anklage erhoben, sondern wegen Be- amtenbeleidigung. Das Wunderbare sei, daß Jhring- Mahlo noch immer im Amte sei und es genau wie früher treibe, wie der Posener Sozialistenprozeß beweise. DaS Sozialistengesetz habe großes Elend, geschaffen. Leute, denen man nichts anderes zur Last habe legen können, als daß sie für ihre Ueberzeugung mannhast eintraten, seien ruhelos herumgehetzt worden, wie Keßler, Christensen u. s. w. Das Gesetz werde auch gegen solch- angewendet, die man gerne los sein möchte, ob wohl sie gar nicht Sozialisten seien. Als er auS Berlin ausgewiesen worden sei, habe er sich sagen können, daß die Ursache die Entlarvung des Systems Puttkamer war. Aber man habe einen Restaurateur Jacobi aus gewiesen, bloß weil er der Polizei nicht genehm gewesen und sein Lokal für sozialdemokratische Versammlungen hergegeben habe. Ebenso sei der ausgewiesene Bau meister Keßler kein Sozialdemokrat; er habe nur die Bewegung der Maurer um Verbesserung ihrer Löhn« unterstützt. Das habe zu seiner Ausweisung genügt. Das Ausnahmegesetz diene nicht zur Unterdrückung der Sozialdemokraten, sondern zur Unterdrückung des Ar- detterstandes, dem Arbeiter sei - jede Freiheit geraubt, die anarchistischen Verbrechen würden nicht von den Eoziaidemokraten, sondern von der Polizei gefördert, wofür «r den Nachweis liefern könne. ES sei daS ge schehen durch Polizeirat Krüger und Polizeirat Hacke in Berlin ; die Polizei habe auch einen Agenten Schrö der aus Empfehlung des Anarchisten Kaufmann in Dienst genommen. Bei diesem Schröder sei Dynamit gefunden worden, e>7 könne hier die Hülse zu einer Dynamtlpatrone vorzeigen. Dieser Schröder habe zu Verbrechen aufgeretzt und an Konferenzen teilgenommen, welche die AuSiührung von anarchistischen Verbrechen bezweckten. Eine gleich« provokatorische Thältgkeit habe ein ebenfalls in Diensten der Berliner Polizei stehender Gießer Haupt auSgeübl. Redner machte Mitteilung von einer Korrespondenz, die er und Bebel mit d«m Polizethauptmann Fischer in Zürich geführt hätte. Singer und Bebel hätten sich darnach von dem genann ten Polizethauptmann bestätigen lassen, daß Schröder und Haupt in Diensten der Berliner Polizei ständen, mit Anarchisten Beziehungen unterhielten und provo katorisch aufträten. Bestätigt sei u. a., daß Polizeirat Krüger dem Haupt schrieb, er wisse, das nächste Attentat gegen den Zaren werde von Genf auSgehen, darüber brauche er Berichte. Auch der in letzter Zeit vielge nannte frühere Hauptmann v. Ehrenberg habe ähn liche Dienste geleistet, wie Schröder und Haupt. Die Berliner Polizei sei die Zentralstelle für das inter nationale Spitzeltum. Dl« Sozialdemokraten hätten durch Einbringung ihre» Arbeiterschutzgesetzentwurfs be wiesen, daß sie sich auf den Boden des heutigen Staates stellten und auf friedlichem Wege Reformen erstrebten. Die Haltung der Sozialdemokraten seit 10 Jahren gebe keinen Grund für das Gesetz und könne dessen Ver längerung nicht rechtfertigen. Das Gesetz solle nun noch Verschärft werden. ES sei «ine Bestimmung über die Expatriierung ausgenommen, di« sich wohl die'verbün deten Regierungen nicht recht überlegt hätten. Glaube man denn, daß sich die andern Staaten da» gefallen kaffen würden, daß st« die Leute aufnähmen, welche Deutschland nicht mehr in seinen Grenzen leiden will? Zur Begründung de» Gesetze» sei auf da» Ueberwiegen der radikalen Richtung in der Sozialdemokratie hingewie- sen. Die Sozialdemokratie sei aber niemals einiger ge wesen, al» auf dem letzten Kongreß in St. Gallen. E» sei auf Telegramme der Sozialdemokratie um Begnadi- und Bebel die Begnadigung der Anarchisten verw so können deren Thate» doch nicht so schlick« sei«, wahr sei, daß da» Sozialistengesetz seine Aufgabe fehlt haben solle. Aufgabe de» Gesetzes Haye nicht können, die Sozialdemokratie zu vernichten,, e» soll revolutionäre Strömung eindämmSn und ihre är Auswüchse unterdrücken. Diese Aufgabe haht da« GeW erfüllt. Die Zahl der sozialdemokratischen Wahl habe sich allerdings vermehrt, aber diese Stimme» doch nicht all: von zielbewußten Sozialdemokraten«^ ff ganz natürlich, daß die Sozialdemokratie die halte, welche au» irgend etnemGrunde zur Opposition gk früher hätte die freisinnige Partei die» Privilegium' habt. Er bitte das hohe Haus, die Regierung mit genannten milderen U-bergangSbestimmungen zu schonen. Man lehne lieber da» Gesetz ganz ab, wett» man diese Vorlage nicht annehmen wolle. Die Veraübs Wörtlichkeit der Regierung werde dann wenigstens zu Teil auf die Parteien de» Hauses übertragen. Wege« der Unterstellung der Sozialdemokraten unter da« ge- . meine Recht erwarte er bestimmte positive Vorschläge.) ? Ma» werde aber solche nicht machen könne» k Eine Par tei, die eine solche Ausnahmestellung einnehme, wie die sozialdemokratische, müsse auch darnach behandelt werde». Di« Expatriierurig sei keineswegs ein« so ganz unerhörte Maßregel. Wer sich bei Ausbruch eine« Kriege» seiner Wehrpflicht durch Aufenthalt im Auslande entziehe, werde der Staatsangehörigkeit entkleidet. Die, welche hier ge troffen werden sollten, wollten das Vaterland nicht bloß?! nicht verteidigen, sondern eS vernichten. Man spreche' von Humanität I Aber sei eS etwa kein« Humanität, wenn- allgemeine Gefahren durch wenige harte Maßnahmen verhütet werden sollen? (Verfall rechts.) — Reichen sperger (Zentrum) erklärte, er werde gegen die Verlän gerung des Sozialistengesetze« stimmen. Bisher habe er Kirchenuachrichte» v«« Flöha. Getaufte: De» Heinrich Adolf Grünert, gabrikarb. in Plaue, T., Anna Marit. — De» Friedr. Wilh. Kühn, Sut»bes. in Fal kenau, T-, Sylvia Kamilla. Beerdigte: De» Friedr. Herm. Berndt, Maschinenheizer» ». . Ein«, in Flöha, T., Anna Frida, 2 I. SM. 17 T. alt. — Karl Gottlob Kläß, Gut»au«zllgler, K. Frieden»rlchter und Stan- de«beamter, sowie Ritter v. K. S. Albrecht»orden in Braunsdorf, § Witwer, 7ö I. b M. 15 T. alt. — Fr. Johanne Friederike Spindler ged. Müller in Flöha, de» weil. Aug. F«rd,8pw>»l«, Spinner» u. Simo, das., nachgel. Wwe., »7 A 6 M. 22 T. alt. Frankenberger Kirchennachrichte«. H Getaufte: Ignaz Theodor Riedel«, Fabrikarb. h., S. —-W Franz Eduard Börnert«, B. u. BSckermstr». h., T. — Karl , Reinhard Frauenfelder«, B. u. Schlosfermstr«. h., S. — Franz , Albin Adolf Hutschenreuters, Lehrer« in Mühlbach, L. — Fried rich Ernst Pötzsch», Ziegelmßr». in Mühlbach, T. — Der Juli ane Johanne Luise Dippmann h. S. Getraute: Smü Mop Richter, Stuhlbauer h., vis., mit Emma Marie geb. Weber v. h — Friedrich Bruno Richter, v. , u. BSckermstr. h., via., mit Märte Auguste geb. WeiShaar v. h. Beerdigungen: Friedrich Ernst Halm«, Förbereiarb. h., s., 1 M. 12 T. — Friedrich August Wald, Gut«au»zügler in Dittert- . bach, 67 I. S M. 22 T. — Tdeodor Hugo De«pang», Ba. Schvhmachermstr». h., S., 7 M. 1S T. — Frau Amalie AugUste, August Hermann Weber«, B. u. Webermstr«. h., Ehefr., SS I. S M. ST— Johann Friedrich Jarosch«, Weber» h.» totgeb. S. — Hermann O»wald Manns, RohproduktenhSndler» h., L., - ^M.?18 T. — Karl Oskar Steinert», FSrbereiarb. in Mühlbach, ' Am Sonntag Septuagesimä werden kirchlich aufgeboten: Ernst Hoppe, Kaufmann in Lhcmnitz, Karl Heinrich Hoppe», Privatmann» m Dresden, ehel. jüngster Sohn, und Auguste Anna Schlorke, Karl Moritz Schlorke», Packer» au der K. s. L Staatsbahn hier, ehel. ölt. Tochter. Kart Hermann Ftscher^Zimmerm,NN in Neudörfchen, Karl Ernst Zieger«, Äirijchast«bes. in Neudörfchen, Stiefsohn, und , Minna Pauline Knorr, Lhristian Ferdinand Knorr«, Weber- ' meister» in Glauchau, ehel. b. Tochter. - xg Kirchl. Nachr. aus Ober- und Niederwles«, Getaufte: Paul Arno, S. de» Handarb. Karl Heinrich Frenzel in Nieder«. — Arno Richard, S. der Strickerin Amalie Auguste Pflugbeil in Nieder«. Beerdigte: Friedr, «ug. Fleischer, Handarb. n. Hau«schlSchNr iu Oder«., f an Alleröschwäche u. Blasenleiden, 76 I. 6 M. 10 T. alt. , -