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Sächsische SlaalsMmg Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachsen Ankündigungen: Die 32 vaw breite Grundzeile oder deren Raum 3b Pf, di« 68 nun breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 70 Pf., unter Ein gesandt L RM- Ermäßigung aus GeschästSanzetgen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint Werktag- nachmittags mit dem Datum deS ErscheinungStageS. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574, Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verkaufslisie von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren, verantwortlich für die Redaktion: I. v.: vr. Fritz Klauber in Dresden. Nr. 4S6 Dresden, Montag, ^2. August 1929 »MWWW»W»M Der Tag der Verfassung. „Des Volkes Wohl ist Wethe der Edertdüste in Königsberg. Königsberg, 12. August. Tie Bersastungsfeier in Königsberg hatte da durch ein besonders festliches Gepräge erhalten, daß gleichzeitig eine Büste deS ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert cnthüllt wurde, die, ein Werk des Königsberger Professors Hermann Bracher», vor der kürzlich eingeweihten Friedrich-Ebert-Schule er richtet worden ist. Die Feier vollzog sich bei prachtvollem Welter. Eine dichte Zuschauermenge umrahmte den weiten Platz. Nachdem Oberpräsident vr. Siehr den preußischen Ministerpräsidenten vr. Braun auf ostpreußischer Heiniaterde herzlich willkommen ge heißen hatte, nahm dieser, lebhaft begrüßt, das Wort zu einer Red;, in der er u. a. ausführte: Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um deS Tages zu gedenken, an dem vor zehn Jahren das deutsche Volk in Weimar sich seine Verfassung gab. Hier in Königsberg gilt dftse Brranstattung aber auch noch der Ehrung deS ManneS aus dem Bolre. brr in den schwersten Tagen deS deutschen Znsammrnbruchs mit dem Schwergewicht seiner weit über die Kreise seiner politischen Freunde hinaus anerkannten Persönlichkeit sich in die Bresche warf, um daS vom Zerfall be drohte Re'ch d„,«h die Klammer der staats erhaltenden Kraft der arbeitenden Bollsmasscn zusammenzuhalten. Friedrich Ebert, der damit am Abschluß deS ersten Abschnitts seiner Regie,«ngStSttgkeit stand, wußte, daß es vor allem darauf ankam, dem neuen Reich eine rechtliche Grundlage zu geben. meiner Arbeit Ziel!" Die Schaffung einer neuen, durch Mehrheits beschluß der freig,wählten Bertreter deS deut schen BolleS zustande gekommenen und darum staatsrechtlich und moralisch Praktisch und politisch anerkannten und sich durchsetzenden ReichSver- sassung hat die Irrlichter der Diktatur und die Geister eines wüsten EhaoS verscheucht und dem Aufstieg die Wege geebnet, die daS deutsche Volk in den letzten zehn Jahren zäh entjchlosjen und, wie wir sage« dürfen, nicht ohne sichtbaren Erfolg gegangen ist. Nachdem vr. Braun weiter der Provinz Ost preußen gedacht hatte, die nicht nur durch die räumliche Trennung vom Mutterlande, sondern auch durch die Neugestaltung der staatlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse jenseits der Grenze eines großen Teils ihrer wirtschaftlichen Lebens quellen beraubt worden sei, schloß er: Möge die Jugend der neuen Schule, die hier täglich vor- übergehen wird, wie die Erwachsenen beim An blick des Standbildes dieses Mannes, deS ersten Präsidenten der deutschen Republik sih mit seinem Geiste erfüllen und jeder an seinem Platze, auf den ihn das Leben gestellt hat, in seinem Wirken sich leiten lassen von seinem Wahlspruch: „DeS Polkls Wohl «st meiner Arbeit 3'tll* Geschieht das, dann wird unser Land und unser Boll durch das Dunkel der jetzigen schweren Zeit einer lichteren Zukunft entgegengehen. Tiefe Hoffnung fassen wir zusammen in den Ruf: Unser Vaterland, die deutsche Republik, lebe hoch! Nach der Einweihung der Büste Eberts be gaben sich Ministerpräsicent vr. Braun und die übrigen Ehrengäste nach dem Waller-Simon-Platz, wo die Jugend der 14 Kreise des Regierungs bezirks Königsberg Spiel und Sportveranstaltungen darbot. Nicht mehr ein Volk -es Reichtums. Sie Feier im Saag. Haag, 12. August. Der Verfassungstag wurde auch durch die deutsche Abordnung im Haag feierlich begangen. Alle Mitglieder der Abordnung nahmen an dem F est g ot t esdie nst bei der deutschen Gemeinde im Haag teil. vr. Stresemann richtete namens der gesamten Abordnung nachstehendes Telegramm an den Reichspräsidenten: „Durch die Verfassung von Weimar hat das deutsche Boll sich ein neues Fundam««» scincS Wiederaufbaues geschaffen. Zur zehn jährigen Wiederkehr dieses denkwürdigen DageS gedenken die im Haag anwesenden Reichsminister mit der gesamten deutschen Delegation in dankbarer Ehrerbietung deS Oberhauptes des Deutschen Reiches. Im Ringen um Deutschlands Freiheit und Aufstieg wird «ns und dem gesamten Volke die treue und aufopferungSbereite Hingabe unseres Reichspräsidenten Vorbild u«d Ansporn sei«.* Am Abend sand in der deutschen Gesandtschaft die Feier statt, an der die Abordnung, die im Haag anwesenden Pressevertreter und die deutsche Kolonie teilnahmen. Der Gesandte Graf Zech hielt die Begrüßungsansprache. Darauf ergriff der fRtichsaußtnminister vr. Stresemann daS Wort. Er führte etwa folgendes aus: „Die Verfassung von Weimar ist aus Not ge boren. In trübster Zeit der deutschen Geschichte war sie der Grundstein sür ein neues Werden. Tie Zeit nach dem Frieden war die Zeit, die die stärksten Anforderungen an den Erhaltungswillen des deutschen Volkes stellte. Der römische Friede nach dem zweiten Punischen Krieg war maßvoll gegenüber dem Diktat von Versailles. Als die verfassungslose Zeit zu Ende war, hat der Kampf um den Wiederaufstieg begonnen. Am 6. August waren es genau fünf Jahre, daß eine deutsche Delegation nach London gegangen ist zu den Ver handlungen über den ersten Versuch der welt wirtschaftlichen Regelung der Verhältnisse nach dem Kriege. Gegenüber dem Ausmaß von Selbstsucht unserer Gegner war hier der erste Versuch ge- macht worden, in dem Geist des einigen Forderns den Gedanken der Verständigung und der Welt wirtschaftlichen Vernunft einzuschalten. Seitdem ist wieder ein halbes Jahrzehnt ver gangen, und heute stehen wir im Haag vor neuen großen Entscheidungen über die Beziehungen der Völker zueinander für die Zukunft. Zwei große Probleme kämpfen hier miteinander: Der Gedanke der Souveränität und der dervölkerverbindendeninternatio- nalen gemeinsamen Arbeit. Tie inter nationale gemeinsame Arbeit ist eine Notwendig keit gerade nach der Unordnung der Weltwirtschaft, die auf den Krieg gefolgt ist. Aber eine friedliche Zusammenarbeit der Rationen ist nur möglich, wenn eine die andere nicht nur mit Worten sonder» in Wirklichkeit als gleichberechtigt anerkennt und ihr die freie Souveränität zugesteht, die die Grundlage ist für jede Entwicklung von Völkern und Staatin. WaS notwendig ist, um die Basis zu schassen sür eine solche Zusammenarbeit ist von Deutschland getan worden. In bezug aus das, was finanziell zu leisten Ist, sind wir zumindest bis an dl« Grenze dessen gegangen, WaS einem Volke überhaupt zugemntet werden kann, nicht weil wir uns der Schuld am Kriege oder an seinem Entstehen bewußt fühlen, sondern weil wir den Krieg verloren haben. Ich Hosse, daß das Jahr, in dem wir leben, daS letzte sein möge, in dem noch fremde Drnppen aus deutschem Boden stehe« dürfe«. Man wird die Ergebnisse dieser Konferenz davon abhängig machen, was aus politischem Gebiet in der Entwicklung der Beziehungen der Völker hier geschehe» ist. Wer nicht in sich die Hoffnung hat, die Schwierigkeiten, die vor ihm stehen, überwinden zu können, wird sie nicht übe:winden können. Ich bin fest überzeugt, daß die Geschichtschreibung der Oie Verfaffungsfeier in Dresden. Verfaffungsfeier der Ministerien. Gestern vormittag fand in der mit den Reichs und den Landesfarbcn geschmückten Kuppell>alle deS Gemeinschaftlichen Ministerialgebäudes die interne Verfaffungsfeier sür die Beamten, An gestellten und Arbeiter der Ministerien sowie einiger anderer Staatsbehörden statt. Tie Feier wurde mit einer von Mitgliedern der Reichs wehrkapelle des Reiterregiments 12 geblasenen Fanfare cingeleitet. TaS Bärttch-Quartett brachte zwei Sätze aus Streichquartetten von Beethoven und Haydn künstlerisch vollendet zum Vortrag, und Bruno Decarli, das bekannte Mitglied unseres Staatlichen Schauspielhauses, rezitierte in höchst eindrucksvoller Weise die 8. Rede Fichtes an die deutsche Nation sowie Hölderlins „Gesang der Deutschen" und Worte von Friedrich Naumann und Goethe. Tie Festansprache hatte an Stelle des be urlaubten Ministerpräsidenten der Minister des Innern, S taatsminisier Richter, über nommen. Ter Redner würdigte die Bedeutung des TageS in doppelter Beziehung, einmal a>S deS zehnjährigen Geburtstages der Weimarer Ver fassung, zunr andern aber als Nationalfeiertages. Er gedachte der Entstehung, der wesewlichsten Grundzüge und der Bestrebungen auf Abänderung der Verfassung Ausführungen, die in der Feststellung gipfelten, daß Versuche, Vie Ver fassung gewaltsam zu ändern oder zu beseitigen, nicht mehr zu befürchten oder wenigstens nicht ernst zu nehmen seien, daß vielmehr die Auf fassung in weitesten Kreisen nuferes Volles an Boden gewonnen habe, daß die Verfassung als ein bedeutsames Werl praktischer Staatsrechtslunst von vollendeter Fyrm und Spracke und durchaus eigenständigen deutschen Charakters zu weiten ist und auch politisch allein aus absehbare Zeit die verfassungsrechtliche Grundlage bilden kann, die den inneren Wiederausbau und den internationalen Wiederaufstieg Deutschlands gewährleistet. Mit der Feststellung, daß die mit der Verfassung durch ihren Treueid ganz besonders verbundenen Be amten bisher Vie Veifassung getreulich gehalten und ihr loyal nachgelebt hätten, verband der Redner die Versicherung, auch künftig ernst rind willig die durch die Verfassung auferleglen Pflichten erfüllen zu wollen. Im zweiten Teil seiner Rede ging er von der Notvendigkeit aus, das National- bewnftsiin im deutschen Volke zu stärken, schilderte den großen nationalen Reichtum, den das deuische Bol! in seiner Kultur, tm deutschen Eharakter und in deutscher Leistungsfähigkeit besitzt und besprach die sich aus Nationalstolz und Vaterlands liebe ergebende Ausgabe, das deutsche Kulturgut sich wieder zu erwerben und zu erhalten, auch durch Unlerstützung der im Auslande unr ihr Deutschtum kämpsenden Brüder, Würde »nd Ehre der Nation zu wahren und zu verteidigen, die deuische Rot durch Wohlfahrtspflege und Fürsorge zu mildern und innerhalb eines Orrnung und Freiheit gewährleistende» Staatswesens das Höchste an pflichttreuer Arbeit zu leisten. Für die Er füllung dieser Aufgaben könnten und sollien sich alle Volksgenossen zusammensinden und im Streit der Meinungen nach der Mahnung und dem Vor bild der beiden ersten Präsidenten deS Reiches die Einheit der Gesinnung anstreben und feflhallen. In Erkennlnis der minderen Bedeutung der Streit fragen des TageS um Staateform und Reichs farben sollte sich das deutsche Bolk einigen in dem Stolz auf seinen nationalen Reichtum und seine Geschichte und in dem Bewußrsein, eine nationale Notgemeinschaft zu sein, die einig und unerschütter lich ist in ihrem Willen zur Selbstbehauptung und zum Wiederaufbau. Tie Rede endete mit der ernsten Mahnung und dem feierlichen Gelöbnis: „Dem deutschen Volke unser ganzes Wollen, Denken und Fühlen, unsere Arbeit und unsere Liebe!" Tie Feier, die sehr würdig und stimmungsvoll verlief, wurde mit d?m gemeinsamen Gesänge deS Deutschlandliedes beschlossen. Verfaffungsfeier im Ausffellungs« palast. Im Ausstellungspalast vereinigten sich die Reichs-, Staats- und Stadtbehörden zu einer gemeinsamen Versassungsfeier, die mit der Ouoeriüre zu Webers „Ernyanthe", gespielt vom Trompelerkorps des Artillerieregiments 4 eröffnet wurde- Im Anschluß daran trugen die verein'gten Gesangvereine beim Polizeipräsidium Dresden den Männerchor „Krönt den Tag" vor. Tie Festrede hielt Ministerialdirektor vr. Spiecker-Berlin. Der 11 August, so sührte der Redner aus, müsse ein Feiertag sür alle deutsch Denkenden und deutsch Fühlenden sein, ein Tag der Einigkeit und Einheit. Man müsse aber auch dafür Verständnis haben, daß andere Volksgenossen, traditionsgebunden, Len Tag nicht mit der gleichen Begeisterung begingen wie die, die Vas Werk von Weimar als einen Fortschritt in der Entwicklung Deutschlands be trachten. Man dürfe ruhig auch ter Vergangen heit gedenken, denn auch die Republik sei nicht vor der Krilik geschützt Wenn diese Kmik ein- setze mit dem Ziele, besser zu machen und zu fördern, und nicht zu zersetzen, dann sei gegen diese Kritik nichts einzuwenden. Man wisse ganz genau, daß Vie Weimarer Verfassung kein letztes Wort sei, aber sie sei getragen von dem Glauben an eine sittliche Wellordnung und von der starken Zuversicht an die wegbahnends Mission des deu sichen Volkes. Aus dem Weimarer Notbau sei ein stolzer Quaderbau geworden, der im Herzen des deutschen Volkes sich allmählich immer mehr Platz verschafft habe. Für den Bestand der deutschen Republik sei es erforderlich, daß ihr Geist national, sozial und demokratisch sei. Alle Volksgenoffen müßten den Dienst am Gemein wohl als ihre ehrenvolle Pflicht betrachten Ebert und Hindenburg die Torwächter der deutschen Republik, seien in ihrem Leben und Handeln uns Ansporn und Vorbild. — Die Feier klang mit dem gemeinsam gesungenen Deutschland lied aus. kommenden Jahrhunderte den Wiederaufstieg unseres Vaterlandes nach einem Sturz ohnegleichen in die Geschichte der Völker einreihen wird, als eine der größtenTaten aller Zeilen. Tas Deutschland vom Jahre 1919, das kein Schiff über 1200 Tonnen hatte, hat in dem kurzen Zeitraum von zehn Jahren einen deutschen Tampfer das Blaue Band deS Ozeans wiedergewinnerr lasten. Tas deutsche Volk zeigt aus allen Gebieten neue Wege sür den Fortschritt der Menschheit. Mr sind nicht mehr ein Volk deS Reichtums, wir haben keinen fundierten Besitz mehr. Wir haben nur einen Kampf der Persönlichkeiten, um vorwärlszukommen. Vergessen wir nicht, daß wir stets stolz darauf waren, daS Volk der Dichter und Denker zu sein, vergessen wir nicht die Inner lichkeit deS Deutschtums zu bewahren gegenüber dem, waS heute alS neuer Materialismus entstan den ist. Laste« wir die Eigenart des deutschen Volkes erhallen, lasten wir, wie immer wir z« den Ereignisten flehen, das, was groß war im Allen, ehren und achten, mit allen Kräften leben sür die Gegenwart und dem Glauben an die deutsche Zukunft. Mit diesen Worten bitte ich Sie in ein Hoch einzuflimmen sür unser in der Republik geeintes Vaterland." Darauf wurde das Deutschlandlied gesungen. * (Lin Haus der Republik. Berlin, 12 August. Am Vorabend der Feier des zehnjährigen Be stehens ver ReichSverfassuug beschäftigte sich der Reichskunstwart vr. RedSlob zum ersten Male in der Öffentlichkeit mit seiner langgehegten Lieb lingsidee: ein Haus der Republik z« schassen. Er ist der Meinung, daß das Hau» deS Reiches, vaS die Stätte seiner Festlichkeit dar- stellt, «ns sehlt.