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Sächsische SlaalZzeilung den Freistaat Sachsen Staatsan-eiger für Dresden, Sonnabend, ^0. August Nr. ISS 1929 Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» ErschetnungStage». Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 1b Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 2129b — Schriftleitung Nr. 14S74. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtglrokonto Dresden Nr. 140, Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 3Ü Pf, die 66 mm breite Gruudzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 70 Pf, unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung aus BeschästSanzeigen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verlaufsliste von Hol-Pflanzen aus den Staatsforstrevieren, verantwortlich für die Redaktion: I. v.r vr. Fritz »la «der tn Dresden. ZUM zehnten Geburtstag der deutschen Republik. DaS eine, was «ns allein vom unausvleib- liche« Untergänge retten kann, ist, daß alle, die deutschen StammeS sind, redlich wie im Felde, so im Werke und dann überall z« ammenhalle« Was rinjelne. wie was Völker entzweie« mag «S muß alles vergesse« nnd wenigstens, vtS das Geschäft vollbracht, verschoben sei». Was alle eint, insgemein, ist daS gemeine Wohl, die gleiche Liebe, Treue nnd dasselbe Vater land; was trennt und irrt, kann hernach unter «ns geschlichtet und vertragen werden ... Was uns not tut vor allem, und waS zu. erst durch die Verfassung gesetzlich begründet werden muh, ist innere Festigkeit und geschlossene Haltung dem AnSlande gegenüber. Haden alle anderen Völker nur eine einzige Seite gegen «ns zu dellen, dann sind wir, wie die Perser in Asien, nach allen Seiten bloßgegebe«. Deutschland »st der »««- zungtzpunlt, wo alle Völkerstraßt« sich begegnen; alles stößt und drängt, wie von einer inneren Schwerkraft getrieben, gegen uns in der Witte a«. S Görres Josef Gvires war in seiner rhe ni- sehen Heimat ein unermüdlicher Anwalt der deutschen Einheit. Vom Jahre 1814 an beglAtet er, warnend und befeuernd, in seinem „Rheinischen Merkur" die nationalpolitische Entwicklung. Eine Ka- binettsordre Friedrich Wilhelms III. ver bot im Januar 1816 die Sümme des unerbetenen Mahners s Verfaffungstag. Im November 1918 brach die deutsche Front unter dem Ansturm übermächtiger Feinde zu sammen. Ter heroische stampf der Front und der Heimat war ausgelämpst. Tie politische Gewalt im Reich und in den Bundesstaaten ging auf die Arbeiter- und Soldatenräte über. Wer aber geglaubt halte, daß der deutsche Voilswille sich damit zufrieden geben würde, bei der im Hinblick auf die Sachlage verständlichen Nachahmung deS Sowjetsystems stehen zu bleiben, der befand sich in einem großen Irrtum. Tie Männer, denen nach dem Zusammenbruch die Macht in die Hände gefallen war, blickten weiter. Sie schauten nach dem User aus, an dem das leck gewordene Staatsschiss erst einmal vor Anker gehen konnte, um seine Schäden anszubessern. Am 8. Tezember 1918 schrieb Hindenburg an Ebert, der damals VolkLbeauftragter war, einen Brief, der besser als jedes andere Dokument be weist, daß die Besten des deutschen Volkes, unter Zurückstellung ihrer eigenen Persönlichkeit, das Wohl des Vaterlandes fest im Auge behielten. Hinden burg schrieb: - . „Sehr geehrter Herr Ebeit! Wenn ich mich in nachstel)enden Zeilen an Sie wende, so tue ich dies, weil mir berichtet wird, daß auch Sie als treuer deutscher Mann ihr Vater- land über alles lieben unter Hinlanflellung peisön- licher Meinungen und Wünsche, wie auch ich es habe tun müssen, um der Not des Vaterlandes gerecht zu werden. In diesem Sinne habe ich mich mit Ihnen verbündet zur Rettung unseres Volkes vor dem drohenden Zusammenbruch." Im weiteren Verlauf deS Briefes bittet er Ebert, darauf hinzuwirken, daß so bald wie mög- lich eine Nationalversammlung einberufen werden möge. Das Schreiben schließt mit den Worten: „In Ihre Hände ist das Schicksal des deutschen Volkes gelegt Von Ihrem Entschluß wirs es ab hängen, ob das deutsche Volk noch einmal zu neuem Aufschwung gelangen wird. Ich bin bereit, und mit mir das ganze Heer, Sie hierbei rückhalt- los zu unterstützen. Wir alle wissen, daß mit diesem bedauerlichen Ausgang des Krieges der Neuaufbau de«. Reiches nur auf neuer Grundlage und mit neuen Formen erfolgen kann. Was wir wollen, ist. di« Gesundung des Staates nicht dadurch auf Menschenalter hinauszuschieben, daß zunächst m Verblendung und Torheit jede Stütze unseres wiit- schafilichen und sozialen Lebens vollkommen zer- stört wird." Tas deutsche Volk in äußerster Not, selbst seine nationale Einheit in Frage gestellt. Die alten Autoritäten nach dem völligen Fiasko ihrer Politik zusammengebrochen, die Kampfmittel erschöpft, im Innern die Gefahr der Revolution, von außen her drohende Feinde. Es waren Tage, in denen man fast überhaupt allen Mut verlieren mußte. Tie haßerfüllte Welt rechnete förmlich damit, daß Teutschland unter so verzweifelten Umständen die Neuordnung seines Staatswesens nicht würde durch- führen können. Und dann hätten sich erst alle die schönen Zerstückelunze- und Vernichinngspläne der Entente verwirklichen lassen Daß Deutschland daS Unglaubliche vollbrachte, allen Gewalten zum Trotz sich zu halten, daß es ungeachtet aller furchtbaren Widerstände am 11. August vor zehn Jahren mit einer neuen StaatSautorität und mit einer dadurch gesicherten deutschen Einheit aufwaiten konnte, das war die Leistung, die historische Würdigung verdient. Die Ebert, Scheidemann, Noske, Wels und Genossen, die Träger der sozialdemokratischen Nooemberdiltalur, haben sich mit größter Ent schlossenheit und unter Gefahr ihres Lebens für die Einberufung einer auf freiestem Wahlrecht be ruhenden Nationalversammlung eingesetzt und dem Ansturm der spartakistischen Diklaturanhänger Halt geboten. Das kann nicht häufig genug betont werden, besonders deshalb, weil dies« Männer von manchem engstirnigen Gegner der Republik auch heute noch alS „Novemberverbrecher" geschmäht werden. Denen, die sich der besseren Einsicht noch ver schließe« mögen die Worte entgegengehalten sein, die Professor Hugo Preuß, der Vater der deutschen Verfassung, bei Beginn der dritten Lesung der Ver fassung in der Nationalversammlung gesprochen hat: „Daß nach einem solchen Kriege und nach einer solchen Niederlage, daß nach ungeheuren Täuschun- gen und Enttäuschungen mehr oder minder erheb liche Störungen der gewohnten Ordnung eingetreten sind, ist doch, glaube ich, weniger erstaunlich als die Mäßigung und Setbzbeherrschung der ohne Wider- stand siegreich gewesenen Revolution, jene Mäßigung und Selbstbeherischung, mit der sie sofort den Weg zur Herstellung des Rechtsstaates — des demokra tischen Rechtsstaates — gesucht hat und auf diesem Wege doch immerhin ein bedeutsame« Stück vor- wärtSgekommen ist. Hier gestalten Sie mir ein persönliche» Wort. Gerade weil ich niemals Sozialdemokrat, nicht ein mal November-Sozialist gewesen bin, und es ver- mutlich auf meine alten Tage auch nicht mehr werde, halte ich es für richtig, anzuerkennen, va» mit jener Mäßigung uns Selbstbeherischung, die im Wesen der Sozialdemokratie die Grundlage der Demokratie nicht oeikmnt, sondern zu Ehren ge bracht hat, sich die damaligen Machthaber ein Ver dienst um Deutjchlano und unser deutsches Voll er worben haben, das man über den unausbleiblichen Reibungen und Gegen ätzen der Gegenwait und Zu kunft nicht vergessen sollte." Böse Zungen haben den zweiten Teil der Reichsoersassung im Hinblick auf die darin behan delten Grundrechte als interfraktionelles Partei- Programm bezeichnet. Wie glücklich könnten wir uns schätzen, wenn unsere ReichSparteie» einmal wieder zu einer solchen interfraktionellen Zu sammenarbeit kämen. Damals haben die Parteien unter dem Truck der Not begriffen daß man das Gesamtinteresse der Nation über das Einzelinleresse von Parteien, Berufen und Konfessionen stellen müsse. So schuf man einerseits eine wahrhaft moderne Demokratie, umgab sie aber anderseits mit solchen Sicherungen, daß sich auch diejenigen schließlich mit ihr abfinden konnten, die für ihren Besitz, für ihre Amtsstellung oder für ihre sonst wchlerwoibenen Rechte Befürchtungen hegten. Und das Symbol des ncuen Deutschen Reiches? Nach und nach ringt sich die Erkenntnis Bahn, daß man mit der Wahl der Farben des zusammen gebrochenen Reiches einen Mißgriff getan hätte Die schwarz-weiß-rote Fahne ist das Symbol derer, die starrköpsig an überlieferten Vor rechten festzuhalten gedachten oder noch ge denken, deshalb konnte sie nicht das Symbol aller Deutschen sein. ES war deshalb ein glück- licher Gedanke, aus die alte historisch« Fahne der deutschen Einheit znrückzugreifen. Schwarz. Rot - Golo ist schon von Ferdinand Freiligrath besungen worden, und Turnvater Jahn hat Schwarz-Rot-Äold mit den Worten geadelt: „Ich will hier meinen Schild verkünden, da ich ihn nicht aushängen kann. Mein Schild führt drei Farben: Schwarz. Rot, Gold, und darin steht geschrieben: Emyeit, Freiheit, Vaterland." Die schwarzrotgoldene Fahne ist das neue Symbol des guten Willens zur Verständigung. Schwarz- Rot-Bold mit seiner großen historischen Überlieferung bedeutete das Bekenntnis zu einer neuen Volks gemeinschaft unter Ablehnung der ^einseitigen Klassenstandpunkte links wie rechts. Diesem Symbol entspricht der Inhalt der Verfassung, namentlich die in khr enti>altenen Grundrechte. Diese sind aus einer hohen ethischen Haltung ervorgewachsen, die nur amS dem Zusammenhang der deutschen Geistesgeschichte richtig begriffen werden kann und die in der geistigen unv sittlichen Weiterentwicklung unseres deutschen Volkes hoffentlich immer erneut als Richtschnur anerkannt werden wird. Sie Nationalhymne. AuS Anlab des dritten Bersaffunastage», an» ll. August »srs, erklärte Reichspräsi dent tkbert durch folgende Verordnung Hoffmann» von FaUerrleben „Lied der Deutschen' zur Nationalhymne: Vor drei Jahren am 11. August hat sich daS deutsche Volk jein« Verfassung gegeben, das Fun dament seiner Zukunft. Diesen Tag wollen wir, trotz aller Not der Gegenwait, mit Freude und Hoffnung begehen. An ihm wollen wir unsere Liebe zum Vaterland bekunden. Teutschland soll nicht zugrunde gehen! Tas ist unser Schwur, solange wir atmen und arbeiten können. Wir wollen keinen Bruderkrieg, keine Trennung der Stämme. Wir wollen Recht. Tie Verfassung hat uns nach schweren Kämpfen Recht gegeben. Wir wollen Flieden. Recht soll vor Gewalt gehen W'r wollen Freiheit. Recht soll uns Freiheit geben. Wir wollen Einigkeit. Recht soll unS einig zusammen^allen. So soll uns die Veisassung Recht, Einigkeit und Freiheit gewähileisten. Einig keit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang auS dem Liede des Dichters gab in Zeilen innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; er soll auch jetzt unseren tunten Weg zu einer besseren Zu kunft begleiten. Sein Lied, gesungen gegen Zwietracht uns Willkür, soll nicht Mißbrauch finden im Paiteikampf, es soll nicht der Kampf- gesang derer werden, gegen die es gerichtet war; es soll auch nicht dienen als Ausdruck nationa- l.stischer Uberhebung. Aber so wie einst der Dichter, so lieben wir heute „Deutschland über alles". In Erfüllung seiner Sehnsucht soll unter den schwarz rotgoldenen Fahnen der Sang von Einigkeit und Recbi und Freiheit der festliche Ausdruck unserer vaterländischen Gefühle sein. Aus viele Jahre weiden für uns alle Festtage des Ltaates zugleich Tage gemeinsamer Sorgen sein. Unter den furcht baren wiuscbajilichen Folgen der letzten Ereicnisse leiden nicht nur unzählige Volksgenossen. Teut- scheS Wissen und deutsches Können, die Quellen unserer besten Kraft, sind schwer bedroht. Die Reichsregierung hat mir den Betrag von drei Millionen Mark sür Zwecke der Wissenschaft, Kunst und Handwerk aus den Mitteln zur Verfügung gestellt, die der Reichstag zum Schutze der Re publik bewilligt Hai. Zur Hebung der Volks- gefundheit durch Spiele im Freien wird eine weitere Million zur Verfügung gestellt. Aus der Geringsügi. keit dieser Summen spricht die Not unseres Landes. Schwere Stürme sind über die junge deutsche Republik in den letzten Wochen dahingegangen. Unsere Einigkeit, unser Recht unsere Freiheit wurden bedroht. Sie werden noch weiter bedroht sein. Wir wollen nicht verzagen. In der Not des TageS wollen wir uns freudig der Ideale erinnern, sür die wir leben und wirken. Ter feste Glaube an Deutschlands Rettung und die Rettung der Welt soll uns nicht verlaßen. ES lebe die deutsche Republik! ES lebe daS deutsche Vaterland! Es lebe das deutsche Volk! * Zulunftslehren aus den ersten zehn Zähren der deuischen Republik. Von vr. Sülz, Reichsminister a. D. AlS im November 1918 die deutsche Monarchie die stärkste Feuerprobe der Geschichte, die in einem verlorenen Kiiege besteht, nicht bestand, sondern in sich zusammenbrach und rühmlos abtrat, über wand die Demokratie das Chaos. Der Ruf nach der Nationalversammlung, daS heißt nach dem Willen deS ganzen Volles, übertönte den Ruf nach den in kitschiger Nachahmung von Rußland übernommenen Arbeiter- nnd Soldatenräten, und schon zwei Monate nach Zusammenbruch des alten StaateS trat die Nationalversammlung als Klistalli- sationspunkt einer neuen staatlichen Ordnung in die Erscheinung. Niemals hätte die National versammlung so schnell eine von so tiefem sitt lichen Ernst erfüllte neue staatliche Ordnung der „Kür den Wiederaufstieg unseres Voltes ist die erste Voraussetzung, das) in allen Lebensfragen unserer Vation der einige Wille und die zusammengesaßte Kraft aller Teile und Schichten unsere» Voltes eingesetzt werden können. Daher richte ich auch an diesem Tage und von dieser Stelle aus an unser Volk, an alle Parteien und Berufs stände den dringenden Appell, nicht immer die Verschiedenheit der Weltanschauungen und die Gegensätze der Interessen in den Vordergrund zu stellen, sondern sich in erster Linie von der Rücksicht auf das Gesamtwohl des Vaterlandes leiten zv lassen. Vicht darauf kommt es an, das Trennende zu betonen, sondern daraus, das uns allen Gemeinsame zu suchen und festzuhalten, das alle persönlichen Gegensätze überbrücken und alle Deutschen verbinden muß, nämlich die Sorge um Deutschland und seine Zukunft." Reichspräsident v. Hindenburg in seiner Neujahrsansprache >027 an die Reichsregierung. „Wie wir auch politisch stehen, das eine sollten wir Deutsche in dieser furchtbaren und entsetzlichen Vot erkennen: das) es aus dieser Lage keinen anderen Ausweg mehr gibt als das einmütige Iusammenfassen aller Kräfte, die es ernst meinen mit unserem Vaterlande und unsercr Zukunft. Wenn wir auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet in den großen Lebensfragen unseres Voltes uns zu einer Front zusammenschließen, dann brauchen wir nicht zu verzagen, dann werden wir durch Tüchtigkeit und Fleiß schließlich auch über dieses Unglück hinwegkemmen und unseren Kindern eine glückliche Zukunft sichern." Ansprache des Reichspräsidenten Ebert oom 25. September 1-20 gelegentlich der Eröffnung der ecsten deutschen Ostmesse.