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Staatsaryeiger für Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Srscheinung»tage». Bezugspreis: Monatlich 3 Mart. Einzeln« Nummern 1ö Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirotonto Dresden Nr. 140, den Zreiftaal Sachsen Ankündigungen: Die 32 nun breite Erundzeile oder deren Raum 3S Pf, die 66 wm breite Bruudzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 70 Pf, unter An- ' gesandt 1RM. Ermäßigung aus BeschäftSanzeigen, Famtliennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag« 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verkaufskiste von Holzpflanzen auf den GtaatSforstrevieren. Verantwortlich für die Redaktion: g. V: vr. Fritz Klauber tu Dresden. Nr. 15S Dresden, Donnerstag, 4. Luti 1929 Das neue sächsische Kabinett. Regierungserklärung im Landtage. — Mißtrauensantrag der Kommunisten. Nachdem Ministerpräsident vr. Vünger die bisherigen Minister Vr. Krugv. Nidda und v. Falken stein zum Wirtschaftsminister und Weber zum Kinanzminister wieder «nd Kreishauptmann vr. Richter- Bautzen zum Innenminister «nd Ober- landeSgerichtspräsident vr. MannS- f e l d-Dresden zum Justizminister neu be rufen hat, fand heute vormittag 11 Uhr die Verpflichtung der Minister durch den Ministerpräsidenten in An wesenheit von Ministerialrat vr. Waentig als Vertreter der Staats kanzlei statt. Heute nachm. 1 Uhr stellte Minister präsident vr. Bünger das neue Ka- vinett in der Landtagtzsitznng dem Landtage vor. Haus und Tribünen waren voll besetzt in Erwartung eines „großen Tages". Wußte man doch auch im Bolle schon, vast bereit» ein komm«, nistischer Mißtrauensantrag gegen da» «ent Kabinett eingebracht war» noch ehe der Landtag das NegierungSPro- gramm der neue« Regierung überhaupt entgegengenommen hatte. Auf Grund dieser Tatsache entspann sich auch gleich zu Beginn der Sitzung eine sehr leb hafte GeschäftSoidnungSdebatte. Ter Abgeordnete Renner (Komm.) beantragte nämlich, den von seiner Fraktion eingebrachten Mißtrauen»- antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Land- tagspräsident Weckel erklärte zunächst hierzu, daß der Landtagkvorsiand die Meinung ver trete, daß dieser Antrag nach der Geschäfts ordnung erst auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen sei, ließ aber dann doch über den Antrag abstimmen, der mit 49 Stimmen der Kommunisten, Sozialisten, Altsozialisten, dem Abgeordneten v. Fumetli von der Bolksrechipartei und des Abgeordneten Wallner (Voltsrechtpanei) gegen 46 Stimmen der Deutschnationalen, der WirtschoflSpartei, der Nationalsozialisten, der Te- mokraten und des Abgeordneten Mack (Volkrecht partei) angenommen wurde. Abg. vr. Eckardt (Dnat.) wandle sich unter Zustimmung der Rechten gegen die Gültigkeit dieses Beschlusses. Auch der volksparteiliche Ab geordnete Schmidt protestierte gegen diese Ab stimmung. Da eS nach der Geschäftsordnung genüge, daß ein Abgeordneter Widerspruch erhebe, um den Antrag zu Fall zu bringen und das habe er getan. Er stellte schließlich den Antrag, die Sitzung um eine halbe Stunde zu vertagen und den Ältestenausschuß einzuberufen. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Kommunisten, Sozialisten, Altsozialtflen, der National sozialisten und des Abg. v. Fumeiti abgelehnt. Darauf gab Ministerpräsident vr. Bünger folgende Regierungserklärung ab: Auf «rund des Artikel 26 der Sächsischen Bersajjnng habe ich solgrnde Herren zu Ministern ernannt oder wlederernannt: zum WirtschaftSminister und meinem Stellvertreter Herrn Minister vr. Srng v. Nidda und v. Falkenstein, zum Atnanzmtnifler Herrn Minister Weber, zum Justizmiuister Herrn Oberlandes, grrlchtSpräsidrntrn vr. MannS seid, zum Minister des Innern Herrn «rei». Hauptmann Richter. DaSvolkSbildungsministerium werde ich selbst wettersühren. Die Eutschlteßu«- über die Besetzung pe» Arbeit», «nd WohlfahrtSmtntste. rinm» mnß ich mir noch Vorbehalten, da die nach dieser Richtung von mir gepflogenen Verhandln««,» schließlich nicht zu einem Erfolg geführt haben. Sämtttche Minister haben der Reich», nutz LanpeSpersasfung Tre»e Die RechtSgültigkett meiner Wahl ist von einigen Seiten angefochten worden, nach «einer «uffassnug mit Unrecht Ich mnß e» denen, die die Wahl nicht für rechtsgültig halte«, überlasse», die Entscheidung des Staatsgericht». hosrS ans «rund deS Artikels IS der Reichs. Verfassung antnrufen. Bei der Kabinettsbildung habe ich da durch, daß ich die Weitersührung deS VolkS- bildungSministeriumS übernahm, die Zahl der amtierendrn Riutster um «inen verringert. Selbst da» wäre mir nicht gelungr», wen« ich die Mt«isterie« nach rei« parteipolitischen «eficht»- pnnkte«, «ach der Parteikonflellatio« hätte be. setze» wolle«. Die Schwierigkeiten, die in dieser veziehung bet der Vielgestaltigkeit der Parteien schon an sich vorhanden Ware«, wurde« durch auseinander, strebende Personalwünsche besonderer Art «och vermehrt Schon das «Urin sührte «ich zu dem Enrschl«ß, dleEtnig»»g der Parteien auf der Grundlage eine» Kabinett» zu ver suche», da» ei«e geringere Partei, polittsch« Gep»»dr»h«tt «»sweist und die fachII che Eignung al» einzigen Maßstab für die Answahl feiner Mitglieder mehr in die Erfcheiuung trrtr« läßt, alS die früheren Kabinette. Wenn hierbei eine Reihe von Parteien einen Sitz im Gesamtmintsterium nicht erhielten, so «ahm ich an, daß sie die Unmöglichkeit, aus rein parteipolitischer G,«»d. läge zu einer alle brsrirdigendr» Lösung 'zu komme«, erkennen und mit mir der «ujsassung sei« würde«, daß auch ohne ihre unmittelbare Beteiligung an der Regierung ein Kabinett von Männer«, die für die Brla«ge aller Parteien Verständnis Haven, die Regierung auch zu ihrer Zufriedenheit führen lönne. Auf Grund solcher Erwägungen habe ich daS politisch am meiste« umstrittene Ministerin«, nämlich daS Ministerin« deS Innern, mit einem außerhalb der Parteivorfchläge stehenden Fach mann besetzt, der allgemein alS ei» besonders hervorragender Veiwaltungsbeamter gilt. Was daS Justizministerium augeht, so schien eS mir geboten, gerade diese» auS der Partei« Politik und dem Streit der Meinungen völlig herauszuhebr«. Ich habe daher geglaubt, auch dieses Ministerium einem vom Parteipolitischen völlig loSgetrennten Fachminister übertragen zu solle«. Als solchen ist es mir gelungen, den höchsten Richter deS Landes Lachse« zu gewinnen, der insbesondere durch seine hervorragende Mit. arbrit im ReichSrat «nd im StrasrechtsanSsch«ß deS Reichstages weit über die Grenzen deS Landes hinaus einen Ramen hat. Die umfassende Kenntnis dieser beiden neue« Fachmtntster aus ihren lünstigen TätigkeitS. gebieten gewährleistet eine sofortige Wieder- ausnahme und eine ««gestörte Weitersührung der Arbeit in ihre» Ressorts. Derselbe Gedanke möglichster «»srechterhal. tung einer rnhigl« und stetige» Weiterarbeit war für mich mitbestimmend, die übrigen Minister in ihren Nmirrn zu belassen. Wen« hiernach die neugcbildete Regierung, äußerlich gesehen, von der früheren auch abweicht, so werden die Richtlinien ihrer Politik in der Hauptsache doch dieselben sein. Diese Richtlinlcn sind dlm Landtage bekannt, und ich glaube dahrr bei der Darlegung der lünstigen Rtgierungspolitik nicht allz« sehr in die Einzel« Helte« gehen zu solle«. Die Regierung wird, fest auf dem Bode« der Verfassung stehend, den Zustand der Ruhe «nd Ordnung, wie er in den letzten Jahren ersreulicherwetse geherrscht hat, «nbeirrt ausrechterhalten. Daß str treu znm Reiche flehen wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Lie ist daher auch der Meinung, daß bei einer RetchSresorm die Aufgabe«, bri Vene« Lrbe«»fragk« de» Reiche» berührt werde«, de« Reiche zukomme«. Richt «ur um der Lände,, sonde« auch um de» Reiche» Wille» ist «»verfett» eine g,f»«pe Dezentralisatio« »ötig, bet der »S de« Länder» überlasse» ist, «»»besondere »nltnr »nd Wirtschaft »ach ihrer regionale» Eigenart zu sörderu und zu pflegen. Die Finanzlage de» Staate» hat sich in den letzten Jahre« infolge der RrichSfinanz- gesetzgebung wesentlich verschlechtrrt. Für daS nächste Jahr steht noch eine weitere Einbuße an Einkommensteuer und trSrpmchaftstruer bevor. Wie bekannt, ist die «asseulage de» Staate» aus» äußerste a»gefpa««t, hauptsäch. lich, weil sür die Bedürfnisse de» außerordeut» liehen HauShalt» A«leihe« nicht «nterzubringe« sind. Infolgedessen ist größtmögliche Spar, samkeit auf alle« Gebieten daS Gebot der Stunde. Die» mnß um so mehr gelte«, alS eS «icht möglich fei» wird, die dem Lande zur Verfü gung stehenden Steuerquelie» stärker in Anspruch zu nehme«,. Die Regierung beabsichtigt, dem Landtage Gesetzentwürfe über eine Abänderung der Wanderlagersteuer sowie über eine Andernng de» Stempelsteuergesetzes vorzulege«. De« Anträge Rr. 35 betreff««» die Fr»«rsch«tzstr»er »md die Straße»rel. nigu«g»abgabe, wird die Regierung z». stimmen. Weiter ist die Regier««« der Meinung, daß hinsichtlich derAuswertungssteueran Stelle der verordung vom 30. März 1928 baldigst eine gesetzliche Grundlage gr schassen, «nd daß die Verteilung deS Landesanteils an der Kraftfah rzeugsteurr interkomm««al anderweit geregelt werde« muß. Ihre besondere Aufmerksamkeit wird die Regie rung den finanzielle« Schwierigkeiten der Gemeinden und Bezirtsverbände zuwende». Hierbei wird eS bei der gespannten Finanzlage deS Landes insbesondere daraus an kommen, die finanziellen Beziehungen zwischen Land, Gemeinden und BezirksverbSuden richtig abzuwäge«. Tie Arbeiten an der Verwaltungs, re form, die durch die vorzeitige Auflösung des Landtags unterbrochen worden sind, wird die Regierung alsbald wieder anfnehme«. Nur wenn di« öffentliche Betätigung zur rechte« Zeit ver- ci«sacht und verbilligt wird, mindert sich die Ge fahr, daß unter dem Druckt der Verhältnisse über stürzte Schritte getan und dabei wertvolle Er rungenschaften preiS-egeden werden müssen. Die Regierung wird bestrebt fei«, der ge samten durch die Ungunst der Verhält nisse besonders schwer betroffenen säch- sischenWirtschast, einschließlich de» selbständigen Mittelstandes, jede mögliche Förderung zuteil werden zu lasse«. Bei den schwebenden Handel», vertragsverhaudlungen mit den wichtigste« osteuropäischen Wirtschaftsgebieten wird sie sich im Rahmen deS ihr zustehendr« Einflüsse» für die Erleichterung der Ausfuhr der sächsische» Erzeugnisse nach dem Ausland eiufetze«. Gegenüber de» KonzentrationSbestrebungk« inner- halb der deutschen Wirtschaft wird die Regiernng sich bemühen, der sächsische» Wirtschaft ihre Eigenart zn erhalten, die auf dem Vorherrfche« deS Mittel, und Kleinbetriebs «nd der Selbst- Verantwortlichkeit deS Vetr ebSinhaberS beruht. Neben de« Maßnahme«, die scho« bisher der Förderung der Landwirtschaft, vor allem dem landwirtschaftliche« Bildu«gSwrsen und der Bodenkultur gedient haben, sollen auch alle sonstigen Hilfsmittel eingefetzt werten, die geeignet sind, die ausS schwerste erschüttert« Landwirtschaft zu stütze«. Hierzu gehören einmal alle Bestrebungen, die aus eine möglichst weitgehende verbreituug einer neuzeitlichen «nd kaufmännischen VetriebS- sührung hinzielt«, «nd z«m andere« gesetzgeberische Maßnahme« auf de« Geviete der GrundstütkS- z«sammenlegu«g, der TetlbarkeitSdrschrLnknnq n«d de» Auerbknrechts. Die «och immer ungünstige Lag« de» ArbeitSmarkte» legt per Regier««- die Veipsttcht««g anf, mit alle« Kräfte« z» einer vesf«r«ng beizutrage«. Die in Angriff geno«. «enen Rotsta»d»a,beite» werde» vnrch- geführt werde«. Durch Ksrper»«g vr» Klei»w»h«u»gSba«S ist i«Sb«fo»prre a»s v«leb««g der vauwirtfchaft hi»z«wirke». Der »irtfchastltche« Rot der v«völker»»g wird die Regier«»-, oh»e Rücksicht aus die politische Emstell«»- «nd berufliche uud gesellschaftliche Eingliederung des einzelne« i« de« Staat, ihre Fürsorge zuwende«. Hierbei wird sie namentlich die Opfer de» Krieges und der Inflation be» rücksichiige« und ihr besoudereS Augenmerk ans die Pflege der Jugend richte«. Mit wohlwottrnder Sorgfalt wird die Re. gi«ru«g die «och schwebe«de« Aufwertung»- frage« »« prüfe« habe». Da» gilt u«ter a»derem für ihre Mitwirkung an der Reich»- gesetzgeb««g bei der ««Passung der gesetz lichen ZwangSzinse« der Aufwertung», hhpotheken an die allgemeinen wirt schaftlichen Verhältnisse vom 1.Januar 1«3S ab «nd der dringlichen Sicherstellung dieser «ehr» zinsen. Zur Durchführung der ««fwertnng der Kreditbriefe werde« gesetzgeberische Maß«ahme« erneut zu erwäge« fei», fall» sich «icht im Wege freier Vereinbar»«- angemefsene Grundlage» für eme gerechte Lös»»- si«de» lasse». Die K»lt»ra»fg«be» aller«« wird ple Regier»»« in dem «»»maße, Pa» die »tri. jchast». u«d Fi»a»,Iage irg«»d »»läßt, sürforg. lichst sörder». Die im vorige» Landtage «icht verabfchir- dete« Gesetze über die vorlänftge Ab. lös««g vo» StaatSleistungen an die Kirchen und über die öffentlich-recht, liche« Religiousgesellscha ste» wird Pie Regierung baldigst wieder etubringe». «Shre»d der Wahlperiode diese» Landtage» wird voraussichtlich auch das Werk der Er. Neuerung de» deutschen Strafrecht» zum Abschluß gelange«. Tie Regierung wird das ihre tun, um durch sorgsame Vorbildung d,r Strafrichter »nd der Llrafvolltngsbeamtc» die Überleitung in dir neue» verhält»isse zu erleichtern. Tie Interesse» des Berussbeamten- tums werd,» bei der Regirrnug jederzeit För derung slndeu, damit eS seine Aufgabe, unpar teiischer Tieuer deS gesamte» Volkes zu sein, erfüllen kann. Tie vom Reiche beabsichtigte Reuorduung deS gesamten Beamten rech teS wird die Regiernng nach Kräften «uter- stütze» und dabet eine möglichst einheitliche Ge stattung der Rechtsverhältnisse deS Verns», beamtentums in Reich, Länder« und Gemeinden ««streben. Tie neue Regierung w«iß, daß sie vor großen «nd schwere« Ausgabe« steht, die im vorgesagte» nicht erschöpfend aufgezählt sein sollen. Ste weiß auch, daß die Lösung dieser «nfgaben ohne tatkräftige Unterstützung der staatserhaUrnde» Elemente des Landtags nicht möglich sei» wird und daß eS ohnehin nicht leicht sür sie ist, ihre Ziele ohne parlamentarische Bindungen zu erreiche«. Sie glaubt aber, in der Zusammeusetzung de» Kabinetts eine Gewähr für positive Arbeit z»m Beste« des Staates und des volksga»ze« zu biete». Sie wünscht von Ihne«, meine Dame« «nd Herre«, «icht» anderes als ohne Voreingenommenheit »ach ihrer sachlichen Arbeit beurteilt zu werde» «»d muß eS dem Landtage überlasst», ob er ihr anf dem Wege folge» will, de» sie in der beste» überzeug«»- zu -ehe» gedr»kt, dem Volke »». dem vaterla«de z« dirue». Tie Rede wurde wiederholt von der Zu- stimmung der Rechten und von lärmenden Zu rufen der Linken unterbrochen. AlS zur Begründung de» kommunistische» MißtrauenSantrageS übergegangen werden sollte, protestierte Abgeordneter vr. Blüher noch ein mal gegen die Behandlung de« Anträge» und fragte an, ob die Regierung nicht von ihrem Rechte Gebrauch mache, gegen die Behandlung dieses Antrages Einspruch zu erheben. Ministerpräsident vr. Bünger erhob darauf hin diesen Einspruch namens der Regierung, was eine längere GeschästSordnungSdebatte auSlöste, aber die Behandlung de» «»trage» unmöglich machte. Die Sitzung dauert fort.