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2872 Nichtamtlicher Teil. 73, 2S. März 1904. tatsächlichen Verhältnisse, um die es sich hierbei handelt, sind von einander zu sehr verschieden, als daß es möglich wäre, eine allgemeine Formel aufzustellen, die über den Charakter und die Bedeutung einer Umschreibung wesentlich hinausginge. Dies ist schon von der auf Grund des ältern Gesetzes entstandenen Rechtsprechung anerkannt worden, und es besteht keinerlei Veranlassung, von den Grundsätzen ab zuweichen, die darin zum Durchbruch gelangt sind. Im allgemeinen ist als Veranstalter derjenige zu be trachten, der die Aufführung eines Musikstücks veranlaßt, also derjenige, auf dessen Willen und dessen Tätigkeit sie zurückgsfllhrt werden muß. Dies kann und wird zumeist der Kapellmeister sein; es gibt aber auch Fälle genug, in denen der Wirt diese bestimmende Tätigkeit ausübt. Beschränkt sich der Wirt darauf, einer Kapelle für die Veranstaltung seine Räume zu gewähren, ohne daß er auf die Zusammenstellung des Programms irgendwelchen Ein fluß ausübt, noch überhaupt sich irgendwie darum be kümmert, so ist es unbestreitbar, daß der Kapellmeister und nicht er der Veranstalter der Aufführung ist. Daß er unter dieser Voraussetzung auch nicht wegen Beihilfe in Anspruch genommen werden kann, ist ohne weiteres einleuchtend; denn ohne die Feststellung der Tatsache, daß die Verletzung der Urheberrechte ihm bekannt war, ist die Beihilfe nicht möglich. Anders verhält es sich dann, wenn der Wirt das Konzert veranstaltet, zu diesem Behufs eine Kapelle mietet und bestimmte Musikstücke durch sie aufführen läßt. Dann kann er sich nicht schlechthin mit der Einrede verteidigen, er habe sich um das Konzertprogramm ebensowenig ge kümmert wie um die Frage der Urheberrechte, sondern in dieser Beziehung alles dem Kapellmeister überlassen. Es geht dies um deswillen nicht an, weil ihm als Veranstalter grundsätzlich die Pflicht obliegt, dafür zu sorgen, daß durch die Veranstaltung nicht die Rechte Dritter verletzt werden, also die Verpflichtung, sich in Betreff der aufzuführenden Musikstücke zu erkundigen, ob sie frei sind oder nicht, und ob im letzteren Fall für die Einholung der Aufführungs erlaubnis gesorgt ist. Das Bestehen dieser Pflicht kann grundsätzlich nicht bestritten werden, mag davon in der Praxis auch vielfach nicht die Rede sein. In diesem Sinne hat sich auch das Reichsgericht in der häufig zitierten Entscheidung in Bd. 38 S. 23 der Entscheidungen in Zivilsachen darüber ausge sprochen. Allerdings ist das Reichsgericht der Meinung, daß für die Regel dem Gastwirt eine Erkundigungspflicht in dieser Hinsicht nicht obliege; allein dieser Satz steht in keinem grundsätzlichen Widerspruch zu dem soeben Gesagten, denn es kommt auf die konkreten Verhältnisse an, und es ist den Unterschieden, die zwischen den Wirten in Bezug auf Bildung und Stellung bestehen, entsprechende Rechnung zu tragen. Der Wirt hat, soweit er als Unter nehmer auftritt und eine musikalische Aufführung veranlaßt, die ini Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden, damit durch die Aufführung nicht die Rechte Dritter, also auch die Urheberrechte beeinträchtigt werden; wendet er diese Sorg falt nicht an, so handelt er fahrlässig und erscheint als fahrlässiger Schadenstister auf Grund einer rechtswidrigen Handlung. Die Anwendung der Sorgfalt modifiziert sich aber bei den einzelnen Wirten. Von dem Besitzer eines großen Hotels kann man erwarten, daß er sich auch bezüglich der Aufführungsrechte erkundige; bei ihm erheischt dies die in seinem Verk'hr erforderliche Sorgfalt. Dagegen läßt sich dasselbe nicht auch von einem kleinen Dorf- und Schankwirt verlangen, der vielleicht nicht einmal weiß, daß es ein musikalisches Aufführungsrecht gibt und was darunter zu verstehen ist. Aber an sich, in Ansehung ihres Bestandes, erleidet die grundsätzliche Erkundigungspflicht hierdurch keine Verände rung. Mit dieser Maßgabe kann man dem angezogenen Satz in der genannten Entscheidung des Reichsgerichts auch aus dem Boden der Definition des Fahrlässigkeitsbegriffs des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustimmen. Daß hierin etwa eine Unbilligkeit gegenüber dem Gastwirt liegt, der ein Konzert auf seine Rechnung veranstaltet, ist nicht zuzugeben. Wenn der Gastwirt noch eine musikalische oder theatra lische Nebenunternehmung betreibt, z. B. eine Singspielhalle, ein Variststheater, so ist er natürlich ebenfalls Veranstalter, und man hat dann gar keine Veranlassung, an die Frage, ob er die von ihm zu leistende Sorgfalt tatsächlich an gewendet hat, einen andern als einen sehr strengen Maßstab anzulegen; das Gegenteil würde mit dem berechtigten Interesse der Komponisten und ihrer Rechtsnachfolger in Widerspruch stehen. Man kann die Haftung des Wirts als Veranstalters — wenigstens in zivilrechtlicher Hinsicht —, soweit sie nach dem Gesagten in Betracht kommt, noch in andrer Weise be gründen. Der Wirt, der eine Kapelle zur Veranstaltung eines Konzerts mietet und deren Dirigenten alle auf die Konzertaufführung bezüglichen Anordnungen und Maßregeln überläßt, bestellt für den Teil seiner Tätigkeit, der sich auf die Konzertaufführung bezieht, einen Vertreter, und er haftet für dessen schadenstiftende rechtswidrige Handlungen, sofern er nicht nachweist, daß er in Ansehung der Auswahl seines Vertreters die im Verkehr übliche Sorgfalt angewendet hat. Dieser Nachweis würde ihm aber z. B. dann nicht ge lingen, wenn der Konzertdirigent eine junge, unerfahrene Persönlichkeit ist, die vielleicht von der Existenz eines musi kalischen Urheberrechts nichts weiß. Natürlich kommt es auch hierbei auf die konkreten Ver hältnisse an; aber grundsätzlich ist auch unter diesem Ge sichtspunkt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, den Wirt allein oder neben dem Kapellmeister in zivilrechtlicher Hin sicht zum Ausgleich des entstandenen Schadens heranzuziehen. Daß diejenigen, die Uber das Aufführungsrecht verfügen, ein nicht zu unterschätzendes Interesse daran haben, daß die Haftung auch dem Wirt obliege, bedarf keiner Ausführung. Keinem Zweifel unterliegt es, daß der Saaloermieter, in dessen Räumlichkeiten eine Kapelle konzertiert, nicht Ver anstalter ist; er steht vollkommen demjenigen Wirt gleich, der nichts weiter tut, als seine Lokalitäten einem Kapellmeister gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Ist also, dahin kann man wohl die vorstehenden Aus führungen zusammenfassen, der Wirt auch in Ansehung des Konzerts Unternehmer, und zwar im wirtschaftlichen Sinne, dann ist allerdings die Möglichkeit für seine Haftbar- machung wegen Verletzung des Urheberrechts nicht nur ausnahmsweise, sondern im Verhältnis in einer großen Anzahl von Fällen gegeben; ist dies aber nicht der Fall, so kann auch bei weitestgehender Auslegung der Be stimmungen sowohl des Urheberrechtsgesetzes als auch des Bürgerlichen Gesetzbuchs hiervon nicht die Rede sein. Be rücksichtigt man dies, so läßt sich nicht zugeben, daß die gegenwärtige Rechtsübung geeignet sei, am letzten Ende das Gastwirtsgewcrbe in bedenklichem Maß zu beschweren oder ihm eine Verantwortung für Vorkommnisse aufzubürden, die zu verhüten der Gastwirt auch unter Anwendung des Höchst maßes pflichtmäßiger Sorgfalt außer stände sei. Fuld.