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Sächsische Staatszeitung : 21.06.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192906215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19290621
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19290621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-06
- Tag 1929-06-21
-
Monat
1929-06
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 21.06.1929
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Sette 2 zu Nr. iir — sächsische Staais-eis»ng —f. Freitag, 21. Juni 192» Schärfere Stattlontrolle im Reichstag gefordert. Allgemeines Bedürfnis nach Spar« samlelt. 91. NeichStagsjitzung am 20. Juni. Im Reichstag wurden heute nach kurzer Aus sprache zunächst die Novellen zum Einkomme n-, Vermögens- und Wechselsteuergesetz end- gültig angenommen. Diese Vorlagen sind ein Teil des Kompromisses, das zwisel-en den Regierungs- Parteien in der Teckungeftage abgeschlossen worden ist. Tie Änderung bci Ler Wechselsteuer will die große Abwanderung deutscher Wechsel ins Ausland verhindern. Bei der Vermögenssteuer werden die BewertungSvorschriften reformiert. Bei der Ein kommensteuer sollen Verlustjahre bei der Einschätzung besser berücksichtigt werden als bisher. Die Ver- mögenszuwachSsteuer soll bis zum Inkrafttreten des Stcuervereinheitlichungsgesetzes nicht erhoben werden. Angenommen wurde auch eine Ausschuß- entschließuug, wonach Verlustbetriebe auch bei nicht- buchsührenden Landwirten und Gewerbetreibenden bei der Festsetzung der Durchschnittssätze berücksichtigt werden sollen. Bei der Vornahme der früher zurückgestell- len Abstimmungen wurden der Haushalt der allgemeinen Finanz ver Wallung und der Haus halt Les Relchssinanzministeriums in der Ausschußsassung angenommen, dazu die Ausschuß- entschließung auf Prüfung der Frage euer Be steuerung der öffentlichen Betriebe. Nach welter angenommenen Entschließungen soll der Arbeitslohn der in landwirtschaftlichen Be trieben mitarbeitenden Familienangehörigen bei der Steuer abzugssühig sein und für die Landwirtschaft soll Lie Vermögenssteuer nach der Hälfte des jetzigen Bewertungssatzes beicchnct werden. Weiler wird eine Denkschrift über die Erfahiungen anderer Länder mit der Offenlegung der Steuerlisten ver langt und finanzielle Unterstützung der notleidenden Eisenbahnergemeinden gefordert. Ter von den Deutschnationalen gegen den ReichSfinanzministcr vr. Hilferding eingebrachte Mißtraue nsantrag wurde gegen die Deutsch- nationalen, Nationalsozialisten, Chnsttichnatwnalen und Kommunisten ab gelehnt. Bei der dann solgenren zweiten Beratung des HauShaltgesehes für 1929 wurde von den Rednern aller Parteien eine schärfere Kontrolle ver Durchführung des Etats verlangt. Der Schrei nach strengerer Kontrolle der einzelnen Ressorts gründet sich nicht nur auf das allgemeine Bedürfnis zur Spauamkeit bei der schlechten Finanzlage des Reiches, sondern auf die Feststellungen des Rechnungshofes über große Etatsüberschrertungen in früheren Rechnungsjahren und schließlich auf die Erfahrungen im Falle Lohmann Diese Erfahrungen haben Len Ausschuß zu wesentlichen Änderungen und Ergänzungen der Regierungsvorlage veranlaßt. Danach sollen Ver träge, die das Reich mit Summen über eine Million verpflichten, nur noch von den zuständigen Leitern der Behörden abgeschlossen werden. Das letzte Zehntel der für bestimmte Aufgaben bewilligten Mittel soll nur mit Zustimmung der Reichsfinanz ministers au-gegeben werden können, damit ein gewisser Anreiz zur Sparsamkeit gegeben wird. In der Aussprache wurde vielfach ein noch weitergehendes Einspruchsrecht des Reichsfinanz- ministcrs gefordert, während anderseits davor ge warnt wurde, zuviel vonr Budgetrecht des Reichs- tags in die Hände der Bürokratie zu legen. Eine Novelle zum Ne ich s v ich s e u che n - gesetz, die der Regierung größere Vollmachten zur Regelung und Einschränkung der Viehcinfuhr geben will, wurde dem Volkswirtschaftlichen Aus schuß überwiesen. Auf Ler Tagesordnung der Fieitagsitzung, die um 1 Uhr beginnt, steht neben kleineren Vorlagen die zweite Beratung der Verlängerung de« RepublilschutzgesetzeS. Englische rind franzöfischeStimmen fiir R-elnlan-räumung. London, 21. Juni. Macdonald und Heudelson sind mit der Aus arbeitung des außenpolitischen Abschnitts der Thron- rede beschäftig». In der Frage der Rhein landbesetzung wird darauf hingewiesen, daß die Arbeiterregierung an Beschlüsse der Parteitage der Arbeiterpartei, in denen die Zurückziehung der britische» Truppen aus dem Rheinland ge fordert wird, gebunden ist. Tie Regierung Macdonald hält es mit Rücksicht auf die schwe benden Verhandlungen sür zweckmäßig, zunächst abzuwarten, welches Ergebnis die kommende Poli- tische Konferenz hat, um gemeinsam mit den französischen und belgischen Truppen abzurücken. Sollte sich jrdoch rrgrben, daß vrlgien und Frankreich das Rheinland nicht räumen, so ist die englische Regierung entschlossen, ihre Truppen ohne Rücksicht aus datz «erhalten Frankreichs und Belgiens zurilckzunehmen. Nach Meldungen aus Paris fordert im „Popu- laire" der sozialistische Abgeordnete Leon Blum die unverzügliche Rheinlandräumung. Er schreibt: Welchen Zweck können die Verhandlungen zwischen den Regierunen haben? Mit Verfehlungen, Sanktionen und Kontrollen auszuwarten, ist doch überholt. Wie eS sich nach der Fertigstellung des TawesvlancS in London einzig und allein um die Räumung des Ruhrgebietes handelte, so handelt es sich jetzt um die Rheinlandräumung. Es sei von Herzen zu wünschen, und zwar im Interesse -rankreicks, daß dieses unverzüglich den ersten Schritt zur Räumung tue. Beim jetzi. cn Stande der Dinge die Räumung zu verschieben oder zu versuchen, ihr aus dem Wege zu gehen, wäre weder loyal, ja nicht einmal anständig. Bayerns Forderung aus den ReparationserleiLterungen. München, 2l. Juni. Im Landtage äußerte sich Finanzminister Or. Schmelzle in seiner Rede zum Etat auch zu den Pariser Verhandlungen. Er erklärte: Vielleicht waren diese Verhandlungen verfrüht, vielleicht auch war die Zusammensetzung der deut schen Delegation zu einseitig. Jedenfalls bleibt das Ergebnis weit hinter dem zurück, was das deutsche Volk, der deutsche Staat, die Wirtschaft und die Kultur an Erleichterungen von einer dauernden Lösung der Reparationsfrage erwarten mußte. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Es würde aber das erreichte, wenn es auch hinter den Erwartungen zurückbleibe, dem Ver dienste der ausgezeichneten Männer keinen Ein trag tun, die die Verhandlungen zu führen hatten und das Ergebnis wird wohl nur als eine Etappe auf dcm Leidensweg zu werten sein, den das deutsche Volk zurück zulegen ha». Diese Etappe bedeutet immerhin eine Erleichterung von zunächst einmal 900 Mil lionen sür den ReichShauShalt. Noch ehe diese Erleichterungen Tatsache ge worden sind, hat auch schon der Streit begonnen, wie sie auf das Volk, die Staatswirtschaft und innerhalb der Volkswirtschaft auf die einzelnen Bevölkerung?- und Wirtschaflekreise verteilt werden sollen. ES ist das nur zu begreifen; denn wer lebt heute nicht unter dem Druck der übermäßigen Reparationen und wer hätte nicht eine Milderung erwartet? Ich glaube, daß nichts wichtiger ist, als zu- nächst die Wirtschaft des Reiche«, der Länder und der Gemeinden wieder aus eine gesunde Basis zu stellen Ohne eine Gesundung der finanziellen Ver hältnisse von Staat und Gemeinden gibt eS kein Heil sür die Volkswirtschaft und die Einzelwirt- fchoft. Dazu ist notwendig, daß das Reich die Lebensnotwendigkeit der Länder anerkennt und durch endliche Erfüllung der Verpflich- tun gen au- der Post-, Eisenbahn» und Biersteuerverreichlichung Bayern in den Stand setzt, seine Aufgaben, v^e in Wirtlichkeit Aufgaben de? Reiches sind, zu erfüllen Ich habe die Hoffnung, daß die Reichsregierung sich diesen Verpflichtungen nicht entziehen werde. Staatsrat gegen preußische Regierung. Konflikt in der Konkordatsfrage. Berlin, 20. Juni. Zwischen dem preußischen Staatsrat und der preußischen Regierung sollen hinsichtlich der Art und deS TempoS bei der Behandlung des Konkor- datScntwurfs erhebliche Gegensätze bestehen. Ter Staatsrat bereitet einer raschen Erledigung Schwierig keiten, und im besonderen möchte die sogenannte Arbeitsgemeinschaft die Entscheidung so lange ver tagt sehen, bis die Verhandlungen mit den evan- gelischen Kirchen abgeschlossen sind. Demgegenüber wird nun darauf hingewiesen, daß eS sich jetzt um Tage handelt, wenn das Konkordat noch im Juni tm Landtag zur Ver handlung kommen soll. Im Staatsrat zeigt sich jedoch keine Neigung, die Zuleitung an den Land tag zu beschleunigen. Gemäß Artikel SO der preußi schen Verfassung ist der Staatsrat von der Regie rung über die schwebenden wichtigen tragen aus dem lausenden zu halten und ibm steht das Reckt zur gutachtlichen Äußerung ru. In politischen Kreisen weist man darauf hin, daß er dieses Reckt selbst in Frage stcllt, wenn er durch absichtlich späte Anberaumung seiner nächsten Sitzung eine sachliche Erörterung unmöglich macht. Der preußi sche Ministerpräsident will auf Grund der Ver- fassnng den möglichst baldigen Zusammentritt des Staatsrats zur Erledigung der Konkordatrsrage verlangen. Am das Getreidemonopol. Berlin, 21. Jun«. Ein Teil der Berliner Abendblätter beschäftigt sich lebhaft mit der angeblich in der Luft liegen den Entscheidung des Sa hverständigenaurschusfeS sür die Neuregelung der Getreidewirtschaft für ein Gelreidemonopol. Tatsächlich ist ein Beschluß weder in der einen noch in der anderen Richtung bereits gefallen. Er wird aber bis heute er wartet. Man glaubt übrigens zu wissen, daß der Reichsernährungsmtnister Dietrich unter leinen Umständen bereit sein wird, im Kabinett yinen Regierungsentwurf auf Einführung des Aetreide- monopolS zu empfehlen, so daß also nur ein Initiativantrag in Frage käme. In parlamenta rischen Kreisen sieht man mit einiger Spannung dem Bericht Heukam PS über die Ergebnisse seiner Zollverhandlungen mit Schweden entgegen Diese Verhandlungen haben bekanntlich das Ziel, den Hebel sür die Heraufsetzung der Gctrcidezölle auszulösen, da die Zollsätze allein tm Handels- vertrag mit Schweden genannt sind und unter der Meistbegünstigung auch sür die übrigen Ver träge gelten. Die Wiener Gemeindeverkreter beim Reichskanzler. Berlin, 21. Juni. Im ReichslanzlerhauS fand gestern zu Ehren von Vertretern der Wiener Stadt- und Gemeinde verwaltung ein Frühstück statt, an dem u. a. teilnahmen; Bürgermeister und Landeshauptmann Sei tz-Wien, der Präsident des Wiener Landtages, Gemeinderat Or. Danneberg, Reichslagspräsi- dent Löbe, preußischer Ministerpräsident vr. Braun, die Reichsminister vr. Wirth, Se vering, Vr. Hilferding, Wissell, der Landtaaspräsident Bartels und Oberbürgermeister vr. Böß. Die Verhandlungen über die Schwedenzölle ergebnislos. Berlin, 21. Juni. Vor einigen Tagen ist, wie gemeldet, aus Grund eines Beschlusses de» Reichstabineus der Staatssekretär im ReichSernährungSministerium vr. Heukamp nach Stockholm entsandt worden, um mit der schwedischen Regierung über eine Auf- Hebung der sogenannten Schwedenzölle zu ver handeln. Wie mitgeteilt wird, sind die Verhand lungen vr. Heukamps mit der schwedischen Regie rung ergebnislos geblieben. Für die deutsche Landwiitschaft bedeutet dieser Ausgang der Stock holmer Verhandlungen eine schwere Enttäuschung. Hessischer Landtag und Räumungs frage. Frankfurt a. M, 21. Juni. Der Hessische Landtag nahm in seiner gestrigen Sitzung einstimmig eine Entschließung an, in der es u. a. beißt: Der Hessische Landtag gibt der Erwartung Ausdruck, daß die baldige Räumung der besetzten Gebiete erfolgt, ohne daß hierfür von deutscher Seile neue Opfer gebracht werden müssen Insbesondere wird jede irgendwie geartete Kontrolle über das Jahr 1935 hinaus unter allen Umständen abgclehnt. Die von der Reichslegierung geplante umfangreiche Hilfsaktion für die jetzt be setzten Gebiete gewinnt nun eine ganz besondere Bedeutung. Solche Hilfsmaßnahmen sind im be sonderen Maße sür Hessen vonnöten. Der Hessische Landtag richtet auss neue an Reichstag und Reichs- rcgierung die Bitte, daß den besonderen hessischen Schwierigkeiten in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird. Der Versaffungstag in Hessen National feiertag. Darmstadt, 2l. Juni. Der Hessische Landtag hat gestern die Re gierungsvorlage, den BerfassungStag zum staatlich anerkannten Feiertag zu erUären, gegen die Stimmen der Rechten angenommen. Llniversitätskrawatte in Wien. Wien, 21. Juni. An der Universität kam eS gestern vormittag zu Krawallen, die von den vöttischen Studenten hcrvorgerusen wurden und die das Eingreifen der Polizei notwendig machten. Die völkischen Studenten veranstalteten wegen Relegierung von drei ihrer Kommilitonen in der Aula und vor der Universität eine Kundgebung gegen das Rektorat. Auf Ersuche» des Rektors griff die Polizei ein, wurde aber von den Studenten am Unioersitätstor mit Pfuirufen und Stockhieben empfangen und zurückgedrängt. Ein Pedell wurde verprügelt. Inzwischen erhielt die Polizei Verstärkungen und Leonardo da Vinci als technisches Genie. Leonardo da Vinci steht uuS in seinem geistigen Schaffen menschlich um jo näher, weil er das, was er erreichte, sich aus eigener Kraft ausgebaut hatte. Gerade ein tiefes Eingehen auf Einzel heiten läßt in Leonardo eine großzügige Künstler natur vermuten. Selten ist wohl jemand ebenso viel Techniker und ebensoviel Idealist gewesen wie er. Nm häufigsten haben wir von Leonardo da Vinci als Flugtechniker gehört. Schon Vasari er zählt, Leonardo habe „allerdünnfle Tiere aus Wachs gemacht, mit Lust gefüllt-, die lm Winde fliegen konnten. Auch habe er Hammeldärme aus einem BlaSbalg (mit warmer Luft?) auf- geblasen, so daß sie bis zur Decke empor- stiegen; man liest auch oft, er habe um d aS Jahr 1513 in Rom Flugversuche gemacht, doch ist gerade diese Zeit feines Lebens wenig geklärt. Genauer unlerrichtct sind wir über die Entwürfe zu Flugmaschinen des MeisterS; denn nicht nur ein besonderes Heft „Über den Flug der Vögel' Hot sich von ihin er halten, in dcm er die Bewegungen der Tiere beim Fliegen mechanisch auseinanversetzt, auch viele Zeichnungen von Flugapparaten finden sich unter seinen Manuskripten. Die Flügel dieser Apparate bildet er den Fledermäusen nach, weil scine anatomischen Studien ihm gezeigt hatten, daß ein Vogel mächtigere Knochen „und stärkere Nervatur' habe, als eine gleich große Fledermaur. denn die Flugflächen eincS Vogels sind durchlöchert, weil ihre Federn unverbunden sind, „aber die Fledermaus hat die Hilfe deS Gewebe-, das alles verbindet und nicht durch löchert tst". Von der Untersuchung des Vogelsluge« auS- zchend, berücksichtigte Leonardo sorgsälttg den Ein fluß de« Windes, dessen Wirbel und Strömungen, und vermied an seiner» Entwürfen möglichst jedes Metall, einerseits wohl wegen des Hoheit Gewichtes, besonders aber, weil er dem ganzen Apparat richtigerweise eine Elastizität gegen Windstöße gebe»» wollte. Tie Gelenke sollten darum aus Leder, die Zugflränge aus rohseidenen Stricken sein. Vom Gürtel aufwärts habe sich der Mensch in dem Flugapparat frei zu halten, um zu ba- lancieren, »wie er eS im Boote tut, damit sein Schwerpunkt und der seiner Maschine schwanken und sich wandeln könne." Von dem Schwanen hügel aber bei Florenz wollte er seinen „großen künstlichen Bogel (die Flugmaschine) seinen ersten Flug nehmen lassen, das Universum mit Ver- blüssung, ave Schriften mit seinem Ruhme füllend, und ewige Glorie sein dem Neste, wo er geboren ward". Um sich aus der Lust herabzulassen, er fand Leonardo den Fallschirm, der bekanntlich erst wieder im Jahre 1783 in Frankreich aufkam. Von den schon erwähnten Erfindungen in der Artillerie ist die Leonardosche Tampjkanone be sonders merkwürdig, von der er sagt: „Sie ist eine Maschine von feinem Kupfer, welche eiserne Kugcln mit großem Geräusche und vieler Gewalt sortschleudert. Man macht so Gebrauch von dieser Maschme: TaS Tritteil des JnstrumcntS steht in einer großen Menge von Feuer und Kohle; wenn das Wasser recht erhitzt ist, wird die Schraube des mit Wasser gefüllten Gesäßes niedcrgeschraubt und in demselben Augenblicke, wo dies geschieht, ent- weicht das ganze Wasser nach unten, fließt in den erhitzten Teil deS Instrumentes und verwandelt sich sofort in Tampf, der so bedeutend und stark ist, daß eS wunderbar ist, die Wut des Rauches zu sehen und daS hervorgebrachte Geräusch zu hören." Wir sehen hier, daß Leonardo die treibende Kraft des Dampfes erkannt und, wie aus seinen weiteren Worten hervorgeht. auch versucht hat, zum Schleu dern von Kugeln anzuwenden. Unrichtig ist eS jedoch, er habe die Tampskroft zu Maschinen, zur Be wegung eines Bratenwenders oder einer Barke benutzt. Der Leonardosche Bratspieß ist vielmehr ein durch die Wärme im Kamin bewegte» Flügel rad, das durch eine Zahnradübersetzung und ein Schnurgelriebe das Fleisch im Feuer dreht. Das angebliche Leonardosche „Dampischiff" ist die Skizze eines mit Schaufelrädern versehenen Bootes, das durch einen TretmechanismuS bewegt werden sollie. Wir sehen slachliegcnd zwei Bretter, auf die man wohl abwechselnd mit beiden Füßen treten muß, sodaß sich die Zahnradübersehung und dadurch die Schaufelräder drehen können. Zu den Erfindungen, die man meist anderen zuschreibt, die sich aber zuerst bei Leonardo finden, gehört die Windmühle mit drehbarem Dach, deren Vorteil darin besteht, daß man nicht mehr nötig hatte, daS ganze Mühlhaus drehbar auf einen Bock zu setzen, sondern den Bau bis zum Tache au? Steinen ausjühren konnte und nur mehr nötig hatte, das Tach mit den Windflügeln daran nach dem Winde zu drehen. Ebenso skizzierte er sür Schornsteine die heute allgemein eingesührie und oftmals patentierte Windhaube, die es verhindert, daß der Rauch der Ösen in ken Kamin zurück- schlägt. Wahrscheinlich kannte Leonardo auch be reits den Glaszylinder an Lampen, der erst 1756 wieder erfunden wurde. Die an den Fahrrädern angewandte Gelcnlkette, von Galle 1832 wieder erfunden, wurde von Leonardo verschiedentlich ver wende». TaS Schneiden der Gewinde an Schrauben, noch lange nur mit der Feile ausgesührt, wird von Leonardo mittels Maschinen und Schneideisen zweckmäßig gehandhabt. Sehr merkwürdig ist es, daß wir bei Leonardo öfters das Pendel in Verbindung mit einem Räderwerk finden, so daß wir zu der Annahme dcrcchtigt sind, der Meister habe die Schwung gesetze deS Pendel- gekannt und sie bei einem Zählwerk — einer Pendeluhr — anzuwenden ver sucht. Auch die Lagerung eines Kompasses in schwebenden Ringen, wie sie noch heute gebräuchlich, leider aber nach Cardano benannt ist, jehen wir bei Leonardo. Ganz modern erscheint bei ihm ein Draht seil und die vom Drahtseil abgeleitete biegsame Welle, wie sie z. B. heute die Zahnäizte zwischen ihrer Bohrmaschine und dcm in dcn Mund eingeführten Bohrer benutzen. Leonardo ist auch der Erfinder des ProportionalzirkelS, mit dem man eine Zeich- nung ohne weitLLes in einen beliebigen anderen Maßstab vergrößern oder verkleinern kann. Unzählig sind die Entwürfe zu Maschinen bei ihm. Ta sehen wir große Anlagen sür die Nadel- sabrikation, sür Tuckscherereien, Drehbänke mit Tretvorrichtungen, Spiegelschleismajchinen, sogar den Anfang einer Schnellvruckpresse mit selbsttätiger Hin- und Herbewegung des Drucktisches. Um Kugeln zu gießen, verwendet Leonardo bereits Form maschinen. Um Münzen gleichmäßiger herzuflellcn, konstruiert er sür die Münzstätte von Rom be sondere Münzstempel. Gegen diejenigen, die das kerpetuum modilv erfinden wollten, zieht Leonardo energisch los und nennt ihr Bemühen bäurisch, tölpelhaft. Die Naturvorgänge hat der große Mann mit scharfem Auge ergründet und zu ihrer Erkenntnis besonders die induktive Methode, das Experiment, durchgesühr». Wäre, wie gesagt, sein gesamter Nachlaß nicht unbeachtet geblieben, so würde sich der Ruhin eines Galilei, eines Newton und mancher anderer bedeutender Physiker verdunkelt haben. So aber ruhten Tausende Ideen unbeachtet und unverwertet in den Bibliotheken, und unS können sie heute nur noch mit Bewunderung sür ein mutiges und stiller Schaffen in einer Zeit geistiger Knechtung und tiesen Aberglaubens ersüllen. Als Anregungen eines universellen Geistes werden sie, wenn sie allgemein zugänglich sind, noch lange einzig aus der Weltliteratur helvorleuchten. Galerie Arnold. Nicht weniger als 16 Gemälde von Max Slevogt hat Ludwig Gutbier zu der Sonder- auSflellung von Werken diese- großen deutschen Impressionisten zusammengellagen, die er gegen- wältig im 1. Stockwerk seine- Geschäftshauses veranstaltet. Die meisten der Arbeiten gehör»« den letzten drei Schaffensjahren dieses Meister»
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