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Sächsische Staatszeitung : 12.04.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192904128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19290412
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19290412
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-04
- Tag 1929-04-12
-
Monat
1929-04
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 12.04.1929
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Sächsische Slaalszeitung Staatsan-eiger für Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Lrschetnvag»tage». Bezugspreis: Monatlich S Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schristlett»«- Nr. 14S7ch Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgtrokonto Dresden Nr. L4H den Zreiftaat Sachfen >>> > - — Luküudiguagt«: Di« 32 mm breite Gruudzeil« oder deren Nan» 8S Pf, di« 66 mm breit« Grundzeile oder deren Naum im amtlichen Delle 76 Pf, unter Et» gesandt 1RM. Ermäßigung aus LeschüstSanzeigen, Familienuachrichten und Stelle» gesuch«. — Schluß der Annahme vormittag» 16 Uhr. Leitweile Nebenblätter: Landtag».Beilage, Sertaus-lKe vm» Holzpflanzen auf den StaatSsorstrevieren. verantwottlich für die Redaktion: -auptschriftleiter Lark Bethke in Rähnitz-Hellerau. Dresden, Freitag, 12. April Nr. SS 1929 Minister Neurings Todestag. «uS Anlaß der 1V. Wiederkehr der Er. «ordung de» Ministers für Militilrwesrn, Gustav Neuriug. hat daS Sächsische StaatS. Ministerium am heutigen 12. «prtl am Grade ReuringS ans dem rolkewitzer Friedhof «inen Kranz nirderlege« lassen, der die -nschrist trägt: Dem Irene« Mitarbeiter in SachsenS schwerster Zeit zn seinem 16. Todestage. Die Sächsische StaatSregirrnng. Über ReuringS Minisiertätigkeit wird un» von einem persönlichen Kenner geschrieben: Der so grausam ermordete Minister für Militär- tvesen hat Anspruch darauf, daß man seiner Tätig keit in den drei Monaten rückblickend und ehrend gedenkt. Als er am 20. Januar Minister wurde, hatte er als Vorsitzender der Exekutive des Arbeiter und Soldatenrals Groß-Dresden bereits eine respek table Arbeit im Dienste der Revolution hinter sich. Sein Arbeitseifer, seine kolossale Energie und seine schnelle Entschlußfähigkeit hatten der Sache, die er vertrat — und er vertrat sie stets mit seinem ganzen Ich —, bereits große Dienste geleistet. Im Blockhause stand er ganz plötzlich vor völlig neuen Aufgaben. Hatte er bisher geholfen, den Militarismus zu zertrümmern, so mußte er nun- mehr, da Spartakistenwahnsinn uns noch zu keinem Frieden im Innern kommen ließ, an Stelle des alten Systems ein neues aufbauen, neu in der Art und neu in den Aufgaben. Mit einem freu digen Eifer ging Reuring an diese Arbeit. Gein« AdteilungSches» erkannten schon in dp» erste« Tagen, daß sie et rült einem Manne zu tim hatten, bet dem sich Sachkenntnis und Initiative in glück lichster Weise vereinigten. Sie alle lernten ihn schätzen, und einige machten aus ihrer Verehrung des Charakters und lauteren Wesens Neurings nirgends ein Hehl. Sie erkannten dankbar an, daß er mit demselben Eifer, den er in der Vertretung der Interessen der Soldaten an den Tag legte, sich ebenso gegen die Un- gerechtigkeiten gegen sie ins Zeug legte, wie er sich gegen die ungerechte Behandlung der Offiziere auflehnte. Er kam gleich von Anfang an, dem ge gebenen Versprechen gemäß, den Wünschen der Soldaten nach möglichster Beseitigung aller über flüssigen Offiziere aufs weitestgehende entgegen, aber er erklärte auch von vornherein, daß er die von gewisser Seite geschürte allgemeine Hetze gegen den gesamten Stand der Offiziere nie und nimmer mit mache Wo den Soldaten Umecht geschah, griff er mit starker Hand ein, aber er war auch mitleid los da, wo sich Offiziere oder Beamte den An- forderungen der Zeit oder den Notwendigkeiten des Augenblicks entgegenwarfen. Zweifellos war die Arbeit Neurings weit um fangreicher und nervenpeitschender als die irgend- eines andern Amtes. Sein tägliches Pensunr war in den zwölf bis manchmal fünfzehn Arbeitsstunden, die er freiwillig dafür einsetzte, kaum zu bewältigen. Während sein unabhängiger Vorgänger gleich im Anfang seiner Tätigkeit verfügt hatte, daß nach 6 Uhr abends kein Licht mehr im Ministerium ge brannt werden dürfe, saß Neuring bis 8 und 9 Uhr oder später mit seinen Dezernenten bei der Arbeit, die ebenfalls freiwillig diese Mehrarbeit leisteten, weil sie die Notwendigkeit erkannten und das Bei spiel des Chefs auf sie wirkte. Leider wurde Reuring in der ^Erfüllung seiner Aufgabe und bei der Verwirklichung seiner Pläne fortwährend, täglich und stündlich in der unglaub- lichsten Weise gestört und an der Arbeit verhindert. Vieles wäre viel bester geworden, manches wäre viel schneller gegangen, wenn nicht die Zahl der unverantwortlichen Hineinregierer gar so groß ge- wesen wäre. Die Soldatemäte, die zuerst stürmisch die restlose Beseitigung de» alten Heeres von ihm verlangt und seine Zusage erhalten hatten, warfen sich ihm in dem Augenblicke, als Neuring daran ging, sein Wort ehrlich zu halten, hindernd und bremsend in den Weg. Er war ihnen biS an die äußevste Grenze des Möglichen entgegengekommen, aber er war nicht bereit, sich dem Willen Unver antwortlicher zu beugen. Als im Januar die viel genannte preußische Verordnung über die Som ¬ mandogewalt im Heere erschien, erkannte Reuring auf den ersten Blick die Fehler und Schwächen dieser unglücklichen Verordnung und verfügte au der Stelle, daß sie für Sachsen nicht in Kraft träte Statt besten trat er mit den höchsten Instanzen der Soldalenräte in Verbindung und beriet mit ihnen gemeinsam und kameradschaftlich eine verbesserte Auslage dieser Verordnung, wobei ihm die unab. hängigen Leipziger offen attestierten, daß sie diese Art Wi arbeiten an dem Vo^änger Reurings sehr vermißt hätten und daß sie sich freuten, mit Neu ¬ ring, trotzdem er politisch ihr Gegner sei, besser wirken zu können, als mit Fleißner. Das ist in einem Protokoll vom 1. Februar niedergelegt, und ähnliche Anerkennungen aus dem Munde seiner unabhängigen Gegner hat er im Laufe der letzten Wochen noch mehrere erfahren. Leider wurde versucht, das günstige Resultat dieser gemeinsamen Arbeit in der unerhörtesten Weise bald wieder zu vernichten. Eine ganze Anzahl von Soldatenräten lehnte sich gegen diese Verord nung aus und erkannte einfach den Minister und )ie obersten Instanzen der Soldatenräte nicht an. Leute, die nie in ihrem Leben auch nur einen Finger für die Arbeiterbewegung oder den Sozialis mus gerührt, spielten sich als die Allesbesserwisser auf und warfen dem Minister und seinen Beratern alle Verfügungen zerfetzt vor die Füße. Diese Art der Tätigkeit der Soldatemäte w.rd einmal ein schwarzes Blatt bilden in der Geschichte der Soldaten- räte, die als Ganzes der Revolution so große Dienste geleistet haben. Eine der Bestimmungen der neuen Verordnung war die, wonach sich dort, wo sich die Formationen auflösen, auch die Soldatenräte dieser Formationen aufzulösen hätten. Damit hatten sich sogar die un- abhängigen Leipziger ohne weiteres einverstanden erklärt. Tas aber paßte den meisten Soldatenräten nicht. Sie zitierten aus der unabhängigen Presse unausgesetzt die Phrasen von der Gegenrevolution und erklärte» sich für dauernd unabkömmlich. Und wieder waren es diejenigen, die bis zur Revolution Nie Solidarität geübt hattet,, die bis zm Revolution vielfach in den Reihe» der Feinde der Arbeiter- bSwegung gestanden hatten, die hier am eifrigsten sich auflehnten und andere ebenfalls gegen Reuring und die Regierung äufhetzten. Und alle diese Leute kamen nun täglich und stündlich als angeblich Ab- gesandte ins Ministerium, um persönlich mit Reuring zu verhandeln. Alle Entgegnungen, daß der Tag nur vierundzwanzig Stunden habe und der Minister gar nicht in der Lage sei, mit allen persönlich zu verhandeln, daß man doch mit den zuständigen Dezernenten oder Vertretern der Soldatenräte ver- handeln solle, verpufften an der Eigensinnigkeit dieser Deputationen. Sie bestanden wie Shylock auf ihrem Schein und gingen selbst dann mit wüsten Drohungen fort, wenn sie sahen, daß der Minister mit anderen schon tagelang vorher angemeldeten Deputationen am Verhandeln war. Den Einwand, daß die Verfügungen der Re gierung für ganz Sachsen Gültigkeit hätten und daß nicht jeder x-beliebige Solvatenrät daran ändern oder sie aufheben könne, ließ man einfach nicht gelten. Die Rechthaberei einzelner Leute artete bis zur Auf dringlichkeit, ja bis zur Unverschämtheit aus, so daß die einsichtigen Soldatemäte wiederholt Gelegenheit nehmen mußten, dem Minister in der Abwehr gegen derartige Elemente beizujpringen. Biele, viele Stunden und zusammengezählt viele Wochen sind auf diese Weise der Arbeit Nenrings geraubt worden. Dazu kamen die zahlreichen Be sucher. die sich in persönlichen Angelegenheiten mit ihren kleinen oder großen persönlichen Schmerzen an den Minister wandten. Legion ist ihre Zahl. Wer keinen Entlassungsanzug bekommen, wer seine Marsch- gebührnisse nicht erhalten,wer keinen Urlaub bekommen, wer entlassen werden sollte, wer bestraft oder wer benachteiligt war — alle kamen sie und glaubten, der Minister habe nichts weiter zu tun, als sie zu hören. Dabei war er stets bereit, allen nur irgendwie berechtigten Ansprüchen sofort zu willfahren. Wenn Leute kamen, die in der Revolution und vorher ihren Mann gestellt, oder wenn Leute kamen, die die Sache über die Person zu stellen den Mut hatten, war er stets zu sprechen. Für sie opferte er sogar die wenigen Minuten, die ihm täglich zum Mittagessen an Zeit blieben. Selten aß er im Neustädter Ratskeller oder in der Volkskammer, ohne daß er während des Essens mit Gesuchstellern aller Art verhandelt hätte! Und selten hatte er einen Abend frei, denn alle, die ihn tagsüber nicht erreicht hatten, erreichten ihn am Abend in seiner Wohnung oder im Bolkshause, wo er versuchte, ein paar Stunden von der Arbeit auszuruhen. Die Eifrigsten kamen sogar früh um 8 Uhr oder noö vorher in seine Wohnung am Wettinerplatz, un ihre Schmerzen ihm vorzutragen und Hunderterle von ihm zu erbitten. Und während er vor Berßen von Akten saß und sich durch die aus seinem Tische aufgestapelten Brieshaufen durcharbeitete, quälten alle Augenblicke die ganz besonders Eifrigen ihn telephonisch mit ihren Anliegen — und nur selten war jemand, der einsah, daß er nicht alles aus dem Handgelenk erledigen konnte. . Ganz besonders schlimm erging e» Reuring in den letzten zehn Tagen vor dem 1. April. Auf viele» Drängen der Soldatemäte hatte er, weil man eine. definitiven Termin angesetzt haben wollte, den 1. April' als den Tag der Auflösung des alten Heeres angegeben. Dagegen liefen nun die von dem Unabhängigen Rösch geführten übereifrigen Sturm. Rösch hatte sich dem Minister als Berater ausdrängen wollen, weil er als Berater Fleißners gedient hatte. Reuring aber hatte erklärt, Fleißner >abe des Beraters nur bedurft, weil er nicht Soldat gewesen sei, er aber, Reuring, sei aktiver Soldat und habe auch im Kriege jahrelang als Soldat bienst getan, er bedürfe deshalb des Beraters nicht. Außerdem sei es ein Widerspruch, einen sozial demokratischen Bollsbeauftragten durch einen sozial demokratischen Svldatenrat kontrollieren zu lassen. In Preußen sei das etwas anderes, da sei der Kriegs- ninifler ein Offizier, dem man Göhre als Kontrol- eur beigeordnet habe. Das sagte Reuring auch >en zuständigen Instanzen, die sich nach anfäng- ichem Widerspruch auch restlos damit abfanden und päter sogar zugaben, daß die Arbeit des Minister» unter Rösch' Aufsicht einfach unmöglich gewesen wäre. Aber von Stund an hatte Neuring Rösch als Todfeind, der alles daran setzte, ihm und der Politik der Regierung die denkbar größten Schwie rigkeiten zu bereiten. Bei dieser Gelegenheit sei auch ein Wort gegen die schmutzigen Gerüchte gesagt, die von den Horden Frenzels am Sonnabend herumgetragen wurden. ES wurde behauptet, Reuring und sein Sekretär hätte« in der Oberseergasse nach Berliner Muster ein „Edeu-Hoiel" unterhalte», in dem di« Pläne der „Gegenrevolution" geschmiedet worden sei««. Nachts seien beide dort wie in anderen verrufenen Häusern wiederholt gesehen Wörden. Das ist hunds- söttisch gelogen! Es ist jederzeit vachzuweisen, daß weder Neuring, noch sein Sekretär in der Ober seergasse oder in verrufenen Häusern gewesen sind. Das „Eden-Hotel" ist eine schmutzige Erfindung, und wenn in dieser Gasse wirklich „Pläne" ge schmiedet worden sind, so hat man davon im Kriegs- Ministerium ebensowenig gewußt, wie die Mörder Reurings von Menschlichkeit. Neuring hat täg lich bis in die späten Abendstunden gearbeitet, und wenn er wirklich einmal über Erwarten früher fertig wurde, d.h. wenn sein Sekretär ihn heimlich die nicht eiligen Sachen etwas beiseite gelegt und Dutzende von Besuchern durch die Abteilungschefs abgesertigt hatte, dann ging er mit seinem Vertrauensmann ins Schauspielhaus oder zum Vergnügen einer Truppe, die ihn dringend eingeladen halte. Nachts aber war Neuring stets zu Hause; es tvar das die einzige Zeit, wo er daran erinnert wurde, daß er verheiratet und Vater war. Es gibt keinen Menschen, der mit Recht das Gegenteil behaupten könnte. Ter Schmutz dieser Verleumdungen reicht an Reurings ehren werten Charakter nicht heran. Sein Ehrenschild ist blank wie nur eines blank sein kann. Zum Schluß sei nochmals ausdrücklich bestätigt, daß Neuring den Befehl, Handgranaten zu werfen, nicht nur nicht gegeben hat, sondern daß er erst durch den Knall aus die Gefahr aufmerksam ge worden war, ganz, wie das der Führer der Depu tation bereits sestgestellt hat. Reuring hat auch während der ganzen Schießerei keinerlei Befehle erteilt, sondern sich darauf beschränkt, das blinde Wüten der rasenden Meute unten zu beobachten. Wiederholt mußte ihn sein Sekretär aus der Schuß- linie ziehen, weil er es selber sehen wollte, wie weit man es denn da unten eigentlich treiben würde. Und es lst auch nicht wahr, daß er beim Eindringen der Meute ins Haus nach oben geflüchtet sei, wie es in einigen Zeitungen hieß. Neuring hat oben im zweiten Stock, wo sich sein Arbeitszimmer befand, die Menge ruhig erwartet, mit ihm sein Sekretär und einige wenige Offiziere. Und selbst nachher wäre noch alles gut gegangen, wenn nicht der angeb liche Lewinsohn unaufhörlich die Menge mit den Rufen: „Er ist ein Mörder!" aufgereizt hätte. Das verschärfte die Stimmung, die sich später da durch entlud, daß man Nenring von der Treppe in die rasende Menge hinabstieß und dort zn Tode mißhandelte. Ganz sicher: Sachsen ist dem ermordeten Minister zu großem Dank verpflichtet. Neurings straffes Regiment war es, da» schon im Ständehaus die Ruhe und Ordnung im Lande garantierte, und ReuringS rastlose Arbeit und unermüdliche Organi- sationstätigkeit als Minister verdankt es daS Land, daß es bisher von ernstlichen Putschen und inneren Unruhen verschont blieb. Seine Ermor dung ist eine der erschütterndsten Episoden der Revolution, deshalb wird die Mehrzahl des Volkes den Namen Reuring dankbar in Ehren hallen. Sein Andenken wird je bester geehrt werden, je mehr wir uns bemühen, den tosenden Wahn sinn der durch die Lande fegt, zu bannen. Sie Zielsetzung bei dersäch« fischen Landtagswahl. Bon Reichsminister a. D. vr. Külz. Wir «eben dem Artikel um so willige« Raum, als er dle gleiche Aut assung vertritt, die wir in unsern zwei Aussätzen »Positive« Wahlziel' zum Au»dru<k aebracht haben Die Schristleitung. Politische Psychologie ist nie die starke Seite der AlltagSpraktiker in unserem öffentlichen Leben gewesen, und Leopold v. Ranke hat ganz gewiß in weitem Umfange mit seiner Austastung recht, daß für un» Deutsche die Geschichte dazu da sei, um nichts aus ihr zu lernen. Es scheint so, al» ob auch die sächsischen Landtagswahlen wieder den Wahrheitsbeweis hierfür erbringen sollten. Dort, wo ernsthafte politische Zielsetzung auf weitere Sicht fehlt, stellt sich noch immer da» Schlagwort ein und so tönt zunächst einmal von der äußersten Linken der muntere Schlachtruf der Kommunisten nach dem erhofften „Sowjet achsen". Im „Naturschutzpark" der sächsischen Radtkalsoziallsten ist man ein wenig vorsichtiger in einen Formulierungen, aber deutlich hebt sich die Parole ab: „Wieder ein rotes Sachsen"! Ist e» nun zweckmäßig oder auch nur würdig, wenn auf der nichtsozialistijchen Seite diese Schlag- wort Photographie ausgenommen wird und au» emeinfamem Schalltrichter der Ruf ertönt: „Ria wieder Eywjetsachsen"?! Die wirtschafisiche, soziale und politische Struktur Sachsen» ist so, daß Sozialist«schr und nkcht- oztaklstische Wählerschaft sich etwa tu gleicher Stärke gegenüberstehen. Die ungeheuere Gefahr dieser Schichtung besteht darin, daß die Gruppe, die bei Wahlen jeweils eine nach Lage der Sache immer ganz gering bleibende Mehrheit erhält, die andere von der alttoen Staatsoerantwortung auSschkießt. Damit würde iede Kontinuität in Gesetzgebung und Verwaltung vernichtet. Eine sozialistische Regierung undParla- mentSmehrheit würden die Gesetze ihrer nicht- ozialiflischen Vorgängerinnen beseitigen und um- zekehrt. Welche Unruhe und Verwirrung dies im öffentlichen und wirtschasrlichen Leben Hervorrufen müßte, liegt auf der Hand. Wer über den Tag hinaus die politische Zielsetzung zu sinden trachtet, darf deshalb niemals einer Politik das Wort reden, die diesen unglücklichen Zwiespalt zwischen Sozialismus und Bürgertum in Permanenz erllärt. Tie Versuchung hierzu ist bei der Haltung gerade der sächsischen Sozialisten stark, aber trotzdem gilt eS, dieser Versuchung zu widerstehen. Tie Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß andere Methoden durchaus mög lich sind ES ist keineswegs ausgeschlossen, die Überzeugung von der Notwendigkeit aktiver Staat»- Verantwortung und Positiver Zusammenarbeit mit anderen politischen Strömungen auch in sozialdemo kratischen Wähleikreisen zu fördern. Die Entwick lung im Reich zeigt da» mit aller Deutlichkeit. In Sachsen wird da» schwerer werden; aber man soll nicht von vornherein darauf verzichten, ein« ökche Entwicklung einzuleiien und anzubahnen. Tie Partei der Altsozialisten verkörpert einen Versuch, gegenüber der Alles- oder Richt»- Politik de- Radikalismus positiv mit anderen Par teien am Staalkwohl zu arbeiten. E» ist ein Gebot der Gerechtigkeit, diese flaattbürgerliche Gesinnung der Altsozialisten anzuerkennen, und e» ist deswegen auch unwahrhastig, wenn die Par teien, die daS sogenannte Burgfriedenabkomme« geschlossen haben, sich al- alleinigen Inbegriff der „Staatsbürgerlichen" Parteien hinstellen, Die Alt- sozialislen und selbstverständlich auch die Demo kraten haben im Landtag und Regierung min desten» daS gleiche Maß staatsbürgerlicher Ver antwortung und Arbeit geleistet. Man hat den Altsozialisten zuweilen vorgeworfen, sie hätten an Amt und Politischer Macht „geUebt". Nun, daS Streben nach der politischen Macht ist der Sin« der Arbeit jeder politischen Strömung, die al» Endzweck eS doch eben erkennt, daS sür richtig Gehaltene in Parlament und Regierung zur Durchführung zu bringen. Da die Mehrheits sozialdemokraten sich der Zusammenarbeit mit anderen Parteien enlzogen, war die Regierung»- beieiligung der Altsozialisten eine Tat. Bon nicht- sozialistischer Seile au» kann ma» nur wünsche«, daß die staatrpolitisch« Gesinnung, die wu» d«r
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