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2360 Nichtamtlicher Teil. 59, 12. März 1904. Grundgesetzen des Reiches, der Polizei und den guten Sitten uwiderlaufe.« Die Anlage einer Druckerei wurde gestattet, doch urfte diese der bestehenden Hofbuchdruckerei keine Konkurrenz machen. Der Fürst Leopold Friedrich Franz (1740—1817), einer der tüchtigsten Fürsten jener Zeit, empfänglich für alle Anregungen, die der Wissenschaft und der Kunst förderlich zu sein schienen, war von dem Plan sehr eingenommen und zu seiner Unter stützung bereit. Reiche erließ nunmehr eine kleine Schrift unter dem Titel: lehrten, die in der Fürstl. Anhalt. Residenzstadt Dessau errichtet ist. Dessau, in der Buchhandlung der Gelehrten, 1787«. 8". (Ladenpreis 3 Gr.) Diese Schrift, die sich in der Bibliothek des Vörsenvereins befindet, besteht nach Meyer aus zwei Abteilungen. Die erste — datiert Dessau, den 1. Februar 1781 — enthält das Grundgesetz der Buchhandlung und ist als eine Art Ankündigung, eine Art Programm verschickt worden, der zweite Teil, vom 26. Februar 1781, gibt Erläuterungen zum ersten Teil und befaßt sich mit den Angriffen, die sich gegen das Unternehmen richteten. Auch diese neue Gelehrtenbuchhandlung geht von der Vor aussicht aus, daß die Autoren von ihren Werken bei weitem nicht eit; um seine Witwe und um seine Hinterbliebenen kümmere sich er Buchhändler nicht. Es sei gewiß nicht übertrieben — so heißt es in dem Rundschreiben — wenn die Gelehrten allgemein klagen, "der größte Gelehrte sey nur ein Knecht, der Buchhändler aber der Herr desselben, und den Gelehrten gehe es vergleichungsweise wie den Pferden, die den Hafer bauen und verdienen, von dem selben aber wenig und fast nichts bekommen«. Man sieht immer die gleichen Vorwürfe, damals wie heute, und auch wenn es dann weiter heißt: »Denn wahr ist's immer, nur allzu oft hat nur ein einziger Gelehrter den ärmsten Buchhändler oergestalt in die Höhe ge hoben, daß er von den mehrmaligen 2, 3, ja 4000fältigen Ab drucken seiner Schriften die beste Equipage halten, Paläste er bauen, und seinen Kindern Rittersitze hinterlassen können, da im Gegentheile der Gelehrte in der größten Armuth geblieben ist, und desselben Frau und Kinder in der größesten Dürftigkeit verschmachten müssen. Um den Gelehrten nun die Möglichkeit zu gewähren, die Früchte seines Fleißes für sich und die Seinen zu ernten, soll die Buchhandlung der Gelehrten ins Leben treten. Der Gelehrte soll das Werk auf eigene Kosten drucken lassen und von jedem Thaler des Ladenpreises ein Drittel oder 8 g. Gr. für die Buchhandlungen abgeben, ihm und den Seinen wird dann, falls seine Schrift Beifall findet, noch nach Jahr hunderten der verdiente Lohn werden. Dieses will die Buch handlung der Gelehrten ermöglichen. Der Gelehrte soll die Auflage des Werkes, die er auf seine Kosten hat machen lassen, nach seinem eigenen Belieben ganz oder auch zum Theil, jedoch auf seine Kosten, an die Buchhandlung der Gelehrten zum Kauf senden; die Buchhandlung ist auch erbötig, wenn ein Gelehrter sein Manuskript und Geld zum Druck und zum Papier einsendet, den Abdruck des Manuskripts, genau in dem Format, mit den Lettern, und auf solch Papier, als der Ge lehrte vorgeschrieben hat, ohne ihn für die Bemühung etwas anzurechnen, dieses zu besorgen. »Die Buchhandlung erklärt ausdrücklich, daß sie nur den Vertrieb von Werken übernimmt, von denen der Verfasser den Druck bezahlt hat, sie verkauft nur an Buchhändler, Intelligenz-, Zeitungs- oder Adreß-Comtoire, an die, welche bisher mit rohen Büchern, Musikalien usw. gehandelt haben. Sie beschickt die Leipziger Oster- und Michaelis - Messen. Sie giebt dem Autor speziellen Nachweis, an wen, in wie viel Exemplaren und wann sie von seiner Schrift verkauft hat. Sie liefert nicht auf Credit und bringt dem Verfasser nie eine ausstehende Schuld in Rechnung. Sie trägt, sobald der Verfasser seine Werke fracht-, zoll- und acciscfrei nach Dessau, oder nach seiner Bequem lichkeit nach Leipzig geliefert hat, alle Laaer-, Meßfracht-, Reise-, Emballage- u. a. Kosten und berechnet in keinem Falle irgend welche Geschäftsspesen. Sie handelt nur in Conventionsgeld oder den vollwichtigen Louisd'or zu 5 Reichs- thaler gerechnet, Zur Bestreitung aller ihrer Ausgaben und ur Belohnung für ihre Mühewaltung überhaupt nimmt sie in einem Falle mehr als 1'/, g. Gr. von jedem Thaler des Laden preises der verkauften Artikel, und da sie den andern Buch- handlmigen ü'/z g. Gr. von jedem Thaler gewährt, zahlt sie, ohne allen Abzug, den Autoren volle zwei Drittel des von ihnen selbst zu bestimmenden Ladenpreises. Jedesmal spätestens sechs Wochen nach Beendigung der Leipiger Buchhändlermesse zahlt sie an die Verfasser oder deren Erben oder auf der Verfasser schrift liche Ordre, an Andere, doch unfrankiert, Alles, was sie einge nommen hat nach Abzug des festgesetzten Drittels. Im Unter lassungsfälle trägt sie allein sämmtliche etwaige Unkosten für Porto, Reisen usw. Den Autoren, resp. dessen Erben steht das Recht zu, auch durch andere Personen in der Buchhandlung Nachsehen zu lassen, ob die Angabe der Handlung wegen der Anzahl der Vorräthe stimmt. Die Handlung verpflichtet sich ferner, wenn ein Autor den Ertrag seines Werkes einem seiner Gläubiger verschrieben hat, nur diesem letzteren das Geld zu zahlen. Ferner geht die Handlung die Verpflichtung ein, nur wenn der Verfasser, seine Erben oder der eventuelle Gläubiger es gestattet, Mittheilungen über die Höhe der Auflage zu machen, oder wenn das Werk anonym erschienen ist, den Ver fasser zu nennen. Die an die Handlung gerichteten Briefe werden nur vom Faktor geöffnet und von diesem unter Ver nicht an den so zum Verkauf übergebenen Werken, sie bleibt stets den Erben gegenüber verantwortlich. Der Verfasser ist berechtigt, weitere Exemplare seines Werkes, falls die ganze Auflage nicht auf einmal übergeben wird, erst der Handlung zu senden, wenn über die erste Sendung abgerechnet ist. Für Bekanntwerden ihrer Erzeugnisse sollen die Verfasser nach Mög lichkeit sorgen und veranlassen, daß dieselbe in den Buch handlungen ersichtlich sind. »Sollte,« heißt es in dem Rund schreiben, »aber ein Buchhändler eine aus der Buchhandlung der Gelehrten geforderte Schrift nicht von der Messe bringen und auch nicht verschreiben, so gehe man zu einem billiger denkenden Buchhändler; sollte aber auch der benachbarte Mann aus der Buchhandlung der Gelehrten keine Schriften nehmen wollen, so vereinigen sich die Gelehrten und Künstler mit ihrem Publikum, einen Gelehrten, einen Künstler, oder einen Buchdrucker oder Buchbinder, der sich zur Annahme der Bestellungen entschließt, und dieser fordre dann die verlangten Schriften aus der Buch handlung der Gelehrten gegen eine Provision von 6^ g. Gr. von jedem Thaler des Ladenpreises.« »Zum Nachdruck will die Handlung folgendermaßen auf fünf Jahre. Der betroffene Autor kann den Rest seiner Auflage für ein Drittel, ja für ein Sechstel des Preises dahin senden, wo der Dieb zu finden ist, oder diesen Rest für ein Viertel oder ein Drittel des Ladenpreises an alle andern Buch handlungen vertheilen, wenn er nicht vorzieht, den Rest als Makulatur zu betrachten und mit einer neuen vermehrten und diesem Falle nimmt die Handlung den Ballen Papier zum Preise von mindestens fünf Thaler ab.« Jn diesem ersten Rundschreiben gibt Reiche auch die Be rechnung einzelner Werke, um zu zeigen, wieviel günstiger der Verfasser fährt, wenn er sich oer Buchhandlung der Gelehrten anvertraut. Büchner*) gibt die Berechnung im Auszug wieder und sie möge auch hier ihren Platz finden: «Der Vogen gr. 8", compreß aus Cicero gesetzt, kostet in einer Auflage von 1000 Exemplaren, nebst Corrcktur, etwa 3 Thaler Gold, und der Ballen des entsprechenden Papiers etwa 12 Thaler. Das ganze gedruckte Alphabet (23 Vogen) kostet sonach 1) an Papier 23><1000-f-25 Vg. Zuschuß — 4 Bll. 7'/s Ries -- 57 Nthlr. 2) an Satz- und Druckerlohn 23x3 69 „ 126 Rthlr. Ein solches Alphabet kostet im Buchhandel beiläufig 1 Thlr., wenigstens aber 20 g. Groschen. Angenommen nun, es läßt ein Schriftsteller eine Schrift in der angedeutetcn Weise und zum Preis von 20 g. Gr. drucken, verkauft aber davon nur 400 Expl., so empfängt er 400x20 g. Gr. ----- 333 Thlr. 8 g. Gr. und diese kosten ihm 126 „ — „ „ er gewinnt also 207 Thlr. 8 g. Gr. Bedient sich nun der Schriftsteller der Vermittelung der Gelehrtenbuchhandlung und bewilligt ihr */g vom Thaler als Provision, so giebt er ab 111 „ 8 „ „ bleiben 96 Thlr. Reingew. während der Verleger bei einem vermuthlichen Absatz von 400 Expl. nur 2 Thlr. vom Bogen, also zusammen 46 Thlr., würde bewilligt haben.« Unterm 26. Februar desselben Jahres erschien das zweite Rundschreiben, das auf verschiedene Fragen und Einwendungen Antwort gab, die Reiche geworden waren. Da handelt es sich darum, gerichtlichen Streitigkeiten zwischen der Handlung und den Autoren vorzubeugen, Befürchtungen wegen Nachdrucks zu *) Büchner, Beiträge z. Geschichte d. Buchhandels. 1. 1874. S. 19.