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Sächsische Staalszeitung Staatsan^eiger für den Freistaat Sachsen Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verlaufsliste von Hol-Pflanzen auf den Staat-forstrevieren. Ankündigungen: Die 32 mm breite Brund-eile oder deren Raum §8 Pf* die 66 mm breite Bruudzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 76 Pf, unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung auf GefchäftSanzeigen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint Werktags nachmittag» mit de» Datum de» Erscheinung»»«-«-. Be-ugSpreiS: Monatlich 3 Mark. Einzeln« Nummern 18 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Echriftleitung Nr. 14574« Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. verantwortlich für die Redaktion: I. V: vr. Fritz Klauber in Dresden. Nr. 3 Dresden, Freitag, 4. Januar 1929 Sin Abgeordneter der slowakischen Vollspartei verhaftet. Prag, 4. Januar. Ter Abgeordnete der slowakischen Boll-partei vr. Bela Tuka wmde gestern verbastet und nach kurzem Verhör durch den Untersuchungsrichter in da» Preßburger Gefängnis gebracht. Tuka ist eine führende Periönlichleit der slowakischen BollSpartei und gehört seit den ersten Tagen seiner politischen Tätigkeit dem rad kalen Flügel der Partei an Zu Beginn diese» Jahre» trat Tula mit der Be hauptung an die Öffentlichkeit, daß die Slowakei vor zehn Jahren in Trentschin Et. Martin mit den Tschechen nur einen zehnjährigen Probeoertrag vereinbart hätte, so daß t929 ein vertrag-loser Zustand zwischen den beiden Nationen entstünde und Beamte und Soldaten Ihre» Lide» ledig seien. Taran knüpft sich die Behauptung, daß Tula mit staatsfeindlichen Ele menten in Verbindung stehe, die die Los- reißung der Slowakei von der Republik anflrebten und die slowakische Jugend zur Vorbereitung einer Revolte militärisch organisieren wolle. ES wurde gegen Tuka Straf anzeige erstattet und daS AuSlieferungSbegehren an das Abgeordnetenhaus gerichtet, dem nach lang wierigen Verhandlungen in der Koalition statt- gegeben wurde Bei einer Haussuchung wurde die ganze Korrespondenz Tuka» beschlagnahmt. Hlinka beaustragle die Parteileitung, beim Lander, aml gegen die Verhaftung Einipruch zu erheben. Sa«ß Kandidat für die Kolmarer Ersatzwahlen. Paris, 4. Januar. Rach einer Meldung de- „Matin* aus Mül- Hausen ist in Kolmar für die am 13. Januar statt- findenden Kammerersatzwahlen Buchdruckerei- besiker Hauß, der ebenso wie der Autonomist Stürme! im Kolmarer Prozeß freige- sprachen worden,st, von denAutonomtsten aufgestellt worden. Sie Entsendung -e- Generals Wolloff nach Rom. Sofia, 4. Januar. Obwohl die Zustimmung der italienischen Ne gierung zu der Ernennung deS Generals Wolloff zum bulgarischen Gesandten tn Rom noch nicht eingetroffen ist, wird Wolloff, wie verlautet, in 15 Tagen seinen neuen Posten übernehmen. Seine Entsendung nah Rom erfolgt auf den per- sönlichen Wunsch deS König». Er wird nicht nur die Leitung der bulgarischen Gesandtschaft über nehmen, sondern auch mit einer besonderen Mission betraut werden. Seine Demission wird voraussichtlich keine Änderung in der Besetzung der adligen Portefeuilles nach sich ziehen. politlscher Mrd im Rathause von petrikau. Warschau, 4 Januar. Gestern vormittag drang ein eifriger An Hänger der Pilsudski treuen Sozialisten, Wenzel Kajdzinsli, in daS Rathaus von Petrikau ein, streckte den ruhig an seinem Schreibtisch arbeitenden Be amten JaSzkowsli, der organisierter regieruugs- oppofttioneller Sozialdemokrat ist, durch drei Revoloerschüsse nieder. JaSzkowsli war sofort tot. Tann ging der Mörder zum gerade ab wesenden Bürgermeister, gab einen Schuß auf einen dort hängenden Mantel ob und sprang auf die Straße, um zu entfliehen. Er konnte jedoch festgenommen werden. Der Mörder gab an, daß er seine Tat auS politischen Motiven begangen habe, um den regierungkoppositionellen Sozialisten einen Denkzettel zu verabreichen. Kelloggvakt uub Kreuzervorlage vor dem amerilaulscheu Rundes' senat. Washington, 4. Januar. Nach der WeihnachtSpause begann der Bundes- senat heute den zweiten Abschnitt seiner kurzen Wtntersessio» Borah «eilte mit. er habe mit patter Gilbert über seinen Zahres- bencht. New Jork, 4. Januar. Parker Gilbert erklärte bei seiner Ankunft an Bord der „Berengaria* den Pressevertretern, er komme ganz inoffiziell zu seinem üblichen Weih- nachtSbesuch nach Amerika, werde sich mehrere Tage in New York aufhalten und sodann nach Washington und LouiSoille Weiterreisen. Im ganzen werde er etwa 14 Tage m den Vereinigten Staaten bleiben und dann zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nach Berlin zurüttlehren. Der Rückweg nach Berlin werde wahrscheinlich über Paris führen. Für die Tauer seines Aufenthaltes in Amerika seien keine Konferenzen vorgesehen. Auf die Frage, ob er Coolidge. Staatssekretär Kellogg und andere in Washington sprechen werde, antwortete Gilbert: Vermutlich. Er wiederholte Itdoch, daß alle etwaigen Besuche und Besprechungen ganz inoffiziellen Charakter tragen würden. Gilbert lehnte es ab, seinen Jahresbericht zu erörtern, und erklärte, er habe noch keine Kommentare ge lesen Die Pressevertreter wiesen auf die deut schen Kommentare deS Berichte- hin und beson der» auf die Kritik, die von deutscher Seite an den Feststellungen de» Berichte» hinsichtlich der AuS- landkan'-eihen geübt werde. Gilbert meinte lächelnd: die deutschen »»««entnre »e. ritzte» wahrscheinlich ans einer hastige» Durchsicht seine» Berichte» «ud erklärte, der brutsche Text de» Jahresbericht» liege noch nicht vor, werde aber vorbereitet. Hätte der deutsche Text Vorgelegen, so fügte er h uzu, so würden die beut, scheu Kommentare wahrscheinlich an. der» laute«. WaS im Jahresbericht über die Auslands- anleihen gesagt werde, besage alles, was darüber zu sagen sei. Auf die Frage, ob er der Sach verständigenkommission irgendwelche Vorschläge unterbreiten werde, erklärte Gilberi, dies sei nicht seine Sache. Auf die weitere Frage, ob er er sucht worden sei, Vorschläge zu unterbreiten, lehnte Gilbert eine Beaniwortung ab, indem er erklärte, die» sei eine Sache, die nur die verschiedenen Regierungen angehe. * Ein weiterer amerikanischer Bericht über die Wirtschaftslage in Deutschland. Washington, 4. Januar Ta! HandelSamt veröffentlicht den Bericht des Handelsattache deS amerikanischen Generalkonsulats in Berlin über die deutsche Wirtschaftslage im »weiten Halbjahr 1928. Dieser Bericht ist weit weniger optimistisch gefallen, al» der Be rich» Parker Gilbert»; er hat jedoch in der hiesigen Presse noch keinen Widerhall gefunden. .Public Ledger* erklärt in einem Leitartikel zur ReparationSfrage, man müsse die diplo matische Camouflage jetzt fallen lassen und feststellen, daß Amerika an der Lösung deS Reparationsproblems, bei dem es sich um so gewaltige finanzielle Fragen handle, wesentlich Interessier» sei und daß daher die amerikanischen Sachverständigen die Leitung der Konferenz übernehmen sollten, um die Gegensätze zwischen Deutschland und seinen Gläu bigern au-zugleichen und eine unbehinderte Be teiligung de» amerikanischen Geldmarktes an der Liquidierung deS Kriege» zu ermöglichen. * Bor einer Demarche der kleinen Reparationsgläubiger. Berlin, 4. Januar. Tie Meldung des „Daily Telegraph*, der zu folge die kleinen Reparation-gläubiger bei der Re vision de» Reparationsproblem» gewisse Forde- rungen anzumelden gedenken, scheint sich zu be stätigen. Jedenfalls erwartet man, wie auS London gemeldet wird, bei den Regierungen der alliierten Großmächte eine Demarche der kleinen Äläubigermächte, die zum mindesten die Zulassung eines gemeinsamen „Beobachters* zu den Sachoerständigenver handlungen wünschen. Daß die kleinen Mächte die Übernahme einer Haftung Deutschland- für die Reparationsleistungen der ehemaligen deutschen Verbündeten auf Grund der Artikel 231 und 232 deS Versailler Vertrage» verlangen werden, wie der „Daily Telegraph* weiter berichtet, hä!» man tn poli tischen Kreisen jedoch für sehr unwahrscheinlich. Bezeichnend ist aber immerhin, daß in Italien Stimmung sür eine Erhöhung der Reparations quote, die Italien bisher erhalten hat, gemacht wird. Tie Quote belief sich auf 10 Proz. der deutschen Leistungen. Tie italienische Presse be gründet diese eigenartige Forderung damit, daß seit dem Jahre 1924 einwandfrei erwiesen sei, daß die von Italien erlittenen SriegSschäden bei weitem größer seien, als man eS bis dahin an- genommen hätte. * Die deutsche Delegation für die Sachverständigenkonferenz. Berlin, 4. Januar. In den nächsten Tagen tritt die ReparationS- kommission zusammen, um die Delegierten der ehemaligen Alliierten für die Sachverständigen konferenz zu ernennen. Gleichzeitig werden vor aussichtlich auch die deutschen Sachverständigen delegiert werden. Wie verlautet, wird die deutsche Delegation sich auS dem Reichkbankpräsidenten Schacht und dem Hamburger Bankier Melchior, dem Inhaber deS bekannten Bankhauses Warburg L Co., alS Hauptsachverständige, dem ehemaligen StaaiSsekretär Bergmann, dem Mitinhaber des durch seine ausländischen Beziehungen bekannten Frankfurter Bankhauses Speyer, Ellissen L Co., und dem Generaldirektor der Vereinigten Stahl werke, Vögeler, al» Ersatzmänner zusammensetzen. Der Delegation werden weiter eine Reihe von Sachverständigen für bestimmte Einzelfragen an- gehören. Diese haben in der Sachverständigen- konferenz und deren Unterausschüssen selbstverständ lich keine Stimme, sondern sie sollen lediglich die deutschen Hauptsachverständigen beraten. Tie ge samte deutsche Delegation besteht also aus Per sönlichkeiten, die praktisch in der Finanz und der Wirtschaft tätig sind. Senator Hale, dem Vorsitzenden deS MarineauS- schösse», die Vereinbarung getroffen, daß der Kelloggpakt vor der Kreuzervorlage zur Debatte gestellt und ratifiziert werde. Die Gegner der Kreuzervorlage hätten »«gesagt, der Beratung dieser Vorlage keinen Widerstand entgegenzusetzen, wenn sie sich auch die Forderung auf Herabsetzung der Zahl der zu bauenden Kreuzer von 15 aus 10 oder sogar 5 vorbehielten. Einer Meldung der „Associated Preß* zusolge hofft Senator Hake, nach Annahme de» Kelloggpakte» die Kreuzervorlage durchdrücken zu können, und zwar sür die vorgesehenen 15 Kreuzer, und mit der Bestimmung, daß der Bau der Kreuzer innerhalb von drei Jahren beendet sein müsse, obwohl Prä sident Coolidge in seiner Botschaft an de« Kon greß eine Streichung dieser Bestimmung bezüglich der vaufrtst empföhle« batte. KeineAbSndenmgde-Artikel-109 der Reichsversaffuns. Berlin, 4. Januar. Zu einer Notiz de- „Hamburger Fremden blatte»* aus den letzten Tagen de» Dezember kann gesagt werden, daß im Reichsinnenministerium von dem nurerlichen Entwurf einer Abänderung de» Artikel 109 der ReichSverfassung, der u. a. die Annahme ««»ländische, Orden verbietet, nicht» bekannt ist. Auch der bekannte Entwurf de» früheren Minister» Külz ist nicht in neuerliche Besprechungen einbezogen vorde«. Gin- wir reich? Oie Arbeiterschaft und die deutsche Leistungsfähigkeit. Unter dieser Überschrift führt der „Vorwärts* zu dem optimistischen Bericht deS Repa- rationsagenten Parker Gilbert folgen de- aus: Der Bericht des Reparationsagenten über da» vierte Tawesiahr ist überaus optimistisch, so opti mistisch, daß man versucht sein könnte, ihn zu über schreiben: von den Segnungen der Reparations zahlungen für das deutsche Volk. Der Widerspruch gegen den offiziellen Opti mismus Parker Gilberts ist in Teutichland sehr rasch laut geworden, der Bericht bietet an manchen Stellen Angriffsflächen genug für eine nüchtern wägende voltswirtschastlich wohlfundierte Kritik, die in der Beurteilung deS Wohlstände» Teutschland» zu ganz anderen Ergebnissen kommt. Die deutschen Arbeiter wissen sicherlich besser al» Herr Parker Gilbert, daß Deutschland von 1928/29 nicht die beste der Welten ist, sie sind weit entfernt davon, ihre Lage optimistisch zu be urteilen. Sie stoßen in ihren sozialen Kämpfen nicht nur auf den Widerstand der bürgerlichen Klasse«, sondern zugleich auf die volkswirtschaft lichen Grenzen, die dem Streben nach einer grund legenden Verbesserung ihrer Lage gezogen sind. Da» Ziel, da» ihnen vorjchwebt. ist die allgememe Hebung »er Lage der Arbeiterschaft, nicht eine Aufhäufung von Luxus und Reichtum bei einer zahlenmäßig geringen Klasse, sondern eine Hebung de» allgemeinen Kulturnioeaus. Tie schweren Schatten der Wirklichkeit liege« über diesem Idealbild«. Die Arbeiterschaft, deren politische Vertretung die stärkste Regierungspartei im Reiche ist, kennt die Schwierigkeiten, mit denen die Finanzwttlschast de» Reiche» wie der Länder und Gemeinden zu kämpfen hat. Wichtige ?,ür- sorgeaufgaben können nicht ausreichend erfüllt wer den. Neue Steuererhöhungen stehen bevor. Ganze Wirtschaftsgebiete seufzen unter entsetzlichem Elend — Waldenburg! Besonder» die großstädtische Be völkerung leidet unter der Wohnungsnot und ihre» schlimmen Auswirkungen auf die Volkstulmr wie auf die Heranwachsende Jugend de» Volles. ES sind soziale Elementartatsachen, die keine Indexberechnung und kein offizieller Optimismus über den Wohlstand de» deutschen Voltes au» der Welt schafft — jene Zlementartatiachen, die stärkste Triebfedern der Arbeiterbewegung sind. Ta» Ringen um die Verbesserung der Lage des Volke» ist nicht nur ein innere» Verteilungsproblem, e» ist zugleich ein Problem der Entwicklung der deut schen Volkswirtschaft. Dies Problem wird überschattet von de« ReparationSverpflichtungen. Die Arbeiterschaft er kennt die politische Verpflichtung zur Reparations leistung an. Sie wehrt sich anderseits gegen eine Herabdrückung auf ein Niveau, auf dem von kul tureller Existenz nicht mehr die Rede sein kann. Für sie Negt die Grenze der deutichen Leistungs fähigkeit da, wo unter dem Druck der Reparations- Verpflichtungen sowohl alle Aufstiegsmöglichkeiten der Arbeiterklasse wie die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft unmöglich wird. E» handelt sich um die Lösung eine» schwie rigen volkswirtschaftlichen DisferenzproblemS, da» tief elndringende» soziale» Verständnis und ehrliche Beobachtung sozialer Elementartatjachen erfordert. Die deutsche Arbeiterschaft kennt diese soziale« Llementariatsachen in Deutschland sehr genau — und sie ist eben deshalb von rosarot gefärbtem Optimismus über den Wohlstand Deutschlands weit entfernt. Die Verhandlungen der Sachverständigen können an der Bedeutung dieser Elementartatsachen nicht vorübergehen — ihre Vernachlässigung müßte schwere Rückwirkungen auf die sozialen Verhältnisse in d.n Ländern der ReparationSgläubiger nach sich ziehen. Man kann durch die Überspannung der Forderungen Deutschland zu sozialem Dumping zwingen — wird die volkswirtschaftlichen Folgen dann aber selbst verspüren. Soziale» Dumping bedeutet immer — hüben wie drüben — Rückgang der Leistungsfähig keit. Eine Arbeiterschaft auf anständigem Lohn niveau, unter Lebenkbedingunge«, die auf die Tauer Qualitätsarbeit gewährleisten — da» ist ein« Grundvoraussetzung deutscher Leistungsfähigkeit.