Volltext Seite (XML)
Sächsische Slaalszeuung den Zreistaat Sachfen StaatsanMger für Erscheint Werktag- nachmittag- mit dem Datum de- Erscheinungstage». Bezugspreis: Monatlich 3 Marl. Einzelne Nummern 15 Ps. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 212S5 — Schriftleitung Nr. 14574, Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140, Ankündigungen: Die 32 nun breite Grundzeit« oder deren Raum 35 Pf, die 66 ww breite Brundzetle oder deren Raum im amtlichen Teil« 70 Ps., unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung aus GeschästSanzeigen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Berlaufsliste von Holzpflanzei» auf den Staatsforstreviereit, verantwortlich für die Redaktion: tzauptschriftleiter Sark Bethke in Rähnitz-Hellerau. Nr. 81 Dresden, Freitag, ^3 April ^926 Vie erste Wahlrede vr. Strese manns. Kassel, 13 AplU. Aus dein an» 12. und 13. April hier statt- findenden Parteitage der Deutschen Volks- Partei für de» Wahlkreis Hessen-Nassau hielt Reichsminister de- Äußern vr. Stresemann gestern abend in einer öffentlichen Wahlversammlung, die von etwa 3500 Personell besucht war, eine groß- angelegte Rede, in der er sagte: Wir ave sind uns der schwierigen Lage der Landwirtschaft bewußt und haben daraus die ge botene Rücksicht genommen. Tie Erhaltung der Bauernschaft und des für die Er nährung der Städte unerläßlichen Großgrundbesitzes ist eine Frage, in der es keine Parteiunterschiede geben sollte. Der Landbund nützt aber den bäuer lichen Interessen nicht, wenn er sich so mit der Parteipolitik befaßt, wie cs Graf Kaickrcutl, in seiner Rede vor dem brandenburgischen Landbund getan hat. Tie landwirtschaftliche Frage ist im übrigen nicht nur eine Frage des Zoll- tchutzes, sondern auch eine Frage der inneren Organisation zur besseren Befriedigung des heimischen Bedarfs. So wie in der Wirtschaft leider der Individual betrieb dem Konzern hat weichen müssen, so kann er sich auch in der Landwirtschaft nicht aufrecht- erhalten, »venn wir nicht gegenüber dem Wett bewerb aukländiicher Konzernwirtschast unterliegen sollen. . - . Zur Innenpolitik übergehend führte der Reichs minister auS: DaS Scheitern de- Schul gesetze- war zugleich daS Scheitern der Koalition. Der Hauprgegenstand der auseinandergehenden Meinungen war der Kamps um die Erhaltung der Simultanschule. Man hat seitens des Zentrums und der Deutschnationalen die weitere Lesung des Schulgesetzes überhaupt nicht abgewarlet, da man in der Frage der Simultanschule nicht einmal die jenige Fassung akzeptieren wollte, die im Kabinett von den beiden voltsparteilichen Minister»» ver treten wurde, und die sich völlig deckt mit dem Reichsschulgesetzentwurf des Kabinetts Fehrenbach, nämlich die Erhaltung der Simultan- schule in ihren historischen Gebieten bis zu dem Zeitpunkt, wo die Länder selbst ihre Auflösung beschließen. Wenn die Weltanschauung de) Zentrum- ihm gestattete, diese Fassung in dem einstige»« Reichsschulgesetzentwurf zu ertragen, so ist nicht zi» verstehen, warum diejenigen Kulturkämpfer sein sollen, die heute für eine Bestimmung ein- treten, die vor wenigen Jahren dem Zentrum an- nehmbar erschien. Wir haben mit kulturkämpfe- rischen Neigungen nichts zu tun. Die heutige Situation läßt irgendwelche Voraussagen für irgendwelche Koalitionen nicht zu. Richt der Wahlausfall entscheidet über die künftige Regierung, sondern die Persönlich, leiten, die die Fraktionen führen. Der Deutschen Volkspartei hat ihre Mitarbeit in der Regierung gegenüber den Wahlen von 1920 zunächst schwere Verluste gebracht. Trotzdem ist sie damit den einzig richtigen Weg gegangen. Auf Populari- tätShascherel kann auf die Tauer keine Partei auf- gcbaut werden. Wir haben so wichtige wirtschaft liche, soziale und ganz große außenpolitische Fragen zu lösen, daß die rein politischen inneren Fragen demgegenüber in den Hintergrund treten sollten und müssen. . Der Streit nm die Staat-jorm muß aus drm politischen Leben ausgeschaltrt werden. Wir arbeiten bewußt am republika nischen Deutschland und im republikanischen Deutschland. Die Republik ist so gefestigt daß es ihr nur zum Schaden gereiche« kann wenn ihre allzueifrigc» Verfechter vor feder Kriderirus- marke erschrecken. Der Weg der Nachkriegszeit bat uns von der Zeit der volksbeauftragtrn über das konstitntionelle Deutschland zum Wieder, ausbau in der Gegenwart geführt. Das dentsche Volt hat dabei nicht versagt, sondern hat un endlich viel ertragen. Nach einer Darstellung der außenpolitischen Ent wicklung betonte der Redner zum Schluß: Die Ausgabe der Deutschen BoltSpartei ist Dienst am Staate. Wir wissen, daß wir allein die große»» Aufgaben nicht löse»» können, vor denen wir stehen. In Zeilen, wie den heutigen, kann man Pro- gramme für eine Regierung nicht wie Parteien mit »i"em Endziel der Ideale ausstellen, sondern Anschlag auf den italienischen König in Mailand, IS. April. Gestern gegen 1V Uhr kurz vor der offiziellen Eröffnung der Mailänder Mustermesse explodierte aus eine« öffentlichen Platze eine Bombe, die von unbekannter Seite neben eine Straßenlaterne gelegt worden war. vierzehn Personen wnrden getötet, etwa 4« weitere ver letzt. Drotz dieses Anschlages eröffnete der König die Messe und besichtigte programmgemäß die wichtigsten Stände. Eine Untersuchung zur Ergreifung der Schuldigen ist ringeleitet. Zahl reiche Inspektoren der Sicherheitspolizei sind von Ron» nach Mailand gereist. Der Podesta von Mailand hat eine Belohnung von 1WE Lire ans die Ergreifung der Täter ausgesetzt. Der amtliche Bericht über de»» Bombenanschlag aus den italienischen König in Mailand besagt u. a., daß heute vormittag auf der Piazza Giulio Cesare eine Höllenmaschine in die Lust gegangen sei. Der Auschlag, der 14 Dote und »«verwundete sorderte, sei ossenbar gegen den König geplant gewesen. Der König habe trotz des Auschlags die «esse erösfuet und damr die verwuudeien besucht. Die Bevölkern»« habe dem König lebhafte Frendeukundgebunge« bereitet. Mussolini, der zurzeit in Rom weilt, hat Anordnungen zur Verstärkung des Polizei» dienstes erlassen. Der Generalsekretär der faschistische« Partei, der Polizeiches und der Unterstaatssekretär deS An«er« wurden sogleich nach dem vekanntwrrden des Anschlags von Mussolini zu einer Besprechung gebeten. Eine strenge Untersuchung des BorsalleS ist angeordnet worden. Nach spätere» Meldunge» hat sich die Zahl der Todesopfer des Bombenanschlags aus 16 er höht. Vier Schwerverletzte dürste»» wohl kaum die Nacht überleben. Aus den näheren Einzel heiten, die jetzt bekannt werden und verbreitet werde» dürfen, geht hervor, daß schon seit mehrere»» Tagen iu Mailand umfassende Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen worden waren. Sogar ans den Dächern der Häuser am Eingang zur Mustermesse waren Wachtposten ausgestellt worden. Sofort nach den» Anschlag sind die umliegenden Häuser eingehend durchsucht worden. Bis jetzt konnte noch nicht ermittelt werden, wann die Höllen maschine in den Laternensockel gelegt worden ist. Ein schallerartiger Verschluß ermöglichte eS, die mit einem Uhrwerk versehene Bombe in d.'m Sockel zu verstauen. Ter Anschlag war an scheinend von den Verbrechern auf die Minute berechnet worden, doch hatten diese nicht ge wußt, daß das Automobil des Königs zur Irreführung im letzten Augenblick voi» der rechten auf die linke Straßenseite gelenkt wurde. Der Anschlag erfolgte genau um 10,10 Uhr, während muß sich freuen, wen»» eine möglichst tragfähige Majorität die Hauptfrage»» der nächste»» Jahre in Gemeinschaft in Angriff nimmt. Dabei soll man vor» dem parteipolitischen Spiel mit den» Wort „national" absehen, vielniehr allein die Möglichkeit fruchtbringender gemeinsamer Arbeit ins Ange fassen. Ter Minister schloß mit den Worten: „Ich möchte wünsche»», daß die Wahlen so ausgehen, daß eine festgefügte Mehrheit sich findet zu einem Programm, das uns bewahrt vor Rückschlägen nnd uns auf dein dornenvolle»» Weg zu einer besseren Zukunft nnd Freiheit führt." Oer Reichstagslontrollausschuß. Berlin, 13. April. Bei den letzten Abstimmungen in» Reichstag wurde bekanntlich noch ein Jnitiatiogesetz an genommen, wonach für die Durchführung de-landwirtschaftlichen Notprogram m- ein 28glied»iger ReichStagsausschuß eingesetzt wird. Die Deutsche volkspartei l)at nun lau» Mailand. da? Automobil des Königs mit einiger Verspätung erst um 10,17 Uhr dei» Platz kreuzte. Wohl nur dem Umstande, daß der König entgegen den» in den Zeitungen veröffentlichten Programm unmittel bar zur Messe fuhr, ist es zu verdanken, daß er mit dem Leben davongekommen ist. Tie Zei tungei» durften erst in de»» Nachmittagsstunden die Meldung von dem Bombenanschlag verbreiten, um die polizeilichen Nachforschungen nicht zu durch- kreuzen. Tie Leichen der Opfer sind zum Teil schrecklich verstümmelt. So wurde einem Mädchen der Kopf vom Rumpf gerissen. Von einem Mit glied des Jugendbundes blieb nur eine unkenntliche Masse übrig. Tie Leichen der Opfer wurde»» un verzüglich nach dem Ausstellungsgelände geschafft. Tie Eröffnung der Ausstellung erfolgte in aller Stille. Es wurden keinerlei Ansprache»» gehalten. Lediglich vor dein Denkmal des Königs Einanuel III. sangen viele hundert Schulkinder die Mailänder Hymne. Nach dem Besuch des Königs bei den Verwundeten sand im Laufe des Nachmittags die Einweihung des Institutes für Krebsforschung durch den König statt. Ji» römischen politischen Kreisen sieht man den Mailänder Bombenanschlag nicht als eine» Alten- latsversuch gegen den König an, sondern als einen Terrorakt, der di« Liegierung Mussolini- rjizd die Ordnung im neue» Italien vor der Welt in ein schlechtes Licht setze»» sollte. Mussolini hat den» König heute ein Ergebenheilstelegramur geschickt, in den» zum Ausdruck gebracht wird, daß das arbeitsame Mailand, wie die völlige Disziplin der ganzen Ratio»» zum Ruhm von Königshaus und Vaterland weiter wirken werden. — Ganz Rom ist heute beflaggt nnd festlich beleuchtet, nachdem bekannt wurde, daß der König unveisehrt ge blieben ist. * Deutsche Anteilnahme an dem Mailänder Attentat. Rom, 13. April. Der deutsche Botschaf ter F rhr. v. Neu rath hat der italienischen Regierung die Glück- wünsche der deutschen Reichsregierung zur Erret tung des Königs übermittelt. Der deutsche Generalkonsul in Mai land hat im Auftrage des Botschafters dem Präsekte»» und den» Bürgermeister von Mailand aus Anlaß des Attentats sein Beileid ausgesprochen. * Geplantes Attentat auf Mussolini. L«ga»o, 13. April. De« „Karriere della Sera" wird a«» Eonw gemeldet: «uf der EtsrnbahnUnie, die der Zag mit dem nach Roa« zurückkehrenden «inister. Präsidenten M«ssoli«i benutze« sollte, entdeckte man vor der Durchfahrt de- Zuge- etue schwere Explosivbombe, an der ein Draht befestigt war, der von einem iu einem versteck liegenden Manne gehalten wurde. Der Mann wurde festgenommen. „Tägl. Rundschau" folgende Abgeordnete in ihn entsandt: Als Vertreter der Landwirtschaft den Abgeordneten Hofbesitzer Ham kenS, als Vertreter der Interessen von Handwerk und Einzelhandel den Abgeordneten Senator Beythien nnd schließlich den Abgeordneten vr. Keinath. Oie Untersuchung der Szent Gott. Hard-Angelegenheit. Paris, 13. April. Nach einer Nachricht aus Genf hat der von» Bölkerbundsrat eingesetzte Dreierausschnß zur Untersuchung der Ezent Gotthard-Angelegenheit beschlossen, eine Enquetekommission, bestehend aus zwei Waffensachverfländigen, von denen einer Engländer, der andere Schwede ist, und fünf Beamten des BölkerbundSsekretariatS an Ort und Stelle zu entsenden. Die Kommission wird Genf am Freitag abend verlassen. Das Attentat auf den König von Men. Tic Nachricht, daß ans den König Victor Emanuel IN. in Mailand, als er sich zur ofsiziellen Eröffnung der Mustermesse begab, ein Attentat verübt wurde, das der» König nicht verletzt, leider aber eine erhebliche Anzahl von Todesopfern ge kostet zu haben scheint, kommt nur in sehr be dingtem Sinne überraschend Aus gewisse»» An zeichen konnte man ii» letzter Zeit schließen, daß die politische Spannung in Italien einen unerträg lich hohe»» Grad erreicht hat und daß die politische Polizei offenbar selbst mit der Möglichkeit gewalt samer Entladungen rechnete. Nur nahm mai allgemein an, daß da? Ziel nicht der beim Volk» im allgemeinen beliebte rind wegen seiner korrekten und menschlich sympathischen Haltung geschätzte König, sondern der wirkliche Herrscher Italien?, der Diktator Mussolini, sein werde. So sollte Ende Mai in Bozen die Einweihung eines den» Siege Italiens gewidmeten Denkmals stattsinden, der Mussolini persönlich beiwohnen wollte. Dieses Fest ist verschoben worden mit der offiziellen Be gründung, daß man mit den Vorbereitungen nicht fertig geworden sei. Ter viel wahrscheinlichere Grund aber war, daß die internationale Erörterung der Südtiroler Frage, der abfällige Ton, in dem die? vielfach geschah, und die aufs äußerste gereizte Stimmung der Südtiroler Bevölkerung selbst der italienische»» Regierung nahelegten, ein trauerndes Land nicht durch ein Fest zu provozieren. Mög lich'auch, daß die italienische Polizei zu der Be fürchtung Anlaß hatte, daß desperate Elemente, «n denen es ja in Italien nie gefehlt hat, diese Gelegenheit benütze»» könnten, durch ein Attentat auf Mussolini das faschistische Regime in seinen» Haupt und Wesen zu treffen. Daß der Träger der italienischen Krone jetzt das Ziel einer verbrecherischen Tat geworden ist, in der mau wohl mit Recht den Ausdruck einer tiefen, unterirdische»» Gärung erblicken muß, wird überall auch dort schmerzlich empfunden werden wo mau das faschistische System ablchnt. Es lieg' jedoch, wie man aus der Geschichte der politische» Attentate weiß, in» Wesen des Terrors, nicht di< menschlich Verantwortliche»» oder Schuldigen, soiiderr die Repräsentanten schlechthin zu treffen. Bei den» italienischen König liegt jedoch der Fall um so tragischer, als er kaum als Repräsentant des faschistischen Systems angesprochen werde»» kann. Man weiß, daß er seinerzeit, als ihn der Marsch der faschistische»» Legionen auf Rom vor daS große Gewisseusdilemma eines Bürgerkriegs oder eines Bruchs mit den alte»» demokratischen Traditionen Italiens stellte, sich nur unter starkem inneren Widerstreben der Notwendigkeit gefügt hat, den elementaren, durch Mussolini entfesselten Gewalten ein Ventil zu »>ffnen. Victor Emanuel Ul. folgte damals der vornehmsten Tradition seines Hanse-, die sich auch im Laufe der neuere»» italienischen Geschichte durchaus bewährt hat, die Interessen der Krone unbedingt hinter den sichtbaren, wenn auch mit revolutionärem Eharatter auftretenden Forde rungen des Volkes zurückzustettcn. Wie er, der alS Monarch persönlich dem Dreibund sich ver- pflichtet fühlte, bei Ausluuch des Weltkrieges der vorsichtigen Neutralilätsformel seines Kabinett? bei- pslichtete und zehn Monate später unter dem Druck des Landes den Bruch mit den einstige»» Freunden vollzog, so hat er auch die Autorität der Krone Mussolini rind dem Faschismus zur Verfügung gestellt, als diese deutlich und zwingend der WillcnS- ausotnck des neuen Italiens geworden waren. Kein ernstlicher Tadel, weder in Italic»» noch im Ausland, ist deswegei» an dein König geübt wordcu, und diesen» Verständnis für seine Lage und Haltung entspricht es, wenn heute bei der Kunde von dem auf ihn verübte»» Attentat die allgemeine Miß billigung durch keinen Mißton gestört wird. Die ganzen Vorgänge, unter denen sich die Tat abspielie, scheinen zu beweisen, daß es sich hier um ein wohl vorbereitetes und offenbar weit verzweigtes Komplott, nicht um die Tat eines Einzelnen, handelt. Einzelne anarchistische Atten tate sind ja auch in der demokratischen Vergangen heit Italiens nicht selten gewesen. Der Großvater de- Königs, Umberto, fiel in Monza bei Mailand einem solchen zum Opfer. Auch auf Victor Emanuel HI. selbst wurde in» Frühjahr 1913 in Rom beim Betreten des Pantheons ein Anschlag