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lernen, findet jetzt das umgekehrte Verhältnis statt. Biersener und Crefelder Arbeiter, welche dort als Sammetscherer und Appreteure thätig waren, find unter den günstigsten Bedingungen von St. Etienner Häusern ' langen nach behaglicher eigener Existenz auf Hosten der nach dort engagiert worden. Es läßt die» den Schluß großen Masse, Rücksichtslosigkeit in der Wahl der Mit- zu, daß die deutsch« Industrie in den bezeichneten Brau- s tel, um nur in fremd« Geldfäcke zu greifen, Sucht nach» Schweiz. — Als Beleg dafür, daß die in Wien begangenen anarchistischen Verbrechen im Zusammenhänge mit der internationalen Verschwörung gegen die bestehenden staat lichen und gesellschaftlichen Ordnungen stehen, wird von der „N. Zür. Ztg." angeführt, daß der in Wien verhaf tete Anarchist Kammerer im November v. I. wirklich in Amerika war. Das Reisegeld war ihm von dort nach Bern zugeschickt worden. Kennel, der kürzlich in Bern verhaftete Vorsitzende des sozial-revolutionären Vereins, war ein intimer Freund des Wiener Mörders Stellma cher; ihre letzte Zusammenkunft hat in der Silvester nacht des verflossenen Jahres stattgefunden, die erste „That" im neuen Jahre war dann die Ermordung des Sicherheitsbeamten in Floridsdorf. Hierzu wird ver sichert, daß die in der Schweiz lebenden russischen Nihi listen jede Gemeinschaft mit den Anarchisten Mostscher Richtung, also den Werkzeugen des anarchistischen Exeku tivkomitees in New-Jork, ablehnen. So sehr Most und Anhang in Wort und Schrift sich auch abmühten, eine Solidarität mit der russischen Bewegung zu erzielen, bis jetzt hätten die Leute auch nicht die geringsten Erfolge in dieser Richtung aufzuweisen. „Man möge", so wird dem „Pester Lloyd" aus Bern geschrieben, „über die Revolu tionäre im Zarenreiche wie immer denken, die terrori stische Propaganda wie immer beurteilen, das Eine ist Thatsache, daß weder hier noch sonst in einer Stadt der Schweiz, wo sog. deutsche Anarchisten und russische Flücht linge eAtieren, von letzteren irgendwie die von den Mo- stianern wiederholt versuchte Annäherung acceptiert wurde. Der Charakter ist auch ein grundverschiedener, ebenso sind es die Ziele. Dort ein Aufgehen in der Sache bis zur Verleugnung der eigenen Individualität, hier da« ver langen nach behaglicher eigener Existenz auf Kosten der I chen der französischen überlegen ist und die St: Etienner I Häuser von den deutschen Arbeitern die deutsche Arbeit erlernen wollen. Ferner ist es sehr bezeichnend, daß unter« 24. v. M. aus St. Etienne gemeldet wird, daß I an. diesem Tage 3000 beschäftigungslose Arbeiter im dortigen Zirkus versammelt waren und durch eine Depu tation dem Präfekten Mitteilung über ihre Lage machen I ließen, während in Viersen, Dülken, Lobberich rc. die Sammetweberei, wie auch die ursprünglich aus St. Etienne stammende Mühlenhandweberei sich eines flotten Ganges erfreut und alle Arbeiter vollauf beschäftigt. Es ist die» I ein sprechender Beweis dafür, daß deutscher Fleiß und I deutsche Ausdauer bereits herrliche Siege über die fran zösische Konkurrenz errungen haben. — Von den in Neustettin vorgekommenen bedauer lichen Ausschreitungen wird von angeblich kompetenter Seite folgende Darstellung gegeben: Nachdem am vorigen Sonnabend aus der Wohnung des jüdischen Kaufmanns Flater auf die Teilnehmer an einem Maskenzug mit Steinen geworfen worden war, fanden Zusammenrottungen statt. Auch wurde der Omnibus, welcher nach Ankunft des Könitzer Zuges die von dem Schwurgerichte in Konitz zurückkehrenden freigesprochenen Juden nach der Stadt brachte, angehalten, die Insassen wurden von einigen Jungen insultiert, auch einige Scheiben zerschlagen, sonst ist nichts demoliert. Am Sonntag abend wurde aus der Flatterschen Wohnung und anderen jüdischen Häusern auf das Publikum und die Gendarmerie abermals mit Steinen geworfen. Die sich wiederholenden Exzesse wurden unterdrückt; um 11 Uhr nachts wurden die letzten Menschenansammlungen durch die Gendarmerie zerstreut. — Wie der „Kur. Pozn." aus Gnesen meldet, hat man die Person ausfindig gemacht, welche die Adresse des im dortigen Postamte explodierten Pakets geschrieben hat. Diese Person will die Adresse geschrieben haben auf Bitten eines unbekannten, angeblich des Schreibens unkundigen Arbeiters und ohne Kenntnis von dem In halte der Sendung. Die Polizei ist dem Verbrecher angeblich schon auf der Spur. Oesterreich - Ungarn. — In den letzten Tagen waren in Wien wieder Gerüchte über Attentate verbreitet, welche von Mitglie dern der anarchistischen Partei gegen Polizeibeamte ver übt worden sein sollen. Thatsache ist es, daß den staat lichen Funktionären massenhaft Drohbriefe zugesendet werden. — Ein Streik von bedeutendem Umfange ist in> Rabstein und Tyssa in Böhmen ausgebrochen. Die Ar beiter von 6 Etablissements (Baumwollspinnereien,. Webereien, sowie eine Knopffabrik) haben die Arbeit ein gestellt. Obschon bis jetzt keine Ausschreitungen unter laufen sind, bleibt doch die Gendarmerieverstärkung, welche von sämtlichen Posten des Tetschener Bezirks nach Kamnitz gezogen wurde, bis auf weiteres daselbst be stehen. Es scheint, daß die Streikenden mit den Arbeitern in Tetschen und Bensen Verbindungen unterhalten und von diesen durch Geld unterstützt werden. Die streiken den Spinner in Rabstein fordern nebst einer Lohner höhung lOftündige Arbeitsdauer und die Wiederauf nahme der wegen sozialistischer Umtriebe entlassenen Ar beiter. Letzteres wurde ihnen zugestanden, ersteres nicht. Tagesgeschichte. Deutsch-- Reich. — In Berlin waren in letzter Zeit Nachrichten von I im Laufe dleses Jahres vom Kronprmzen vorzunehmen den größeren Reisen verbreitet. Zutreffend davon ist I offiziösen Meldungen zufolge nur, daß die Teilnahme des l Kronprinzen an der Krönungsfeier in Belgrad zu Ende Oktober in bestimmte Aussicht genommen wurde. — Dre „Nordd. Allg. Ztg." fährt in dem durch Androhung eines Zollkrieges gegen die Vereinigten Staaten kürzlich angeschlagenen Tone fort, indem sie in ihrer neuesten Nummer schreibt: „Die amerikanischen Blätter, in denen die Haltung des Fürsten Bismarck be- I sprachen wird gegenüber der Zumutung, die auf den Tod des vr. Lasker bezügliche Resolution des amerikanischen I Repräsentantenhauses an das Präsidium des Reichstags I gelangen zu lassen, beschweren sich hauptsächlich über die ! amtliche Form der Zurücksendung. Sie vergessen dabei die Vorereignisse des Vorganges, nämlich, daß derselben Körperschaft, welche obige Zumutung an den deutschen I Reichskanzler stellte, kurz vorher eine Bill auf „Schweine- Repressalien" eingereicht worden war, die einen unver kennbar deutsch-feindlichen Charakter trug; und ferner, daß der amerikanische Gesandte in Berlin es für gut be funden hatte, der deutschen Regierung gegenüber durch I seine Haltung in Berlin sowohl wie durch seine journa- I listische Thätigkeit in Amerika eine eigentümliche Stellung ! einzunehmen. Wenn Herr Sargent dre in allen inter nationalen Verhältnissen sonst üblichen Vertrauensbe ziehungen angeknüpft hätte, deren sich seine Vorgänger zu erfreuen hatten, so würde das Auswärtige Amt ihn höchst wahrscheinlich vertraulich darauf aufmerksam ge- I macht haben, daß der Reichskanzler sich nicht zum Organ l einer Anerkennung für die günstigen Ergebnisse einer I gerade gegen ihn gerichteten Oppositionspolitik machen I könne, und es würde dem Gesandten somit anheimgestellt worden sein, ob er nicht auf diesen Gesichtspunkt in Washington Hinweisen wolle, bevor er die amtliche Be handlung seiner Mitteilung verlangte. Die Ausnahme stellung, welche der jetzige Gesandte der Vereinigten Staaten im Gegensatz zu allen seinen Kollegen im diplomatischen Korps gewählt hat, verschloß diesen ver traulichen Meg und bedingte, denjenigen einzuschlagen, der dem internationalen Herkommen entspricht, sodaß die Zurücksendung der in Rede stehenden Resolution schlechter- I dings nicht anders als durch die Vermittelung des deut schen Gesandten in Washington erfolgen konnte." — Ueber das Schicksal des Sozialistengesetzes im I Reichstage läßt sich noch nichts annähernd Bestimmtes sagen. Die „Deutsche freisinnige Partei" wird, wie schon bemerkt, einstimmig gegen eine Verlängerung des Ge- I setzes stimmen ; in gleichem Sinne werden ihr Votum die Polen, Welfen und Protestler abgeben. Geschlossen werden dafür stimmen die Konservativen, Freikonservativen I und Nationalliberalen, und liegt demnach die Entscheidung beim Zentrum, welches sich allem Anschein nach, wie schon voriges Mal, spalten wird. Da aber zur Ge- I winnung einer Majorität das Zentrum nahezu geschlossen hinzukommen müßte, so ist das Zustandekommen des! Gesetzes doch sehr fraglich. Für den Fall, daß eine Verlängerung abgelehnt würde, erörtert man bereits die Möglichkeit einer Auflösung des Reichstages. — Der in nächster Zeit dem Reichstage zugehende Gesetzentwurf, betreffend die Anfertigung von Zündhöl zern unter Anwendung von weißem Phosphor ist in erster Linie bestimmt, die mit der Fabrikation von Phos phorstreichhölzern zusammenhängende Phosphornekrose (Kinnbackenknochenfraß) zu unterdrück n. An die Vorlage I knüpft man aber auch die Hoffnung auf eine Verwinde- I rung der Brände, die beim Gebrauch von Phosphor- I streichhölzern vorkommen. — Nach der kürzlich ausgearbeiteten Marinedenkschrift I werden im Laufe dieses Sommers 35 Torpedoboote für I unsere Marine fertig sein, dazu sollen noch 80 gebaut werden, sodaß der Generalbestand auf 115 wächst. Je I früher diese Zahl erreicht ist, um so ruhiger würden wir, I schreibt die „Kieler Ztg.", dem Erscheinen feindlicher Ge- I schwader vor unseren Häfen entgegensehen können, um so länger würden wir, auch wenn wir die hohe See nicht halten können, offene Häfen haben. — Mit dem Beginn des Reichstagsgebäudebaues wird es nunmehr Ernst werden. Die Bauverwaltung schreibt jetzt die erste Lieferung von Baumaterialien im Verdingungswege aus, ungefähr 6 Millionen Ziegelsteine, I 6000 Tonnen Zement, 3000 Kubikmeter Mauersand. — Die Reichsregierung hat ihre Beteiligung an einer vom schweizerischen Bundesrate nach Bern einbe- I rufenen Konferenz wegen des internationalen Schutzes litterarischer und Sunsterzeugnifle zugesagt. — Während bisher oft deutsche Arbeiter nach Frank- I reich gingen, um die dortige Seideninduftrie kennen zu I Handarbeiter, welcher daselbst eine Kammer inne hatte, die jetzt von einer anderen Person bewohnt wird. Je- denfalü aus Aerger darüber, daß er von dieser auSge- i:littet worden ist, hat sich der Handarbeiter am Sonn- i.ig nachts in die Kammer geschlichen und früh der darin i . stndlichen Person mit einem Taschenmesser eineSchnitt- > u unde am Halse beigebracht. Einer zweiten anwesenden i urch den Hilferuf des Verletzten erwachten Person ver letzte der Verbrecher ebenfalls einen Schnitt in den Hals, n orauf er unter Zurücklassung des Messers die Flucht '-griff, um später in seinem neuen Quartier in der Jakobstraße aufgegriffen und der Justizbehörde zugeführt . a werden. Er heißt Göthel und war früher Kolpor- nur, ist zur Zeit aber arbeitslos. Die Verletzungen der beiden Personen sind glücklicherweise nicht lebensgefährlich. — Dem „Lpz. Tgbl." wird aus Dresden mitgeteilt, kaß Se. Maj. der König sich am 22. d. zum Geburts lage Sr. Maj. des Kaisers nach Berlin begeben werde, um den greisen Monarchen persönlich zu beglückwünschen. — Ueber den Schluß des Landtags ist den Kammern »m kgl. Dekret zugegangen, demzufolge der Landtag am 26. d. M. geschlossen wird. — Zum Dirigenten der Regimentskapelle des Schüt- ' zenregiments Nr. 108 in Dresden ist an Stelle des , verstorbenen kgl. Musikdirektors Werner der Musikdirek- >or vom 14. Infanterieregiment, Thoß in Stralsund, ernannt worden. — Im Polizeiwesen der Stadt Leipzig ist inso- ' fern eine Veränderung vorgenommen worden, als die Stelle eines Polizeihauptmanns errichtet und für dieselbe der Hauptmann Roßberg-Leipnitz in Bautzen gewählt wurde. — Ein Raubanfall, wodurch ein Menschenleben ge- . fährdet worden ist, wurde am Sonntag abend inStein- pleiß bei Zwickau verübt. Das Opfer ist ein Oekonom aus Marienthal, welcher am Pfarrteiche in Steinpleiß von 2 unbekannten Männern mit verhüllten Köpfen an- gehalten, der Uhr und Barschaft (18 M.) beraubt und kann in den Teich gestoßen wurde. Die Räuber ent flohen und der Beraubte rettete sich aus dem Wasser, liegt aber jetzt schwer krank darnieder. — Die vor kurzem von Ihrer Maj. der Königin angeregte Gründung einer Frauenschule im Erzgebirge, bet deren Errichtung als Ort Schwarzenberg und Lößnitz in Frage kamen, wird nunmehr bestimmt in erstge nannter Stadt erfolgen. Die Schule wird den Zweck verfolgen, den Töchtern und Frauen jeden Standes Ge legenheit zur Ausbildung in den verschiedensten für jede I Familie notwendigen Handarbeiten zu geben, dieselben i« allgemeinen zu einer größeren Erwerbsfähigkeit ge dickt zu machen und dadurch der Industrie und Haus- wirtschaft selbständige Arbeitskräfte zuzuführen; sie soll I oie Arbeiterinnen jener Gegenden, welche durch die Ein- eitigkeit der dort geübten Handfertigkeit oft in große Bedrängnis und dadurch in körperliche und geistige Ar- myt geraten, zu einer vielseitigeren Geschicklichkeit und Arbeitsthätigkeit führen, welche ihnen bei Fleiß und gu- le« Willen einen lohnenderen Erwerb und eine sorgen- I freiere Zukunft in Aussicht stellt. — Im Vogtlande sind jetzt fast sämtliche Stick- Maschinen für Tüllstickerei beschäftigt. Welche enorme Massen von Tüll gebraucht werden, davon kann man sich «ine Vorstellung machen, wenn man bedenkt, daß jede oer 3300 Snckmaschinen, welche dort denselben besticken, wöchentlich 2 Stück brauchen, daß demnach in der Woche ca. 6000 Stück fertig werden. Der Tüll kommt aus England. In der Schweiz, wo die 17000 Stickmaschi- uen (einschließlich der in den Vorarlbergen gehenden) .iuch zum großen Teil Tüll verarbeiten, hat sich jetzt eine Gesellschaft gebildet, welche den Tüll selbst anfertigen will. Man wundert sich nun, daß im Vogtlande noch win Industrieller sich gefunden hat, welcher Tüllstühle aufstellt. ES kostet ein solcher allerdings etwa 20000 M. Die neuen Schiffchenmaschinen, auf denen auch nur Tüll gestickt wird, brechen sich immer mehr Bahn. Eine I Plauener Firma läßt die alten mechanischen Webstühle, welche Gardinen anfertigten, jetzt ausrangieren und stellt I afür Schiffchenmaschinen auf. — Die schon mehrfach erwähnten Flammenschutz mittel der Deutschen Jmprägnierungsanstalt von Fr. I Konrad Nachf. in Mügeln finden nach den uns vorlie- I genden Ausweisen ihrer Vorzüglichkeit halber fortgesetzt l eine größere Ausbreitung. Mit verhältnismäßig ganz I geringen «osten vermag man sich durch Anschaffung des I mit oft erprobter Sicherheit wirkenden Löschwassers, I welches in Bütten und Standfässern zu haben ist, sowie l durch die ebenfalls sehr empfehlenswerten Feuerlöschdecken die Garantie zu verschaffen, einen eventuellen Feueraus- I bruch im Hause sofort ersticken zu können und sich auf I diese Weise vor leicht möglichem großen Schaden zu be° I hüten, aus welchem Grunde denn auch den Vorständen I größerer Haushaltungen, sowie Fabrikherren, Guts- I besitzern, Anstaltsverwaltern ,c. rc. nur anzuraten ist, I sich mit den, erwähnten wirksamen und dabei doch so I billigen Löschmitteln auszurüsten.