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dem Fortschritt der Arbeiten hindernd in den Weg trat. Da in derselben auch die mittelbare Veranlassung zu der traurigen Katastrophe vom 28. Mai liegt, so glaube ich auf die für die Ventilazion getroffenen Einrichtungen näher ein gehen zu müssen. Vom Beginn der Arbeit bis zum 23. November 1855, an welchem Tage die Vereinigung der Stollen der südlichen Mündung und des Schachtes I. statt fand, war die Einrichtung der Ventilazion folgende: An der südlichen Mündung war ein mittelst eines Pferdegöpels getriebener Ventilator aufgestellt, welcher durch die aus hölzernen 7 Zoll im Licht weiten Röhren gebildete Leitung gute Luft bis vor Ort blies. Die Stollen des Schachtes l. wurden mittelst eines an der Oberfläche des Schachtes placirten durch eine Dampfmaschine von 4 Pferde kräften in Bewegung gesetzten Ventilators mit frischem Wind versehen; derselbe wurde immer bis zur Stirnfläche des Stollens getrieben, und es mußte in Folge der hier bewirkten Verdichtung die in dem Stollen und den Aufbrüchen befind liche, von Pulverrauch angefüllte Luft durch den Schacht entweichen. Alle Lei tungen waren aus hölzernen 7 Zoll weiten Röhren von quadratischem Quer schnitt hergestellt. Die Verdichtung derselben wurde durch pünktliche Verkittung aller Fugen mittelst Talg und Bleiweiß erzielt. Mit dem Durchschlag des Stollens der Südseite wurde eine natürliche Ventilazion des Stücks zwischen dem Schacht und der südlichen Mündung ge wonnen. Es beträgt nämlich die Temperatur im Tunnel und Schacht ungefähr 13" Reaumur und ist also beinahe das ganze Jahr hindurch höher als diejenige der Atmosphäre. AuS diesem Grunde fand immer von der südlichen Mündung durch den Tunnel und den Schacht hinauf eine Strömung statt, welche so stark war, daß sie durch Verengung des Profils mittelst Bretterwände vermindert werden mußte. Die Strecke nördlich des Schachtes mußte auf künstlichem Wege ventilirt werden, indem die starke Ansteiguug derselben schon bei einer Distanz von 808 Fuß jede Zirkulazion der Luft verhinderte. Es wurde die Einrichtung der Luftbeischaffung mittelst des Ventilators auf dem Schacht beibehalten, bis man in einer Entfernung von 4900 Fuß von der Mündung starke Quellen aufschloß. Das aus demselben entströmende Wasser (2h', Kubikfuß pro Sekunde) wurde nun in dem Gerinne I» auf ein oberschlächtiges Rad geleitet und dieses als Motor für den Ventilator benützt; letzterer bläst die gute Luft, welche i» der Tunnelstrecke von der südlichen Mündung bis zum Schacht beständig sich befand und erneuerte, durch die Röhre Z hindurch bis in den hintersten Theil des Stollens. Auf diese Weise wurde in der ganzen 5673 Fuß langen Strecke LsEdsÄ-r 'auörM^ck7'L^iwzion"'--ft/lt. Außerdem wurde durch die starke Bewegung des aus den Wänden und der Decke des Stollens und der Aufbrüche stürzenden Quellen ein großes Quantum guter Luft in den Tunnel gebracht, so wie auch der Umstand günstig war, daß das in der Sohle in kleinen Terrassen abfließende Wasser die durch die Minirarbeiteu erzeugten, schädlichen Gase (wenigstens die Kohlensäure) zum Theil absorbirte und mit sich fortriß. Die ganze Einrichtung gestattete den umfassendsten Betrieb der Minir- arbeiten; es kamen nie Unterbrechungen des Baues vor, bis mit dem Eintritt der guten Witterung in der Mitte des Monats Mai d. I. die Luft an der Oberfläche des Schachts wärmer wurde, als diejenige i», Tunnel und somit die Strömung durch den ersten aufhörte. Es trat die Nothwendigkeit -in, dies- wieder hervorzurufen, was in einfacher und wirksamer Weise durch den Betrieb des Erwärmungsapparats erzielt wurde, welchen ich in Folgendem näher be schreiben will. In einer Höhe von 10 Fuß über der Sohle des Tunnels wurde ein guß eiserner, runder Ofen von 15 Zoll Durchmesser aufgestellt, derselbe saß auf einer Platte von Gußeisen, welche zur Grundlage einen aus 3zölligen Bohlen gebil deten und in den Felswänden des Stollens gestützten, früher zur Ablagerung der durch den Schacht in den Tunnel geförderten Mauersteine dienenden Boden hatte. Von dem Ofen führte eine senkrechte 11 Fuß lange, 12 Zoll weite Röhre von Linien starkem Sturzblech durch den Boden, welcher ganz in derselben Weise wie der untere konstrnirt und noch mit einer 3 Zoll dicken Lehm schichte bedeckt war, hindurch in den Schacht. Eine weitere hölzerne Röhre ging durch den Boden, uni den in der nebenstehenden Schmiede erzeugten Rauch in den Schacht abzuleiten. Nachdem ein auf der Nordseite des Tunnels unter dem Schacht III. auf gestellter, ganz wie der vorstehende konstruirte Wärmapparat schon seit 14 Tagen die besten Dienste geleistet hatte, wurde der Ofen unter dem Schacht I. am 27. Mai zum ersten Male mäßig geheizt und dadurch sogleich eine vortreffliche Wirkung erzielt. Die aus dem Kamin entweichende Lust erwärmte diejenige im Schacht, und es entstand von dem Augenblick an, in welchem die Temperatur derselben diejenige der Luft im Freien überstieg ei» Zug aufwärts, so daß die Luft in. der Umgebung des Ventilators vollkommen rein war und zur Verbesse rung derjenigen des Hintern Theils des Tunnels benutzt werden konnte. Am nächsten Tage den 28. Mai ereignete sich das Unglück, welches so traurige Folgen hatte. Mittags IS'/, zzh, hörten der mit dem Heizen des Wärmapparats und der Unterhaltung des Ventilators und Wasserrads beauftragte Arbeiter Gautschi und die von ihm aus der nebenstehenden Schmiede hcrbeigerufenen Arbeiter ein Knistern in den obcrn Theilen des Schachts und bemerkten eine ungemein starke Luftströmung von dem Tunnel gegen oben. Zugleich beobachteten sie durch die Oeffnung im Boden neben dem Kamin, daß es im Schacht brennt. Unter dem Eindrücke des ersten Schreckens flüchteten sich alle diese Leute gegen die Mün dung, bis auf den Zimmermann Schweizer aus Württemberg, welcher in den Hintern Theil eilte, um die in demselben befindlichen Arbeiter (Maurer, Mineurs, Handlanger und Fuhrleute, zusammen 122 Mann) vor der ihnen drohenden Ge fahr zu warnen und zur schleunigen Flucht anfzufordern. In den Aufbrüchen Nr. XVI. und XVII. mußte er sich länger aufhalten, da seinen Vorstellungen von den dort beschäftigten Arbeitern nicht sogleich Gehör gegeben werden wollte, er schickte deßhalb den Schmiedejungen Eisiger ab Hauenstein noch 400 Fuß weiter rückwärts zu der in den Aufbrüchen und vor Ort befindlichen Mannschaft. Bei dieser zeigte sich derselbe Unglauben. Die Meisten waren der Meinung, es handle sich um eine eingebildete Gefahr. Zuletzt und nach vielem Zureden verließ der größere Theil (70 Mann) die Baustelle. Viele hatten sich noch Zeit genommen ihre Kleider zu wechseln und ihre Werkzeuge in Ordnung zu bringen. Die letzten passirten den Schacht 12'/, Uhr, V- Stunde nach der Ent deckung des Feners. Bereits waren brennende Holzstücke und Schutt aus dem Schacht herabgefallen. Zurückblieben im Ganzen 52 Mann. Rettungsarlieiteu. Das Aufsichtspersonal war zu dieser Zeit gerade in dem Bahnwarthänschen unterhalb der Mieser» beim Mittagessen. Bauführer Brennberger hatte die Nacht zuvor, Cloos am Vormittag die Arbeiten der Südseite überwacht und letzterer den Tunnel um 12 Uhr verlassen. Kauffmann war 12*/, Uhr von der Läufelfinger Seite zurückgekehrt. Auf die erste Kunde hin eilten alle drei in den Tunnel, fanden denselben aber beim Schacht bereits gänzlich abgesperrt, in dem sich aus den herabgefallenen, brennenden Hölzern und glühenden Schiefern ein Kegel bis zum Scheitel des Ausbruchs gebildet hatte. Es handelte sich nun darum schnell die Anordnungen zu treffen, welche die Rettung der abgeschlossenen Mannschaft hoffen ließen. Kauffmann erfaßte sogleich die Situazion und gab die nöthigen Befehle, das Feuer im Schacht zu löschen und den Schuttkegel zu durchbrechen. Mit dem Eingießen von Wasser von der Oberfläche des Schachtes konnte erst Mittags 3 Uhr begonnen werden, indem das Feuer in demselben bis um diese Zeit mit einer ungemeinen Heftigkeit wüthete und den Zutritt verhinderte. So tauge die t!u;r von unicu klnorwgcn ronnre, der Sug in, Schacht so stark, daß kleinere, brennende Holzstücke von dem Einbau an bis 50 Fuß über die Oberfläche hinaus, also auf eine Höhe von mindestens 200 Fuß geschleudert wurden. Alle im Ort Hauenstein und der Umgebung aufzutreibenden Fuhrwerke wurden sogleich requirirt und aus sämmtiicheu in der Umgebung befindlichen Brunnen 3 Tage lang bei Tag und Nacht Wasser beigeführt und in de» Schutt gegossen. Im Tunnel selbst begoß man unaufhörlich den Schuttkegel von der südlichen Seite aus mit Wasser und es gelang den Brand einigermaßen zu lösche», so daß man weuigsteus im Staude war am Kegel zu arbeiten, wenn auch gleich der Rauch das Aihmen sehr erschwerte. Mittags 2'/. Uhr von einer Jnsp-kzivn der Arbeiten im Aarauer Tunnel nach Olten zurückgekehrt, traf ich einen Boten, welcher mich an den Hauenstein- Tunnel rief. Ich begab mich eilends auf die Nnglücksstelle, die von Kauffmann geführten Mineurs und Zimmerleute hatten bereits mitten im dichtesten Rauche den Rettungsstollen auf circa 4 Fuß vvrgetrieben. Das Wasser der Quellen im Hintern Theile des Tunnels strömte durch das Ventilazionsrohr g und durch die Höhlungen an der Sohle des Tunnels unter dem Schuttkegel hindurch. Die Wasserleitung b, ebenso die beiden Holzböden, waren herabgeschlagen und lagen im Schutt. Nach unserer Berechnung, welche sich in der Folge als richtig erwies, konnte die Länge des Rettungsstollens kaum 35 Fuß betragen, und wir waren alle der besten Hoffnung, in längstens 24 Stunden znur hinter» Theil des Tunnels zu gelangen und die zurückgebliebenen Arbeiter zu retten. Für das Leben derselben hegte man bis dahin noch keine ernstliche Befürchtung, indem der Raum bei den Quellen ihnen eine Zufluchtsstätte bot, welche hinlänglich Luft zum Athmen besaß. Außerdem wurde aber noch durch die Leitung x Luft zu ihuen geblasen, indem das Wasserrad durch 12 Arbeiter mittelst einer schnell angeferligten Kurbel bewegt und dadurch der Ventilator in Wirkung gesetzt wurde. Die bei diesen Arbeiten (im Rettungsstollen, beim Löschen und Ventiliren) beschäftigte Mannschaft wurde im Anfänge alle V- Stunden, später alle Stunden regelmäßig gewechselt, so daß immer frische Kräfte in Thätigkeit waren. Der Rauch war bis Abends 8 Uhr noch nicht so stark, um das Verweilen auf die angegebene Dauer und das Brennen der Lichter zu verhindern. In der Voraussicht eines glücklichen Erfolges unserer Bemühungen beachteten wir den selben auch nicht, trotzdem daß mehrere ohnmächtig den Tunnel verlassen mußten, und wir waren alle voll guten Muthes, als gegen 9 Uhr eine Entwicklung von schädlichen Gasen sich bemerkbar machte, welche einen so traurigen Einfluß auf den Gang der Nettungsarbeiten ansübte.