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Olbersdorf bei Zittau ereignet. Daselbst geriet am Donnerstag ein Auszügler und Weber mit seiner Frau in Streit wegen eine« vermeintlichen Webfehlers, wor auf er ihr einen Strick um den Hals warf und ver suche, sie zu erdrosseln. Zum Glück für die bedrängte Frau kam in diesem Augenblicke die Schwiegertochter ins Zimmer, worauf der aufgeregte Mann entfloh. Erst am andern Tage sand man ihn als Leiche im Walde; er hatte sich erhängt. — Durch die Fabrikation wollener Kleiderstoffe sind in Gera und Greiz gegenwärtig 14000 Arbeiter be schäftigt; 13000 mechanische Webstühle und 4000 Hand- webstühle sind in Thätigkeit und der Umsatz dieser Waren hat im vergangenen Jahre weit über 60 Mill. betra gen. Den in Ronneburg wohnenden und in Gera be schäftigten Arbeitern wurde auf ihr Gesuch ein regel mäßiger Arbeiterzug zwischen beiden Städten bewilligt. — Der am 1. Septbr. entdeckte neue Komet ist nunmehr als identisch mit dem 1812 von Pons aufge fundenen Kometen erkannt worden und bereits jetzt eine auffällige Erscheinung für das Fernrohr, bis er von Milte Dezember bis Mitte Februar dem Auge sichtbar werden dürfte. Mit Ende des Februar hört aber eine günstige Beobachtung desselben in unseren Breiten auf. Gegenwärtig muß das Gestirn abends 9 Uhr im Nord westen des Himmels gesucht werden ; es ist in die Milch straße eingetreten und durchschreitet sie nun. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Kaiser Wilhelm ist von den Jagden im Harze, än welchen er auf Einladung des Grafen v. Stolberg- Wernigerode reilgenommen hatte, am 27. d. wieder in Berlin eingetroffen. — Die tiefe sittliche Bedeutung der bevorstehenden Lutherfeier ist neuerlich wieder vom deutschen Kronprin zen in einem Dankschreiben hervorgehoben worden, wel ches er an den Berliner Magistrat anläßlich des von diesem ihm zu seinem Geburtstage übermittelten Glück wunschschreibens gerichtet hat und das auch in seinem übrigen Inhalte bemerkenswert gtnug ist, um weitere Verbreitung zu finden. Kronprinz Friedrich Wilhelm schreibt: „Die Mir von dem Magistrat zu Meinem Geburtstage dar- ged.aa,ltn Glüclwuniche Haden Mich um so ausrichtiger erfreut, als Ich in denselben einen erneuten Ausdruck der treuen Teil nahme erblicke, von welcher Mir und Meiner Gemahlin zu allen Zeiten und namentlich in diesem Jahre aus Anlaß der Feier Un serer silbernen Hochzeit so überaus zahlreiche und wohlthuende Be weise seitens der Bevölkerung Berlins wie aus allen Teilen Deutsch lands zugegangcn sind. Die Kundgebung solcher Gesinnung ver- pflichtet nicht nur Mich und die Meinigen zu warmem Dank, sondern legt gleichzeitig ein beredtes Zeugnis ab für da« zwischen Fürstenhaus und Volt bestehende innige Verhältnis. Wie auf ihm, als einem festen Grunde, Deutschland« äußere Machtstellung ruht, so bielei e« auch die sichere Bürgschaft für die stetige und gesunde Entwickelung seiner inneren Zustände. Zu welch' gewaltigen An strengungen und großartigen Erfolgen die Einigkeit in der Liebe zu Fürst und Vaterland das deutsche Volk zu befähigen vermochte, davon wird das nationale Denkmal an den Ufern de» Rheins welches jüngst die ergreifende Weihe erhielt, zukünftigen Geschlecht, tern Kunde geben, wird sie mahnen, allzeit auszuharren in der Treue zu Kaiser und Reich. Möge dem deutschen Volke auch die dem Gedächtnis Luthers gewidmete Feier eine ernste, nie überhörte Mahnung sein, die unschätzbaren geistigen Güter, welche die Re- formation uns errungen, zu behaupten und zu pflegen." — Feldmarschall Graf v. Moltke hat am 26. d. seinen 83. Geburtstag gefeiert. Der greise Stratege ist am 26. Oktbr. 1800 zu Parchim in Mecklenburg geboren. — Die Einstellung der Rekruten wird bei der deutschen Armee in diesem Herbst genau in dem Zahlen- verhältnis wie schon seit einer Reihe von Jahren er folgen. Die Einstellung der 1- und 3- resp. 4jährig Freiwilligen wie der Oekonomiehandwerker hat bereits am 1. d. stattgefunden, die der gesamten anderen Mann schaften steht in der Zeit vom 5. bis 10. Novbr. bevor. — Auch in Preußen beginnen einzelne Bezirks regierungen damit, öffentliche Lustbarkeiten an den Lulher- festtagen zu verbieten. Um der auf den 10. und 11. November angeordneten kirchlichen Feier des 400jährigen Geburtstages Luthers einen ernsten und dauernden Eindruck zu sichern, veranlaßt die Regierung in Kassel die Landräte und Amtmänner in Verfolg eines Ersuchens des Konsistoriums dahin Anordnung zu treffen, daß die häufig in diese Zeit fallenden Kirmessen in den pro testantischen Gemeinden entweder noch im Laufe des Monats Oktober oder erst nach dem 11. November stattfinden und an den vorbemerkten Tagen auch öffent liche Tanzmusiken in diesen Gemeinden nicht gestattet werden. — Die städtische Behörde Berlins verteilt am 10. Novbr. an die Schuljugend der Gemeindeschulen nicht weniger als 145000 Exemplare der vom Hofprediger und Garnisonspfarrer Rogge in Potsdam verfaßten volkstümlichen Schrift über Luthers Leben. Für die Festfeier ist übrigens außer verschiedenen sonstigen Be willigungen von der Stadtverordnetenversammlung dem Magistrat die Summe von 150000 zur Verfügung gestellt worden. Dieser hat nun beschlossen, daß hiervon 100000 der in Aussicht genommenen Lutherstiftung und 50OM dem projektierten Lutherstandbild zuge- wender werden sollen, und wird hierzu von ihm die Zu stimmung der vorgenannten Versammlung unverzüglich eingeholt werden. — Das preußische Staatsministerium hat, wie man hört, in einer am 23. d. stattgehabten Sitzung den 20. Novbr. als den Termin für die Einberufung des preußischen Landtages ins Auge gefaßt. Unter den Vor lagen, die dem Landtage zugehen sollen, nennt man außer den die weitere Eisenbahnverstaatlichung betreffenden mit großer Bestimmtheit den Entwurf zum Bau des Rhein-Ems-Kanals, der in der vorigen Session durch den unerwarteten Widerspruch des Herrenhauses noch in letzter Stunde gescheitert ist. — Im nächsten Frühjahr wird auf dem Torpedo schießstand der Berliner Maschinenbauanstatt (früher Schwartzkopf) in Düsternbrook die Prüfung und Ab nahme von 100 phosphorbronzenen Fischtorpedos für die deutsche Marine beginnen. Jeder Torpedo kostet 10 OM der Preis für die ganze Lieferung beziffert sich demnach auf 1 Million — Die Aufstellung von Normalstatuten für die Einrichtung von Arbeiterkrankenkassen, mit welcher Ange legenheit sich jetzt die zuständigen Bundesratsausschüsse beschäftigen, begegnet erheblichen Schwierigkeiten. Die Ausführung würde von den Gemeinden oder Gemeinde verbänden besorgt werden müssen, und hierbei machen sich große Verschiedenheiten geltend. Man hat zunächst von den einzelnen Bundesstaaten die Aufstellung be sonderer Entwürfe von Normalstatuten eingefordert und wird auf Grund dieser Entwürfe versuchen, zu einem ! einheitlichen Verfahren zu gelangen. — Den jüngsten so günstigen Nachrichten über indu strielles Blühen in Schlesien stehen leider einzelne un erfreuliche aus dem Westen des Reiches entgegen. So schreibt die in Mannheim erscheinende „Neu Bad. Lan deszeitung": Eine recht traurige Ucberraschung wurde einem großen Teil der Lanzschen Arbeiter zu teil, näm lich die Entlassung. Noch vor ca. 6 bis 7 Wochen ar beitete die Fabrik mir über 7M Arbeitern mit Ueber- stundcn, und in den letzten 14 Tagen wurden 2M Ar beiter aller Geschäftsbräuchen wegen Ueberfüllung der Lager und Mangel an Neubestellungen entlassen, und man fürchtet sehr, daß noch weitere Reduzierungen der Arbeitcrzahl erfolgen werden. Auch in den übrigen Ma schinenfabriken, mit Ausnahme der Pallenbergschen, ist es ziemlich flau. Aus dem Siegcrlande kommen ebenfalls Nachrichten über Arbeiterentlassungen auf den dortigen Gruben, sodaß es immer mehr den Anschein gewinnt, als bereite sich wieder ein Rückgang in der Industrie vor. — Das „Militärwochenblatt" schließt einen Artikel über das französische Heer und die allgemeine Wehr pflicht mit folgender Zusammenfassung: „Als Gesamt- resultat unserer Betrachtung darf man wohl die Be hauptung als erwiesen ansehen, daß die französische Armeeorganisation sich wohl den Buchstaben der deutschen Einrichtungen, aber nicht den belebenden Geist derselben anzueignen verstanden hat, daß bei aller Anerkennung für die ungeheuren Leistungen des Staates und der Möglich keit, eine imponierende Streitmacht organisiert aufzu stellen, der Charakter der Massen, welchen jene bilden, infolge der Widersprüche in den gesetzlichen Bestimmungen, ein wenig gleichartiges Gepräge hat. Die Gleichartigkeit ist aber der Inhalt aller Kraftbedingungen des Heeres. So lange Selbstzucht, Erkenntnis und Selbstverleugnung, diese wahren Soldatentugenden, in der deutschen Armee Lebenskraft besitzen und derselben das einheitliche I Charaktergepräge geben, wird sich dieselbe als ein fester I Fels erweisen, an welchem die Brandung der feindlichen I Streitmassen machtlos zerschellt." — Ueber den außerordentlichen Erfolg der Natural pflege als Abfindung der Wanderbettler im Weimari- schen veröffentlicht Oberbürgermeister Pabst zu Weimar l interessante Zahlen. Sie hat aller strafbaren Landstrei cherei ein Ende gemacht; denn während diese Plage im Jahre 1876 von weniger als 1M jährlichen Bestraften auf 338, 440, 451, 459, 427 und dan:: im Jahre 1881 gar auf 628 stieg, 1882 noch 363 Bettler um faßte und in der ersten Hälfte des laufenden Jahres 229, sank sie, als die neue Einrichtung getroffen war, im Juli auf 5, im August auf 3 und im September auf 5 Individuen. Die neue Einrichtung aber ist sehr einfach. Gemeinden und Antibettelvereine des Großher zogtums haben sich verbunden, stationsweise den mittel losen Wanderern Marken für Speise und Nachtquartier verabfolgen zu lassen, aber kein Geld; und da die Jn- ässen das wissen, entwöhnen sie selbst sich des Gebens an Unbekannte. Nur derjenige, welcher sich leidlich legitimieren kann, empfängt jene Anweisungen. Wer der seit kurzem hergestellten Nachweisung von Arbeit sich entzieht, wird zurückgewiesen. Das wilde Betteln, sagt der Weimarer Oberbürgermeister, habe in Stadt und Land so gut wie ganz aufgehört, und die jetzt noch an- prechen, seien verhältnismäßig ordentliche Leute. Der artige Behandlung der umherreisenden Bettler ist gerade ebenso wichtig, wie die so rasch in Zug gekommene Ver vielfältigung Wilhelmsdorfs, wenn wir die Landstreicherei endlich los werden wollen. — Die Berliner Stadtverordnetenwahlen werden durch die 10 oder 12 Stichwahlen, welche in wenigen Wochen startfinden, ihren Abschluß noch nicht gefunden haben, da eine Anzahl Doppelwahlen teils bereits vor liegt, teils eben durch die Stichwahlen noch zu erwarten ist. So ist der dcrmalige Stadtverordnetenvorsteher vr. Straßmann bereits dreimal gewählt, andere sind ein- und zweimal gewählt und kommen außerdem noch zur Stichwahl. Man glaubt, daß die mehrfach gewählten fortschrittlichen Stadtverordneten die auf sie in der 3. Ab teilung gefallenen oder etwa nach fallenden Wahlen an nehmen werden, die bekanntlich dem Fortschritt am ge fährlichsten ward, da in ihr allein die Konservativen und Sozialdemokraten Erfolge hatten, während sie in der 2. und 1. Abteilung keine Kandidaten durchbringen tonnten. — Zu der Gothaer Etikettenstreitaffairc ist berichti gend zu bemerken, daß der Schloßhauptmann v. Padberg früher nicht Reisender der Licbcrmannschen Kattunfabrik zu Berlin war, sondern für das Haus N. Reichenheim u. Sohn in Berlin reiste. — Elsaß-Lothringen. Die Rekruteneinstcllung für die Garnison Metz, welche nächst Berlin nicht bloß die stärkste, sondern auch die am mannigfaltigsten zu sammengesetzte des Reiches ist, findet in diesem Jahre am 8. Novbr. statt. Die stärksten Rekrutentransporte kommen aus Westfalen (für das 42. und 45. preußische Infanterieregiment) und aus der Pfalz (für die bayeri schen Truppenteile). Weitere Transporte treffen aüS der Rheinprovinz, aus dem Königreiche Sachsen, aus Hannover und Braunschweig ein. Auch Hessen und Hohenzollern liefern kleinere Rekrutenäbteilungen. — Der in Untersuchungshaft genommene Reichstags abgeordnete Antoine ist am 28. d. auf Verfügung des Reichsgerichts aus der Haft entlassen worden. Antoine hatte zu seinem Verteidiger den als sehr gewandt gel tenden Rechtsanwalt l)r. gur. Müller in Rietz erwählt. Letzterer hatte bereits wiederholt Unterredungen mit sei nem Klienten gehabt und zunächst Beschwerde über des sen Verhaftung geführt. Wenn die Antwort darauf ab schlägig ausgefallen wäre, würde Antoine seine Freilassung gegen Bürgschaft beantragt haben. Um diese zusainmen- zubringen, soll bereits eine Subskriptionsliste in Umlauf gesetzt worden und das Ergebnis ein derartiges gewesen I sein, daß cs möglich gewesen wäre, fast jede gewünschte Summe sofort herbeizuschaffen. — Die amtliche Zeitung des Ministeriums giebb aus Anlaß der bevorstehenden Einführung der deutschen Sprache bei der Metzer Gemeindeverwaltung folgende Statistik der Metzer Bevölkerung: die französisch redende I Bevölkerung betrug 23571, die deutsch redende Zivil- I und Militärbcvölkerung 24414, Ausländer verschiedener I Nationalität 5146, Summa 52131. Oesterreich - Ungarn. — Ein militärisches Jubiläum seltenster Art wird demnächst begangen werden; eines der berühmtesten und populärsten Regimenter des kaiserlichen Heeres, die Sa voyen-Dragoner Nr. 13, rüstet sich zur Feier des 200- jährigen Jubiläums jenes denkwürdigen Tages, an wel chem der jugendliche Held Eugen Prinz von Savoyen,, einer der glorreichsten Heerführer des Reiches, zum Oberst-Inhaber des Regiments ernannt wurde. Das Regiment selbst ist nur 1 Jahr und einige Monate früher entstanden, als es seinen zweiten und unsterblichen Inhaber erhielt. — In Kroatien werden gegen die Revoltanten im ehemaligen Grenzgebiete die Untersuchungen eifrig fort gesetzt. Die Anklagen lauten auf Verbrechen des Auf ruhrs, öffentliche Gewaltthätigkeit, schwere körperliche Verletzung, Diebstahl, Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. Demnächst finden die Schlußverhand lungen gegen 156 Angeklagte aus verschiedenen Ort schaften statt. — Der Landesausschuß von Mähren beabsichtigt zur Verminderung der Vagabondage, dem deutschen Beispiele folgend, im Lande Arbeiterkolonien zu errichten, zu wel chem Zwecke er einen Fachmann nach Westfalen entsen den will, der die Kolonie Wilhelmsdorf besichtigen und darüber Bericht erstatten soll. Frankreich. — In der internationalen Konferenz zum Schutze der submarinen Kabel, welche in der jüngsten Zeit in Paris versammelt war, hat in der Schlußsitzung der Minister für das Postwesen, Cochöry, konstatiert, daß. der Entwurf einer Uebcreinkunft jetzt einstimmig von den Delegierten von 32 Staaten festgestcllt worden und daß nur noch über die Frage des Schutzes in Kriegszeiten Beschluß zu fassen sei, welche Frage noch der Prüfung seitens der Diplomaten zu erfahren habe. Coch^ry hoffte, daß aus dem Entwürfe binnen 3 Monaten ein interna tionaler Vertrag werden würde. — Der Kriegsminister Campenon hat den Zeitungen den Eingang in die Kasernen verboten. — Die von Behörden und Privaten angestellten Ermittelungen über die Ursachen der gegenwärtigen ge drückten Lage der französischen Produktion schreiben eine Hauptschuld der Unbeholfenheit der französischen In dustriellen im Hinblick auf das Welthandelsgeschäft zu. Der Geschäftsmann kann auf den Kunden warten oder