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Josef Wallenstein, beabsichtigt im nächsten Mo nat eine Dampfdroschke in Betrieb zu setzen. — Unglücksfälle und Verbrechen. In Gro ßenhain hat fich der KirchenrechnungSsührer Bätz durch Erhängen selbst entleibt; in der von ihm verwalteten Kasse hat sich ein Deficit von 10 000 M. gesunden. — B« einem Kaufmann in Lausigk wurde durch nächtlichen Einbruch eine Summe von über 700 M. gestohlen. Als Thäter entpuppte sich gar bald der eigene Commis des Geschädigten. — Einem erst einen Tag in Beschäftigung getretenen Arbeiter des Eisenhütte! Werkes zu Schmiede berg ist am Dienstag ein Stück glühendes Eisen in das Ange gesprungen, wodurch der Augapfel zerstSrt wurde. TageSgeschichte. Deutsches Reich. Der jetzt in Berlin tagende volkswirth- schastliche Congreß, an dem auch österreichische und andere außerdeutsche Volkswirthe theilneh men, nahm zur Frage über die Versorgung Eu ropas mit Brod mit allen gegen 11 Stimmen eine Resolution an, welche die Zufuhren von Brodkorn aus anderen Ländern für eine Noth wendigkeit erklärt. Der Gewinn, der durch die Getreidezölle unter gewissen Verhältnissen Einzel nen zugeführt werden könne, stehe in keinem Verhältnisse zu dem dadurch der übrigen Be völkerung zugesügten Schaden. — Zu den für die nächste Session des Reichs tages in Aussicht genommenen Steuervorlagen gehören nach den noch nicht bestätigten Angaben der Berliner Blätter die Erhöhung der Brannt wein- und Zuckersteuer; auch die Wehrsteuer wird beantragt. — Die Reichscommission zur Bearbeitung einer neuen Pharmakopöe hat am 18. d. mit 32 ge- gegen 2 Stimmen beschlossen, das Deutsch — statt des bisher üblichen Lateinisch — zur allei nigen Textsprache des zukünftigen „Arzneibuchs für das deutsche Reich" zu bestimmen. — Das Landgericht in Lissa (Posen) verur- theilte am 20. d. den ultramontanen Grasen Czernicki, welcher auf seinem Schlosse eine Fahne mit der Inschrift „Tod den Deutschen" hatte anbringen lassen, zu Zmonatiger Gefängnißstrafe; der Staatsanwalt hatte 18 Monate beantragt. — Der hannover'sche Provinziallandtag hatte am 21. d., nachdem die 12-jährige Dienstzeit v. Bennigsen's als Landesdirector abgelausen, die Wahl eines solchen zu vollziehen und wählte mn 46 Stimmen Bennigsen wieder; 24 weiße Zettel waren bei der Wahlhandlung abgegeben worden. — Die vom Reichstage für die Erforschung Asrikas bewilligten 75000 M. sind nunmehr von der „Afrikanischen Gesellschaft" für folgende Unternehmungen bestimmt worden: 32000 M. erhält die Expedition von G. Rohlfs nach Abes sinien, 16000 M. wurden für v. Schmeier in Zanzibar bestimmt und 25000 M. bleiben für die Reise vr. Pogge's nach Südafrika. Oesterreich - Ungarn. — Das Mißfallen, welches die seit einiger Zeit in Ungarn übliche Agitation gegen deutsches Wesen in den Kreisen des deutschen Auslandes erregt, wacht sich, wie aus Pest geschrieben wird, bereits aus materiellem Gebiete fühlbar. Einer angesehenen Mühlenfirma wurde von einem ih rer bedeutenden deutschen Abnehmer die Ge schäftsverbindung mit der offenen Molivirung gekündigt, daß man bei den obwaltenden Um ständen keine Verbindung mehr wolle. Zwei renomirten Schriftstellern deutscher Zunge kün digten ihre Verleger in Deutschland die Verträge. Auch in Wien beginnt man, gegen die magyari sche Deutschenhetze Revanche zu üben. Mehrfach wurde in Restaurants das Aufspielen ungari scher Weisen dort auftretender ungarischer Ka pellen mit Zischen und Pfeifen unterbrochen, so daß der Vortrag enden mußte. Türkei. — Wie der Wiener „Polit. Corr." aus Kon stantinopel gemeldet wird, bestehen Vie Schwie rigkeiten in der Dulcignofrage darin, daß, wäh rend Montenegro daraus besteht, die Abtretung des Districts von Dulcigno solle gleichzeitig mit der Abtretung der Stadt Dulcigno erfolgen, die Pforte vorerst den jetzigen Besitzstand östlich des Skutarisees ausrecht halten will und die Lösung dieser Frage späteren Botschafterverhandlungen in Konstantinopel vorzubehalten wünscht. — Die „Agence HavaS" läßt sich melden, anläßlich der Verzögerung der Uebergabe Dulcignos hätten Frankreich, Oesterreich und Italien ihre Ver treter in Konstantinopel angewiesen, dem Sultan sein Versprechen, Dulcigno bedingungslos über geben zu wollen, in Erinnerung zu bringen. Weiter meldet das Blatt aus Ragusa, Riza Pa scha habe energische Maßregeln für die Ueber gabe Dulcignos getroffen und zwar solle dieselbe in Gegenwart von Repräsentanten der europäi schen Mächte erfolgen, was Fürst Nikita zur Be dingung gemacht habe. Es seien infolgedessen Delegirte des Geschwaders nach Cettinje abge gangen. Bulgarien. — Prinz Heinrich von Battenberg, welcher bekanntlich früher in der sächsischen Armee diente und sodann nach Sofia ging, um am Hofe seines Bruders eine hohe militärische Stellung einzu nehmen, ist nun wieder nach Deutschland zu rückgekehrt und als Seconde-Lieutenant in das rheinische Königs-Husaren-Regiment eingetreten Dem jungen Prinzen konnte es nicht gefallen in dem schmutzigen Sofia und schleunigst suchte er daher das Weite, um es bald wieder mit civilisirten Verhältnissen zu thun zu haben. Ue- brigens soll Fürst Alexander selbst von gleichen Gesühlen beseelt sein; der Einfluß von St. Pe tersburg aus gestattet ihm aber nicht, denselben freien Lauf zu lassen Griechenland. — König Georg ist nach längerer Reise nach Athen zurückgekehrt und hat am 21. d. die De- putirtenkamnier mit einer Thronrede eröffnet, in welcher er dankend hervorhebt, daß die Mächte Griechenland eine neue Grenze zugesprochen hät ten und bereits mit der Ausführung des Berli ner Vertrages beschäftigt seien. Daraus ergebe sich für Griechenland die Verpflichtung zum Han deln; die Armee werde bis zur neuen Ordnung der Dinge in den neuen Provinzen unter den Waffen bleiben. — Die „Times" bringt eine bemerkenswerthe Besprechung der griechischen Frage, und spricht hierbei dir Hoffnung aus, der König von Grie chenland werde das Ungestüm seiner Untertha- nen zu zügeln vermögen. Vorerst seien die Großmächte noch nicht gewillt, gemeinsam für die Durchführung der Bestimmungen der Berli ner Conferenz einzutreten. England könne nicht allein handeln, insbesondere da Frankreich, wel ches hauptsächlich die griechischen Ansprüche be fürworte, znrückstehe. Der gegenwärtige Zeit punkt sei für eine griechische Action nicht gelegen. Eine reifliche Ueberlegung und die Rücksicht auf seine unentbehrlichen Alliirten würden Griechen land nölhigen, seine Rüstungen zu mäßigen. Vermischtes. * In Portugal wurden am Vormittag des 21. d. leichte Erderschtttterungen beobachtet; auch in Madrid und mehreren andern spanischen Städten ist um dis gleiche Zeit ein leichtes Erd beben fühlbar gewesen, welches aber keinen be- merkenswerthen Schaden anrichtete. Gleichzeitig herrschte heftiger Sturm. * Unter der Anklage des Mordes und eines Verbrechens gegen die Sittlichkeit stand am 15. und 16. d. ein 42 Jahre alter Strohhändler aus Bochum, Vater von 6 Kindern, vor dem Schwurgericht. Die Oeffentlichkeit war ausge schlossen. Die Verhandlungen wurden aus An trag des Staatsanwalts abgebrochen und endig ten mit Freisprechung, weil jeder Beweis für die Schuld des Angeklagten fehlte, welcher seit März d. I. sich in Untersuchungshaft befindet, mithin 7 Monate unschuldig gesessen hatte unter dem Verdachte, das schwerste Verbrechen began gen zu haben. Die Untersuchung hat die Kraft des Angeklagten so gebrochen, daß er auf Bet ten in den Sitzungssaal getragen und mit Wein fortwährend gestärkt werden mußte, weil ihm das Athmen bereits schwer wurde. — Dagegen wurde von der Strafkammer zu Münster ein 83jähriger Landmann aus Darup, welcher auf 2 Stöcken mühsam auf die Anklagebank hinkte, wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit zu 1^ Jahren Zuchthaus verurtheilt. * Im böhmischen Dorfe Littmiß bei Falkenau an der sächsischen Grenze hat am 16. d. ein Sohn, wie man glaubt infolge geistiger Gestört heit, seinen Vater erschossen. Letzterer saß ruhig beim Mittagsessen, als der 28-jährige Sohn, der neben ihm seinen Platz eingenommen hatte, plötzlich einen Revolver aus der Tasche zog und denselben auf ihn abdrückte. Die Kugel drang durch den Hals, doch war sie nicht sofort tödt- lich, denn der Schwerverwundete verschied erst nach langem Todeskampse gegen Abend. * Die Sicherheitszustände in Paris lassen immer noch sehr viel zu wünschen übrig. Kürz lich wurde Nachts ein Polizeiagent in einer Kneipe einer berüchtigten Gasse ermordet. Eine Anzahl verrufener Kerle fiel über ihn her und einer schoß aus des Agenten eigenem Revolver zwei Kugeln auf ihn ab. * Wie eine jede Mutter weiß, bekommt sehr oft den kleinen Kindern die zur Nahrung ge reichte Kuhmilch nicht vom Besten, wie häufige Erbrechungen und Durchfälle beweisen. Solche Milch ist ost säuerlich, der Käfestoff ungemein schwer verdaulich und die Nahrung sehr ungleich. Letzterem Uebel kann man leicht begegnen, indem man einen Löffel von der bekannten Kindernah rung Krastgries an die Milch kocht. Dann kann der Käsestoff nicht mehr klumpig, sondern nur ganz dünnfaserig gerinnen, die Säure ist entfernt und die Nahrung der Frauenmilch che misch gleichwerthig, und was sehr wesentlich, immer gleichmäßig, so daß sie den Kleinen sehr wohl zu bekommen pflegt, wie denn auch ihr geringer Preis ihre Anwendung keinem Stande verwehrt. * Von der deutschen großen Presse benutzt zu nächst das „Berliner Tageblatt" die Erfindung des Telephons zur beschleunigteren ausführlichen Berichterstattung. Dasselbe hat sich die Benu tzung einer eigenen telephonischen Verbindung gesichert, welche seine Redaction mit dem Reichs tage, dem Abgeordnelenhause, der Börse und dem Central-Fernsprech-Vermittelungs-Amt in directen Rapport setzt. * Der altczechifche Club in Prag hat beschlos sen, das Geburtshaus des Reformators Johann Huß in Hussinetz als Nationaleigenthum zu er werben. Zn diesem Zwecke wird ein Comitee eingesetzt, welches die nöthigen Schritte einleiten soll, das betreffende Haus für 3800 fl. anzu kaufen und entsprechend zu restauriren. * Die gesammte Baumwollenspinnerei der Erde beschäftigt nach der Zusammenstellung amerika nischer Fachjournale jetzt 71H Millionen Spin deln. Davon kommen auf England allein 39H Millionen, also schon über die Hälfte; in Frank reich sind 5 Millionen Spindeln, in Deutschland gegen 5 Millionen, in Rußland nicht ganz 3 Millionen, in Oesterreich nur nahezu 2 Millio nen in Thätigkeit. England am nächsten kommt Nordamerika mit 10 Millionen. * Auch in München hat eine Dame das hu manistische Gymnasium mit der I. Note absol- virt. Dieselbe gedenkt sich den medicinischen Studien zuzuwenden und wird vorerst die Mün chener, dann die Heidelberger Universität beziehen. * Das mit jedem Jahr zunehmende Seicht werden des Wolgastromes bedroht in bedenklich ster Weise die Zukunft der Stadt Saratow. Man hat berechnet, daß, falls die Versandung des Landungsplatzes so fortschreitet, wie dies bisher der Fall gewesen, die Stadl in 2 bis 3 Jahren bereits auf sandiger Niederung, einige Werst vom Ufer entfernt, liegen wird. Der Kampf gegen das unvermeidliche Uebel übersteigt allem Anschein nach die menschlichen Kräfte. Weder Millionen von Rubeln, noch Tausende von Arbeitshänden sind im Stande, die Bildung der immer breiter und höher werdenden Sand- anschwemmungen, welche die schmalen Wasser-