ZUM PROGRAMM reichen, sodass sich der Begriff der Über nahme in der Entstehungsgeschichte und Konzeption des „Weihnachtsoratoriums“ entscheidend relativiert. „Es wäre nach gegenwärtigem Forschungsstand mithin denkbar, dass die Herkules-Kantate zwar originär, aber bereits mit Blick auf eine künftige Weihnachtsmusik entworfen war, während die Maria-Josepha-Kantate plan mäßig für das Projekt des Oratoriums zurechtgeschrieben wurde, und die Kanta te vom Oktober 1734 nur das Randpro dukt eines weitgehend abgeschlossenen Schaffensprozesses darstellte.“ (Klaus Jörg Schönmetzler) Vor allem die dramaturgischen Überein stimmungen zwischen Teilen der genann ten weltlichen Kantaten und dem „Weih nachtsoratorium“ sprechen für eine früh zeitige Gesamtkonzeption, die die Gren zen zwischen Original und Übernahme verwischt, und die Bach auch in der kom positionstechnischen Praxis entgegenkom men sollte. Mit seiner Stellung als Tho- maskantor in der Leipziger Provinz damals nicht unbedingt zufrieden, hatte er sich in Dresden um die Stelle eines sächsischen Hofcompositeurs beworben und arbeitete daher mit besonderer Akribie an den zahl reichen Gelegenheitswerken für die ver schiedensten Feierlichkeiten am sächsi schen Hof. Um zu verhindern, dass diese Werke nach einer einmaligen Festauf führung dem Vergessen preisgegeben wären, bot sich mit einer feierlichen Weihnachtsmusik die Möglichkeit, Teile dieser Arbeiten einem größeren Publikum vorzustellen und ihnen zumindest im Kir chenrepertoire einen Platz zu sichern. Auch an der Konzeption der dafür not wendigen neuen Texte für das „Weih nachtsoratorium“ war Bach selbst maß geblich beteiligt und arbeitete hier wahr scheinlich mit Christian Friedrich Henrici zusammen, der unter dem Synonym Picander in der barocken Literaturge schichte kein Unbekannter ist. Zu den bekanntesten Parodien zählt die Übernahme des Eingangschores aus der Glückwunschkantate für Maria Josepha: „Tönet, ihr Pauken, erschallet, Trompeten“ wandelt sich im „Weihnachtsoratorium“ in „Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage“. Hier wie dort ist die Grundstim mung letztlich die gleiche, wenn zum einen ein weltlicher Fürst, zum anderen der himmlische Herrscher gepriesen wird. Eine derartige Verehrung war dem absolu tistischen Glauben an das Gottesgnaden- tum der irdischen Herrscherhäuser durch aus angemessen, und so konnte diese Übereinstimmung keinerlei theologische Bedenken hervorrufen. Auch das Wiegen lied „Schlafe, mein Liebster“ aus der zwei ten Kantate gehört zu den viel zitierten Parodien des „Weihnachtsoratoriums“.