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wie vom fortschrittlichen Standpunkte nötig sei. Er wünsche umsomehr Einigung, als sä die Parteien nicht das Ziel: das Beste für Ritch' Und Volk, scheide, sondern nur der Weg zu diesem, möge derselbe ohne Gehässigkeit, ohne Verleumdung beschritten werdenl Bezüglich derLand- tagSwahlbewegung bemerkte der Redner, daß zwar bei der Wahl des bisherigen Abgeordneten Hrn. Schieck ssn. die Fortschrittspartei sich getrennt habe, daß sie dabei aber nur von der Pietät gegen den vorhergegangenen Vertreter des Kreises, Hrn. Prof. Wigard-Dresden, ge leitet worden sei ; trotz der Niederlage sei bei ihr aber keine Bitterkeit geblieben; wie ihr Eintreten für vr. Gen sel bei der 77ev und 78er Wahl bewiesen. In außer ordentlich anerkennender Weise gedachte er als ehemali ger Landtagskollege der Tätigkeit des Hrn. Schieck als Abgeordneter, der namentliche in der allerdings nicht in die Oefsentlichkeit tretenden Funktion des Sekretairs der Rechnungsdeputation emsig und höchst pflichtgetreu ge wirkt und allezeit unter Hochhalten, der Fahne der ech ten Freisinnigkeit die währen Interessen des Landes ver treten habe. So sehr es ihm GenugthUung sei, die An erkennung so vorzüglicher Mandatsführung hier auszuspre- obengenannten Fragen in den wichtigsten der dem Reichs tage vorgelegten Gesetze (Steuer-, Jnnungs-, Unfallver- sicherungsgesctz), welche er als gegen den Liberalismus bestimmte Agitationsmittel bezeichnete, in gründlichster Weise erläuterte und die Stellung der Fortschrittspartei zu denselben darlegte. Redner forderte die Versamm lung auf, unter dem Banner des entschiedenen Liberalis mus in den Wahlkampf einzutreten ; auch die Arbeiter würden einsehen gelernt haben, daß ihre wahren Freunde unter den Liberalen seien, die nicht blos erst versprechen .und dann die Flinte ins Korn werfen und gar ihr Vaterland verlassen, sondern die redlich für eine Ver besserung der Zustände arbeiten. Nach dem Unfallver sicherungsgesetz werde der Arbeiter nicht ein gleichberech tigter Bürger, sondern ein Staatsarmer. Die Wahl parole solle sein: ein einiges, großes, starkes, im In nern freies, auf die breiten Schichten des Bürgertums sich stützendes Reich. Mit diesem mit lebhaftestem Beifall aufgcnommenen Vorträge, an den trotz der von Hrn! vr. Günther erklärten Bereitwilligkeit, zu weitern Aus- künften auf Befragen bereit zu sein, eine Debatte sich nicht schloß, war die Tagesordnung erledigt. An die Versammlung schloß sich eine gesellige Vereinigung der hiesigen Parteigenossen mit den Rednern des Abends und den von Chemnitz» Flöha und Plaue herbeigekommenen Gesinnungsgenossen. f Aus der Umgebung unsrer Stadt wird uns mit geteilt, daß in den letzten kalten Tagen eine Maste Schwal ben tot iw den Fluren aufgefundea worden sind, eint Klage, die gleichzeitig,.aus den verschiedensten Gegend den Sachsens ertönt. In ganzen Scharm hat man diese niedlichen und nützlichen Tierchen verendet gestanden. IN Moritzburg allein schätzt, man die Zahl der dort am Sonntag aufgelesenen Tiere, dietagelang vorher schon am bet Rät unsrer Stadt im amtlichen Teile der vorliegen den Nummer bekannt: ein schlichter Bewohner, der frü- het ist Mühlbach wohnhaft gewesene Zimmermann Hr. Karl Gottfried Richter, hat in danwarer Erinnerung daran, daß er hier stets sein Fortkommen gefunden hat, dÄ Stadtgemeinde 300 M. gejchenkt, Welche zu gleichen Teilen der Realschulstiftung und der Meinkinderbewahr- onstalt zufließen sollen. P Die öffentliche Versammlung, welche für gestern Abend der fortschrittliche Wahlverem im 15. Rsichs- tagswahlkreise in den Benedixschen Saal einberufen hatte, war zahlreich — auch von Mitgliedern anderer Par- teien — besucht. Hr. Kurt Starke-Frankenau begrüßte aks Borsttzmder des Wahlvereins die Anwesenden unter Ausdruck des Dankes für das zahlreiche Erscheinen und gab dann eine gedrängte Geschichte der Wahlbewegung im diesseitigen «resst. Seine Partei habe sich bisher an derselben nicht beteiligt, obwohl an mehreren Orten schon Verein^: bestanden, um die große liberale Sache nicht zu schädigen. Inzwischen sei die Sachlage wesent lich verändert worden. Man habe von gewisser Seite der Fortschrittspartei den Borwurf gemacht, sie sei reichs feindlich und prinzipiell gegen Bismarck; es sei das aber völlig unbegründet, sie habe ihn in, seiner großen natio nalen Politik unterstützt, er habe aber M groß« Schwen kung, gMacht; und nun gelte es, den reaktionären Be- strebNngrn, einen DäNnn entgegenzosetzen. Während die Gezessionisten in den Kampf hietzw mit eiMtreten, habe stch ein, Teil der Nationalliberalen noch nicht angeschlos- c sen und diesen halte die Fortschrittspartei, die in den jüngsten Wahlen wesentliche Erfolge erreicht und nach ei nem Aufrufe zum Sammeln in unserm Wahlkreise schon ' über 250 Mitglieder zähle, die Gegenüberstellung von entschieden freisinnigen Kandidaten für nötig. So habe sie fttr den 15. Reichstagswahlkreis einen eignen Kan didaten in der Person des Hm. Rechtsanwalt Harnisch in Chemqitz aufgestellt, mit den Konservativen und National liberalen Verständigung über eine einzige ordnungspar teiliche Kandidatur gesucht und dabei die Erwartung ausgesprochen, daß-Ms Schditerns letzter» Planes d'er Kampf ohne Gehässigkeit geführt werde. Die Konser vativen haben bisher eine Entschließung noch nicht ab- acben können, der Reichsverein habe die Nittyammersche KvtnpromWndidatur vorgeschlagen, auf die der Fort schritt bei aller Achtung vor diesem Ehrenmanne nicht habe eingehen könNen, da er ihn nicht für so liberal halte, gen alle Tamell war, ohne eint darunter zu bevorzugen. Dennoch wollten — bei Gelegenheit eines diskreten Damenkaffees — einige Mütter, Tanten und „ältere VchMMäV' Mündershausens behaupten, der Herr As- seffor habe in seiner Eigenschaft als Lieutenant der Reserve, gelegentlich einer fechswächentlichen Hebung» feint Mannschaft stets den Umweg durch die Ringstraße an desBürgermeisters Wohnung vorüber geführt, habe gerade unter den Fenstern derselben den Signalist«» stets das Zeichen zum Blasen gegeben und dem hinter den Gardinen lauschenden schönen Klärchen feurig sälutiert, allein diese Ehrenerweisungen konnten ebenso gut dem würdigen Stadtoberhaupte als dessen reizen der Tochter gegolten haben. Jedenfalls vermochte niemand — und vielleicht das schöne Klärchen selbst nicht — in dieser Beziehung mit einen: positiven Beweise hervorzutreten, und so flossen den Wundershausenern die Tage in friedlicher Stille ungetrübt dahin. Die Zeit des großen Bogenschützenfestes rückte Hera» und schon rüstete die Bürgerschaft zu dessen Feier, da in die diesjährige die gleichzeitige SäkUlarfeier der M-jährigen Bestehens der Schützengilde fiel — deren Korporationsurkunde noch aus der Zeit de» großen Kurfürsten stammte — und demgemäß mit besonderem Pompe begangen werden sollte- (Fartschun, seist.) Schlosse Schutz vor Kälte und Regen und wob? auch Nahrung gesucht haben mögen, auf Tausend und ähnliches wirb aus Königstein, Freiberg, dem Vogtlande, Leipzig gemeldet. Das kalte Wetter ist nicht allein die Ursache dieseS großen Sterbens, sonder» vielmehr Vie Wittke, denn es verhindert das Hervorkommen der Insekten, der einzigen Nahrung der Schwalben, deren eine einzige täg lich Massen der allerdings winzigen Insekten wegfängt und verzehrt. Vielfach wurden auch Schwalben, die man zu retten versuchte, über und über mit käferartigem und anderem größeren und kleineren Ungeziefer bedeckt gefunden. — Das Ministerium des Innern macht darauf auf merksam, daß bei Waldbränden die Einwohner der nächst gelegenen Ortschaften zur Hilfeleistung verpflichtet sind. Die Verweigerung dieser Hilfeleistung, soweit sie nicht dllrch erhebliche eigene Gefahr begründet ist, wird nach dem Reichsstrafgesctzbuch mit Geldstrafe bis zu 150 M. oder mit Haft bedroht. — Am Donnerstag haben die diesjährigen Millerie- schießübungen auf dem Schießplätze bei Zeithain begonnen. Da« nunmehr vollendete^ aus. Weichsmitteln erbaute Barackenlager umfaßt 6 Pferdeställe, wovon 5 für je 105. und 1, für 129 Pferde, 1 Offizierspferdestall mit Ständen für 12 Pferde, 6 Mannschaftsharacken, 1 Ba- racke fÜdLt» Brigade- und RegimeNtsstab, 1 Baracke für 3 Abteilungsstäbe, 1 OffizierSbäracke, 1 Offizicrs- kasino, 2 Marketendettien, 2 Schweden, 1 Krankettstall, 1 Wache, 1 Badeanstalt, 1 MaschinenhiMs, 1 Wasser- Hebewerk mit Reservoir, 1 Fouragemagazine, 1 Spritzen haus und 5 Latrinen. Das Barackenlager liegt >tn Gohrischwald, j Stunde von Zeithain und Stunde vom Bahnhof Röderau entfernt. — Die in neuerer Zeit sich bedenklich häufenden Fälle, daß Verbrechen verübt werden, lediglich damit ihre Urheber ein Unterkommen in den Strafanstalten erhal ten, haben dem Ministerium des Innern, welchem die Strafanstalten unterstehen, Veranlassung gegeben, das Maß der Annehmlichkeiten des Strafhauscs, innerhalb des Rahmens des Strafgesetzes, möglichst zu verringern. Bereits früher wurde angeordnet, daß denen, welche Zucht hausstrafe verbüßen, während des ersten Strafjahrs der Erkauf jeglicher Zukost, z. B. Butter, Fett rc., sowohl von seinem Spargelde, als von etwaigen Geschenken un- s tersagt sein sollte. Neuerdings aber ist der Erkauf von i Genußmitteln sowohl im Zuchthause, als in den Gefan genanstalten, in welchen Gefängnisstrafen längerer Dauer ! verbüßt werden, eingestellt worden, so daß alle Gefangene j lediglich auf die Anstaltskost angewiesen sind, soweit nicht ärztlicherseits für den einzelnen auf Anstaltskosten eine Aufbesserung beantragt wird. Außerdem sollen besonders ' die rückfälligen Verbrecher, bei denen die Vermutung ! nahe liegt, daß sie im Strafhause sich zu wohl befinden, möglichst streng behandelt werden und auch bei guter Führung (Rückfällige wissen erfahrungsmäßig den Be strafungen in der Anstalt, mit deren Gesetzen sie wohl vertraut sind, am besten zu entgehen) in der sog. 3. Dis- ciplinarklasse gehalten werden, in welcher ihnen noch 1 des an sich geringen Verdienstanteils für ihre Arbeit ge kürzt wird. Jedenfalls sind derartige Beschränkungen zu einer Zeit, wo die Strafanstalten kaum mehr dem Be dürfnisse genügen — das Männerzuchthaus Waldheim zählt allein mehr als 1800 Insassen — und enorme Zuschüsse aus der Staatskasse fordern, und wo viele ehr liche Leute mit höchster Anstrengung kaum den nötigsten Lebensunterhalt für ihre Familie zu erringen vermögen, nur zu billigen. — Der 17jährige Laufbursche eines Leipziger Ge treidegeschäftes war gestern Vormittag von seiner. Prin- zipalität mit Wechseln Md Wertpapieren, im Betrage von ca. 31000 M. zu einem Bankier geschickt worden, um die Barsummc dafür einzutässiercn. Dies hat er nun zwar gethan, aber seit diesem Gange ist er ver schwimmt. . — Das AMM: eine« Geschenkes' aw den Angehö rigen eine« Beamten, um dm letzteren zu einer die Amts pflicht verletzenden Handlung zu bestimmen, ist nach ei nem Urteil des Reichsgerichts als aktive Bestechung zu bestrafen. , — S8» — chen, so sehr bedanre er, daß Hr: Schieck nicht wieder zur Annahme des Mandats zu bewegen gewesen sei. Die Fortschrittspartei sei nun auf den Redner selbst gekommen und der hiesige Reichsverein habe bereits die Unterstützung dieser seiner Kandidatur erklärt, wie er Nacken« der Par tei freudig anerkenne. Zwar seien die geschäftlichen Schwie rigkeiten, die ihn vor 2 Jahren bestimmten, das Mandat seines früher» Wahlkreises (Leipzig-Land) abzulehnen, noch nicht beseitigt, doch halte er eS sür seine Pflicht, dem Rufe der Partei zu folgen, nachdem ein andrer entschieden freisinniger Kandidat nicht gefunden worden. Werde er gewählt, so werde er wie Hr. Schieck die Fahne des Freisinns hoch halten. (Beifall.) — Wir sind, um ein- für allemal die Geschichte der Rcichs- und Landtagswahlbewegüng zu gebm, ausführlicher den Mitteilungen Hrn. Starkes nähergetreten, der Mangel an Raum und die uns gebotene Objektivität gestattet Ms da« Gleiche nicht mit der darauffolgenden' 1j stün digen Rede, in welcher Hr. Reichstagsabg. Prof. vr. Gunther-Nürnberg die Bedeutung der bevorstehenden Reichstagswahlen vom fortschrittlichen Standpunkte dar legte. In seinen sichtlich alle Anwesenden fesselnden, mit außerordentlicher Beredsamkeit vorgetragencn Ausführun- : gen begründete der Redner, daß das deutsche Volk einer Reichstagswahl entgegcngehe, wie sie bedeutungsvoller seit Gründung des Reiches noch nie gewesen, und daß die Agitation, di« den liberalen Parteien entgegentrete, größer als bisher werde wegen der Wahl der Mittel, die man gegen sie anwende, wofür ein Beispiel daS „Eingesandt" liefere, das kürzlich in diesem Blatte die heftigsten unerwiesenen Schmähungen gegen die Fort- . schrittspartei geschleudert habe. Der Vorredner habe schon konstatiert, daß alle Ordnungsparteien hier den Kampf anständig führen wollten, der Einsender sei schon von seiner eignen Partei desavouiert worden und brauche er sich also mit ihm nicht weiter abzugeben, aber was hier selbst von konservativer Seite gemißbilligt worden, werde anderwärts als wichtiges Mittel offiziell gebraucht, wie er in einem von der dem Fürsten Bismarck so nahe stehenden Nordd. Allg. Ztg. veröffentlichten Artikel fand, in welchem ein großer Teil der Staatsbürger mit Droh nen verglichen worden sei. Der Redner stellte darauf die Frage: Was hat der Liberalismus solchem Kampfe gegenüber zu thun, um mit Würde und Erfolg aufzutreten? und fand ihre Beantwortung in den Fragen: Wie ziehen die Gegner in den Kampf und was versprechen sie? denn darnach seien die eignen Maßnahmen zu treffen. Den Hauptgeg ner des Liberalismus sieht der Redner in dem Manne, der kürzlich erst gesagt, daß je älter erwerbe, desto grö ßer sein Haß gegen den Liberalismus werde, im Fürsten Bismarck, von dem selbst die Konservativen sagen müß ten, daß er seine großen Ziele mit Hilfe des Liberalis mus erreicht habe. Die Fortschrittspartei trete keines wegs mit der Parole „Wider Bismarck" in den Wahl kampf, sie unterstütze ihn, wo sie es für nötig finde, sie bekämpfe nicht den um Deutschlands Einheit und Stel lung so verdienten Reichskanzler, sondern nur die Phase seiner inner» Politik, zu der er sich seit einigen Jahren habe drängen lassen. Redner zeichnete die persönliche Stellung des Reichskanzlers, der 5 Aemter in sich ver einige, und die Gefahren solches in einer Person ver einigten Regimentes und fand die Beantwortung der Bom Reichstage. Bei der jetzigen angestrengten Thätigkeit des Hauses hofft man, den Schluß der Session noch vor dem Ende dieser Woche, vielleicht gar schon heute, Mittwoch, her- bMhren zu können. Wie es heißt, werde unmittelbar nach Beendigung der für Hense angesetzten dritten Lesung des Unfallversicherungsgesetzes, auf dessen Durchberatung di« Regierung unter allen Umständen bestehe, der Schluß der Session erfolgen mch sei- der Minister v, Bötticher bereits im Besitze der kaiserlichen Vollmacht Iw her gestrigen Sitzung wurden zunächst die Handelsverträge mit Oesterreich, der Schweiz, Belgien und Rumänien in dritter Lesung ohne Debatte) .ebenso in erster und zweiter Lesung die Vorlqgen.wegender Beglaubigung -öffentlicher Urkunden in Bosnien und der Herzegowina