14 Hosokawa | Sternlose Nacht Geschichte gewaltsam auseinandergerissen wird, findet sich hier vereinigt. Stellvertreterhaft arbeitet die Musik für die Natur, um deren, durch menschlichen Eigenwillen gestörten Zyk lus wieder als integral vorstellen zu können, um die Kälte des Winters ebenso wie die letzte Wär me des Herbstes zu evozieren. Insofern hält sie bei aller Trauer die Möglichkeit von Hoffnung und Tröstung wach. In der Vermählung mit der Sprache hat sie sogar die Kraft, das Schreckli che zu benennen und zugleich als überwindbar vorzustellen. Gegenüber dem Katastrophischen sind wir so lange nicht ganz machtlos, wie ein Engel der Geschichte das Wort findet - oder die Musik den richtigen Ton. Ergreifend, wie Hosokawa für Trakls Lyrik einen eigenen Ton gefunden hat. Er hat dabei nicht nur die (vielleicht durch Hans Bethges »Die chinesische Flöte« von I907 vermittelte) Wahl verwandtschaft von Trakls Bildsprache mit Zü gen der japanischen Ästhetik unterstrichen, wie die Verschwisterung von Schönheits- und Ver gänglichkeitskult und die Haiku-ähnliche Kraft bildlicher Verdichtung, sondern auch das immer wieder in Verschweigen mündende Sprechen, das Stockende, Gehemmte und Behinderte die ses Sagens - als ob er in Trakl einen Geistes verwandten jener japanischen Zeugen der Hiro shima-Katastrophe wiedererkennen würde, die über das Unsägliche des Erlebten unter trauma tischer Schockstarre nicht mehr sprechen konn ten - und wohl eines Engels bedurft hätten, um einmal »alles und noch viel mehr« (Schölern) zu sagen. Eben dies war nach Hosokawas Schilde rung so auffällig im Verhalten der Generation seiner Eltern, die den Atombombenabwurf auf Hiroshima durch Zufall überlebt hatten. Hoso kawas künstlerische Arbeit kreist nun gerade um dieses Wechselspiel von Verschweigen, Sagbar- keit des traumatischen Schreckens und Trost durch Natur und Musik. Die Generation von Hosokawas Eltern zog es in den 1950ern - und auch noch zehn Jahre später - vor, SCHWEIGEND in der Natur Stärkung und Trost zu finden, statt den Söhnen und Töchtern vom Erlebten zu berichten.