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— Aus Falkenstein wird der Leipz. Ztg. ge schrieben: Wenn aus manchen Theilen unseres Vaterlandes recht betrübende Nachrichten über die Ernteergebnisse, insbesondere auch über die Kartoffelernte, eingehen, so kann constatirt wer den, daß der Ertrag im mittleren Vogtlands ein ziemlich günstiger war. DaS Getreide wurde von sehr vielen Besitzern ohne merklichen Scha den eingebracht, nur wenige können sich ernstlich beklagen. Der Körnerertrag befriedigt fast überall. Heu und Grummet ergaben ziemlich reiche Ern ten. Die Kartoffel ist zwar weniger mehlig und weniger wohlschmeckend als sonst, aber der Er trag genügt fast allerwarts. Schwarze, in Fäul- niß übergegangene Knollen, über deren häufiges Vorkommen man anderwärts bitter klagt, fan den sich hier fast gar nicht. — Einschreibebriefe nach dem Auslande dür fen keine Gold- oder Silbersachen, keine Juwelen oder baares Geld enthalten, worauf die Postver waltung wiederholt im Interesse der Aufgeber derartiger Sendungen aufmerksam macht. — Nimmt Jemand von einem Wahnsinnigen einen Werthgegenstand an und eignet ihn sich zu, so ist er nach einem Erkenntniß des Reichs gerichts wegen Unterschlagung zu bestrafen. — Unglücksfälle und Verbrechen. Im Fieber delirium stürzte sich am Montag in der 6. Morgenstunde die Ehefrau eines Dresdner Gewerbtreibenden aus dem Fenster ihrer im 4. Stock eines Hauses der großen Brü- vergässe belegenen Wohnung auf die Straße und fand sofortigen Tod. — Aus dem Thoßfeller Rittergute, im Vogtlande, wurde eine Viehmagd von einem Bullen der artig gegen den Leib gestoßen, daß sie kurze Zeit darauf verschied. — In Reichenau bei Zittau erhing sich ein 14j- jähriger Blattbinderlehrling aus noch unbekanntem Beweg gründe in der Arbeitsstube seines Lehrherrn. — Am Mon tag Abend wurde aus der Gera-Gößnitzer Bahn ein Mann überfahren, der sich, wie man annehmen muß, vorsätzlich aus die Schienen geworfen hatte. Man fand den Leich nam , von welchem der Kops vollständig abgetrennt war; über Lie Persönlichkeit des Lebensmüden ist noch nichts bekannt geworden. „ Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Kaiser Wilhelm begiebt sich am 20. d. M. nach Frankfurt a. M. zur Eröffnung des Opern hauses. — Nach aus Wien in Berlin eingegangenen Privatmeldungen wird Prinz Wilhelm von Preu ßen als Gast an der Hochzeitsfeier seines Freun des des Erzherzogs Rudolf von Oesterreich, welche im Februar nächsten Jahres in Wien stattfindet, theilnehmen. Es würde dies die erste Gelegen heit sein, bei welcher der Prinz die offizielle Ver tretung des preußischen Hofes übernähme. Die Hochzeit des Prinzen Wilhelm selbst soll im.März stattfinden, vermuthlich am Geburtstage des Kaisers. — Die Gewerbekawmern zu Hamburg, Lübeck und Bremen haben die übrigen deutschen Ge- voll aus und sank müde und erschöpft auf einen Grabhügel nieder. Linder halte baS Gefühl, als verengte sich sein Gehirn, als schrumpfte eS zu sammen, um nur noch einem winzigen Gedanken Raum zu geben: die Tunte daheim todl zu finden. Der Schweiß rann ihm von der Stirne, mechanisch, unbewußt riß er Blumen und Gräser aus und warf sie wieder weg. Um ihn herum herrschte liefe Stille und Ruhe, nur in seinem Kopfe brauste und brodelte eS wie in einem Siedekeffel. Die Sonne senkte sich schon unter den Horizont und blitzte zum letzten Male an dessen Rande auf. Der Himmel war wolkenlos, kein Lüftchen rührte sich, und jene drückende schwüle Hitze herrschte, wie wir sie an Sommerabenden öfter fühlen, welche sich so schwer auf alle Glieder legt, selbst das Denken lähmt. Diese Schwäche war auf den GemüthS- und Geisteszustand Linder'S vom übelsten Einfluß — sie legte sich bleiern in sein Blut, weckte, während sie den Geist tödteie, nur die thierischen Instinkte. Linder sprang wieder von dem Grabe auf. „Ich hätte nichts lhun sollen, gar nichts; wenn ich nicht beisprang, so läge sie jetzt todt. Wtnn ich ihr nur keine Arznei gereicht hätte; sich selbst über lassen, wäre jetzt Alles vorbei." Zn seinem Innern erhob sich eine tadelndt Stimme, werbe-, resp. Handels- und Gewerbekawmern zu einer Delegirtenconferenz auf die Tage vom 7. bis mit 9. November d. I. nach Eisenach ein geladen. Bei der Bedeutnng, welche dir bevor stehende Neichstagssession für Gewerbe und In dustrie in Deutschland haben werde, habe sich, so heißt es, nachdem die für dies Jahr geplant gewesene Stuttgarter Conferenz auf Vas nächste Jahr verschoben worden sei, das Bedürfniß nach Berufung einer Zwischenconferenz als dringend herausgestellt. Gegenstände der Tagesordnung sollen sein: 1) die Jnnungsfrage auf Grundlage der Beschlüsse des Reichstags vom Mai 1880 zur Revision des Titel VI. der Gewerbeordnung, 2) die Errichtung von Gewerbekammern, 3) Ein setzung eines volkswirthschaftlichen Senats für das Reich und Vertretung des Kleingewerbes in demselben, 4) die Arbeiterversicherung und das gewerbliche Kassenwesen, ev. 5) der Schutz ge werblicher Arbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit, 6) Beschränkung der allgemei nen Wechselfähigkeit. — In der nächsten Session des Reichstags soll ganz bestimmt ein Antrag auf Herabsetzung des Kornzolles um 50 Pfg. eingebracht werden. Noch vor Kurzem würde ein solcher Antrag ganz aussichtslos gewesen sein, heute aber ist er es nicht mehr. Je gewisser die Thatsache sich her ausstellt, daß sehr viele'Landwirthe diesmal selbst Getreide vom Auslands kaufen müssen, um so schwächer wird in agrarischen Kreisen der Widerstand gegen eine Herabminderung des Ge treidezolls. Andererseits kommt in Betracht, daß die Großindustriellen, namentlich die Eisenleute, den Getreidezoll nur zugestanden haben, um die Agrarier zur Bewilligung des Eisenzolls geneigt zu machen. Sie werden also, sofern man nur nicht am Eisenzolle rüttelt, sehr gern einer Herab setzung des Kornzolls auf die Hälfte zustimmen, auf die Gefahr hin, sich die Freundschaft der Großgrundbesitzer für immer zu verscherzen. — Viel Aufsehen erregt die Nichtbestätigung des Pfarrers Hasenclever aus Badenweiler, wel cher von dem Magistrat zu Berlin für die Do- rotheenstädtische Kirche dem Consistorium prä- sentirt worden ist. Die Wahl ist von den Ge meindeorganen wie vom Magistrat als Patron einstimmig erfolgt. Die „Voss. Ztg." berichtet aus dem mit Hasenclever vorgenommenen Collo quium, daß Hasenclever die leibliche Auferstehung Jesu Christi als Thatsache für eine offene Frage erklärt hat. Die ff-Ztg. vermuthet, daß noch andere wesentliche Thatsache» der Heilsgeschichle für Hasenclever offene Fragen sind und sich auch im Colloquium als solche werden herausgestellt haben. — Während die preußischen klerikalen Blät ter nach dem glanzvollen und unter Betheiligung aller Kreise der Bevölkerung erfolgten Verlaufe des Kölner Dombaufestes sich eine gewisse Mä- vaS Gewissen regle sich und sagrc ihm, baß er eben so handeln mußle, als er that, daß er anders gar nicht Vorgehen durfte. Ein kalter Schauer durchfuhr ihn, er erschrak über sich selbst. Den Gedanken aber, der sich in seinem Hirne festsetzte, vermochte er nimmer los zu werden. „Und wenn eS doch geschehen wäre? könnte mich Jemand deswegen beschuldigen-, den Mörder nennen?" Er eilte auf den Wegen zwischen Grabreihen hin; sein Blick hatte etwas UnstäteS, Wildes. „Hätte ich sie nur sich selbst überlassen, dann läge sie morgen auch unter einem dieser Hügel." Seine Augen flammten, der Sturm in seiner Seele hatte den Höhepunkt erreicht, als er plötzlich vor einem grauen Grabstein mit Goldinschrift stehen blieb, im Halbdunkel der Abenddämmerung leuchtete ihm daS Wort „Anna" entgegen. „Anna, Anna!" entwand eS sich auS der Tiefe seiner Brust, er ließ sich auf das Grab nieder und küßte unzählige Male die Goldbuchstaben auf dem kalten Stein. „Anna, mein guter Engel, warum verließest du mich so früh? warum?" Ein Thrä- nenstrom entquoll den Augen Linder'S, und die frühere Aufregung und Wildheit wich einem sanf ten Gefühle, einer weichen Wehmuth. Geläutert erhob er sich, die früheren wahnwitzigen Gedanken ßigung auferlegen, bezeichnet das durch seine rohe Schreibweise berüchtigte Sigl'sche „Vaterland" in München dasselbe als „Dombaufest-Judenmas kerade". — Pariser Blätter setzen eine interessante Verlobungsnachricht in die Welt, welche wir na türlich nur mit Reserve wiedergeben. Der Sohn des Reichskanzlers, Graf Wilhelm Bismarck, soll nämlich während seines jünsten Aufenthaltes in Ungarn um die Hc.nd der Comtesse Irma An- drassy, der Tochter des Grafen Andrassy, ange halten haben. Oesterreich - Ungarn. — Sämmtliche deutsch-liberale-Blätter, nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in den Provinzen, besprechen das Kölner Domfest in sympathischster, herzlichster und schwungvollster Weise. — Die immer heftiger werdende Agitation gegen das Deutschthum in Ungarn hat in Wien großen Unwillen hervorgerufen und die Mehr zahl der dasigen Blätter giebt dieser Stimmung der Wiener Bevölkerung ungeschminkten Ausdruck. Mit Recht weist man darauf hin, daß dort eine große Anzahl ungarischer Staatsangehöriger Gast freundschaft genießt, ohne daß es Jemandem ein fiele, sie an dem Gebrauche ihrer Sprache zu behindern. — Zu der von den Tyroler Bischöfen gege benen Probe kirchlicher Unduldsamkeit gesellt sich neuerdings folgende des Linzer Bischofs. Zu Gallneukirchen bei Linz, wo seit 1870 ein pro testantisches Pastorat besteht, wurde im vorigen Monat ein evangelisches, von Diakonissen be dientes Krankenhaus eingeweiht, in welchem kurz darauf auch einige katholische Kranke Aufnahme fanden. Als nun kürzlich der Bischof von Linz zur Firmung nach Gallneukirchen kam, sprach er sich in seiner Predigt über die neue Anstalt fol gendermaßen aus: „Der böse Geist der Zeit hat auch in dieser Gemeinde seinen Samen zu verbreiten gesucht, denn cs ist hier ein protestantisches Pastorat, ein sogenanntes protestantisches Pfarramt entstanden, und nicht allein das, es ist auch ein Krankenhaus gegründet worden, in dem sich eine Nieder lassung von sogenannten protestantischen Diakonissen be findet, von weibüchen Personen, die das katholische Ordens leben nachäfsen, ich sage nachäffen. ... Ich habe diese Dinge betrachtet als einen Angriff auf Eure heilige Reli gion, und daher muß ich Euch 'auffordern: Stehet fest im wahren Glauben, lasset Euch nicht verführen." , Frankreich. — Die Maßregel» gegen die religiösen Orden haben begonnen. Die barfüßigen und nichlbar- füßigen Karmeliter in ganz Frankreich, die Bar- nabiter, die übrigens fremder Herkunst sind, in Paris, die Franciscaner in Begiers sind aus ihren Klöstern ausgewiesen und ihre Kapellen unter Siegel gelegt worden. Die Capuciner da gegen, welche auf den ersten Stoß gefaßt waren, hat man einstweilen verschont. Hier und da ist es zu einem anscheinenden Widerstande gekommen. erschienen ihm nur noch als «in wilder Traum. Er dachte zurück an die glücklichen Tage seiner lei der nur zu kurzen Ehe, als Diejenige, die nun in kühler Erve ruhte, ianft lächelnd in seinen Armen ruhte und ihr liebes treues Auge zu ihm aufschlug. Wenn Anna lebt« — ihr besänftigendes Wort, ihre liebe Stimme bliebe nicht ohne Einfluß auf die alle Frau, würde diese versöhnlich stimmen. Sie hatte großen Einfluß auf Tante Charlotte, ihr zu liebe that die gute alte Frau viel. Um Anna'S Andenken willen schon war es unmöglich, daß die Tante unbewegt bleiben könnte. Dies weckie wieder die Hoffnung, und ein Strahl davon in dies sanguinische Herz genügte, um die frühere Finsterniß zu erhellen. Die Tante werde ihre harten Worte inzwischen wohl schon selbst be reut haben, und wie könnte sie auch den Ruin von Anna'S Kindern wünschen, wenn sie schon auf ihn selbst keine Rücksicht nähme? Die Kinder; die Erinnerung an dieselben brachte Linder vollends in Rührung, er kniete nieder, und als könnt« «S di« Tovte da unten hören, sagte er mit tiefbewegter Stimme: „Ich werde für dieselben sorgen, ich werde wachen, daß man sie nicht zu Grunde richte. Nein! nein! daS darf nicht ge schehen." (Fortsetzung folgt.)