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am Schluffe befindet sich ein doppelter Anhang: ein Bibellesezettel, der einem geordneten täglichen Lesen der Bibel dienen will, sowie ein Verzejch- niß solcher Schriftsteller, wie sie den verschiede nen Verhältnissen und Begegniffen des Lebens, in Freud' und Leid, in gesunden und kranken Tagen sich eignen; und dann das, was die Bi bel eigentlich zur Traubtbel macht, ein mit künst lerischem Geschick hergestellter Raum, welcher Ge legenheit bietet zum Anlegen einer Familienchro nik, zum Verzeichnen wichtiger Familientage. Es ist die Absicht, jedem Brautpaare, das zum Trau altar kommt, eine Traubibel einzuhändigen, es wäre denn, daß demselben bereits von anderer Seite eine Bibel zum Hochzeitstage verehrt wor den wäre. — Die Verwüstungen, welche das am Don nerstag in der Umgegend von Röhrsdorf bei Wilsdruff und vielen anderen Ortschaften auf dem Striche von Nossen und Wilsdruff nach Meißen mit furchtbarer Heftigkeit sich entladende Hagelwetter angerichtet hat, sollen nach Aussage von Augenzeugen geradezu grauenhafte sein und man soll z. B. factisch auf vielen Feldern nicht unterscheiden können, welche Frucht vor dem Aus bruch des Unwetters auf den Fluren gestanden hat, da Alles total zerschlagen ist. Im Jagd schloß Moritzburg allein wurden gegen 400 Fen sterscheiben zerschlagen. Leute, die auf freiem Felde waren, steckten aus Besorgniß um ihr Le ven ihre Köpfe zur Sicherung vor den die Größe eines kleinen Hühnereies erreichenden Hagelstü cken in Heuhaufen. In der Flur Brockwitz bei Meißen stellt sich der Hagelschaden auf ca. 140000 M.; nur ein kleiner Theil der betreffen den Grundstücksbesitzer hatte versichert. — In Leipzig lag mitten in der Stadt seit langen Jahren ein weit ausgedehntes und werth- volles Terrain, Lehmann's Garten genannt, fast ganz brach, indem darauf nur Miethgärten, Schup pen, Ställe rc. bestanden, die nicht viel einbrachten. Das Grundstück war eine Art von Familien-Fi- deicommiß und seiner Bebauung standen bestimmte Hindernisse im Wege. Neuerdings ist nun end lich das Hinderniß gehoben worden und es wird nunmehr zur Anlegung eines ganz neuen Stadt viertels auf dem betreffenden Areal, das zwischen der Ringpromenade und der Westvorstadt gelegen ist, verschritten werden. — Bei Meißen wurde am Donnerstag in der Elbe ein 30z Pfd. schwerer Lachs gefangen, ei ner der schwersten, welche je dort ins Netz gingen. — Unglücksfälle und Verbrechen. In Leipzig stürzte am Freitag ein LjLhriges Mädchen aus einem Fenster der im 4. Stockwerke gelegenen elterlichen Wohnung und erhielt dabei so schwere Verletzungen, daß es nach ein paar Stunden starb. — Aus der Nähe von Mügeln wird wiedemm ein schweres Sittlichkeitsverstehen gemeldet. Zwei Handwerksburschen schleppten ein 19Mriges Dienst mädchen, das sie auf der Straße trafen, in ein nebenan befindliches Kornfeld, mißbrauchten es und ließen es mit gebundenen Händen liegen, in welchem Zustande es erst am Abend gefunden wurde. — Auch in Dresden hat sich dieser Tage ein Dienstmädchen, das durch Aufgießen von Petroleum Idas Feuer einer Kochmafchine anfachen wollte, Verletzungen zugezogen, die nach furchtbaren Schmerzen feinen Tod herbeiführten. — Bei den Gewittern am Sonnabend wurde außer den schon gestern gemeldeten Tödtungen auch das in einer Ziegelscheune bei Deuben beschäftigte, aus Oederan gebürtige Meher'sche Ehepaar und bei Falkenau der dafige Gutsbesitzer Louis Klemm auf freiem Felde vom Blitze erschlagen. Klemm, besten Knecht vorausgegangen war und dadurch gerettet wurde, war im Begriff nach Haufe zu eilen, als der Blitz in die Sense, die Klemm aus der Schulter trug, fuhr. In Flöha schlug der Blitz in die Kirche und beschädigte das Gebälk in den ober» Räumen ziemlich starke,. Mehrere am Reperaturbau beschäftigte Arbeiter kamen mit dem Schreck davon. In einem Gute zu Hilmersdorf bei Wolkenstein wurden 6 Stück Rindvieh, 1 Schwein und 1 Ziege vom Blitze erschlagen. In Abtnaundorf zündete der Blitz in der 60 Meter langen Stallung des Frege'schen Rittergutes und zerstörte das Feuer dieselbe mit einem Theile der Futtervorräthe. Brande gleicher Art werden noch aus Oberpickenhain bei Geithain, Gornewitz, Benne witz »nd Selingstädt bei Grimma, in welch letzterm Orte auch der Besitzer des vom Blitze entzündeten Gutes er schlagen wurde, gemeldet. — In Zwickau brannten am Montag Nachmittag 7 an der Schützenstraße, unmittelbar vor der inneren Stadt, gelegene Scheunen mit allen Futtervorräthen, Wagen, Maschinen rc. nieder. — Im Donner'schen Galanteriewaarengeschäft in Zschopau wurden in den ersten Morgenstunden des vergangenen Sonnabend außer ca. 260 M. m Baarem 60 Ringe und 18 Medaillons im Werthe von circa 700 M. gestohlen. Die Verbrecher haben sich von den vorhandenen Schmucksachen die werth- vollsten ausgesucht, die minderwerthigen aber liegen lassen. Tagesgeschichte. Vor 10 Jahren. Am 8. Juli gab der panische Gesandte in Paris die Erklärung ab, laß seine Regierung mit der preußischen keine Verhandlungen gepflogen habe, solche vielmehr nur zwischen ihr und dem Prinzen von Hohen- zollern (Sigmaringen) schwebten. Das Kriegs geschrei in der Pariser Presse dauerte gleichwohl fort. Granier von Cassagnac schrieb im „Paps": ,Das kaudinische Joch (der Unterwerfung) ist lereit für die Preußen, sie werden sich darunter beugen, und zwar ohne Kampf besiegt und ent waffnet, wenn sie es nicht wagen, einen Kampf aufzunehmen, dessen Ausgang nicht zweifelhaft ist." Zwei Monate darauf befand sich Gra nier, nachdem er selbst das kaudinische Joch bei Sedan mit Grazie passirt, als Gefangener in der preußischen Festung Kosel. — Am 9. Juli theilen Pariser Blätter mit, daß der Botschafter Benedetti vom König von Preußen in Ems be stimmt verlangen soll, daß er den Prinzen von Hohenzollern zur Ablehnung der spanischen Krone veranlasse. Die Kriegspartei gewinnt immer mehr Boden, die Kampflust wächst, denn am 10. Juli wird weiter gemeldet, Benedetti sei an gewiesen, auf Beschleunigung der Antwort zu dringen, da man für dieselbe nur eine kurze Frist gewähren könne. — Am 11. Juli erklärte der Minister des Auswärtigen, Herzog von Gra- mont, im Gesetzgebenden Körper, die Regierung begreife die Ungeduld der Kammer und des Lan des, aber es fei unmöglich, schon jetzt definitive Beschlüsse mitzutheilen; alle Cabinete „schienen,, die Berechtigung der französischen Beschwerden anzuerkennen. Wie die Kriegslust in der bona- partistischen Kammermehrheit schon mächtig, zeigt folgender Vorgang in derselben Sitzung. Der Deputirte Arago fragte Gramont, ob die durch das französische Cabinet gemachten Fragen le diglich auf die spanische Candidatur des Prinzen von Hohenzollern sich bezögen oder ob noch andere Fragen damit in Verbindung gebracht worden seien; in diesem Falle müßte die Linke dies für einen einfachen Vorwand zur Herbeiführung des Krieges erklären. Gramont wollte darauf ant worten, aber die Majorität verhinderte ihn daran. Deutsches Reich. — Das preußische Kriegsministerium hat für die in Zukunft alljährlich einzuberufenden Ersatz- Reservisten I. Klaffe die betreffenden Ausführungs- Bestimmungen erlassen. Darnach liegt es in der Absicht der Militärverwaltung, in möglichst kur zer Zeit den betreffenden Leuten eine möglichst hohe, kriegsmäßige Ausbildung zu Theil werden zu lassen „im Rahmen eines aus vollkommen ausgebildeten Mannschaften bestehenden Truppen theils ihre Functionen zu erfüllen". Bei der Ausbildung soll daher Alles ausgeschlossen sein, was nicht direct die Verwendungsfähigkeit im Kriege vorbereitet, z. B. Turnen am Geräth, Bajonetfechten, Parademarsch. Dagegen sollen Schießdienst und Felddienst einen hervorragenden Zweig der Ausbildung abgeben. Die erste Uebung wird eine Dauer von 10 Wochen, die zweite von 4 Wochen, die dritte und vierte von je 14 Tagen haben. — Die in Württemberg stets wachsende Aus wanderung hat die Regierung veranlaßt, Erhe bungen über diese Erscheinung zu veranstalten. Infolge eines ministeriellen Erlasses ist Seitens der Oberämter an die Ortsvorsteher die Auffor derung ergangen, zu berichten, wie viel Leute ausgewandert, in welchem Alter, ob einzeln oder in ganzen Familien, ob nach überseeischen oder nach andern Ländern. Die Ortsvorsteher sollen auch angeben, aus welchen Gründen die Leute ihre Heimath verließen. Oesterreich - Ungarn. — Den Deutsch-Böhmen ist am Sonnabend eine heißerstrittene und nicht unverdiente Genug- thuung geworden. Es stand die Sprachenver ordnung auf der Tagesordnung des böhmischen Landtages, veranlaßt durch eine große Anzahl von Petitionen aus allen Ortschaften Böhmens, in denen dis deutsche Zunge klingt, und dabei standen sich zwei Berichte gegenüber. Derjenige der Majorität schloß mit folgendem Anträge: „Angesichts der außerordentlichen Beunruhigung und Aufregung, welche durch die Sprachenver- orduung in der Bevölkerung der deutschen Bezirke Böhmens hervorgerufen wurden und in den Pe titionen der deutschen Städte und Bezirke ihren Generals, er hoffe, Se. Majestät werde bald herge stellt sein, erwiderte der Fürst: „Die Aussichten sind so günstig als möglich; der Kaiser hat Fine starke Constitution, viel Muth und Geduld, aber Sie wissen, er ist ein Greis." — „Dieser Umstand erhöht noch den Abscheu, welchen das Verbrechen einflößt", sagte der General. — „Es ist ganz un begreiflich, unbegreiflich und betrübend", bemerkte der Fürst, sichtlich bewegt. „Da haben Sie einen Greis, einen der besten Menschen der Erde, und dennoch trachtet man ihm nach dem Leben. Nie hat es einen Menschen von schlichterem, großmü- thigerem, menschlicherem Character gegeben, als der Kaiser ist. Er unterscheidet sich ganz und gar von den Menschen, welche in so hoher Lebensstellung geboren wurden, oder zum mindesten von vielen unter ihnen. Sie wissen, daß die Personen von seinem Range, Fürsten von Geburt, geneigt sind, sich für ganz verschieden von allen anderen Men schen zu halten. Sie legen den Gefühlen und Wünschen Anderer wenig Bedeutung bei. Ihre ganze Erscheinung scheint darauf gerichtet zu sein, in ihnen die menschliche Seite zu ersticken. Der Kaiser ist im Gegentheile Mensch in allen Dingen. Er hat nie in seinem Leben irgend Jemandem Un recht gethan, Niemandes Gefühl verletzt, nie Härte empfinden lassen. Er ist einer jener Menschen, de- rrn gütige» Naturell die Herzen gewinnt, immer beschäftigt und besorgt um das Glück und das Wohlsein seiner Unterthanen und seiner Umgebung. ES ist nicht möglich, sich einen fchöneren, edleren, liebenswürdigeren und wohlthätigeren Typus eines EdelmanneS zu denken, mit allen hohen Eigenschaf ten eines Fürsten und den Tugenden eines Men schen. Ich glaubte der Kaiser hätte sein Reich ohne jede Gefahr allein durchziehen können, und nun sucht man ihn zu lödten." General Grant meinte, das sei gräßlich, und er innerte an Lincoln, einen Menschen von größter HerzenSgüle und Milde, der dennoch von Mörder- Hand gefallen sei. „In gewissen Beziehungen", fuhr der Fürst halb sinnend fort und sichtlich wie über einen Gegenstand sprechend, über welchen er viel nachgedacht, „in gewissen Beziehungen hat der Kaiser Aehnlichkeit mit seinem Vorfahren Friedrich Wilhelm, dem Vater Friedrich'» des Großen. Der Unterschied zwischen ihnen ist der folgend«: Der alte König war zuweilen hart und streng gegen seine Umgebung, während der Kaiser gegen Nie mand hart ist. Aber der alte König halte dieselbe Schlichtheit des Charakters, lebte einfach und zu rückgezogen, führte ein wahres Familienleben; er besaß alle republikanischen Tugenden. So ist auch unser Kaiser; er ist in allen Dingen so republi- kanisch, daß selbst der eingefleischleste Republikaner ihn bewundern würde, wenn sein Urthetl unpar teiisch wäre." General Grant bemerkte, der Einfluß der Prin- cipien, welche daS Leben deS Kaisers bedroht hat- ten, sei ein Einfluß, welcher auf den Umsturz der Regierungen, der Ordnung, der Gesellschaft in den Republiken, wie in den Monarchien abziele. Es gebe dagegen nur ein Mittel, die Strenge. „Ich sehe nicht ein", fuhr der General fort, „warum ein Mensch, der eine solche That begeht, ein Verbrechen, daS nicht nur das Leben eines Greises, eine» Herr scher» bedroht, sondern auch die Welt mit Abscheu erfüllt, nicht die allerstrengste Bestrafung finden soll." „Ja", bemerkte Fürst Bismarck, „da» ist auch genau mein« Ansicht; meine Ueberzeugung ist iw dieser Frage so unerschütterlich, daß ich auf dir RegierungSgewalt im Elsaß verzichtet habe, nur um