Volltext Seite (XML)
1880. Dienstag, den 6 Juli. M 156 ^-'irksa^^ Amtsblatt der König!. Amtshauptmannschast Flöha, des Königl. Amtsgerichts und -es Stadtraths M Frankenberg. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Preis Vierteljahr!. 1 50 Einzelne Nummern 5 H. Dienstag, den 6. Juli, Abends 7 Uhr Signalprobe für die Heo ren Abtheilungsführer, Zugführer und Rottmeister sämmtlicher Abthei- lungen der Feuerwehr in der Restauration zum Hammerthal. Der Brandmeister. Mitteln, für Frankenberg in der Höhe von 300—500 M-, zu Hilfe zu kommen. Ref. Stadtv. Richter I. Der Stadtverordneten-Vorsteher vr. wvä. Medings 12. öffentliche Sitzung -es Stadtverordneten- Colleginms Dienstag, den 6.Jnli 1880, Abends 6 Uhr. InKesarcknunK: 1. Eingänge. 2. Wasserleitung von den Ochsenwiesen nach der Schieß- hausstraße betr. Ref. Stadtv. Hanitzsch. 3. Antrag des Stadtv. Schulze, ob es nicht Pflicht der sächsischen Gemeinden, den beschä- digten Lausitzer Gemeinden durch einen Beitrag aus städtischen sich längs der böhmischen Grenze an dem Elb- sandsteingebiet durch die höher gelegenen Theile des Erzgebirges bis in das Vogtland hinein er strecken, sind bisher ziemlich seuchenfrei geblie ben. Was die meteorologischen Einflüsse betrifft, so scheinen wie bei den meisten anderen epide mischen Krankheiten die entgegengesetzten Wit terungsvorgänge sowohl fördernd als hemmend zu wirken. Die wesentlichsten Seuchenheerde gruppiren sich um die großen Städte, jedoch zeigt sich dabei nicht eine besondere Vorliebe für eine oder die andere Beschäftigung der Bewohner. In der Chemnitzer Gegend sind die Districts mit vorwiegender Textilindustrie nicht eben an ders gestellt als die dortigen Kohlendistricte; die Weberbevölkerung in der Amtshauptmannschaft Glauchau hatte hingegen bisher wenig zu leiden, insbesondere war sie günstiger gestellt als die verwandte Industrie in der Lausitz. Es läßt sich nicht nachweisen, daß diejenigen Erwerbs zweige, bei welchen das Kind frühzeitig an der Arbeit theilnimmt, wie zum Beispiel in der Web- waaren- und Spielwaaren-Jndustrie, durch die Diphtherie besonders heimgesucht worden wären; es ist im Gegentheil eine auffällige Erscheinung, daß eine nicht geringe Zahl von ausschließlich ackerbauenden Bezirken große Seuchenheerde bil deten. Daraus wiederum geht hervor, daß die Diphtherie sich nicht vorwiegend in ungesunden Bezirken eingenistet hat. Viele Orte wurden — und dies ist auch eine in England gemachte Er fahrung — ganz besonders von der Diphtherie heimgesucht, obgleich sie in der Regel wegen ih rer günstigen Sterblichkeit beneidet zu werden pflegen. Es möchte daher auch verlorene Mühe sein, in dem Schmutz und der Unsauberkeit die Quelle oder wenigstens die Nahrungsstätte der Diph therie zu suchen. „Die viel gemißbrauchte Phrase von dem socialen Elend, welche sich regelmäßig einstellt, wenn die Aetiologie (Beweisführungs kunst) mit ihrer Weisheit zu Ende ist, verfängt eben nichts gegen die Diphtherie." Die sächsi schen Medicinalbeamten berichten ausdrücklich von dem häufigen Auftreten dieser Krankheit un ter den günstigsten äußeren Verhältnissen und bestätigen die früheren Angaben zahlreicher vor- urtheilsfreier Aerzte aus anderen Ländern. OertlicheS und Sächsisches. Frankenberg, 5. Juli 1880. 's Am gestrigen Sonntag fand im Hotel zum „Goldenen Anker" zu Chemnitz die 14. General- Jnserate werden mit s Pf. für die gespaltene Corpuszeilc oder deren Raum berechnet. Geringster Jnjeratenbetrag 20 Pf. Eom- plictrte oder tabellarische Inserate nach Uebereinlommen. wichtigen Aufgabe unterzogen, die Ausbreitung der Seuche statistisch zu untersuchen. Dies ge schah in der Schrift: „Die Ausbreitung der Diph therie im Königreich Sachsen seit ihrem Auftre ten im Jahre 1861. Von vr. msä. Arthur Geißler. Mit einer Karte. Leipzig, Druck von I. B. Hirschfeld. 1880." Es sei gestattet, ei nige der vielen bedeutungsvollen Resultate, zu denen der Verfasser gelangt, mitzutheilen. In dem sechsjährigen Zeitabschnitt 1873 bis 1878, über welchen sicherste statistische Unter suchung speciell erstreckt, wurden von der Krank heit nicht weniger als 15256 Kinder befallen, das sind 98,s K aller davon Heimgesuchten incl. der Erwachsenen. Aber auch hier bestätigt sich der bekannte Satz, daß sich alte Pforten des Todes schließen, wenn neue aufgethan werden. Trotz der furchtbaren Ausdehnung der Diph therie ist die Sterblichkeit selbst im kindlichen Alter aus dem Rahmen der gewöhnlichen Schwan kungen nicht herausqetreten. In früheren Jah ren forderten die Ruhr und andere epidemische Krankheiten eine nicht geringere Zahl von Opfern. Was nun die Factoren betrifft, von welchen man einen Einfluß auf das Umsichgreifen der Epidemie erwarten kann, so stellt vr. Geißler zunächst fest, daß große Dichtigkeit der Kinder bevölkerung keine nachweisbare Neigung für Aus breitung der Epidemie hervorgerufen hat. Es läßt sich nicht im Entferntesten nachweisen, daß in Familien mit großer Kinderzahl die Krank heit verhältnißmäßig verheerender aufgetreten ist. Ehe die Seuche ihren Einzug in Mitteleuropa hielt, war man geneigt, dieselbe als eine Küsten krankheit zu bezeichnen. Indessen schon die Ver breitung der Diphtherie in Frankreich ließ das Irrige dieser Anschauung erkennen, und heute ist kein Zweifel mehr darüber erlaubt, daß sie bis zu jeder Höhe über dem Meere vordringen kann. Allerdings ist zuzugestehen, daß ihre Ver breitung in der Ebene rascher vor sich geht, als im Gebirge, mag nun in ersterer die Neigung zur Krankheit eine größere sein oder der hier stärkere Verkehr die Ausbreitung erleichtern. Nach dem Gebirge hinauf hat die Krankheit in der Regel längs der Flußthäler ihren Einzug gehalten. Natürlich ist hier nicht der Fluß als Ursache der Verbreitung zu beschuldigen, sondern lediglich der Verkehr auf den Straßen derThä- ler und in den an denselben sich hinziehenden Ortschaften. Wasserscheiden wurden nur langsam überschritten. Daß irgend eine Bodenbeschaffen heit einen Schutz gegen die Verbreitung der Krankheit dargeboten habe, läßt sich nirgends constatiren. Die dichten Nadelholzbestände, welche , Die Ausbreitung der Diphtherie im Königreich Sachsen. Als die verheerende Diphtherie zuerst inDeutsch- land auftrat, vermuthete kein Arzt, einer Krank heit gegenüber zu stehen, welche sich binnen Kur zem zu einer wahren Volksseuche, ja einer Welt seuche gestalten würde, deren Erlöschen in weiter Ferne liegt. Im Königreich Sachsen trat die selbe zuerst 1861 auf, nachdem ein Jahr unge wöhnlich günstiger Mortalität (Sterblichkeit) vor angegangen war. Die erste Epidemie wurde aus dem zwei Stunden südlich von Dresden ge legenen Dörfchen Kleinzschachwitz berichtet, wo 16 Kinder an der Diphtherie starben. Der Ur sprung dieser Epidemie ist vollständig dunkel geblieben; es ist nicht ermittelt worden, ob eine Einschleppung stattgefunden, oder ob sie an dem Orte selbst ihren Anfang genommen. Bald faßte die Seuche im Elbthale festen Fuß; von der Umgegend Dresdens aus wanderte die Krank heit in einem Jahre nach drei verschiedenen Richtungen. Gleichzeitig wurde aber auch ein großer Theil der Lausitz von ihr befallen. Im Herbst 1862 erschien die Diphtherie in der Stadt Leipzig und den umliegenden großen Jndustrie- dörfern. Hier hatte sie augenscheinlich einen für sie günstigen Boden gefunden, denn in keinem andern Bezirke behauptete sie sich mit gleicher Hartnäckigkeit; wahrscheinlich hielt sie hier von den preußischen Grenzprovinzen her ihren Ein zug. Noch im selben Jahre trat die Seuche auch in der Stadt Chemnitz und Umgebung auf und forderte namentlich auch in wohlhabenden Familien ihre Opfer. Bei Beginn des dritten Jahres seit dem Auftreten der Diphtherie waren im Königreich nur noch von ihr frei geblieben: das Elbsandsteingebirge, das obere Erzgebirge zwischen der Weiseritz und der Zwickauer Mulde und das gesammle Vogtland. Schon im Jahre 1865 war der letzte Nest der Elbniederung durch seucht. Nach schwankender Heftigkeit in den da rauffolgenden Jahren ist seit dem Jahre 1872 nach dem übereinstimmenden Zeugniß der Me dicinalbeamten die Disposition zur Diphtherie eine allgemeine geworden. In der ersten Zeit war die Ausbreitung die ser Krankheit der statistischen Untersuchung nicht zugänglich; erst vom Jahre 1873 ab sind auf Grund der Leichenbestattungsscheine die Mortali tätstabellen von den Bezirksärzten bearbeitet worden. Auf Grund dieses Materials hat sich nun der Assessor im Königlich Sächsischen stati stischen Bureau, vr. weä. Arthur Geißler, der Erscheint täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, Abends für den folgenden Tag. — Juscraten-Annahme für die jeweilige Abend-Nummer bis Vormittags 10 Uhr.