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M 147. Freitag, den 25 Juni. ^886. ^»«W'bcrger E ch-ü . ^L<- ^zirksa^^ Amtsblatt der König!. Amtshauptmannschaft Flöha, -es König!. Amtsgerichts und -es Stadtraths zu Frankenberg, Erscheint täglich. mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, Abends für den folgenden Tag. — Inserate,I-A>mahme für die jeweilige Abend-Nnmmer bis Vormittags 10 Uhr. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Preis Vierteljahr!. 1 50 H. Einzelne Nummern 5 H. Inserate werden mit S Pf. für die aespalt-n- CorpuSzetle oder deren Raum berechnet. Geringster Jnseratenbetrag so Pf. Com plictrtc oder tabellarische Inserate nach UW" L*Al1«I»1Le»S^HvI»r. Sonnabend, den 26. Juni, Abends 7^ Uhr haben sich im Rath- Haushofe einzufinden: Die Mannschaften der I. Abtheilung, IV. Zug (Spritzen), und die Mannschaften der V. Abtheilung, I. Zug (Ersatz), behufs Spritzen probe. Der Brandmeister. j B ekanntma chung. Künftigen Montag, den 28. d. M., Nachmittags 5 Uhr soll vom Gemeinderaths zu Auerswalde an untengenannter StellederBau- platz unterhalb des Günther'schen HauseS, an der neuerbautm Chemnitzthalstraße gelegen, welcher zu jeder beliebigen Geschäftseinrich tung seiner günstigen Lage halber sich vortheilhaft eignet, unter den M Termin bekannt zu machenden Bedingungen im Wege des MeistgebotS verkauft werden. Alle Kaufliebhaber werden geladen, am genannten Tage zur bestimm ten Zeit im Termine zu erscheinen, um ihre Gebote zu eröffnen. Auerswalde, den 23. Juni 1880. Der Gemeinderat h. Saupe, Gem.-Vorst. Aus dem socialen Leben. Es ist der verhängnißvollste unk leider auch verbreitetste Jrrthum unter all den falschen Mei nungen, welche man hinsichtlich unseres socialen Lebens ausjprechen hört, wenn behauptet wird, die Kluft zwischen Reich und Arm sei im Laufe der Zeit immer größer geworden, und es sei heute dem Armen viel schwerer, sich aus seiner Lage emporzuhelfen, als ehedem. Gerade das Gegentheil ist der Fall. Unsere ganze Entwicke lung hat die Neigung zur Ausgleichung, zur Ueberbrückung der Unterschiede. Auf geistigem Gebiete ist dieses Streben seit Erfindung der Buchdruckerkunst, auf dem politischen seit der französischen Revolution, auf socialem seit der Erfindung der Dampfkrast und der großen preu ßischen Reform-Gesetzgebung von 1808 ganz un zweideutig hervorgetreten. Die allernothdürf- ligste Kenntniß der Geschichte genügt, nachzu weisen, daß heute die Unterschiede der Geburt wie des Besitzes im Leben viel weniger mächtig sind, als noch vor 100 Jahren. Daß die vor nehme Geburt heute nicht mehr so viel zu be deuten hat wie früher, ist schon durch die Auf hebung der Standesvorrechte dargethan; daß der Unterschied des Besitzes zurücktritt vor dem Unterschied des Könnens, sehen wir überall im öffentlichen Leben, wo der Arme, wenn er nur etwas Tüchtiges leistet, ganz dieselbe Anerken nung und denselben Erfolg erntet, wie der Be sitzende. Wer sich z. B. das vielgepriesene Jn- nungswesen der letzten Jahrhunderte ansieht, der weiß, daß die heutige Regellosigkeit aus ge werblichem Gebiete immer noch weit günstiger für den wirthschaftlich Schwachen ist, als die danialige Zeit des Zunftlebens. Das ganze da malige Zunftwesen lief darauf hinaus, Denjeni gen, der nicht gerade „Meisterssohn" war, vom Selbstständigmachen abzuhalten oder es ihm we nigstens so viel als möglich zu erschweren. So existirte denn damals in den alten Gesellen, welche nicht minder gedrückt waren und inner halb der Zunftschranken viel weniger freie Be wegung hatten als der heutige Arbeiter, ein Proletariat, das sich nun und nimmermehr aus eigener Kraft emporarbeiten konnte und im gün stigsten Falle, von den Zunftgenoffen vernehmt, als „Bönhase", als Pfuscher auf irgend einem Dorfe verkümmerte. Und in welcher Lage befand sich damals der weitaus größte Theil der Bevölkerung des gan zen Landes, der Bauernstand! Mit den Er- trügniffen seiner Arbeit auf den doch immerhin ungewissen Ausfall der Ernte angewiesen und ohne die Hilfsmittel, welche das verbesserte Trans portwesen von heule dem Landmann zur Ver- werthung seiner Producte darbietet, einem gro ßen Herrn erbunterthänig, welcher seine Gewalt oft in schnödester Weise mißbrauchte, den Quä lereien der Beamten ausgesetzt, gegen welche er vermöge seiner Unwissenheit keine ausreichende Waffe in Händen hatte, vom Städter hochmü- thig über die Achseln angesehen, — das war der Landmann im größten Theile Deutschlands noch vor ein paar Generationen. Die arbeiten den Klassen sind somit nicht gesunken, sie haben sich im Gegentheil gehoben. Und die besitzenden Klassen haben wiederum an Besitz nicht zuge nommen, der Besitz hat sich vielmehr mit der Zeit bedeutend vertheilt. Was man auch über den Reichthum mancher Emporkömmlinge von heute sagen niag, es erreicht derselbe doch lange nicht die Höhe des Besitzes, der sich früher, wenn man den damaligen Geldwerth in Vergleich zieht, in der Hand eines einzelnen Grundherrn, eines Klosters, eines Landesfürsten zu vereinigen pflegte. Und aller Prunk unserer heutigen Parvenüs er reicht noch lange nicht den Gipfel, welchen da mals die Verschwendung an den Höfen und Sitzen der den Höfen nachahmenden kleinen Grundher ren erreicht hatte. Wenn also weder nach oben hin noch nach unten hin eine Veränderung zum Schlechten eingetrelen ist, wie sollte da die Kluft größer geworden sein? Reich und Arm gehen nicht weiter auseinander wie sonst, im Gegen theil; wie wäre es da möglich, daß es schwieri ger sein sollte, über diese Kluft hinwegzukommen? Das Kapital ist beweglicher geworden als sonst, wie sollte man da nicht mehr Aussicht haben, einen Theil davon zu erlangen, als früher, da es unbeweglich und unnahbar fest lag? (Schweinfurter Tageblatt.) 4»-— Sächsisches. Frankenberg, 24. Juni 1880. — Mit dem Ritterkreuze 1. Klasse des Ver dienstordens ist außer den gestern und vorgestern genannten höheren Staatsbeamten auch Geh. Reg.-Rath Amtshauptmann v. Hausen zu Glau chau ausgezeichnet worden. — In den überschwemmten Districten der Oberlausitz sind bis 21. Juni 70 Tobte aufge funden, sowie 47 Gebäude als weggeriffen, 138 Gebäude als völlig abzutragen Und ca. 230 Ge bäude als beschädigt befunden worden. Sonn ¬ abend gelang es, die irdischen Ueberreste einer Frau aus Cunnersdorf auf Altbernsdorfer Flur unter einem Holzhaufen hervorzuziehen, während die entseelte Hülle des Handschuhfabrikanten Günther aus Bernstadt aus dem verschlämmten und versandeten Mühlgraben auf der Neustadt unterhalb der Sandmühlen emporgefördert wurde. Der Leichnam eines Posteleven, der in RennerS- dorf zum Besuch gewesen war, wurde ebenfalls in Altbernsdorf gefunden. Mit Auffindung und Beerdigung dieser letzten Opfer des Unglücks tages hat die Katastrophe einen vorläufigen Ab schluß gefunden und es tritt an die Stelle der hohen und allgemeinen Aufregung der besonnene Ueberblick über die entstandenen Schäden. Jetzt erst erkennt man vollkommen deren Größe und die colossalen Schwierigkeiten, welche selbst deren allmähliche Heilung bereiten wird. — Der Schaden von Nieder- und Mittel-Oderwitz dürste wohl den der meisten Gemeinden der Lausitz übertreffen; er wird nach vorläufiger Schätzung auf ca. 6- bis 700000 M. zu bezif fern sein, nämlich: forlgeschwemmte, eingestürzte und zum Einsturz vorhandene 37 Häuser, Zeit- werth ca. 111000 M., gegen 130 theilweise zerstörte Häuser ca. 39000 M., Zerstörung an 4 Communstraßen, jede beinahe 1 Stunde lang, Kanälen, Wegen, Stegen, Brücken, Ufermauern mit eisernen Barrieren durch das ganze Dorf ca. 240000 M., Möbel, Wäsche, Kleidung, Bet- ten ca. 90000 M., Webstühle, Scheerrahmen, Spul- und Treiberäder mit Webutensilien, Lei nen- und Baumwollengarne und Waaren, Spi ritus, Materialwaaren, Mehl- und Backwaaren, Handwerkszeug der verschiedenen Professionisten, zerstörte Waarenappretur, eine zerstörte Mahl mühle mit Wehr und drei Mühlgraben ca. 120000 M. — außer den Verwüstungen an Bäumen, Gärten, Feldern und Wiesen. — In einem Berichte des Dr. Anz. heißt es: Das Un glück ist so groß und nimmt von Tag zu Tag, je mehr man Einzelheiten davon kennen lernt, so weite Dimensionen an, daß es ganz natürlich ist, wenn die Presse unausgesetzt in eingehender Weise mit der Veröffentlichung der aus den be troffenen Gegenden eingehenden Nachrichten sich beschäftigt, um nach Möglichkeit in den weitesten Kreisen Theilnahme und Mildthätigkeit zu er wecken. Ein Besuch dieser oder jener zum größ ten Theile vernichteten Ortschaften bietet ent schieden Bilder, wie sie schrecklicher kaum auf einem Schlachtfelde gefunden werden können, und wenn auch aller Orten in der Lausitz ComiteeS sich gebildet haben und Verbände existiren, welche