der „Schwelle" zur Unterwelt der „Schattenbeherrscher' ihrem Bräutigam Orpheus wieder entrissen wird. Und es ist Adonis, des sen tödliche Wunden von seiner Geliebten Aphrodite versorgt wer den. Zum Dritten ist es Achilles, dessen „unsterbliche Mutter", die Meeresnymphe Thetis, ihn nicht vor dem Tod beschützen kann. Der Schiller'schen Gedichtstruktur entspricht Brahms, indem er die drei Erzählungen jeweils deutlich anders charakterisiert und gegeneinander abhebt. Die Episode um die Wassernymphe nutzt er nicht zuletzt zur lautmalerischen Ausgestaltung und lässt etwa in einer Aufwärtsbewegung die Nymphe aus dem Wasser steigen oder betont dessen tanzende Wellen mit getupftem Pizzicato. Viel Zeit lässt sich Brahms für die drei letzten Gedichtverse, in denen schließlich der Trost steckt: Auch das Schöne muss zwar sterben, doch anders als das Gemeine darf es durch Kunst seine posthu me Überhöhung erfahren und letztlich weiterleben. „Herrlich“ ist der den Todesschrecken umkehrende Begriff, den Brahms im Ge gensatz zu Schiller am Ende seiner „Nänie" als trostspendenden Ausblick stehen lässt. „Sie sollen getröstet werden" Trost spenden - das ist auch die Motivation, die aus seinem „Deut schen Requiem" op. 45 spricht. Ein Trost aber, den ein Glaube an Tod und Auferstehung Christi nicht mehr liefern kann. So muss man zumindest verstehen, dass Brahms in seiner Komposition, die er bewusst „Requiem" nennt, an keiner Stelle den Gottessohn erwähnt, nicht sein Sterben und nicht seine Auferstehung, noch das Jüngste Gericht. All das wären die Bestandteile des liturgi schen Textes der lateinischen Totenmesse gewesen, den Brahms aber gerade nicht vertont. Allein in der Sprache - nicht Latein, sondern Deutsch - setzt sich Brahms von der Tradition ab und tut es ebenso in der freien und an keine Gattungsnorm gebundenen Behandlung der einzelnen überkonfessionellen Bibelstellen, die er selbst aus Altem und Neuem Testament der Lutherbibel sowie apokryphen Texten auswählt. Zu sieben Sätzen gruppiert er sein Requiem, deren erster die Kernaussage des Werkes gleich ganz an den Anfang stellt: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden." Alle Textstellen, die Brahms auswählt, kreisen um Trauer und Trost und stellen nicht die Sühne des schuldbe lasteten irdischen Lebens in den Mittelpunkt: Der Mensch steht im Zentrum dieses Werks, das schon in seiner Bezeichnung „Ein Deutsches Requiem“ deutlich macht, wie individuell seine Aus sage ist. „Was den Text betrifft, will ich bekennen, dass ich recht