Für den Menschen Chorwerke von Johannes Brahms „Schreibefaulpelz" - Robert Schumann soll das über seinen Freund Johannes Brahms gesagt haben, der nach seiner Ansicht ein wenig emsiger hätte Briefe schreiben können. Schmeichelhaft ist das nicht! Und es entspricht auch eigentlich nicht der Wahrheit, denn die Forschung weiß von rund 11.000 Brahms-Briefen. Aber ein bisschen Recht hatte Schumann schon, denn obwohl Brahms viel geschrieben hat - gesagt hat er manchmal eben doch nicht genug. Zu kompositorischen Beweggründen oder ästhe tischen Positionen wäre es den Brahmsforschern lieb, er wäre deutlich auskunftsfreudiger gewesen. Aber Brahms hat sich lieber ironisch-distanziert geäußert oder sich in Doppeldeutigkeiten ge flüchtet. Sein Herz trug er definitiv nicht auf der Zunge. Bedauer lich, denn besonders seine großen sinfonischen Chorwerke zeigen, dass er zu gesellschaftlichen Themen, zu philosophischen oder Religionsfragen einiges hätte sagen können. Ob „Gesang der Par zen", „Alt-Rhapsodie", „Nänie" oder „Schicksalslied" - „es handelt sich ausnahmslos", so stellt der Musikwissenschaftler Victor Ra- vizza fest, „um Vertonungen gewichtiger literarischer Vorlagen, die das beliebte Bild des gesellschaftlich in behagliche Bürgerlichkeit integrierten, bibelfesten und konservativ unbeirrt komponieren den Brahms wie von selbst aufzulösen scheinen.“ Ja, tatsächlich sind es die Chorwerke, mit denen Brahms zwar rein äußerlich die biedermeierlich anmutenden Strömungen der Chorbewegungen seines Jahrhunderts bedient - aber schaut man näher hin, findet man ausgerechnet in diesen Werken sowohl inhaltlich den deut lichsten Zeitbezug als auch in formalen Fragen die vehementeste Abkehr von der Tradition. Oder wie soll man es bewerten, dass sich seine Chorwerke jeder Einordnung in eine Gattungsschub lade widersetzen? Ob Sinfonie, Streichquartett oder Klaviersona te: So behutsam Brahms in seiner Instrumentalmusik vorgeht und Formen mehr von innen erneuert, als sie grundsätzlich zu revolu tionieren, so selbstbewusst und eigenwillig ist sein Vorgehen in Sachen Chorsinfonik. Die drei Werke im Programm des Dresdner Kreuzchores führen das allesamt vor Ohren: Sowohl für „Schick salslied" und „Nänie" als auch das „Deutsche Requiem" gibt es kei ne Vorbilder. Immer wieder sind Gattungsbezeichnungen für de ren spezielle Formen gesucht worden. „Weltliche Kantate" werden sie sogar heutzutage noch ab und an genannt. Aber immer wie der muss man einsehen, dass es für diese orchesterbegleiteten