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7' 3 V — Nach einer Petersburger Correspondenz des „Schwäbischen Merkur" vom 8. April hat der Leibarzt vr. Botkin auf directe Forderung des Kaisers demselben vor einigen Tagen er öffnet, daß er kaum Hoffnung habe, daß die Kaiserin das Osterfest (Anfangs Akai) erleben würde. Der Kaiser ist infolgedessen, wie leicht begreiflich, ungemein aufgeregt. Der Lebens prozeß ist bei der Kaiserin eigentlich nur noch künstlich unterhalten, und zwar durch Lustgas (Stiästofforydul), gemischt mit Sauerstoff und Terpentin, welches sie viermal des Tages ein- athmen muß. Unter dem Einfluß dieser Gase befindet sich die Kaiserin, wenn auch durch den starken Nervenreiz die verlöschende Lebensthätig- keit immer von Neuem unterhalten wird, doch stets in einem gewissen halbschlafähnlichen Zu stande, so daß es zuweilen wohl passirt, daß niitten beim Essen ihr der Löffel aus der Hand fällt und sie zurücksinkt, um nach ein paar Mi nuten wieder für einige Moniente aufzuwachen, wenn der beunruhigende Husten die Kranke er schüttert. vr. Botkin besucht die Kaiserin vier mal des Tages. — Aus Petersburg meldet Wolff's Bureau: Die zahlreichen falschen Mittheilungen über hie sige Entdeckungen anläßlich Verhaftungen ent ziehen sich der Möglichkeit fortgesetzter Widerle gung; als Beweis, wie sehr übertrieben wird, mag gegenüber den Meldungen über Tausende von gefälschten Pässen bei dem verhafteten Ku rier des Verwalters des Domänenministeriums ;ervorgehoben werden: Es ist wirklich ein solcher kurier verhaftet worden, weil seine Frau in Sa chen der zuletzt entdeckten geheimen Druckpresse verdächtig war. Der Mann selbst ist aber nach rei Tagen in Freiheit gesetzt worden. Angaben iber gefundene Geldsummen und tausende von Pässen sind Fabel; Veranlassung dazu gab der Imstand, daß der Kurier ein Lohnkutschergeschäft ührt und bei ihm sich 9 Pässe gewesener Kut cher vorfanden. Amerika. — Statistischen Notizen zufolge betrug die — Die Panzercorvette „Sachsen," welche dem diesjährigen deutschen Panzer-Uebungsgeschwader zugetheilt ist, wird vor ihrer auf den 5. Mm angesetzten Indienststellung in der Kieler Bucht noch mehrtägige Uebungsfahrten ausführen. Es ist die erste Indienststellung eines Schiffs dieser neuen Schiffsklaffe, die eine ganz eigenartige Construction ausweist, auf welche außerordent lich hoch gespannte Erwartungen gesetzt werden, und muß es sich in diesem Sommer nun heraus stellen, inwieweit die letzteren auf eine Erfüllung hoffen dürfen. — Die Betheiligung an der am 14. d. im 2. Berliner Reichstagswahlkreise vollzogenen Er satzwahl mar eine überaus laue: von ca. 37000 eingeschriebenen Wählern stimmten nur gegen 13000, also etwa 33^, während 1878 über 28000 Stimmen abgegeben wurden, davon allein für den socialistischen Candidaten 7583. — Als Ergänzung der Tagesgeschichte kann eine Schrift gelten, die vor Kurzem in Leipzig bei Duncker ü. Humblot erschienen und die wohl geeignet ist, etwas mehr Licht in die russisch deutschen Beziehungen zu bringen. Der Titel lautet: „Berlin und Petersburg. Preußische Bei träge zur Geschichte der russisch-deutschen Bezie hungen." Es wird darin nachgewiesen, in welch' brutaler Weise Kaiser Nicolaus und sein Gesand ter in Berlin, Baron Meyendorff, während der Revolutionszeit 1848 bis 1850 den König Fried rich Wilhelm IV. und dessen Minister und Ge nerale beeinflußten. Ein eigenhändig abgefaßtes Memoriale Nicolaus', das zum ersten Male hier in deutscher Sprache und Originaliext wiederge geben wird, zeigt, daß der russische Kaiser den Prinzen von Preußen (den jetzigen Kaiser Wil helm) hat verleiten wollen, gegen den König, seinen Bruder, die Fahne des Aufruhrs zu ent falten, und zwar für die „Wiedereroberung sei nes Thrones", wie sich der Czar ausdrückt, der den Prinzen zu überzeugen versuchte, daß der König in Berlin ein Gefangener sei, dem die Verfassung von „Rebellen" abgerungen worden. Bei diesen: Unternehmen könnte sich der Prinz auf die russische Armee stützen, zunächst sollte er jedoch den General v. Dohna, welcher das erste preußische Armeecorps befehligte, und den Ge neral v. Colomb für sich gewinnen. Der Prinz von Preußen, der damals in London weilte und dem dort der russische Gesandte Baron Brunnow diesen Plan vorlegte, fertigte den Vertrauten des Czaren derart ab, „daß dem Russen das Wort im Munde stecken blieb". Kaiser Nicolaus legte dem Grasen Dohna, welcher als Vertreter Preußens den russischen Manöver« beiwohnte und sich über die russischen Truppen lobend ge- äusiert batte, die Idee nahe, mit diesen Truppen nach Berlin zu rücken und mit den „Elenden" dort „kurzen Prozeß zu machen". „Ihnen ge fallen meine Truppen?fragte der Kaiser; „nun wohl diese Truppen sind zu Ihrer Verfügung, wenn Sie an der Spitze derselben gegen das meuterische Berlin marschiren wollen." Graf Dohna gab die schlagende Antwort: „Ein preu ßischer General marschirt nie anders als auf Befehl seines Königs." Daß das Buch zu emer Zeit erscheint, in der der Austausch d°r Gratu- lätions-Telegramme zwischen dem russischen und dem deutschen Kaiser dre polmsche Welt wieder an die alte beutst "Zische Intimität erinnerte, ist jedenfalls nhh.^ einige Bedeutung. Der Verfasser z-V^' Kenntnch damaliger Vorgänge, X^anz besr- §^5^ ^andi?A . Zahl der Einwanderer aus Europa in New- hork während des abgelaufenen Monats 21658 ^egen 5965 im März 1879. Die Anzahl der Einwanderer im ersten Quartal d. I. stellt sich auf 35825. Neben dem Gouverneur hat aber, auch ein chi nesischer Mandarin eine gewisse RegierunA- gewalt inne, und es scheint nun auf chinesischer Seite die Absicht zu bestehen, die Gemalt des Mandarinen in Macao wieder zur obersten zu machen. ' * — In Mandalay, derHguplstadt von Birma, haben wieder grauenhafte Metzeleien staltgefun- - den, und zwar auf Anstiften der Sterndeutex, welche erklärten, die bösen Geister seien erzürnt, daß der König bei seinem Regierungsantritte sich nicht eine neue Hauptstadt erwählt und bei der Gelegenheit die üblichen Menschenopfer dar- , gebracht habe. Die bösen Geister hätten nun Mandalay mit Pocken heimgesucht und zu ihrer Sühne müßten 700 Menschenleben geopfert wer-^ den. Hunderte von Männern, Frauen und Kindern, Priestern und Fremden sind lebendig unter den Thürmen der Stadtmauern vergra ben. Es herrscht großer Schrecken in der Stadt. - Vermischtes. * In Pelplin (Preußen) beging am 11. d. der Bischof von Culm, Hr. v. d. Marwitz, sein 50jähriges Priesterjubiläum. Er war f;jM^ Offizier, hatte noch in den Freiheitskriegen mn- """ gefochten und war erst im Alter von 35 Jahren Priester geworden. Der Kaiser und die Kaiserin haben Glückwunschreiben an den greisen Bischof gerichtet, der sich als Edelmann und Ex-Offizier ' doppelten Ansehens bei Hofe erfreut. * Der bekannte Socialistenführer und frühere Reichstagsabgeordnete für den 17. sächsischen Wahlkreis, der sehr vermögende Kaufmann Bracke in Braunschweig, ist dieser Tage verstorben. * In Raab in Ungarn erregt der Umstand, daß der am 14. d. mit dem Strang Hingerich tete Raubmörder Takacs wieder zum Leben er wachte, nicht geringe Erregung. Der Leichnam des Hingerichteten war nach ärztlicher Festste!- . lung des Eintritts des Todes in die Leichenkam-" mer des Spitals gebracht worden. Nach eini gen Stunden bemerkte man aber,^daß der ver meintlich Todte zu athmen beginne. Die Aerzte des Spitals stellten sofort Wiederbelebungsver suche an, und zwar mit solchem Erfolge, daß der Hingerichtete sich bald wieder zu bewegen begann. Als wahrscheinliche Ursache der man gelhaften Hinrichtung wird angenommen, daß der Hals des Verurtheilten durch Scorbut stark angeschwollen war und der Scharfrichter beim Stranguliren den Kehlkopf nicht beschädigte. Die ersten Lebenszeichen wurden wahrgeniommen, als der Arzt den Pol einer electrischen § mit dem Körper in Verbindung brachte. Me H vollkommene Genesung des Raubmörders ist möglich. Der Vorgang verursacht dem Mini sterium arge Verlegenheit. Man glaubt, dasselbe ' werde nun beim Kaiser einen Begnadigungsan trag stellen. » * Wie vorsichtig man mit seiner Namensunter schrift sein muß, zeigt folgender Vorfall. Ein aller schlichter Mann in einem Dorfe in der Ge gend von Belgern an der Elbe erhält vor Kur ¬ zem von seinem lüderlichen Sohne, der in Ber lin sich aufhält, einen Besuch, wobei ihm dieser""' nicht nur seine Reue über seine Vergangenheit bezeugt, sondern ihm auch die Versicherung giebt, daß er nunmehr ein ordentlicher Mensch gewor den sei. Im Laufe des Gesprächs erkundigt,,sich der Sohn auch theilnehmend nach dem Augen- lichte seines Vaters und ob er noch ohne Brllle ' seinen Namen schreiben könne. Da der Alte versichert, daß er dies sehr wohl vermöge, will der Sohn eine Probe machen, langt aus der Tasche ein Stück lithographirten Papiers und läßt seinen Vater den Namen darauf setzen. 1 Der Sohn, erfreut darüber, daß sein alter Va ter noch so schön schreiben könne, bittet um die Er^ubniß, das Papier uv-Anden ken behalten worden. > Oesterreich - Ungarn. . — Die Stadtvertretung von Buda-Pest hat den Beschluß betreffs des deutschen Theaters zurückgenommen. Director Müller darf bis Ende Mai spielen. Man zweifelt nicht daran, daß die Erneuerung der ConEion bewilligt wird. Frankreich. — Ein durch die Decrete über die Jesuiten rc. veranlaßtes Schreiben des Erzbischofs von Paris schließt mit der Aufforderung an die Re gierung, diese Decrete zurückzunehmen, denn die Ausführung der darin angedrohten Maßregeln ließe die Entstehung der schmerzlichsten Conflicte zwischen dem Gesetze und dem Gewissen der Gläu bigen befürchten; das Land könne dadurch einer Periode innerer Unruhen entgegengeführt wer den, deren Ende nicht abzusehen sei. — Der Minister des Innern hat soeben yuf Vorschlag des Polizeipräfecten gegen 19 deutsche Socialisten die Ausweisung aus Frankreich ver fügt, und zwar wegen lärmender Auftritte bei einer ihrer Versammlungen. Rußland. diesem die Instructionen für seine Vertheidigung I Haft Staunen erregender Weise; so sind seit der Befreiung der Quittungen für Postanwei- j Neujahr bereits über 200 Fälle derart gemeldet sungen von der Steuer in der mehrerwähnten Bundesrathssitzung gegeben hat. Es kann dies vermuthlich nur der Siaatssecretär für Post und Telegraphie, Dr. Stephan, sein, der am betreffenden Sitzungstage nicht in Berlin war. Asien. — Die portugiesische Regierung sendet Ver- tärkungen nach Macao ab, das neuesten Bench en zufolge eventuell gegen die Chinesen zu ver- heidigen ist. Macao liegt auf einer kleinen ^"esisck^ ^AnjLr'weit vop Canton; die Pop- ^^ubrsiß, das Papier W---Änden ' ^on " eine