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oder durch Priesterweihe dem Priesterstande an gehörige Geistliche von der Ersatzreservepflicht zu befreien, mit 161 gegen 151 Stimmen ange nommen, dafür stimmten das Centrum und die Mehrheit der Konservativen, auch Bennigsen; dagegen stimmten die Nationalliberalen, die Fortschrittler, ferner von den Confervativen Moltke, die Minister Pultkamer und Lucius. Ein Antrag Windthorst's, auch die jüdischen Religionslehrer von der Ersatzreservepflicht zu befreien, wurde mit 186 gegen 116 Stimmen abgelehnt. Die übrigen Paragraphen des Ge setzes wurden ohne Discussion genehmigt und das ganze Gesetz in namentlicher Schlußabstim mung mit 186 gegen 128 Stimmen angenom men. Gegen dasselbe stimmten auch Lasker, Bam berger und Forckenbeck. Hierauf wurde in drit ter Lesung der Antrag von Varnbühler und Windthorst, betreffend die Aufhebung des Flachs zolles, angenommen, und zwar mit einem Zu- satzantrage Windthorst's, wonach Jute, Manilla- Hanf und Kokosfasern zollfrei eingehen sollen. Von drei enger oder weiter gefaßten Anträgen Richter's, Stolberg's und Rickert's, dahin gehend, so viel ausländisches Mehl und Getreide auf Transit läger bezüglich der Mühlen zollfrei zuzulassen, als wieder zur Ausführung gelangt, ohne daß der Nachweis der Identität forderlich sei, wur den Anträge Rickert's und Stollberg'S ange nommen. Der Reichsschatzamtsdirector Bur chardt hatte sich gegen die Anträge ausgesprochen. Es sei bedenklich, schon jetzt an 8 7 des Tarif gesetzes zu rütteln. Die Regierung werde durch Ausführungsbestimmungen dafür sorgen, daß die Mühlenindustrie exportfähig bleibe. Der Bun- desrath werde eventuell selbst eine Abänderung des 8 7 beantragen, wozu jetzt kein Anlaß vor liege. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Das Gesetz über die Reichsstempelabgaben ist jetzt vom Bundesrath an den Reichstag ge langt. Der dem Entwurf des Gesetzes beigege bene Tarif bestimmt für inländische wie auslän dische Werthpapiere 5 M, Jnterimsscheine über die Einzahlung vor dem 1. Juli 1880 ausgege- bener ausländischer Werthpapiere 2 z M., Lom barddarlehen 20 Pfennige — Alles vom Tau send; Schlußnoten, Rechnungen über Wechsel, inländische Werthe, Waaren 10—50 Pfennige; über ausländische Werthe 25—50 Pfennige; Quittungen, Cheques 10 Pfennige; Lotterieloose aller Art fünf Procent vom Nennwerth. — Geh. Rath Prof. Reuleaux hat gleich nach seiner Rückkehr von Sydney nach Berlin seine Thätigkeit für die im nächsten Jahre in Mel bourne stattfindende internationale Ausstellung wieder ausgenommen. — Der nothwendige Umbau des Bahnhofes zu Halle soll nach einem Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten mit thunlichster Be schleunigung ausgeführt werden. — Mit der in voriger Woche in Ravensburg vollzogenen Enthauptung des Raubmörders Napp wurde in Württemberg die erste Hinrichtung seit 1866 wieder, ausgeführt. — Zur Ausführung der Volkszählung, die am 1. Decbr. d. I. stattfinden soll, sind von den Leitern der amtlichen statistischen Central stellen für den Bundesrath bereits ausführliche Vorschläge ausgearbeitet worden. Der Mecha nismus der Volkszählung wird danach im Gan zen derselbe sein, wie bei der letzten, im Jahre 1875, stattgehabten, und mithin derjenige, wel cher die deutschen Volkszählungen vor denen der meisten anderen Länder wegen der mit ihnen erreichten Genauigkeit auszeichnet. England. — Die Wahlen sind nunmehr als beendet anzusehen, und das Ergebniß ist, daß die li- Loris zu stürzen. China fährt fort zu rüsten und zeigt gegen alle fremden Mächte eine feindliche herausfor dernde Gesinnung. Schon hat es die Aufhebung der wichtigsten Punkte aller Verträge verlangt Bei einem Angriffe gegen Rußland auf das Kuldscha-Gebiet dürfte China kaum auf ein glück liches Ergebniß zu rechnen haben, denn die Rus sen halten Kuldscha sehr gut und mit einer ver- hältnißmäßig starken Macht besetzt. Die chine sischen Truppen werden sich deshalb wahrschein lich gegen die Amurgrenze wenden, um die Rus sen vom Userland des japanischen Meeres abzu schneiden. Auch mit Portugal befindet sich das Auswärtige Amt in Peking wegen der Besitz- ergreisung Macaos in Streit. Die Auszahlung des jährlichen Tributes, für welche nach dem Abtretungsverträge von 1566 Portugal dem chi nesischen Reich verpflichtet war, hat seit den Er eignissen von 1844, nach dem aus der Ermor dung des Gouverneurs der Stadt Ferreira de Amaral entstandenen Kriege, aufgehört. Neue Verträge sind bisher nicht abgeschlossen worden. Jetzt zeigt China große Lust wiederum von ei nen, Hasen Besitz zu ergreifen, welcher gegen wärtig für dieses Land von außerordentlicher Wichtigkeit sein kann. Vom Reichstage. In der Sitzung vom 15. April wurde die driue Lesung der Militärvorlage begonnen. Nachdem ein Redner der Polen deren ablehnende Haltung begründet und unter großer Unruhe des Hauses ausgesührt, daß der panslavistiichen Idee möglichste Förderung gebühre, erklärt sich Dernburg (nat.-lid.) für die Vorlage unter Hin weis aus die allgemeine politische Lage, wobei er auch den bevorstehenden englischen CabinelS- wechsel erwähnt. — Schorlemer-AIst findet die Vorlage durch die politische Lage nicht gerecht fertigt, Frankreich habe durch feine inneren Zu stände die Kraft zum Angreifen verloren und werde sobald noch nicht an Revanche denken; schließlich empfiehlt der Redner den von ihm na mens des Centrums gestellten Antrag auf Be freiung der Geistlichen von der Erfatzreferve- übungspflicht. — m Kardorff (Reichspartei) wen det sich gegen den Schorlemer'schen Antrag und hebt hervor, die Militär-Novelle werde immer als den Tendenzen der neuen Wirthschaftspolitik widersprechend dargestellt; von den im Vorjahr geschaffenen hundert Millionen neuer Einnahmen würde aber nur ein unbedeutender Bruchtheil durch die Vorlage beansprucht ; Deutschland bil lige die auswärtige Politik Bismarck's und ge währe gern dazu die nöthigen Mittel. Bamberger ist für den Antrag Stauffenberg's auf nur dreijährige Bewilligung und erklärt liefe nach jeder Reichstagswahl wiederkehrende Bewilligung des Militärbudgets für die einzig nationale; v. Maltzahn spricht für die Vorlage, die Abstimmung über den Schorlemer'schen An trag sei für seine Partei (cons.) keine Partei- ache, dieselbe würde hierin nicht geschloffen stim men. — Richter-Hagen vertheidigt die Fort schrittspartei gegen den Vorwurf, eine nur ver neinende Partei zu sein und spricht gegen Rickert nd die Nationalliberalen, deren Haltung und -r zustimmendes Votum Rickert vertheidigt, vorauf die Generaldiscussion geschloffen wird. 8 1 und 2 werden in der Fassung der zweiten Lesung mit großer Mehrheit angenommen. 8 6 behandelt die Pflichten der Reservisten. Nach dem vr. Baumgarten (Fortschritt) den Antrag Schorlemer's auf Befreiung der Geistlichen von der Neserveübungspflicht bekämpft, wird die Sitzung vertagt, um am 16. fortgesetzt zu werden. An diesem Tage wurde zunächst der Antrag Liebknecht's auf Einstellung des vom Amtsgericht Chemnitz eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Abg. Wiemer während der Dauer der diesjähri gen Session angenommen. — In der Weiter« same Folgen zu bleiben, doch sollen bereits mäch- I hinab. Unmittelbar darunter auf einer Aschengrube stand I berathung des Militärgesetzes wurde der oben« tige Feinde bei Kaiser Alexander daran arbeiten, ^gröbere^M^ ^-m^das erwähnte Antrag Schorlemer's -„durch Ordination — Seitens der Dresdner Behörden hat eine eingehende Untersuchung des Hauses der Wilsdruffer Straße stattge- fündcn, von welchem sich bekanntlich vor einigen Tagen der steinerne Dachsims ablöste, der unter seiner Wucht einen Tischlermeister zermalmte und noch zwei andere Personen schwer verletzte. Es konnte Niemandem ein Lerschulden an dem Unglückssalle beigemessen werden. Beim Baue des über 100 Jahre alten Hauses mag in sofern eine Unregelmäßigkeit vorgekommen fein, als die zum Dachsims verwendeten sogenannten Grundstücke nur 6 Zoll unter dem Querbalken des Dachstuhls gelegt wur den, während 22 Zoll der Steine über die Flucht des Hauses überragten. Der „Zahn der Zeit" wird nun den verbindenden Mörtel gelockert und das natürliche Gesetz der Schwere die Steinmassen zu Falle gebracht haben. Bei dieser Sachlage ist es nur zu bewundern, daß Las Unglück nicht früher eingetreten ist. — In Lausigk ist die Masernkrankheit epidemisch so ausgetreten, daß sämmt- licke dortige Schulanstalten haben geschlossen werden müssen. — In Freiberg sind verschiedene jugendliche Gauner aufgetaucht, von denen der eine folgendes ras- finirte Spiel treibt: Er geht in Häuser und erklärt, vom Bahnhofe zu kommen, wo ein ihm unbekannter Herr ihn beauftragt, Herm X. zu bitten, sich zu der und der Stunde zu einer Besprechung auf dem Bahnhöfe einzufinden. Natürlich verlangt er Botenlohn und erhält wohl auch dmselben. Wenn nun die Eingeladenen zur bestimmten Stunde auf dem Bahnhofe erscheinen, sind sie in den April geschickt; der Schlmgel aber hat sein Geld in der Tasche. So erging es am Sonnabend einem Fabrik besitzer und am Dienstag einem höheren Offizier. Frankenberg, 17. April 1880. — Der sächsische Gesandte am Berliner Hofe, Hr. v. Nostitz-Wallwitz, ist von seinem durch Sturz beim Glatteis erlittenen Beinbruch voll ständig wieder hergestellt und hat sich jetzt von Berlin nach Dresden begeben. — Die in Berlin neubegründete Vereinigung sächsischer Kameraden vom 12. Armeecorps Hal beschlossen, dem deutschen Kriegerbunde sofort beizutreten und ein Gesuch an den König Albert abgehen zu lassen um Erlaubniß der Namens- führuna „Deutscher Kriegerverein König Albert". — Bei der Feier des Jahrestages der Erstür mung der Düppeler Schanzen im Zwickauer Ve teranenverein, am vorigen Dienstag, schenkte der Vorsteher des Vereins, Mechanikus Schmieder, demselben 500 M. mit der Bestimmung, daß die Zinsen alljährlich am 13. April milverwendet werden sollen und daß der letzte der überleben den Veteranen des Vereins dereinst das Capi tal erben soll. — Im zweiten Bericht des Dr. I. über die jetzige Leipziger Messe wird gesagt: Im Tuchmarkt machte sich diesmal gleich von Anfang der Messe ein reges Leben bemerlbar. NouveautöS waren zu guten Preisen schnell vergriffen, und so gingen auch die guten Fabrikate von Peitz, Forste, Crimmitschau, Lott, bu«, Werdau rc. rasch um. Die meisten dieser Fabrikate holten auch sür die Fabrikanten zufriedenstellende Preise, La viele Glosse zu 10 bis 15 H per Meter höher abgingcn und Käufer sich auch gewillt zeigten, die verlangten Preise zu bezahlen. Waaren untergeordneter Gattung von schlech ten Wollen zeigten sich vernachlässigt, und nahmen Fabri kanten davon ziemlich große Posten wieder mit nach Hause, da man sich wieder den besseren Stoffen zuzuneigen scheint. — Posamenten, besonders jetzige Modeartikel waren sehr gesucht und von den gangbaren Sorten gar nicht genug am Platze, weshalb Nachbestellungen gemacht wurden. Älciderbesatzartikel gingen außerordentlich lebhaft. — Ol bernhauer Spielwaaren wurden von Amerikanern massen- hast gekauft und ziemliche Nachbestellungen gemacht. — Klingenthaler Musikinstrumente, besonders Geigen und Handharmonika» wurden sür Amerika, England und Frank reich viel au« Lem Markt genommen. — In nordöstlicher Richlung von Dresden, und zwar nach Pulsnitz, Kamenz, der Stolpener Gegend rc. zu, haben sich am Mittwoch in der fünften Nachmittagsstunde heftige Gewitter ent laden. — Unglückssälle und Verbrechen. In Zittau stürzte am Dienstag ein kleiner Knabe aus einem Hof fenster in der zweiten Etage eines an der Johannisstraße belegenen Hauses, und fiel auf einen Haufen im Hofe aufrcchtstehender eisener Faßreifen. Die Federkraft der Reifen behütete das Kind vor jedem Schaden und an scheinend völlig unversehrt fanden die Eltem ihr Kind wieder. — Auch in Leipzig stürzte ein gegen 2 Jahre alter Knabe aus einem Fenster 1 Stock hoch in den Hof