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eingetroffen. Schon in den Osterfeiertagen dürfte die Bahn im Betrieb sich befinden. — Die gemeinnützige Gesellschaft in Leipzig wird mit dem 1. Octbr. d. I. eine Schüler werkstätte begründen, in welcher Kraben Gelegen heit geboten wird, Auge und Hand durch solche praktische Beschäftigung zu üben, welche mit dem Schulunterricht in Verbindung stehen. Es sol len vier Abtheilungen gebildet werden und zwar: 1) für Bnchbinderarbeiten, 2) Laubsäge-, Ein lege- und einfache Tischlerarbeiten, 3) Metal arbeiten, 4) Modelliren in Formen und Thon und Gyps. — Die in voriger Woche im Neuen Stadt theater zu Leipzig mit dem schon erwähnten Ap parate zur Erzeugung künstlichen Regens vorge- nommene Probe ist vom besten Erfolge gekrönt worden. Die Breite und Tiefe des Bühnenraums umfassend, war ein hölzernes Gerüst aufgestellt, dessen vier Ecken Wasserbehälter trugen, aus wel chen sich das löschende Element in eine Menge siebartig durchlöcherte Röhren vertheilte. Auf ein gegebenes Zeichen öffneten sich die Ventile und in reichlichem Maße ergoß sich kreuz und quer eine Regenfluth, die fast eine Viertelstunde anhielt und selbst einen stark entwickelten Braud gelöscht haben würde. Das allgemeine Urtheil erklärte sich zu Gunsten dieser Erfindung. Die Herstellung eines solchen Löschapparats ist auf 15000 M. veranschlagt. — Die kgl. Amtshauptmannschast Dippoldis walde hat auf Antrag des Schulvorstandes zu Lungkwitz bei Kreischa eine Anzahl Fortbildungs schüler wegen ruhestörenden Lärmens und gro ben Unfugs mit mehrtägiger Haft bestraft. Den skandalsüchtigen Rangen ist somit Gelegenheit ge boten worden, während des bevorstehenden Oster festes hinter Schloß und Niegel in aller Muße über den unliebsamen Ausgang ihrer Allotria nachdenken zu können. — In Groß-Luga bei Lockwitz trug man die ser Tage die allgemein beliebte einarmige In validin Zeibig zu Grabe. Die brave Frau, welche ein Alter von 74 Jahren erreicht und in diesem langen Zeiträume viel Gutes gestiftet hat, war bei den mörderischen Kämpfen vor Dresden im Jahre 1813 durch einen Kartätschenschub um einen Arm gekommen; trotzdem kämpfte sie sich aber doch wacker und unerschrocken durch's Le ben und nähte und strickte fleißig für sKinder und Kindeskinder. Die Beerdigung fand unter all gemeinster Theilnahme statt. — Die rühmlichst bekannte Pianoforte-Fabrik von August Förster zu Löbau hat auf der in ternationalen Weltausstellung in Sidney drei Pianinos ausgestellt, welche alsbald sämmtlich verkauft wurden. In Melbourne wird die Firma ebenfalls ausstellen. — Ein kühnes Gaunerstück wurde in Schwar zenberg ausgeführt, indeni einem Schneidermeister vom Markte eine Kiste mit completen Herren- und Kinderanzügen im Werths von 1000 M. gestohlen wurde. — In Adorf mehren sich die Erkrankungsfälle an Trichinose von Tag zu Tag; doch sind seit her alle gutartig verlausen. In der Stadt sind bis jetzt 17 Personen davon betroffen. — Aus den an das sächsische Vogtland gren zenden baierischen Landstrichen wollen Tausende von Menschen auswandern. Um nämlich die Lage der ärmeren Weber aus der Gegend von Konradsreuth und Leuboldsgrün zu verbessern, beabsichtigte Freiherr v. Staff-Reitzenstein auf Konradsreuth, einige Hundert dieser Weber auf den deutschen Ansiedelungen in Südwest-Kansas auf den Ländereien der Atchinson-Topeka-Santa- Fee Eisenbahngesellschaft anzusiedeln. Baron v. Staff nahm es zugleich auf sich, die hierfür nö- thigen Mittel aufzubringen. Es war zu ver- muthen, daß bei der theilweise noch immer herr schenden Nothlage in manchen Weberdistricten viele die Gelegenheit ergreifen würden, um drü ben über dem Wasser eine neue Heimstätte zu suchen und bessere Verhältnisse sich anzubahnen, — aber daß sich 3009 Menschen zur Auswande rung melden würden, hätte gewiß Niemand ge dacht. — In Halle ist am Sonnabend Vormittag 10 Uhr ein entsetzliches Eisenhahnunglüc vorgekommen. Die von Halberstadt über Aschers leben einlaufenden Personenzüge fahren kurz vor dem Bahnhof Halle ein Stück parallel mit den auf der Strecke Magdeburg-Leipzig verkehrenden Zügen nnd diese Parallelgleise sind durch ein Weichensystem für etwaige Rangirmanipulationen mit einander verbunden und zwar dergestalt, daß das für die Halberstädter Züge bestimmte Gleis das Magdeburger überschneidet und dann noch zu verschiedenen Rangirgleisen führt. Ueber das Unglück liegen nun folgende Berichte vor: Als der von Halberstadt kommende Personenzug die vorgenannte Bahnstrecke passtrte, stieß er in Folge falscher Weichenstellung auf einen von Magdeburg kommenden Personenziig, der eben in der Einfahrt begriffen war, bahnte sich, einen stark besetzten Personenwagen IV. Klasse und den Zvgsührerwagen dieses Zuges total zertrümmernd, durch diesen gewaltsam einen Weg und erfaßte durch eine weitere falschstehende Weiche noch einen Nangirzug, der kurz vorher die von dem Halberstädter Zuge irrthümlicher Weise durchfahrenen Weichen passtrt hatte, und richtete auch hier noch arge Verwüstung an. Leider hat Kiffer traurige Unfall auch mehrere Menschenleben gekostet, denn es waren nicht weniger als 4 Personen auf der Stelle todt, außerdem 7 sehr schwer verletzt, von denen bis zum Nachmittag noch 4 starben; etwa 17 Verwundete, wovon 2 sehr schwer, an deren Auskommen ebenfalls gezweifelt wird, befinden sich in Behandlung. Der Anblick des Trümmerhaufens, das Stöhnen und Jammern der unter den Trümmern liegenden Verwundeten war entsetzlich. Viele der Verwundeten konnten erst befreit werden, nach dem die einzelnen Wagentrümmer gewaltsam durch Säge und Beil entfernt waren, und mitten im Chaos der Trüm mer bemerkte man einzelne Glieder der bei der Kata strophe Getödteten. Einem Manne war der Leib auf- gerissen, so daß die Eingeweide lang heraushingen, einer Frau waren beide Beine in der Knieegegend abgequetscht, einem Kinde soll der Kopf abgerissen sein. Einem Manne wurden nicht nur beide Beine abgefahren, sondern auch die eine Hüfte ganz heransgerissen und auch sonst noch eine ganz furchtbare Verstümmelung zugesügt. Leich- ter Verwundete oder nur vom Schreck Gelähmte lagen einander in den Armen und neben den furchtbarsten spiel ten sich die rührendsten Scenen ab. Unter der besonne- nen Leitung der Bahnhossverwaltung und der inzwischen zahlreich eingetroffenen Polizeimannschaften wurde nach und nach etwa« Ordnung in das Chaos gebracht. Die Verunglückten wurden theils in Droschken, die in großer Zahl s'osort requirirt wurden, theils in den besten Trag bahren, die die Klinik sandte, nach letzterer transportier. Der Weichensteller, dem die Schuld an dem Unglücke zur Last fällt, und der stets als ein höchst zuverlässiger Mann bekannt war, hat sich der Verantwortung vor dem welt lichen Richter entzogen und durch Erhängen seinem Leben ein Ende gemacht. Er hinterläßt 9 Kinder. — Die Ver unglückten sind zumeist aus der Umgebung von Halle und Magdeburg. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Der Kaiser hat am 18. März, nachdem der Kronprinz bereits am Tage zuvor den Prinzen Karl und Friedrich Karl vertrauliche Mittheilung gemacht hatte, vor Beginn der musikalischen Soiree im königlichen Palais in Gegenwart der Kaiserin den Prinzen und Prin zessinnen des königlichen Hauses Keunlniß davon gegeben, daß mit Zustimmung seiner Eltern Prinz Wilhelm von Preußen sich mit der Prin zessin Augusta Victoria von Schleswig-Holstein- Sonderburg-Augustenbnrg verlobt habe. Da die Braut wegen des vor wenigen Monaten erfolg ten Ablebens ihres Vaters zur Zeit sich noch in tiefer Trauer..befindet, wird von der üblichen officiellen Verlöbnißerklärung wahrscheinlich bis nach der Trauerzeit Abstand genommen und die Verlobung bis dahin als innere Familienange- egenheit betrachtet werden. Die Prinzessin ist eine große stattliche Gestalt von sehr gewinnen den Zügen. — Der Reichstag hat, wie nochmals in cor- recler Weise erwähnt sein möge, den Haushalts etat in folgender Weise festgestellt: Die Ge- ämmtausgaben des Reiches beziffern sich pro 1880 bis 1881 auf 539,252640 Mark, gegen 544,793343 M., wie sie in dem von den ver- lündeten Negierungen vorgelegten Etatsentwurfe igurirlen. Die Matrikularbeiträge für das be- eichnete Etatsjahr sind im Ganzen auf 81,670950 M. veranschlagt, d. h. 8 Millionen Mark weni ger als im abgelaufenen Etatsjahre. — Die Tochter des letzten Königs von Han ¬ nover, Prinzessin Friederike, hat sich mit Baron von Pawel-Rammingen, dem Secretär und Ad jutanten ihres verstorbenen Vaters, verlobt.' Die Times erfahren, die Verlobung werde der Zu stimmung der Königin bedürfen, da die Prin zessin sowohl eine Prinzessin von Großbritannien als Hannover sei und in England ihr Domicil aufzuschlagen beabsichtige: Nach anderer Mel dung hat der Bruder der Prinzessin, der Herzog von Cumberland, als Familienoberhaupt seine Einwilligung zu der Verbindung nicht ertheilt. Frankreich. — Die inneren Zustände sind wenig erbau lich. Die Communisten treten wieder dreister auf. Unangenehm berührte, daß die Negierung den von Thiers zum Großkanzler der Ehren legion ernannten General Vinoy abgesetzt hat, welchem es die Radicalen nie verzeihen konn ten, die Commune entschieden bekämpft zu haben. Den schlechtesten Eindruck hat natürlich die Ab setzung Vinoy's in der Armee hervorgerufen. Die Elemente, die sich jetzt zu neuem Kampfe in Paris sammeln, werden schon dafür Sorge tragen, daß in wenigen Jahren Frankreich wei tere Stürme durchtoben. Der diesjährige Jah restag des Ausbruchs des Communeaufstandes (18.. März) ist von den Communisten mit einer Reihe von Festen begangen worden, bei denen die allgemeine Verbrüderung mit den Radicalen Italiens und natürlich auch mit den Nihilisten in Rußland im Vordergründe standen. Bei einem derselben wurde mit' donnerndem Beifall eine Depesche des russischen Nihilistencomitees ausge nommen, welche folgendermaßen lautete: „Die russischen Nihilisten und Socialisten haben, nach dem sie zu einer besonderen Sitzung zusammen getreten sind, einstimmig eine Beglückwiinschui.gs- adresse an ihre socialistischen Brüder von Frank reich beschlossen und sprechen die Hoffnung aus, daß sie in Kürze im Verein mit ihnen den Ruf ausstoßen können: Es lebe die sociale Revolu tion! Es lebe dis Commune!" — Die Nachricht von der Ankunft des Je suitengenerals Beckx wird in der „Franz. Corr." für völlig aus der Luft gegriffen erklärt. Der fast 90jährige Greis befindet sich zu Fiesole ober halb Florenz und gedenkt nicht im Entferntesten, eine Reise zu unternehmen, die auch unter den obwaltenden Umständen nicht den geringsten Zweck haben könnte. Spanien. — Die Nichtigkeitsbeschwerde in dem Prozeß gegen den Attentäter Otero ist verworfen worden. Rußland. — Der Köln. Ztg. wird aus Petersburg ge- chrieben: Das ganze Souterrain des Winterpa- astes, die Bodenräume, das Dach und alle be wohnten und unbewohnten Räume, auch die Wände und Kamine sind untersucht worden, und es hat sich herausgestellt, daß man keinerlei Be- ürchtungen !für nene Attentate daselbst zu he gen braucht. Der Kaiser schläft infolgedessen wieder im Palast, was er seit dem 17. v. Mts. nicht mehr that, wenn auch jede Nacht in einem andern Zimmer. Das Leben, welches er gegen wärtig führt, ist geradezu bejammernswerth. Er genießt keine Speisen, die ihm nicht vorgekostet, und keinen Wein, der ihm nicht vorgetrunken wird, die Bäder muß der Leibmedicus untersu chen, und jeden Abend, ehe er sich zur Ruhe be- giebt, findet sorgfältige Revision des Schlafrau mes und der angrenzenden, darunter und dar über liegenden Zimmer statt. Er ist sehr ner vös, will von nichts mehr hören, sogar die Pa raden, eine Beschäftigung, der er sonst mitFreu- ;en oblag, machen ihm kein Vergnügen mehr. Die Nichtauslieferung Hartmann's hat ihn noch mehr verstimmt und gegen die französische Re publik, der er bekanntlich niemals sehr grün war, erbittert. Vermischtes. * Der Reichskanzler macht bekannt, daß dem vr. meä. Herzog Karl Theodor von Baiern von den bairischen Staatsministerien unter Be-