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200 Vorträge injden Vereinen vermittelt worden, von denen vr. Wislicenus eine große Zahl ge halten, ferner vr. Baeblich aus Berlin, der seit dem Herbste in etwa 25 Vereinen gesprochen und demnächst auch in Frankenberg einen natur wissenschaftlichen Vortrag halten wird, dann vr. Dahlmann selbst. Ein festerer Anschluß der Vereine an den Verband, der so nöthig, ist er reicht. Wenn auf dem betretenen Wege fortge schritten wird, werde Sachsen stets mit in erster Reihe bleiben. Der Bericht des Wanderlehrers Vr. Wislicenus über seine in den sächsischen Vereinen gesammelten Erfahrungen mußte infolge der Erkrankung des Referenten ausfallen, von ihm vorgelegte Vorschläge wegen Beschaffung von Vorträgen in den Vereinen wurden einer Commission (Oberlehrer Pache-Lindenau, vr. Dahlmann, Red. Kutschbach-Chemnitz) zur Be- rathung und event. Ausführung überwiesen. Wanderlehrer vr. Baeblich, über seine Reisebeob achtungen berichtend, hat gefunden, daß die Bildungsvereine in Sachsen in so schöner und hoher Blüthe stehen, wie in keinem andern Lande; dieselben erfreuen sich einer Betheiligung, wie sie anderwärts nicht zu finden. Vielfach rivalisiren mehrere Vereine in einem Orte mit einander, gute Bibliotheken sind eingerichtet, kurz, die Bil dungsvereint Sachsens mit ihrem warmen In teresse für die Bildung des Geistes und Herzens würden der Fels sein, an dem die wissenschaft liche Neaction scheitern werde. Einem Anträge Dir. Pache's entsprechend, wurde der Vorstand beauftragt, dafür Sorge zu tragen, daß die Ge neralversammlungen abwechselnd nach verschiede nen Landestheilen einberufen werden. Ein wei terer Antrag auf Gründung eines monatlich er scheinenden Correspondenzblattes für den Ver band wurde nach längerer Debatte, in der auf die schon vorhandenen Blätter als genügend hingewiesen wurde, einer Commission (Fabr. Starke-Frankenau, Handwerkervereinsvorst. Igel- Chemnitz und Red. Roßberg-Frankenberg) zur Prüfung und Berichterstattung überwiesen. Ein Antrag, der Verband möge sich um Zuweisung der Geschäfte der Wilhelmsspende bemühen, führte zu dem Beschlusse, dem Vorstande die Orientirung in der Sache auszugeben. Zum Vorort wurde Leipzig gewählt und zum Vor stande vr. Gensel, vr. Dahlmann, Buchhänd ler Streller in Leipzig, Sladtrath Kaiser in Zwickau und Schuldirector Rudolph in Chem nitz. Die weit vorgerückte Zeit führte ebenso wenig zur Besprechung eines eingehenden Re ferates vr. Götze's-Leipzig über die Ergänzung des Schulunterrichts durch praktische Beschäfti gung in Handarbeiten wie über die Reform des gewerblichen Lehrlingswesens, über welche Kaiser- Zwickau und vr. Adler-Leipzig referirten, von denen der Erstere die Zustände im Lehrlings wesen in düstern Farben schilderte und alle Hilse nur vom Staate, von der Gesetzgebung verlangte, während der Letztere die Mißstände im Lehr ¬ theil an der Halmernie zu erwerben. Dieser ver> tieft sich in alte Bücher, Jener studirt die Gesetz bucker, ein Andrer ergreift den Pinsel oder Grab stichel, wieder Andere Hobel, Peitsche, Pfrieme oder Nähnadel oder vertrauen sich mit ihrem Schiff dem treulosen Meere an, um sich die Frucht des Feldes elntauschcn zu können für ihre Arbeit. Der Perlfischer taucht in die Tiefe deS Meeres nach der kostbaren Thierfrucht der Muschel, der Bergmann holt auS dem unterirdischen Schacht Edelmetalle und Erze, Seiltänzer und Taschenspieler ersinnen sich überraschende, lebensgefährliche Kunststücke, der Künstler schafft Kunstwerke, der Schauspieler stu dirt schmierige Rollen, der Sackträger bietet seine Körperkraft an, damit sie Alle ihren Antheil am Halme sich sichern. Was man sieht und hört, waS gelhan, gesagt und erdacht wird, immer ge- schieht e« jenes verachteten Strohhalms wegen. Ja der Kornwucherer, dieser Bampyr seiner Mit menschen, belastet sich mit dem Fluche der Betro genen, gesetzlich Uebertheuerten, damit er durch Ver kauf der Halmfrucht sich bereich«, sich Kutschen, Dillen, Orden und Titel kaufe, mit denen er die Schande seine- Gelderwerbs verdecken will. (Schluß folgt.) lingswesen keineswegs verkannte, aber außer ge setzlichen Reformen auch die Selbsthilfe der Ge- werbtreibenden forderte. Nach 5stüudiger Dauer schloß vr. Gensel gegen 4 Uhr die Versammlung mit dem Wunsche weiterer reger Theilnahme der Mitglieder und ferneren Gedeihens des Ver bandes zum Wohle unsers Volkes. -j- Aus der Nachbarstadt Mittweida wird dem Lpz. Tgbl. geschrieben: Die Verbindung der deut schen Müller, die in Kurzem in Berlin tagen wird, projectirt die Errichtung einer deutschen Müllerschule. Von den Städten, die darum con- curriren, diese Schule in ihre Mauern verlegt zu sehen, kommt im Augenblicke wohl nur Mitt weida und Hameln noch in Frage. Von hiesi ger Stadt und namentlich vom Director des hiesigen „Technikum" ist zur Empfehlung Mitt weidas das Mögliche geschehen; auch der Staat hat eine nicht unwesentliche eventuelle Unter stützung zugesagt. Diese Schule würde, ohne gerade mit dem Technikum verschmolzen zu wer den, recht günstig an dasselbe angclehnt werden können, würde den Director und einige der tüch tigen Lehrkräfte gemeinsam haben und nur für pectellen Fachunterricht selbstständiger Lehrer be dürfen. — Die sächsische Landeslotterie hat während der Periode 1876 bis 1877 ein Mehrerträgniß von 122425 M. gegenüber dem Voranschlag erzielt. Zu diesem Mehrerträgniß haben die von den Gewinngeldern der 88^ bis 91. Lotte rie unabgehoben gebliebenen Beträge den haupt- ächlichsten Theil beigetragen. Die Nechenschafts- deputation der Zweiten Kammer gedenkt in ih rem Berichte bei der Position der Landeslotte rie eines Antrages, welchen die Rechenschafts deputation des letztverflossenen Landtages damals zur Erwägung anheimgab und dessen Zweck da hin ging, eine Reform des Collecteurwesens zu befürworten, welche gleichzeitig ebenso vortheil- )aft für die Lolteriekasse wie auch für diejeni gen Personen sein würde, denen als einer ein igen Kategorie von Collecteuren von Seiten der Lotleriedirection künftighin der Vertrieb der Loose der Landcslotterie übertragen werden würde. Die vormalige Finanzdeputation war einer Zeit in Betreff dieses Antrages mit den Commissaren der Negierung in Verhandlung ge treten, hatte dieselben aber nicht geneigt gesun den, einem solchem Anträge Folge zu geben. Der Referent der Nechenschastsdeputalion der Zweiten Kammer, Abg. Schieck, bemerkt in dem vorliegenden Bericht zu dieser Angelegenheit Folgendes: Obwohl nun Referent keinen Augenblick barm« zweifeln zu können glaubt, daß der jetzt verhältnißmäßig leichte Vertrieb der Loose der LandeSlotterie, insbesondere die in neuerer Zeit außerordentlich vermehrte Gelegenheit, diesel ben ohne ein nennenSwertheS Nisico auch nach außerdeut- schen Ländern hin absetzen zu können, eine Vereinfachung des bisher zum Vertrieb der Loose bestandenen weilschich tigen Apparat« im vollsten Maße rechtfertigt und daß hier- bei für den Staat auch ein finanzielles Interesse in Frage ist, beträchtlich genug, um angesichts der dem sächsi schen Volke auferlegten schweren Steuerlast und der da mit trotzdem nicht völlig behobenen Finanzbedrängnisse die ernsteste Betrachtung auf sich zu lenken, so hat Refe rent doch davon Abstand genommen, die Deputation in der früheren Weise zur weiteren Verfolgung der hier frag lichen Angelegenheit auzuregen, da er sich nach Lage der Verhältnisse nicht davon zu überzeugen vermochte, daß ein solches Vorgehen zur Zeit bei der königlichen Staatsregie, rung wie bei der seit dem letzten Landtage in ihrem Be stände nur wenig veränderten Fmanzdeputation einem besseren Schicksale als früher begegnen werde. — Neue Telegraphenstationen in Sachsen sind für dieses Jahr projectirt für Weißer Hirsch bei Dresden, Niederoderwitz, Langenberg, Mohorn, Olbersdorf, Eythra bei Leipzig, Dahlen (Stadt), Treben bei Altenburg, Wintersdorf, Gablenz bei Chemnitz, Tannenberg bei Geyer und Bären walde bei Kirchberg. Im ganzen deutschen Reiche sollen 200 Stationen neu eingerichtet werden. — Die „Zeitschrift des Königlich sächsischen statistischen Bureaus" führt die Thatsache an, daß die Zahl der Verurtheilten im Königreich Sachsen, die 1871 sich auf 9883 Personen be lief, im Jahre 1877 auf 19 354 gestiegen war. Ueber die Ursache dieser Erscheinung spricht sich die erwähnte Zeitschrift u. A. folgendermaßen aus: „Das Vorherrschen ungebundener Anschau ¬ ungen in verschiedener Richtung, die Abschwä chung der Zucht in der Familie und in der Schule, die überhandnehmende Genußsucht sind, wie oft, so auch hier, zu den Hauptgründen der steigenden Criminalität zu zählen. Noch tiefere Verwirrung ist in den Gemüihern durch die Gährung auf dem naturwissenschaftlichen und literarischen Gebiete entstanden. Wissenschaft liche Hypothesen sind dem Volke als erwiesene Wahrheiten vorgepredigt worden. Alle unreifen Ideen einer materialistischen Zeitrichlung, die früher höchstens in engeren Kreisen philosophisch erörtert wurden, haben mit Hilfe der Rede- und Preßfreiheit rasche und allgemeine Verbreitung gefunden und weithin Gleichgiltigkeit gegen Re ligion und göttliche Dinge hervorgerufen, wo mit bei oberflächlichen Naturen in der Regel ein Verfall des Sittlichkeitszustandes Hand in Hand geht Jedenfalls haben viele äußere Ereignisse und innere Ursachen gleichzeitig das Nechtsbewußlsein und sittliche Gefühl in weiten Kreisen erschüttert." — Das „Neichenauer Wochenblatt" bringt eine Statistik der Weberei in diesem Jndustrie- dorfe vom Januar d. I. Danach sind die dort befindlichen Webstühle, 260 an der Zahl, zum größten Theile im Gange, und zwar 223 auf Orleans, 18 auf Kattun rc. Von den 260 We bern, von denen 255 das ganze Jahr hindurch weben, hatten nur 13 Feld in Pacht oder Ei- genlhum. Der durchschnittliche Wochenverdienst aber stellte sich auf nicht mehr als zwei und eine halbe Mark (!) bei selbstständigen, auf an derthalb Mark für einen unselbstständigen We ber. Von den letzteren gab es allerdings nur 6 in dem ganzen Dorfe. 1872^73 betrug die Zahl der Webstühle noch 340, die fast aus nahmslos Orleans herstellten, der Rückgang ist wohl allein aus der Vermehrung der Maschinen stühle zu erklären. — Aus der Dresdner Diakonissenanstalt ist kürzlich eine Pflegerin nach Mülsen St. Jacob gesandt worden, wo leider infolge des Nothstan des seit einigen Wochen der Flecktyphus ausge- brocheu sein soll. Obwohl von behördlicher und ärztlicher Seite s. Z. alle Mittel angewendet worden sind, um dieser gefährlichen Krankheit die epidemische Wirkung zu nehmen, so konnte dieselbe doch nicht aus ihren engeren Herd be- chränkt werden und ganz Mülsen befindet sich n der größten Aufregung, zumal nun schon 3 Fälle dieser ungemein ansteckenden Krankheit tödllich verlaufen sind. — Das österreichische Lotio ist sür die Be wohner Sachsens strengstens verboten, muß aber doch auf die Bewohner der Grenzdistricle eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben. Erst Ende Januar wurden in Sachsen, wie die Dresd. Ztg. meldet, 6 Personen, meist weiblichen Ge- chlechtes, zu Gefängnißstrafe von 4 Tagen bis 4 Wochen verurtheilt und in voriger Woche ge lang es der Gendarmerie abermals, die Namen von etwa 20 bis 40 Lottospielern zu ermitteln. — Die frohe Kunde, daß die 11. Kammer einstimmig die Genehmigung zum Bau der Ei- enbahn Schwarzenberg-Johanngeorgenstadt aus gesprochen habe, ward am vorigen Mittwoch auf dem Kamme des Erzgebirges mit Böllerschießen und bengalischen Flammen begrüßt. — Der am letzten Donnerstag Nachmittags 3 Uhr von Dresden nach Chemnitz abgelaffene Personenzug mußte kurz vor der Haltestelle Edle Krone zum Stillstand gebracht werden, weil in einem Wagen 2. Klasse ein zur Dampfheizung gehörendes Nohr geplatzt war und nunmehr die Coupees mit Wasserdampf sich füllten, wodurch die Passagiere in einigen Schrecken versetzt wur den, der jedoch nach Klarlegung der Ursache bal digst schwand. Bei dieser Gelegenheit wird dar auf aufmerksam gemacht, daß die Beheizung der Eisenbahnzüge mittels Dampf von der Maschine aus, wie sie auf den Linien Dresden-Reichen bach, Reichenbach-Eger und Leipzig-Hof in Ge brauch ist, eine Feuersgefahr oder dergleichen durchaus ausschließt. Die Heizmethode besteht darin, daß unter den Sitzen eines jeden Coupees sich Rohrsysteme befinden, die sowohl unter sich, wie auch mit der Maschine in Verbindung sind.