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müsse als sicher gelten lasten, daß dieselben, so bald sie an'S Ruder kommen, Frankreich in ei nen Krieg stürzen würden, um sich zu halten. Auf diese Gefahr müsse Deutschland bei aller Friedensliebe im Interest« seiner Sicherheit dem Beispiele folgen, welches die Nachbarn durch ge waltige Rüstungen in den letzten Jahren gege ben. Deutschlands Heer sei eine Waffe der Ver- theidigung, nicht deS Angriffes. Oesterreich-Ungarn. — Deutschland hat in freundschaftlichster Weise den Schutz der österreichischen Unterthanen im Kriege zwischen Chile und Peru durch sein Ge schwader angeboren und die Corvetle „Hansa" für diesen Zweck dem österreichischen Generalconiu! Krüger zur Disposition gestellt, was dankbar ac- ceptirt wurde. Frankreich. — Die Deputirtenkammer berielh am 12. d. den Antrag Louis Blanc's auf Gewährung vol ler Amnestie. Der Ministerpräsident Freycinet erklärte, der Amnestie-Antrag werde von der Re gierung formell abgelehnt. Die überwiegende Majorität des Landes sei.für die Gewährung der Amnestie nicht vorbereitet; sie werde dies erst dann sein, wenn die Amnestie aufgehört habe, ein Werkzeug der Agitation zu sein. Er fordere die Anhänger des Amnestieantrags auf, sich vielmehr mit der Regierung zu vereinigen, damit das Land beruhigt werde; dann werde die Regierung stark genug sein, um eine Amnestie in Vorschlag bringen zu können. Nach der mit großem Beifall aufgenommenen Rede des Mini sterpräsidenten beschloß die Kammer mit großer Mehrheit, auf die Berathung der einzelnen Ar tikel des Antrags nicht einzugehen. England. — Die Tagespresse bezeichnet die deutsche Thronrede als entschieden beruhigend. Die „Ti mes" meint, es sei alle Ursache vorhanden, die Versicherungen des Kaisers, der Einfluß Deutsch lands werde beharrlich zu Gunsten des Friedens ausgeübt werden, zu acceptiren und es fei vor läufig glücklicherweise kein Anzeichen vorhanden, daß andere Nationen ein anderes Verfahren ein schlagen werden. Italien. — Die begehrlichen Blicke der Clubs, welche der „Italia irredenta" angehören, richten sich auf gar vielerlei Gebiete. Oesterreich soll Süd- tyrol, Triest und Istrien, wohl auch Dalmatien, Frankreich die Insel Corsika und Nizza, Eng land die Insel Malta und die Türkei Albanien herausgeben. Die Negierung hat diesen Bestre bungen gegenüber lange genug Nachsicht an den Tag gelegt, und das nun erfolgte Einschreiten derselben ist offenbar durch die Mißbilligung ver anlaßt worden, welche jene Annectirungsgelüste im Auslande Hervorgernfen haben. Vermischtes. * Im Gewerbeverein zu Meißen hat Amts richter vr. Dämmig einen Vortrag über das Mahnverfahren gehalten, welcher mit folgenden nützlichen Versen schloß: Das Mahnverfahren, merke, hat Bei jedem Geldbeträge statt. Doch fällt Dein Antrag in den Sand, Nennst Namen Du nicht, Wohnort, Stand Von Dir und von dem Schuldner Dein. Bezeichne dann 'S Gericht auch fein. Betrag und Grund nenn' mit Geschick, Sonst weist man Dein Gesuch zurück. Den Grund sagt oft ein Wörtchen schon: Kauf, Darlehn, Miethe, Commission. Lag Gegenleistung Dir zur Last, So schreib', daß Du erfüllet hast. * Es wird noch erinnerlich sein, daß unlängst die Umgebung von Neustadt an der Orla durch eine Reihe von Bränden beunruhigt wurde, als deren Urheber man endlich den 13jährigen Sohn des Lehrers zu Schöndorf bei Neustadt ermittelte. Vor dem Landgerichte zu Gera wurde am 9. d. der psychologisch merkwürdige Fall verhan delt. Der Knabe hat eine gute Erziehung ge nossen, ist geistig begabt und machte im Allge meinen keinen ungünstigen Eindruck, bewahrte auch während der Verhandlung trotz der schwe ren Anklage eine natürliche Ruhe, die in Er staunen setzte. Ohne irgend welchen Grund, ohne irgend welche Veranlassung, weder aus Rache oder sonst welchen denkbaren Motiven ver anlaßte er binnen 5 Tagen 6. Brände. Befragt, weshalb er alles dies gethan, äußerte er ganz ruhig: er habe gern brennen sehen wollen, und es wäre doch schön, Gebäude brennen zu sehen; ebenso habe er gern „stürmen" wollen. Sein Vater als Lehrer hatte die Pflicht des Läutens und des Stürmens. Die Brände legte er in aller Ruhe mit Streichhölzchen an. Die Staats anwaltschaft beantragt eine Gesammtstrafe von 7 Jahren. Der Gerichtshof erkennt wegen 4 vollendeter und 2 versuchter Brandstiftungen auf eine Gefängnißstrafe von 5 Jahren und Tragung der Kosten. * Ein gräßlicher Mord ist am 10. d. M. Vormittags im Städtchen Prettin an der Elbe an einem Knaben von 11 Jahren verübt wor den. Die Eltern desselben hatten sich am ge nannten Tage früh in den nahen Wald begeben, um Holz zu holen. Als sie Nachmittags 2 Uhr zurückkehrten, fanden sie ihr einziges Kind erwürgt und mit zugebundenem Munde in der Stube am Boden liegen. Ihre Baarschast von 96 M., welche im Kleiderschrank in Schuhen aufbewahrt war, hatte der Mörder mitgenom men. Vermuthlich hat dieser Räuber und Mör der sich durch, den Knaben sagen lassen, wo das Geld liege, und um ganz sicher zu sein, ihn dann erwürgt. * Dem berühmten Augenarzt Prof. Gräfe in Halle ist dieser Tage eine sehr schwierige Ope ration gelungen: er hat nämlich einer Dame ei nen lebenden Wurm aus dem Auge entfernt. Der Zeitz- Ztg. wird von einem ihrer Leser milgetheilt, daß er Augenzeuge hierbei gewesen und die Ope ration bereits zum zehnten Male von Professor Gräfe glücklich ausgeführt worden sei. Derselbe berichtet ferner: „Im Jahre 1873 bekam ein Mann in Eisleben bei einer Schlägerei mehrere Messerstiche in den Kopf, so auch einen solchen u das rechte Auge unterhalb des Augapfels; ämmtliche Wunden heilten unter der Behand- ung eines dortigen Arztes, so daß auch Patient päter drei Jahre als gesund beim 3. Leibregi- ment in Landsberg asW. diente. Im Decem- ber v. I. hat nun nach Verlauf von mehr als 6 Jahren jener Messeraffaire Prof. vr. Gräfe demselben eine fest in die Augenhöhle eingekeilte Messerspitze von 43 mm Länge und 15 mm Breite herausgenommen und 3 Wochen nach er folgter Operation den Patienten mit gutem Seh vermögen gesund und geheilt aus seiner Anstalt entlassen." * In München hat am Fastnachtsmontag der Netzgersprung in altherkömmlicher Weise wieder tattgefunden. Die theils mit Lammsfellen, theils mit rothen Jacken und weißen Schürzen bekleideten Metzger wohnten Vormittags in der Peters-Kirche ihrem Jahres-Gottesdienste an, zogen darauf mit Musik vor die kgl. Residenz im Zuge befanden sich 7 Fleischerburschen und Z Knaben, ebenso Heuer zum ersten Male ein Pocal aus dem Jahre 1624, aus welchem den ürstlichen Herrschaften in früheren Zeiten der Lein credenzt wurde) und ließen die Königin- Kutter hoch leben, wähnend die Altmeister der Königin-Mutter im goldenen Pocale den übli chen Trunk Weines darboten. Hierauf ging der Zug vor die Palais der königlichen Prinzen und llachmittags ^2 Uhr begann auf dem vonMen- chen überfüllten Marienplatze der Metzgersprung elbst. Die Burschen sprangen, nachdem ihnen der Altmeister einen Trunk gereicht, unter dem Geschrei der Volksmenge in das (von einem Brauereibesitzer aus Humanitätsrücksichten mit warmem Wasser gefüllte) Bassin des Fischbrun nens vor dem Rathhause, tanzten im Wasser und begossen die durch ausgeworfene Nüsse heran gelockte fröhliche Jugend, mit dem Wasser. Das Schauspiel, welches von zwei zu zwei Jahren sich wiederholen wird, ging ohne Störung vor sich. * Der strenge Winter bereitet dem Wildstande im steierischen Oberlande harte Noth. In der Mariazeller Gegend wird das Wild mit Heu gefüttert, wodurch jedoch namentlich die Rehe oft erkrankten und selbst verendeten. Zudem setzen die Füchse den Rehen hart zu, und nicht selten wurden Rehe erlegt, denen ganze Stücke Fleisch herausgerissen waren. * Ein Korbflechter aus Beiersdorf bet Coburg ging am 2. Februar um Mitternacht mit meh reren Glas Bier im Leibe oder Kopfe von Wei ßenbrunn nach Meschenbach und schlief auf freiem Felde ein. Er lag 7 Stunden lang bei einer Kälte von 14 Grad und — wachte den noch wieder auf. * Das Thealre Royal in Dublin, das bedeu tendste Theater in der irischen Hauptstadt und eines der schönsten Schauspielhäuser in Irland, brannte am Montag Nachmittag völlig nieder. Es sollte eine Tagesvorstellung zum Besten der Armen Dublins statlfinden, aber eine Stunde vor der Eröffnung der Thüren brach das Feuer aus, welches seinen Ursprung darin hatte, daß ein Arbeiter eine brennende Kerze mit den Spi tzenvorhängen einer Loge in Berührung brachte. Die Flammen griffen mit so reißeuder Schnel- ligkeit um sich, daß bald alle Löschanstrengungen sich als vergeblich erwiesen und das Gebäude mit seinem kostbaren Inventar bis auf die Grundmauern eingeäschert wurde. Leider ver loren dabei 6 Personen ihr Leben, darunter der Regisseur des Theaters, der in dem Bestreben, die Bibliothek des Theaters zu retten, seinen Tod fand; ferner der Requisiten-Jnspector und dessen Gehilfe, die Scheuerfrau und zwei andere Bedienteste des Theaters. Der angerichtete Vermögensschaden wird auf 40000 Pfd. St. geschätzt. * Bei einem Zusammenstöße auf der London- and-South-Westerneisenbahn am 8. December 1878 wurde auch ein Londoner Arzt, vr. Phil lips, in solcher Weise verletzt, daß er seitdem völlig erwerbsunfähig ist und allem Vermuthen nach auch wohl bleiben wird. Auf erhobene An lage sist jetzt vom Gerichte in zweiter Instanz die Eisenbahngesellschafl zur Zahlung einer Ent- chädigung von 16000 Pfd. Sterl. -- 320 000 M. an den Verletzten verurtheilt worden. * In der „Times" wird erzählt, daß im Jahre 1874 das Dampfschiff „Gordon Castle" nahe bei Lissabon sank, aber nach einigen Wo chen wieder gehoben wurde, 14000 Kisten mit Thee aus der Ladung wurden zu Lissabon zu einem ganz geringen Preise verkauft. Dieser Thee befand sich in einem Zustande der Gährung und wurde als ungenießbar condemnirt. Nichts destoweniger wurde er getrocknet, und wäre in der „Times" nicht Lärm geschlagen worden, so wäre er nach England importirt worden, natür lich mit gesundem Tbee gemischt. Jetzt kommt, nun die Nachricht, daß dieser Thee in geleerte' Theekisten, welche aus London kamen, verpackt und von Lissabon, jede Woche 100 Halbkisten, versandt worden ist, und zwar zunächst nach Ham burg. Die verdorbene Masse hat das Aussehen von Kaffeegrund, und nachdem der faulige Ge ruch vorübergegangen, möchte es schwer sein, die vermischte Masse vom gesunden Thee zu unter scheiden. * Der erste Versuch, Fleisch im frischen Zu stande von Australien nach London zu bringen, isi vollständig geglückt. Am 2. d. lief der Dam pfer „Strath Leven", welcher mit einer Ladung von 70 Stück todtem Rindvieh, 500 geschlach teten Schafen und 40 Centner Butter am 7. j Decbr. aus Sydney absegelte, wohlbehalten in die Themse ein, und der Zustand der Ladung ist alsbald mit der Zunge geprüft worden. So wohl Fleisch wie Butter sollen sich vortrefflich s gehalten und ihren Geschmack vollkommen be wahrt haben. Die Aufbewahrung im Schiffs raum ist wenig kostspielig. Es ist somit für London eine neue, und zwar ausgiebige Bezugs quelle für Fleischnahrung eröffnet. * In San Francisco ist am 5. d. eine chi nesische Waschanstalt niedergebrannt; 11 Chine sen, die wahrscheinlich durch Opiumrauchen be täubt waren, kamen in den Flammen um. * Ein amerikanischer Zeitungsherausg-ber ist