werden beim Komponieren und einen neuen Weg wagen? Natürlich ist es Fazil Say, der hier über seine Sinfonie Nr. 2 op. 38 spricht. Sie trägt den Namen „Mesopotamia“, und Say sagt, sie sei nichts weniger als sein persönliches „Meis terstück“. In den Jahren 2011/12 schrieb er diese Sinfonie, die gerade im Jahr 2016, in dem ein verheerender Kriegjene namengebende Region erschüttert, eine beinahe visionäre Aktualität bekommt. Man müsse besonders als Künstler im mer in die Weite denken, vorausdenken und universal sein, lautet ein Credo Fazil Says, das er mit der „Mesopotamia Symphony“ eindrucksvoll unterstreicht: Sie ist viel mehr als nur ein farbenprächtiges Gemälde des faszinierenden Zwei stromlandes - sie erzählt auch seine Geschichte und deren kulturelle Wahrnehmung, in der vor allem Konflikt und Krieg im Vordergrund stehen. In zehn Teile teilt Say seine Sinfonie, deren Orchesterappa rat bereits die ungeheure Vielfältigkeit Mesopotamiens sym bolisiert. Traditionelle Instrumente sind ebenso eingebunden wie das elektronische Theremin, das mit seinem sphärischen Gesang den trauernden Schutzengel darstellt, der in Fazil Says Vorstellung über Mesopotamiens Geschicke wacht. Gegen sätzen und deren beständiger Reibung ist alles in der Sinfonie unterworfen. Wie die beiden Flüsse Euphrat und Tigris das Zweistromland prägen, bestimmen ihre Charaktere auch die Sinfonie. Mond und Sonne bilden darin ebenso einen starken Kontrast wie Krieg und Frieden, Leben und Tod. Wie ein elegischer Soundtrack eröffnet der erste Satz „Zwei Kinder auf dem Land“ die monumentale Sinfonie und lässt gleich wichtige Leitmotive erkennen: den „Engels gesang“, aber auch ein Posaunenmotiv, das als Zeichen für die „Kultur des Todes“ wieder begegnen wird. Das Rascheln eines „Waterphones“ leitet in den zweiten Satz über, der den Tigris imaginiert. Say fuhrt vor Ohren, wie der Fluss aus seiner Quelle in den Bergen zu einem immer mächtigeren Strom erwächst. Doch bleibt er im Gegensatz zu seinem Geschwis ter Euphrat im achten Sinfoniesatz ein freundlich und quirlig dahingleitendes Gewässer. Der aufwühlende dritte Satz be schreibt die „Kultur des Todes“, die zum Synonym geworden ist für die Situation des mittleren Ostens, wie Say überzeugt ist. Das folgende Melodram kehrt zurück zu den klagenden Gesängen der „Zwei Kinder auf dem Land“, zu denen sich wiederum die Stimme des Engels gesellt und eine melancho-