i> DRESDNER O PHILHARMONIE wühlen", ist eine ihrer Thesen. Eine andere Er kenntnis deutet sie folgendermaßen: „Als Ideal betrachte ich ein solches Verhältnis zur Tradition und zu neuen Kompositionsmitteln, bei dem der Künstler alle Mittel - sowohl neue als auch tra ditionelle - beherrscht, aber so, als schenke er weder den einen noch den anderen Beachtung. Es gibt Komponisten, die ihre Werke sehr be wußt bauen, ich zähle mich dagegen zu denen, die ihre Werke eher .züchten'. Und darum bildet die gesamte von mir aufgenommene Welt gleichsam die Wurzeln eines Baumes und das daraus gewachsene Werk seine Zweige und Blätter. Man kann sie zwar als neu bezeichnen, aber es sind eben dennoch Blätter, und unter diesem Gesichtspunkt sind sie immer traditio nell, alt. Den größten Einfluß auf meine Arbeit hatten Dmitri Schostakowitsch und Anton Webern. Obwohl dieser Einfluß in meiner Musik scheinbar keine Spuren hinterlassen hat, ist es doch so, daß mich diese beiden Komponisten das Wichtigste gelehrt haben: ich selbst zu sein.“ Typisch für Gubaidulinas Schaffen ist das nahe zu vollständige Fehlen von absoluter Musik. In ihren Werken gibt es fast immer etwas, das über das rein Musikalische hinausgeht. Dies kann ein dichterischer Text sein, der Musik unterlegt oder zwischen den Zeilen verborgen, ein Ritual oder irgendeine instrumentale „Aktion“. Einige ihrer Partituren zeugen von ihrer Beschäftigung mit mystischem Gedankengut und christlicher Sym bolik. Ihr literarisches Interesse ist sehr vielseitig. So vertonte sie altägyptische und persische Dichter, aber auch Lyrik des 20. Jahrhunderts. Dazu zählen Verse von Marina Zwetajewa und Gedichte von Rainer Maria Rilke ebenso wie ihre Beschäftigung mit der in Ungarn lebenden rus sischen Dichterin Rimma Dalos oder gar den deutschen Volksdichtungen. Immer ist es ein Thema aus dem Leben, das die Komponistin be schäftigt, und immer sieht sie in der musikali schen Ausdeutung ihre Aufgabe. Sofia Gubaidulina, die seit 1992 in der Nähe von Hamburg lebt, ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Freien Akademie der Künste in Hamburg sowie der Königlichen Musik akademie Stockholm. Im Jahre 1999 wurde sie in den Orden „Pour le merite” aufgenommen.