Erste Gedanken um ein Violinkonzert äußerte Sibelius schon im Jahre 1902, angeregt durch den bekannten Violinvirtuosen Willy Bur- mester. Er hatte selber Violine studiert, aller dings ohne nach ersten Erfolgen im Konzert wesen seine Begabung weiter auszubauen, kannte daher die Anforderungen und Möglich keiten dieses Instrumentes genau. Ein äußerst virtuoses Konzert entstand, das am 8. Febru ar 1904 in Helsinki mit Viktor Noväcek als Solist uraufgeführt wurde. Doch nicht nur bei der Kritik fiel das Werk durch, was wohl z.T. den unzulänglichen Leistungen des Solisten zuzuschreiben war, auch Sibelius selbst erschien eine Revision notwendig. Am 19. Oktober 1905 wurde schließlich die überarbeitete Version un ter Richard Strauss mit Karel Halif als Solisten in Berlin aufgeführt. Heute gehört das Konzert zu den Standardwerken der Violinliteratur. Weniger „finnisch“ als die 2. Sinfonie, steht es ihr mit seinen weitgeschwungenen Themen trotz allem sehr nahe und läßt sich wohl am ehesten als spätromantisch bezeichnen. So vir tuos und technisch raffiniert der Solopart ist, so wenig reißerisch ist seine Wirkung jedoch, und in keinem Takt wird die technische Leistung zum Selbstzweck. Vielmehr geht die Solovioline in ausgelassener Spielfreude auf thematischer und motivischer Ebene einen Dialog mit dem Orchester ein und hat als Träger der musikalischen Gedanken bestim menden Anteil an der sinfonisch konzipierten Anlage des Werkes. Traditionell-dreisätzig an gelegt, lebt das gesamte Konzert von der cha rakteristischen Tonsprache Sibelius’: ein dunk ler Orchesterklang, der eine reiche Dynamik vom zartesten Pianissimo bis zu den gewaltig sten Kraftausbrüchen durchmißt, eine Melodik, die der finnischen Volksmusik nahesteht, präg nante, vorwiegend synkopische Rhythmen, aus geprägte Ostinati und nicht zuletzt unerwarte te harmonische Wendungen.