gut es jüdische Insassen in deutschen Lagern hätten. Ausländischen Delegationen wurde mit beispiellosem Zynismus ein kulturvolles Lagerleben vorgeführt. Tatsächlich gab es in Theresienstadt Cafes und Konzertveranstal tungen im Rahmen einer von den Inhaftierten, darunter viele Künstler, selbst organisierten „Freizeitgestaltung“. In Wirklichkeit lebten die Inhaftierten stark beengt zusammen und wuß ten sehr bald, wohin ihr Weg sie führen würde: wie man heute weiß, in die Vernichtungslager Treblinka und Auschwitz. Auch wenn dieses Ghetto in Wirklichkeit ein Zwischenlager auf dem Weg nach Auschwitz war, konnte sich dort für eine gewisse Zeit ein kulturelles Leben entfalten. So nutzte Ullmann diese Möglichkeit, den eigenen Überlebenswillen zu manifestieren. Er war vom Arbeitsdienst be freit und u.a. als Leiter eines Studios für Neue Musik eingesetzt, das Aufführungen für die Lagerinsassen zu organisieren hatte. Es mag an ein Wunder grenzen, daß er, beständig im Angesicht des Todes lebend, in den fünfund zwanzig Monaten seiner Gefangenschaft etliche Werke komponieren konnte, die keineswegs als Klagelieder zu verstehen sind, als Ausdruck na menloser Angst, die den Alltag in Theresienstadt sehr wohl bestimmte. Für den Komponisten war es wichtig, seine Kunst dem Heute zu widmen, nicht einer fernen, ungewissen Zukunft. Er komponierte nicht für die Nachwelt, sondern wollte die Aufführungen selbst erleben. In die ser Zeit schrieb er sogar eine Oper „Der Kaiser von Atlantis“, die im Lager einstudiert werden konnte, auch wenn es schließlich zu keiner Aufführung mehr kam. Wie stark sein Lebens wille war, zeigte er noch im Spätsommer 1944 in einem Aufsatz zu „Goethe und Ghetto“: „Zu betonen ist nur, daß ich in meiner musikalischen Arbeit durch Theresienstadt gefördert und nicht etwa gehemmt worden bin, daß wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen saßen und