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Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-dur op. 15 Jahre 1798 vollendet wurde) kommt noch die gleiche offensive C-dur-Tonalität wie in der 1. Symphonie dazu. Namentlich das Lapidare, Ungekünstelte der musikalischen Sprache, die klar verlaufenden konstrukti ven Linien, die unverhüllt den formalen Kem erkennen lassen, ist beiden Werken gemeinsam. Nun fallen bei näherer Beschäftigung mit dem Konzert immer deutlicher Stellen auf, die Beethoven als einen sehr differen ziert empfindenden Künstler zeigen und uns davor warnen sollten, in ihm allein den auftrumpfenden musikalischen Jakobiner zu sehen. Die vielzitierte Löwenpranke konnte sehr wohl ihre Krallen einziehen und sanft streicheln. So erscheint am Be ginn, in der Orchester-Exposition, das marschartige 1. Thema zuerst leise; die Musik will nicht überrumpeln, sondern zum aufmerksamen Hinhören zwingen, ehe das große Tutti voll zuschlagen darf. Hat es sich gebührend präsentiert, überrascht uns eine Wendung in die Tonart Es-dur, in der, ganz gegen das Herkommen ("normal" wäre C-dur), das kantable 2. Thema sich ausbrei tet und in verschiedenen Molltonarten fort setzt. Die Durchführung von der wir das Austragen der symphonischen Spannun gen erwarten, beginnt in weich präludie rendem Es-dur und verharrt dann fast durchwegs im Bereich des Leisen, Lyri schen, ehe sie umso strahlender in die Re prise durchbricht. Mit Applomb wird dem Solisten das Sprungbrett für die Kadenz bereitet, danach führen nurmehr kurze, fi nal aufbereitete Motive zum Satzende. Das Largo versetzte Beethoven nach As-dur, jener Tonart, die er immer wieder als sanften Kontrast in c-moll-Werken be vorzugte. Flöte und Oboen haben hier ebenso zu schweigen wie Trompeten und Pauken, die weichen Klarinetten geben den Ton bei den Bläsern an. Der Satz, den man auch eine Romanze nennen könnte, ist in dreiteiliger Liedform (A-B-A) angelegt und fallt hinsichtlich seiner Proportionen durch eine ungewöhnlich lange Coda auf, die als gemütstiefer, freier Abgesang eine beglü ckende Summe des Vorangegangenen zieht. Das Final-Rondo (Allegro scher- zando) ist das triumphierende Glanzstück des Konzerts, Inkarnation eines geistvol len Übermutes, der vor Ideen zu platzen scheint. Die Pointen jagen einander, und mitunter, wenn der Humor zum Derb-Sar kastischen neigt, meint man etwas vom flä mischen Ahnenerbe Beethovens zu spü ren: Breughels deftig skurrile Gestalten könnten schelmisch ums Eck schauen. Beethoven war stolz auf dieses Kon zert und spielte es, sooft sich eine günsti ge Gelegenheit bot. Doch wollte er eine Zeitlang allein damit brillieren; so schrieb er an Breitkopf und Härtel: Es erfordert die musikalische Politik, die besten Konzerte eine Zeitlang bei sich zu behalten. Daher erfolgte die Drucklegung erst Jahre nach Fertigstellung der Komposition.