Eine bereits als „klassisch" bezeichnete Sinfonie mit festen Regeln und Satzanlage: schnell - langsam - Menuett - sehr schnell Doktormante] und viereckigem Barett mit Quaste herumzulaufen. Damit kam er sich etwas komisch vor, doch konnte er auch wieder ein Gefühl nai- I ven Stolzes nicht unterdrücken. Denn er war sich seiner bescheidenen Herkunft durchaus bewußt und hatte sich auch während der vielen Jahre, in denen er in aller Bescheidenheit seinen Herrschaf- | ten dienen mußte, niemals über seinen Stand er hoben. Nun war er zum angesehensten Kom ponisten seiner Zeit geworden und schien in der Gunst der Gesellschaft sogar Mozart überholt zu haben, zumal dieser nur wenig später sterben I sollte. Haydn jedenfalls war glücklich, empfand I Genugtuung und unterzeichnete seine Briefe fortan als „Dr. Joseph Haydn“ oder „Joseph Haydn, Doktor zu Oxford“. Sinfonie Nr. 92 G-Dur Zum Werk Obwohl diese Sinfonie nicht den großen „Lon donern“ zugerechnet wird, auch bereits früher - 1788 - entstanden ist, gehört sie dennoch zu den völlig ausgereiften Kompositionen, den späteren ebenbürtig. Die Zeit, in der unter Haydns Händen : kleine, suitenartige Gebilde entstanden, war schließlich längst vorüber, und die späterhin als „klassisch“ bezeichnete Sinfonie war völlig ent wickelt und hatte feste Regeln gefunden. So galt auch die Satzfolge als festgelegt: schnell - lang sam - Menuett - sehr schnell. Den ersten Satz kennzeichnet die „Sonatenform“ [ mit zwei Themen, die miteinander kontrastieren, „exponiert“, „durchgeführt“ und schließlich wie derholt werden. Diese Sinfonie beginnt jedoch mit einer langsamen Einleitung, die von starken Gefühlsspannungen durchpulst ist. Der zweite Satz ist schlicht und gesanglich wie ein Lied gebaut, doch unter seiner scheinbaren Ruhe herrscht wohl eine starke Erregung, und wir glau ben, nach und nach eine steigende Gefühlsbewe-