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Schweben. Im siebenjährigen Kriege wurde die russische Kaiserin Elisabeth gewonnen, am Feldzuge gegen Friedrich den Großen teilzunehmen. Damals hatten die Russen auch während einiger Tage Berlin besetzt. Elisabeths Nachfolger, Zar Peter, war dagegen ein Bewunderer des großen Königs und wollte sogar als Verbündeter desselben auftreten. Dazu kam es während der kurzen Regierung dieses Zaren, der ermordet wurde, nicht, aber seine Nachfolgerin Katha- rina hielt sich doch vom Kriege fern, womit dessen Beendi gung herbeigeführt wurde. Zar Alexander 1. von Rußland und König Friedrich Wilhelm 3. von Preußen gelobten (auf Anregung des Kaisers) 1805 am Sarge Friedrichs des Großen in Potsdam „ewige Freundschaft". In den Freiheitskriegen fochten Russen und Preußen zusammen. Kaiser Nikolaus 1. wurde der Schwiegersohn König Friedrich 3., war oft in Berlin und hatte dort bedeutenden Einfluß. Kaiser Wilhelm 1. und sein Neffe Zar Alexander 2. standen sehr intim zu ein ander. Der dritte Alexander stand Deutschland kühl gegen- über, aber der heutige Zar nannte den deutschen Kaiser, seinen Vetter, in den letzten Telegrammen noch seinen alten Freund. Im Vorjahre war er zur Hochzeitsfeier in Berlin und ließ am 18. Oktober in Leipzig die neue russische Kirche einweihen. Und nun dieser Bruch! Der Weltkrieg. vorzüglicher verlaus der deutschen Mobilmachung. Bisher ist die deutsche Mobilmachung nach amtlichen Meldungen glatt und präzis verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammenziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die ihnen zugewtesenen Plätze, das alles hat tadellos geklappt. Und was noch mehr wert ist als die glatte Durchführung der verwickelten Mobilisationsgeschäfte, die Stimmung der im Felde stehenden Leute entspricht ganz und gar dem Ernst und der Größe des Augenblicks. Mit voller Hingabe, patriotischer Begeisterung und frischer Zu versicht, aber auch mit dem heiligen Ernst, den die Stunde gebietet, ziehen sie alle hinaus, ein einig Volk von Brüdern. Und in dem gleichen Geiste wird das große Werk fortge führt und unserer gerechten Sache am Ende zum Siege ver helfen werden; denn wie seine herrliche Wehrmacht, so fühlt und denkt jeder Mann und jede Frau im deutschen Vater lande. kriegsbegeisternng der Schleswig-Holste er und Elsaß-Lolhrlnger. Die Stimmung der Bevölkerung der Reichslande, namentlich des Elsaß, ist vorzüglich. Die Truppen werden bet ihren Durchzügen mit Hellem Jubel begrüßt. Die elsässische Presse aller Parteirichtungen er kennt an, daß Deutschland einen gerechten Krieg führt und fordert die Soldaten auf, keinen Flecken auf den Ehrenschild des elsässischen Soldatenruhmes kommen zu lassen. Die Kriegsbegetsterung der Bewohner des meerumschlungenen Schleswig-Holstein unterscheidet sich von derjenigen der Binnenländer. Die ruhige, besonnene Art der Leute gibt auch ihrer Kriegsstimmung etwas Kerniges und Festes. „Wenn't sin mutt, könt wie det nicht ännern", sagt der Bauer und verläßt das Feld, um in eiserner Entschlossen heit zu Säbel und Gewehr zu greifen. Der Kriegszustand mit Frankreich. Der deutsche Botschafter in Paris, Freiherr v. Schön, wurde abberufen und kehrte in die Heimat zurück. Gleich zeitig verließ der französische Botschafter Cambon Berlin. Wie dem russischen Botschafter so war auch ihm von der Reichsregierung ein Extrazug bis zur Landesgrenze zur Ver fügung gestellt worden. Frankreich hatte seine Zusage, eine Zone von zehn Kilometern unbesetzt zu halten, gebrochen, mehrere deutsche Orte besetzen und durch Flieger Bomben werfen lassen. Damit war der Kriegszustand eröffnet und Deutschland zur Sicherheit des Reichs zur Gegenwehr ge nötigt worden. Der bisherige deutsche Botschafter in Peters-' bürg Graf Pourtales übertrug den Schutz der Deutschen in Rußland dem dortigen amerikanischen Botschafter und traf über Stockholm auf einem Dampfer mit amerikanischer Flagge in der Heimat ein. Helgoland Marinesestung. Die Ausquartierung der 1000 Köpfe starken Zivilbevölkerung Helgolands und deren Unterbringung in Altona ist die erste vorbereitende Maß- nähme gegen eine etwaige kriegerische Aktion Englands, über dessen Haltung noch immer Ungewißheit herrscht. Schutz Krupps vor feindlichen Flugzeugen. Nach Bekanntmachung des Essener Polizeipräsidenten sind die zum Schutz der Kruppschen Werke auf dem Turm des Hauptver waltungsgebäudes aufgestellten Luftfahrzeug-Abwehrgeschütze militärisch besetzt und schußbereit, um gegebenenfalls feind liche Luftschiffe und Flugzeuge zu beschießen. Vor Beginn der Beschießung werden mit den Dampfsirenen der Fabrik kurz hintereinander zehn Warnungspfiffe abgegeben. Jeder mann wird auf dieses Signal hin aufgefordert, zu feinem Schutz gegen herabfallende Sprengstücke und Geschosse schleunigst die nächstliegende Deckung (Häuser, Hallen, Werk stätten usw.) solange aufzusuchen, bis durch das lang an haltende Signal der Sirenen (wie zu Beginn und Ende der Arbeitszeit) die Einstellung des Feuers angezeigt wird. Holland neutral. Der deutsche Gesandte im Haag gab die offizielle Erklärung ab, Deutschland werde an die Niederlande kein Ultimatum stellen und deren Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß sie von den Holländern auf das genaueste beobachtet wird. Da Holland bereits das überfliegen seines Gebiets durch französische Flieger zuließ, jedenfalls nicht verhinderte, so wird es zur Verhütung ähn licher Völkerrechtsoerletzungen sehr sorgfältige Vorkehrungen zu treffen haben. — Die holländische Kammer nahm einen Regierungsentwurf an, wonach Holland die Mobilisierung vornimmt, um seine Neutralität mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Der Ministerpräsident erklärte, die holländische Regierung werde gern eine Aktion zur Wiederherstellung des Friedens einleiten, sobald die Umstände einen Erfolg solcher Aktion versprechen. Der russische Generalissimus, Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch, wurde am 16. November 1856 als Sohn des Großfürsten Nikolaus, Bruder des Zaren Alexander 2., und der Herzogin Alexandra von Oldenburg geboren. Der 1891 verstorbene Großfürst" Nikolaus war im Türkenkriege 1877 russischer Oberbefehlshaber. Nikolaus Nikolajewitsch ist General der Kavallerie, Präsident des Staatsverteidigungs rats und Befehlshaber des Petersburger Militärbezirks. Vor Jahren wurde er zum Chef des Magdeburger Husaren regiments Nr. 10 ernannt. Vermählt ist der Großfürst mit Anastasia, geschiedenen Fürstin Romanowsky, geborenen Prinzessin von Montenegro, die vor Jahr und Tag durch ihre berühmt gewordene Geste ihrer Liebe zu Frankreich Ausdruck gab. Die Berliner Theater und der Krieg. Verschiedene Theater haben ihre Räume noch geöffnet, aber nur wenig Publikum erscheint. Im Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater beispielsweise waren zu einer Vorstellung ganze 7 Mann erschienen. Das Theater des Westens mußte die Wagner- Aufführungen fallen lassen, da die Sänger meist eingezogen waren. Walther Kirchhof, der berühmte Heldentenor der Hofoper, rückte als Offizier zu seinem Metzer Dragoner regiment ab. Auch andere Mitglieder der Oper stellten sich ihren Truppenteilen. And alle, alle kommen! Der Sohn und die beiden Schwiegersöhne Ludwig Ganghofers, des Lieblingsschrift stellers unseres Kaisers, sind zu den Fahnen geeilt. Am Tage darauf erschien der Dichter selbst auf dem Münchener Bezirkskommando und ersuchte, auch ihm einen Platz im Heere, das gegen Rußland ziehe, anzuweisen. Den Ein wand, daß er schon zu alt sei — er steht im 60. Lebens jahr — ließ Ganghofer, der auch ein ausgezeichneter Jäger ist, nicht gelten. Sein Wunsch wird demnächst wohl erfüllt werden. Von der Feldpost. Die Feldpost, die im 1866 er Kriege täglich etwa 30 000 Briefe, 1870 ein Gebiet von etwa 170 000 Quadratkilometern mit ihren Einrichtungen versehen hatte, wird auch im jetzigen Kriege eine groß« Rolle spielen. Generalpostmeister Stephan würde staunen, wenn er sähe, wie sich seine Einrichtung (die allerdings schon bei Friedrich dem Großen ihren Ursprung hat) durch den Automobildienst vervollkommnet hat. Die Benutzung der Feldpost ist für die Soldaten natürlich frei. Wahrheit oder Dichtung? Ein von der russischen Grenze kommender Herr (Hallenser) berichtet, daß etwa 800—1000 russische Soldaten mit 7 Offizieren über die Grenze gegangen sind und auf preußischem Gebiet die Waffen wegqeworsen haben. Drei russische Offiziere sind von den verfolgenden Russen erschossen worden, 4 mit dem Auto entkommen. Die Arbeit daheim. Vie Kaiserin und Kronprinzessin Cecilie haben sich an die Spitze des Roten Kreuzes gestellt. Das Rote Kreuz ist gut gerüstet; die weiterhin erforderlichen Geld mittel, namentlich zum Betriebe der zahlreich vorgesehenen Vereinslazarette, Verband- und Erfrischungsstellen, Ge nesungsheime, zur Beschaffung des späteren Bedarfs ar. Verbandsmaterialien, Arzneien, Wäschestücken usw. sollen durch Aufrufe zu freiwilligen Spenden zusammengebracht werden. Der Kaiser hat die königlichen Schlösser in Straß burg i. Els., Wiesbaden, Königsberg und Koblenz zur Auf nahme von Verwundeten und Erkrankten dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. Die Liebeskätigkeik für unsere braven Truppen hat in weitem Umfang bereits eingesetzt. Auf den Bahnhöfen werden den Soldaten Kaffee mit Milch und Zucker, ge strichene Brötchen und belegte Butterbrote gereicht. Der Bahnhofswirt vom Schlesischen Bahnhof in Berlin ordnete an, daß den Soldaten alles, waS sie wünschten, unentgeltlich verabreicht werden solle. Eine ganze Reihe von Haus wirten in den Städten hat den Familien der Eingezogenen die Miete für die Dauer deS Krieges erlassen. Vie Gyr naflasten als Kriegsfreiwillige, überall strömt die Jugend, insonderheit die Gymnasiasten der höheren Klassen, zu den Fahnen. Aber von denen, die sich gemeldet haben, kommt nur ein sehr kleiner Teil zur Einstellung, da mindestens vorläufig die Ansprüche an di« Festigkeit und Gereiftheit der körperlichen Konstitution gleich streng wie im Frieden sind. Meist fehlt es an der Brustwette, oft auch an Gleichmäßigkeit der Sehschärfe. Die Aeberlastung des Telegrammverkehrs lu Ber lin war in den letzten Tagen eine ganz unglaubliche. So teilt die „Berl. Zeitung" mit, baß eine am letzten Freitag aufgelieserte Pressedepesche am Sonntag Mittag noch nicht Berlin verlassen hatte. In wenigen Tagen ist die Wieder herstellung deS normalen Zustandes zu erwarten. Vie Kriegsmlüiarden. Der Kriegskredit von 6000 Millionen Mark, der genau die Höhe der fünf Milliarden Kriegslasten darstellt, die Frankreich an Deutschland zu zahlen hatte, soll nicht mit einem Male auS dem Geldmarkt herausgehoben werden, sondern stellt nur die Grenze der Bewilligung dar. Es wird davon zunächst riur eine Milliarde flüssig gemacht werden, und zwar nicht auf dem Wege einer Anleihe, die zur Zeit unter ungünstigen Be- digungen ausgenommen werden müßte, sondern durch die Begebung von Wechseln, die die Reichsbank und Privat banken diskontieren werden. —. Reue Bombenwürfe französischer Flieger erfolgten über Chemnitz und Frankfurt a. M. Die Aeroplane wurden beschossen, aber leider ohne Erfolg. Die Bomben richteten keinen Schaden an. Auf der Landstraße von Bad Nauheim nach Frankfurt a. M. wurden 20 französische Automobile angehalten und die Insassen, Reisende, verhaftet. Vie russischen Slaalsgulhaben in Berlin beschlag nahmt. Die bei dem Bankhause Mendelssohn u. Co. und den anderen Berliner Bankverbindungen der russischen Re gierung ruhenden Staatsguthaben sind laut „Tägl. Rdsch." von der Reichsregierung mit Beschlag belegt worden. Wie weit aus diesen Mitteln der Kupondienst für russische Staatsanleihen etwa weiter bestritten werden darf, werden die Reichsbehörden zu entscheiden haben. Panik in Paris. Ein aus Paris geflüchteter Deutscher versicherte laut „Berl. Ztg.", in Paris sei eine Panik aus gebrochen. Männer und Frauen weinten laut und die Menge rief: „Wir wollen keinen Krieg!" Bet der Abfahrt von dem Pariser Bahnhof harrten 20000 Leute ihrer Be förderung. Um Plätze im Zug entspannen sich förmliche Kämpfe. An der belgischen Grenze waren die Schienen ausgerissen, die Passagiere mußten 6 Kilometer Weg zu Fuß laufen. Viele Passagiere waren 22 Stunden ohne Nahrung, und manche hatten nur gerettet, was sie am Leibe trugen. Italiens Stellungnahme. Der Ministerrat in Nam erklärte, Italien befinde sich mit allen Kriegführenden im Friedenszustande und beobachte daher die Pflichten der Neutralität. Halbamtlich wurde die Einberufung der Re- servisten der Jahrgänge 1889 und 1890 und der Mann- schäften der Marine angekündiot, außerdem die Einberufung von sieben Jahrgängen Unteroffiziere und dem ganzen kriegs dienstpflichtigen Signalpersonal. Ist das ein ehrlicher Krieg? i Diese Frage wird und muß heute aufgeworfen werden, und sie ist mit einem runden „Rein" zu beantworten. Was wir schon in diesen wenigen Tagen erlebt haben, das ge nügt, um zu sagen, hier wird mit Verbrechen gearbeitet; das ist kein redliches, ehrliches Fechten, das ist, als ob eine Horde von Frevlern auf uns losgelassen worden wäre. Man hat wohl spöttisch von „Brunnenoergistung" ge sprochen; aber daß sie von Vertretern der „großen und edlen französischen Nation" auf deutschem Boden auszuüben versucht worden ist, das hat doch niemand für möglich ge halten. Deutschland wird nicht in diesem Sinne handeln, dazu sind wir zu vornehm, wir „Barbaren", wie die Pariser Presse schreit Rußland wie Frankreich haben unter Mißachtung des Völkerrechts den Krieg begonnen. So haben nicht einmal die kleinen Balkanraubstaaten im Herbst 1912 gehandelt. Man hat beinahe die Empfindung, als ob es Franzosen und Bussen heute darauf ankäme, das Deutsche Reich von der Landkarte wegzuwischen. Und dem entspricht auch die Haltung des Zaren Nikolaus. Es gibt, wie die von der Reichsregierung veröffentlichten Depeschen deS russischen wie des deutschen Kaisers beweisen, nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben die russischen Machthaber ihren Zaren der freien Selbstbestimmung im kritischen Moment beraubt, das heißt, eigenmächtig gehandelt, ohne den Herrscher zu fragen, oder aber Zar Rikolaus Hal sein dem deutschen Kaiser, feinem Freunde, gegebenes versprechen nicht gehalten. Nach den Beweisstücken ist es Tatsache, daß Kaiser Wilhelm mit Wissen des Zaren zwischen Rußland und Oster- reich vermittelt hat. Am letzten Freitag depeschierte Zar Nikolaus dem Kaiser, Rußland werde keine herausfor dernde Aktion unternehmen, so lange die Verhandlungen über Österreich und Serbien andauern. Er unterzeichnet: „Dein Dir herzlich ergebener Nikolaus!" Und nun tele- graphiert Kaiser Wilhelm ergreifend, daß er immer Rußlands Freund gewesen sei nach der Mahnung seines verewigten Großvaters, daß er namentlich wäh- rend des Japankrieges der Freund des Zarenreiches ge wesen. Aber schon vorher hatten der „herzlichst ergebene Nikolaus" oder die Machthaber die Mobilmachung der russischen Armee angeordnet — gegen Deutschland, dem Rußland zu so hohem Dank verpflichtet war. Ist es den Berlinern zu verdenken, wenn sie bei der Abreise des russischen Botschafters „Pfui" riefen. Nach diesem Depeschenwechsel fragte die deutsche Reichs- regterung zum letzten Male an: „Rußland, was bedeuten Deine Maßnahmen?" Es kam keine Antwort. Noch zu milde drückte sich der Reichskanzler aus, wenn er in Peters burg erklären ließ, Deutschland nimmt die Heraus forderung an und betrachtet sich als im Kriege mit Ruß land. Uns mutete man von Petersburg zu, wir sollten unseren Verbündeten Osterreich-Ungarn nötigen, seine Schritte gegen das serbische Mordgesindel aufzugeben. Hätte man von Wien aus nicht durchgegriffen, Osterreich-Ungarn und Deutschland mit wären von allen Deutschfeinden ausgelacht, und der Krieg wäre doch gekommen. Dem Zaren tun die Serben leid; dann könnte er auch die sein eigenes Leben bedrohenden russischen Nihilisten gewähren lassen. Ob es russische oder serbische Bomben sind, das ist am Ende egal. Und nun wollen wir einen kleinen Zukunfts-Ausblick tun. Wird etwa das drille Mitglied des Dreiverbandes, England, dem Beispiel seiner Freunde Frankreich und Rußland folgen? Der Londoner Minister Grey ist ein Mann, dec die Interessen seines Landes sehr nachdrücklich zu wahren weiß, aber wir denken vom König Georg, seiner Regierung und der englischen Nation doch zu hoch, als daß wir annehmen sollten, auch England könnte ohne triftige Veranlassung auf uns losstürzen. Nicht unmöglich ist, daß die britische Politik versuchen wird, im gegebenen Moment eine Generalabrechnung mit Frankreich zu hintertreiben, aber das wäre immer noch etwas anderes, als ein plötzlicher Überfall. Geschieht das, so wird der Dreibund auch mit dieser letzten Entscheidung sich abfinden müssen. Die Welt wird widerhallen vom Kampfgetöse, aber wo das Recht gilt, da muß es auch seinen schließlichen Sieg erringen. Darauf bauen wir! England soll inzwischen Deutschland Len Krieg er klärt haben. Vie polnische SvzlaldemorraNe gegen den Zaris mus. Die polnisch-sozialdemokratische Partei, deren Leitung in Krakau ihren Sitz hat, erließ einen Aufruf, in dem der Kampf gegen den russischen Zaren für heiligste Pflicht erklärt wurde. Im befehlen russischen Gebiet. In Berlin riefen die Zeitungsoerkäufer, als die Nach richt von der Besetzung der ersten russischen Städte eintraf: „Erster Sieg der Deutschen! Vier russische Städte einge- nommen!" Nun, „eingenommen" ist nicht der rechte Aus druck, die Städte wurden ohne besonderen Kampf besetzt. Es handelt sich bei diesen Ereignissen nur um Grenzvorfälle, die dem eigentlichen Aufmarsch vorauszugehen pflegen. Kalisch trägt den echten Typus der russischen Grenzstadt. Kleingewerbe und Landwirtschaft überwiegen in der er werbstätigen Bevölkerung. Man hat wenig bisher von Kalisch gehört, das jetzt zum größten Teil in Schutt liegt, nachdem die abziehenden Russen eS in Brand gesteckt hatten. Das gleichfalls von den Deutschen besetzte Czenstochau ist dagegen in der ganzen slawischen Welt hochberühmt. Das Kloster Czenstochau beherbergt ja „die schwarze Mutter Gottes", um die sich allerlei Legenden ranken, und die den Gegenstand vieler Wallfahrten bildet, überaus kostbar ist der Juwelenschmuck des Muttergottesbildes. Allerdings wurde dieser vor drei Jahren arg geplündert, nur weit gehende Opferwilligkeit ersetzte den Schaden. Die Landschaft der von unseren Truppen besetzten Ge biete ist, abgesehen von Czenstochau, einförmig. Weit dehnt sich das Flachland, ab und zu durch Wälder unterbrochen. Die Dörfer sind klein und bestehen meist aus geringwertigen Lehmkaten. Meist wird polnisch gesprochen, doch auch viel deutsch, da in Friedenszeiten der Grenzverkehr reger ist, als man gemeinhin glaubt.