zwei Tonfolgen fort, gestützt von einem unerbittlich pochenden Orgel punkt in den Bässen. Die sich anschließende Exposition ist bereits von motivisch-thematischer Arbeit geprägt - die klassische funktionale Tren nung von Exposition, Durchführung und Reprise besteht nicht mehr, ebenso wird der Dualismus von Haupt- und Seitenthema, bedingt durch die motivische Einheit, nurmehr angedeutet. Eine gesteigerte Intensität der Aussage erlangt Priorität vor der Erfüllung herkömmlicher formaler Ansprüche. Die Mittelsätze, die Brahms aus Gründen der Gewichtung noch in letzter Minute kürzte, setzen sich durch kammermusikalische Inti mität von den Ecksätzen ab. Ihrer substanziellen Verbundenheit stehen kontrastierende Eigenarten gegenüber. Das Andante sostenuto zeichnet sich durch weit geschwungene Kantilenen und melancholische Stimmung aus; der graziös instrumentierte dritte Satz weist hingegen Intermezzo- Charakter auf. Im Finale dominieren emphatische Entwicklungszüge, die sich aus der langsamen Einleitung (Entsprechung zum Kopfsatz!) - mit ihrem berühmten, auf einer Alphornmelodie basierenden Hornthema - heraus entfalten. Dabei schöpft Brahms sowohl atmosphärisch als auch motivisch aus den vorangegangenen Sätzen. Solcherart betont er die zyklische Anlage seiner 1. Sinfonie, die er mit einer drängenden Stretta in blühender Klangfülle zu einem furiosen Ende führt. Egbert Hiller Der Autor: Egbert Hiller, Musikwissenschaftler und Musikjournalist (Radio und Printmedien), Promotion über die Zweite Wiener Schule, lebt und arbeitet in Köln.